Heft 95 - Lernen & Lehren
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Schwerpunktthema: Messen und Diagnose als Gegenstand beruflicher Arbeits- und Lernprozesse<br />
Jens Heide<br />
Einleitung<br />
In der Luftfahrttechnik spielen Sicherheit<br />
– dann aber auch Kosten – eine<br />
herausragende Rolle. Luftfahrzeuge<br />
haben aus Gründen des Korrosionsschutzes<br />
und der Ästhetik durchweg<br />
Lackanstriche. Die Lacksysteme wurden<br />
im Laufe der Zeit für Metallwerkstoffe<br />
entwickelt und sind heute noch<br />
nicht in jedem Fall den in letzter Zeit<br />
eingeführten Faserverbundwerkstoffen<br />
(Composite) angepasst. Bei Nichtroutine-Untersuchungen<br />
während der Wartung<br />
und Überholung von Luftfahrzeugen<br />
stellt man fest, dass Lackschäden<br />
speziell an Bauteilen aus Compositen<br />
in stärkerem Maße auftreten als bei<br />
Metallstrukturen. Eine Folge von solchen<br />
Schäden kann sein, dass Wasser<br />
in das Composite-Bauteil eindringt und<br />
durch das Wechselspiel von Gefrieren<br />
in großen Flughöhen und Auftauen<br />
am Boden zur Zerstörung des Bauteils<br />
führen kann. Aus diesem Grund<br />
müssen auch Lackschäden frühzeitig<br />
erkannt und behoben werden.<br />
Voraussetzungen für<br />
einen luftfahrttechnischen<br />
Instandhaltungsbetrieb<br />
Im Leben eines Luftfahrzeugs spielen<br />
Wartung und Überholung eine entscheidende<br />
Rolle, es muss ein sicherer<br />
Flugbetrieb gewährleistet werden. Einsichtig<br />
ist dies besonders, da man anders<br />
als beim Auto oder bei der Eisenbahn<br />
im Falle eines Defektes zur Ursachenerkennung<br />
nicht einfach anhalten<br />
und nachsehen kann. Für den Betreiber<br />
eines Luftfahrzeugs sind deshalb<br />
Wartungs- und Überholungsintervalle<br />
sowie Art und Umfang der durchzuführenden<br />
Kontrollen und Folgemaßnahmen<br />
bis ins Detail festgelegt. Nur<br />
zugelassene Instandhaltungsbetriebe<br />
(MRO = maintenance, repair and overhaul)<br />
dürfen diese Arbeiten ausführen.<br />
In der Bundesrepublik Deutsch-<br />
Werkstofftechnische<br />
Nichtroutine-Untersuchungen<br />
in der Flugzeugüberholung<br />
land werden Instandhaltungsbetriebe<br />
durch das Luftfahrt-Bundesamt (LBA)<br />
in Braunschweig genehmigt und überwacht.<br />
Die Ausbildung, Prüfung und<br />
Lizenzierung des Luftfahrtpersonals<br />
ist ebenfalls dem LBA nachzuweisen.<br />
Darüber hinaus kann ein luftfahrttechnischer<br />
Betrieb die Genehmigung als<br />
Entwicklungsbetrieb erhalten. Dieser<br />
Betrieb ist dann berechtigt, in einem<br />
festgelegten Rahmen eigene Entwicklungen<br />
an bestehenden Flugzeugmustern<br />
unabhängig vom Hersteller<br />
(OEM = Original Equipment Manufacturer,<br />
z. B. Airbus oder Boeing) durchzuführen.<br />
Wenn die technischen, personellen<br />
und rechtlichen Voraussetzungen erfüllt<br />
sind, kann ein luftfahrttechnischer<br />
Instandhaltungsbetrieb auf dem Markt<br />
agieren.<br />
Flugzeuginstandhaltung<br />
und Inspektionen<br />
Die Flugzeuginstandhaltung wird nach<br />
einem Instandhaltungsprogramm<br />
durchgeführt. Man unterteilt die geplanten<br />
Überprüfungen üblicherweise<br />
nach Intervall und Arbeitspaket in so<br />
genannte A-, B-, C- und D-Checks.<br />
Andere Checks sind auch möglich,<br />
die Intervalle werden je nach Flugzeugmuster<br />
vom OEM festgelegt. A-,<br />
B- und C-Checks sind dabei Teil der<br />
Wartung. Hier werden kleinere Arbeiten<br />
durchgeführt, die in einer üblichen<br />
Halle erledigt werden können.<br />
Der D-Check hingegen beinhaltet eine<br />
komplette Grundüberholung. Sie findet<br />
üblicherweise alle fünf bis sechs Jahre<br />
statt. Der Termin für den D-Check ist<br />
dabei auch davon abhängig, welches<br />
Limit zuerst erreicht wird: Anzahl der<br />
Flugstunden bei Langstreckenflugzeugen<br />
oder Anzahl der Starts und Landungen<br />
bei Kurzstreckenflugzeugen.<br />
Beim D-Check wird das Flugzeug bis<br />
auf die Grundstruktur zerlegt. Je nach<br />
Zustand erfolgt hierbei auch eine Neulackierung.<br />
Unabhängig von allen genannten<br />
Routinechecks können Kontrollen<br />
oder Untersuchungen, auch bei auftretenden<br />
Schäden, erforderlich sein.<br />
Hierbei spielt das Labor der Zentralen<br />
Werkstofftechnik eine wichtige Rolle.<br />
Ablauf einer werkstofftechnischen<br />
Nichtroutine-<br />
Untersuchung am Beispiel<br />
eines Lackschadens<br />
Problemstellung<br />
Ist eine nichtroutinemäßige Kontrolle<br />
notwendig, gilt es zunächst, die Problemstellung<br />
genau einzugrenzen und<br />
zu beschreiben, um zu entscheiden,<br />
welche Untersuchungen erforderlich<br />
sind, um unnötige und möglicherweise<br />
teure Analysen zu vermeiden.<br />
Sind Proben notwendig, die im metallografischen<br />
Labor (in der Metallografie)<br />
untersucht werden sollen, durchlaufen<br />
sie in der Regel einen festgelegten<br />
Präparationsplan. Wichtig dabei<br />
ist immer die entsprechende Dokumentierung<br />
der Arbeitsschritte. Die<br />
Vorgehensweise einer Untersuchung<br />
folgt dabei stets der Systematik: vom<br />
Überblick zum Detail.<br />
Der Ablauf wird im Folgenden am<br />
Beispiel eines Lackschadens an einer<br />
Triebwerksverkleidung (Cowling)<br />
beschrieben. Moderne Triebwerksverkleidungen<br />
(Cowlings) sind aus Hochleistungsverbundwerkstoffen(Composite)<br />
aufgebaut. Zum Schutz vor Witterungseinflüssen<br />
und aus optischen<br />
Gründen – hier hat jeder Flugzeughalter<br />
spezielle Designvorgaben – werden<br />
die Cowlings mit einem Lacksystem<br />
versehen.<br />
108 lernen & lehren (l&l) (2009) <strong>95</strong>