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Heft 95 - Lernen & Lehren

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Schwerpunktthema: Messen und Diagnose als Gegenstand beruflicher Arbeits- und Lernprozesse<br />

Diese drei Angaben sind aber in der<br />

Regel über ein Bediengerät der Heizung<br />

von technisch versierten Kunden<br />

leicht feststellbar und bilden dann eine<br />

Informationsbasis für die Diagnose.<br />

Eine solche Problemstellung ist eine<br />

typische Diagnoseaufgabe für Anlagenmechanikerinnen<br />

und -mechaniker<br />

für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik.<br />

Wie kommt man diesem Fehler auf die<br />

Spur? Die Lösung des Diagnoseproblems<br />

ist im Ergebnis simpel und leicht<br />

nachvollziehbar. 1 Für denjenigen, der<br />

mit diesem Problem konfrontiert wird,<br />

ist jedoch ein systematisches Vorgehen<br />

nach einer Diagnosestrategie erforderlich.<br />

Mit „Systematik“ ist allerdings<br />

nicht unbedingt ein Fehlersuchplan<br />

gemeint, der abzuarbeiten ist.<br />

Vielmehr geht es zunächst um die Bestimmung<br />

eines geeigneten Diagnosewegs<br />

zur Eingrenzung des Suchraums<br />

(vgl. Abb. 1). Dabei spielen in der<br />

Facharbeit die Intuition (FISCHER 2000),<br />

ein subjektivierendes Arbeitshandeln<br />

und komplexe sinnliche Wahrnehmungen<br />

(BÖHLE/SCHULZE 1997; BAUER U. A.<br />

2002) sowie eine nicht-formalisierbare<br />

Rationalität (BECKER 2003, S. 247) eine<br />

entscheidende Rolle.<br />

Ein möglicher Weg der Unterstützung<br />

des Diagnoseprozesses ist, Hypothesen<br />

aufzustellen („es ist Luft in der Anlage“;<br />

„die Vorlaufpumpe ist defekt“<br />

…); ein anderer, Erklärungen für das<br />

Problem zu suchen: „Wenn die Heizkörper<br />

nicht warm werden, dann ist<br />

kein heißes Wasser in ihnen. Wenn<br />

kein heißes Wasser im Heizkörper ist,<br />

dann wird dieses nicht dorthin gepumpt<br />

…“.<br />

Bewegt man sich bei den Erklärungsversuchen<br />

von einer (möglichen) Fehlerursache<br />

zum Fehlersymptom, bezeichnet<br />

man diese Diagnosestrategie<br />

als Vorwärtsstrategie oder Vorwärtsverkettung<br />

(weil Erklärungsregeln miteinander<br />

verkettet werden). Geht man<br />

vom Fehlersymptom aus (Heizkörper<br />

werden nicht warm) und überprüft die<br />

Regeln, welche dieses Ziel bestätigen,<br />

nennt man dies Rückwärtsstrategie.<br />

Diese beiden Strategien sind algorithmische<br />

Strategien der Struktur „Wenn<br />

…, dann …“, die bei der Anwendung<br />

zu Fehlerbäumen führen (vgl. VDI<br />

2889, S. 3).<br />

Zur Überprüfung von Hypothesen setzt<br />

man auf fallbasierte oder modellbasierte<br />

Diagnosestrategien (vgl. BECKER/<br />

SPÖTTL 2002, S. 124 ff.; BECKER 2003,<br />

S. 200 ff.) und seit jüngerer Zeit sogar<br />

auf immobile Roboter (vereinfacht:<br />

„Roboter in der Diagnosesoftware der<br />

Anlage/des Systems“; vgl. BECKER<br />

2005a). Bei der fallbasierten Diagnosestrategie<br />

überprüft man die Hypothese<br />

vor dem Hintergrund der Kenntnis<br />

von bekannten Fällen (z. B. nach<br />

Häufigkeit von Fehlerursachen in der<br />

Vergangenheit); bei der modellbasierten<br />

Diagnosestrategie mithilfe eines<br />

Modells, welches das Funktionieren<br />

der Anlage/des Systems abbildet.<br />

Die Anwendbarkeit der genannten<br />

Basisstrategien (Vorwärtsstrategie,<br />

Rückwärtsstrategie, fallbasierte und<br />

modellbasierte Strategie) im Diagnoseprozess<br />

(vgl. Abb. 1) hängt von der<br />

Komplexität der Diagnoseaufgabe ab.<br />

Dabei soll auch nicht unerwähnt bleiben,<br />

dass Ad-hoc-Strategien (Versuch<br />

und Irrtum) auch heute noch in der<br />

Facharbeit zur Anwendung kommen.<br />

Abb. 1: Diagnoseprozess<br />

Bei der Umsetzung einer Diagnosestrategie<br />

kommt es im Fehlersuchprozess<br />

in den meisten Diagnoseschritten<br />

zur Anwendung der „klassischen“ Diagnosemethoden<br />

„Messen“ und „Prüfen“.<br />

Diese lassen sich allerdings erst<br />

anwenden, wenn ein klarer Prüfplan<br />

vorliegt, der sich wiederum auf prüfbare<br />

Komponenten bezieht.<br />

Messen und Prüfen als klassische<br />

Diagnosemethoden in der<br />

Facharbeit<br />

Das „Messen“ ist die zentrale Tätigkeit<br />

innerhalb eines Diagnoseprozesses.<br />

Anhand von Messergebnissen entscheidet<br />

sich in der Regel, wie weiter<br />

vorgegangen werden soll, und die<br />

Interpretation des Messergebnisses<br />

führt meist zur Bestimmung der Fehlerursache.<br />

Messen heißt zunächst nur,<br />

eine physikalische Größe nach Zahl<br />

und Einheit festzustellen (Vergleich der<br />

zu messenden Größe mit einer Maßskala;<br />

vgl. DIN 1319). Demgegenüber<br />

enthält das Prüfen den Vergleich des<br />

Messergebnisses mit vorgegebenen<br />

Werten (Soll-Werten). Für viele Aufgaben<br />

in der Diagnose existieren keine<br />

Maßzahlen für das Messergebnis<br />

(Gerüche, Eindrücke, optische Wahrnehmung:<br />

Aussehen). Der Vergleich<br />

wird auf der Basis von Erfahrung und<br />

Routine vorgenommen. Auch wenn<br />

theoretisch Messungen möglich wären,<br />

aber sich diese praktisch als zu<br />

komplex darstellen (wie etwa bei der<br />

Geräuschmessung), werden Zusammenhänge<br />

von Facharbeitern als ein<br />

„Bild“ vom Diagnoseproblem bewertet,<br />

und der Diagnoseprozess wird<br />

dadurch angeleitet. Das festgestellte<br />

Bild muss zur verinnerlichten Vorstellung<br />

über das richtige „Bild“ passen.<br />

Dies gilt auch, wenn zum Teil Messergebnisse<br />

vorliegen, diese aber zur<br />

102 lernen & lehren (l&l) (2009) <strong>95</strong>

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