Weleda Nachrichten 247, Michaeli 2008 PDF-Download
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trie sowie zahllosen Vorbildern<br />
für technische Lösungen. Ökosysteme<br />
sind eigentlich die<br />
Grundpfeiler unserer Kultur –<br />
im Wechselspiel mit ihnen formen<br />
wir überzeugungen und<br />
Weltanschauungen.<br />
Was ist die natur wert?<br />
im Gegensatz zu Gütern,<br />
die für Geld gekauft und<br />
verkauft werden, haben viele<br />
«Ökosystem dienstleistungen»<br />
keine offen ersichtlichen Preise.<br />
Was die natur bereit stellt, wird<br />
fälschlicherweise als Gratiszugabe<br />
behandelt – gratis und in<br />
unbegrenzter Menge zur Verfügung<br />
stehend. Das führt dazu,<br />
dass Länder ihre Wälder für<br />
den Holzexport kahl schlagen<br />
lassen, um reicher zu werden –<br />
reicher auf kurze sicht.<br />
es wird eifrig mit Zahlen<br />
spekuliert: Der geschätzte Wert<br />
der noch zu entdeckenden Heilpflanzen<br />
aus dem regenwald<br />
soll sich auf kaum fassbare<br />
147 Milliarden us-Dollar<br />
be laufen. so liegt der schluss<br />
nahe, dass Artenvielfalt gerade<br />
deshalb verloren geht, weil<br />
es keine bewertung der natur<br />
gibt. Diese sichtweise greift<br />
aber zu kurz. Denn Vielfalt ist<br />
jenseits menschlicher interessen<br />
ein Wert an sich. und<br />
doch tun wir auch aus gesundem<br />
eigeninteresse gut daran,<br />
nicht auf einfalt zu setzen: Die<br />
irische Hungersnot, der Mitte<br />
des 19. Jahrhunderts eine Million<br />
Menschen zum Opfer fielen,<br />
weil die Kartoffelfäule die<br />
wichtigste nahrungsgrundlage<br />
zerstörte, ist nur ein tragischer<br />
beweis unter vielen.<br />
Vielfalt ist mehr.<br />
sie ist eine intelligente<br />
strategie<br />
der natur, eine<br />
Lebensversicherung<br />
für das Lebendige: Geht<br />
etwas schief, sind nicht immer<br />
alle betroffen. Der bio-Landbau<br />
macht sich das seit Jahrzehnten<br />
zunutze: im Obstbau sät<br />
man viele begleitkräuter, die<br />
nützlinge anziehen. Diese helfen<br />
bei der schädlingsregulierung.<br />
Pflanzt man Obstsorten<br />
in einer Mischkultur, haben<br />
Krankheitserreger, die auf<br />
eine bestimmt Art «spezialisiert»<br />
sind, weniger chancen,<br />
ihr unwesen zu treiben. Denn<br />
natürliche Vielfalt ist wie ein<br />
weit gespanntes netz, das die<br />
balance hält. einen weiteren<br />
beleg für die Wirksamkeit dieses<br />
Prinzips finden wir bei der<br />
sexuellen Fortpflanzung. Dank<br />
dieser gibt es keine zwei individuen<br />
mit gleichem immunsystem<br />
– Krankheitserreger<br />
haben es folglich viel schwerer,<br />
sich anzupassen. seuchen und<br />
Katas trophen gibt es dennoch<br />
in der natürlichen umwelt,<br />
ihre Auswirkungen werden<br />
aber leichter selbst reguliert.<br />
ganzheit ist nicht etwas<br />
Zweitrangiges<br />
Wir sind gewohnt, Probleme<br />
denkend zu zerlegen.<br />
Wissenschaft und Wirtschaft<br />
sind durch Analyse und Aufgabenteilung<br />
gross und mächtig<br />
«Ich komme von Sinnen, wenn die Wunder nicht bald<br />
aufhören», rief Alexander von Humboldt aus, als er 1799<br />
zum ersten Mal den Regenwald Südamerikas betrat.<br />
essay<br />
geworden. Jetzt<br />
aber zeigt sich<br />
am globalen Verlust<br />
der biodiversität,<br />
dass Ganzheit nicht etwas<br />
Zweitrangiges ist. Wir finden<br />
in der natur nicht das ergebnis<br />
von einzelteilen und -Prozessen,<br />
sondern etwas qualitativ eigenständiges,<br />
das viel mehr ist als<br />
die summe seiner Teile. im<br />
bereich des Lebendigen haben<br />
wir es mit einzelerscheinungen<br />
zu tun, die gleichzeitig Teil<br />
einer höheren Ordnung sind.<br />
Das Ganze ist im einzelnen<br />
stets anwesend: Die Zelle zum<br />
beispiel ist Ausdruck und Teil<br />
des übergeordneten Organismus<br />
«baum», der regenwald<br />
Teil des Organismus «erde».<br />
Das Phänomen Vielfalt verlangt,<br />
den blick vom Mikroskopischen<br />
ins Makroskopische<br />
zu weiten – so nähern wir uns<br />
den Zusammenhängen, welche<br />
die Ganzheit formen. Der antike<br />
Philosoph Heraklit prägte<br />
den satz von der «einheit in<br />
der Vielheit». er spricht damit<br />
aus, was wir bei jedem blick<br />
auf erde oder Himmel bestätigt<br />
finden: so weist jedes blatt<br />
zwar seine charakteristische<br />
Form auf, doch finden wir nie<br />
zwei exakt identische blätter.<br />
und jede schneeflocke, die fällt,<br />
besteht aus sechs ecken – und<br />
doch ist jede anders. einzigartig<br />
anders.<br />
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