PH Publico 1 - Pädagogische Hochschule Burgenland
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agogik bemerkbar werden, d.h. sie sich selbst<br />
instrumentalisieren lässt, um Zwecke der<br />
Herrschenden durchzusetzen, d.h. schließlich<br />
selbst den jungen Menschen instrumentalisiert.<br />
Vielleicht kann diesem schlimmsten<br />
Verrat an Humanität und Bildung nur in religiöser<br />
Bindung widerstanden werden.<br />
Das gleiche gilt, wenn man jenes Maß nicht<br />
nur in seiner Maßgeblichkeit für wahr und<br />
falsch sieht, sondern in gleicher Weise für gut<br />
und böse. Humanistische Tradition spricht<br />
vom Gewissen. Sokrates nimmt, in der Berufung<br />
auf sein Gewissen, den Schierlingsbecher,<br />
der hl. Thomas sieht ausdrücklich<br />
in ihm eine letzte, nicht mehr hintergehbare<br />
Instanz, Rousseau spricht in seinem Erziehungsbuch<br />
Emile vom dreimal heiligen<br />
Gewissen. Kant hat in seiner Metaphysik der<br />
Tugendlehre festgehalten: „Denn Gewissen<br />
ist die dem Menschen in jedem Falle eines<br />
Gesetz seine Pflicht zum Lossprechen oder<br />
Verurteilen verhaltende praktischer Vernunft.“<br />
Deshalb kann Kant auch sagen, dass<br />
ein irrendes Gewissen ein Unding sei und<br />
„Gewissenlosigkeit ist nicht Mangel des Gewissens,<br />
sondern Hang, sich an dessen Urteil<br />
nicht zu kehren“.(A 39)<br />
Sich zu bilden wird mit Kant, sein Gewissen<br />
zu kultivieren, die Aufmerksamkeit auf die<br />
Stimme es inneren Richters zu schärfen und<br />
alle Mittel auszuwenden (...), um ihm Gehör<br />
zu verschaffen“ (A39/40). Was Kant im philosophischen<br />
Denken festhält, das formuliert<br />
das Zweite Vatikanische Konzil so:<br />
„Im Innern seines Gewissens entdeckt der<br />
Mensch das Gesetz, das er sich nicht selbst<br />
gibt, sondern dem er gehorchen muss und<br />
dessen Stimme ihn immer zur Liebe und<br />
zum Tun des Guten und zur Unterlassung<br />
des Bösen anruft und, wo nötig, in den Ohren<br />
des Herzens tönt: Tu dies, meide jenes.<br />
Denn der Mensch hat ein Gesetz, das von<br />
Gott seinem Herzen eingeschrieben ist, dem<br />
zu gehorchen eben seine Würde ist und gemäß<br />
dem gerichtet werden wird. (Vgl. Röm.<br />
2.15-16).Das Gewissen ist die verborgenste<br />
Mitte und das Heiligtum im Menschen, wo er<br />
allein ist mit Gott, dessen Stimme in diesem<br />
seinem Innersten zu hören ist...Durch die<br />
Treue zum Gewissen sind die Christen mit<br />
den übrigen Menschen verbunden im Suchen<br />
nach der Wahrheit und zur wahrheitsgemäßen<br />
Lösung all der vielen moralischen<br />
Probleme, die im Leben der einzelnen wie im<br />
gesellschaftlichen Zusammenleben entstehen“.<br />
(Gaudium et Spes.Nr.16)<br />
Angesichts dieses Sachverhaltes kann die<br />
Frage noch einmal eindeutig beantwortet<br />
werden. Bildung ist ohne Religion nicht möglich,<br />
wenn Religion im Sinne von Vernunft<br />
zunächst als Bindung an das dem Menschen<br />
innewohnende Maß gesehen wird. Erst unter<br />
diesem Maß wird Bildung, wie wir heute<br />
sagen, als Selbstbestimmung möglich. Sie<br />
macht es, dass Selbstbestimmung nicht zur<br />
willkürlichen Selbstverwirklichung wird. Sie<br />
macht es, dass Selbstbestimmung nicht zu<br />
jener Hybris wird, in der der Mensch seine<br />
Kreatürlichkeit vergisst, in der seine Humanität<br />
nicht in falsch verstandener Autonomie<br />
zu jener Maßlosigkeit entartet, die in die Tyrannei<br />
umschlägt, die Natur, die anderen und<br />
schließlich sich selbst zerstört.<br />
Die Bindung an jenes Maß macht es, dass alles<br />
Lernen zur Bildung führen kann, wenn<br />
es sich im Dienst jener einen Wahrheit begreift;<br />
wenn der junge Mensch die Dignität<br />
des Wahrheitsanspruches im Argument begreift,<br />
wenn er in der Frage und in seinem<br />
Fragen sich seiner „leitenden Beziehung auf<br />
Wahrheit“ bewusst wird, wenn die methodische<br />
Disziplinierung seines Denkens nicht<br />
als technische Kunst, sondern als Anspruch<br />
der unendlichen Wahrheit selber begreift.<br />
Lernen dient dann nicht nur der Ausbildung<br />
für gesellschaftliche oder wirtschaftliche<br />
Funktionen, sondern der Entfaltung der<br />
Wahrheit im Menschen selbst. Das hat natürlich<br />
auch Konsequenzen für das Lehren und<br />
Unterrichten, wie es sich in diesem Zusammenhang<br />
von Religion und Bildung fordert.<br />
Lehren kann sich nicht damit begnügen, den<br />
15<br />
3. Ist Bildung ohne Religion möglich?