PH Publico 1 - Pädagogische Hochschule Burgenland
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5. Die Neue Lernkultur und ihre Bedeutung<br />
Lernen in Richtung auf erwünschtes Verhalten,<br />
stellen selber Aufgaben und Fragen,<br />
auf die das Kind von sich aus nicht verfallen<br />
würde…(Ebd. S. 40 f.).<br />
Der Lehrer, als der Ältere und an Lebenserfahrung<br />
Reichere, weiß um die Wichtigkeit<br />
der im Lehrplan verankerten Inhalte und es<br />
ist seine Aufgabe, „…dass etwas, was das<br />
Kind noch nicht kann oder weiß oder will,<br />
Schritt für Schritt erschlossen, geübt und so<br />
seinem Verhaltensrepertoire eingefügt wird“<br />
(Ebd. S. 40).<br />
„…was das Kind noch nicht kann oder weiß<br />
oder will, …“: Die wenigsten Kinder werden<br />
von sich aus die Sinnhaftigkeit des Übens<br />
von Malsätzchen oder von Lernwörtern erfassen.<br />
Doch die Tatsache, dass beispielsweise<br />
der Rechtschreibung und dem Üben<br />
im Unterricht einige Jahre wenig Bedeutung<br />
beigemessen wurde, um die Kreativität der<br />
Schüler nicht einzuschränken und um ihnen<br />
ständiges Üben zu ersparen, zeigt sich<br />
in erschreckender Weise an der mangelnden<br />
Rechtschreib-kompetenz der Maturanten.<br />
Inzwischen lässt sich erfreulicherweise feststellen,<br />
dass der Stellenwert des Übens wiederentdeckt<br />
wurde, und dass Üben gerade<br />
im Grundschulbereich keineswegs langweilig<br />
sein muss – es ist eine Frage der Vielfalt.<br />
Jedes auch noch so überragende Talent kann<br />
nur durch entsprechende Übung zu seiner<br />
vollen Entfaltung kommen – als Beispiel dafür<br />
sei nur das Erlernen eines Musikinstrumentes<br />
genannt.<br />
Dem pädagogischen Geschick des Lehrers<br />
ist es anheimgestellt, die Inhalte so zu präsentieren<br />
und aufzubereiten, dass das Interesse<br />
geweckt wird, so zu differenzieren,<br />
dass Über- und Unterforderung des einzelnen<br />
Kindes vermieden werden und dass das<br />
Üben abwechslungsreich gestaltet wird. Genaue<br />
Beobachtung der Lernfortschritte wird<br />
individuelle Förderung möglich machen.<br />
Unterricht bedeutet immer auch Erziehung,<br />
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beides ist untrennbar miteinander verbunden.<br />
Erziehung kann ebenfalls als kultureller Akt<br />
verstanden werden, als Vorbereitung auf das<br />
Leben in der Gesellschaft, auf das Berufsleben,<br />
auf das Privatleben. „Die Grundlage<br />
der Erziehung ist also das leidenschaftliche<br />
Verhältnis eines reifen Menschen zu einem<br />
werdenden Menschen, und zwar um seiner<br />
selbst willen, daß er zu seinem Leben und zu<br />
seiner Form komme“ (Nohl in : Klika 2000,<br />
S. 41). Individualisieren und differenzieren –<br />
es ist nicht neu. Schon Pestalozzi versuchte<br />
im 18. Jahrhundert in Stans, jedem der achtzig<br />
verwaisten und verwahrlosten Kinder, die<br />
er betreute, in Unterricht und Erziehung individuell<br />
gerecht zu werden.<br />
Schule heute findet – organisatorisch gesehen<br />
– unter günstigeren Bedingungen statt:<br />
geringe Anzahl von Schülern pro Klasse,<br />
meist helle, freundliche Gebäude, die gut bis<br />
ausgezeichnet ausgestattet sind, zahlreiche<br />
Lernmaterialien. Es gilt nur, das Kind nicht<br />
mit dem Bade auszuschütten und dem Lehrer<br />
nicht vorwiegend die Rolle des Organisators<br />
einer Unterrichtstechnik zukommen<br />
zu lassen. „Lernen wird sinnlos, wenn es in<br />
personaler Indifferenz bleibt. Letztlich erfüllte<br />
es sich mit Unwertigkeit, wird Unbildung“<br />
(Petzelt 2003, S. 156). Petzelt spricht<br />
vom „Moment der Gegenseitigkeit“ (Ebd., S<br />
154), das einen Bildungsprozess erst ermöglicht<br />
und drückt Individualisierung auf seine<br />
Weise aus: „…er (der Lehrer, Anm. d. Verf.)<br />
weiß, daß er dazu da ist, das Eigenwerk der<br />
Lernenden zu fördern…“ (Ebd). Aber das<br />
Lernen wird bei Petzelt nicht als isolierter<br />
Prozess beim Schüler gesehen, wiewohl Petzelt<br />
davor warnt, dem Schüler Fertiges zu<br />
servieren, da er damit zur Prozesslosigkeit gezwungen<br />
werde, ausschließlich reproduzieren<br />
lerne, aber nicht, verantwortlich zu urteilen.<br />
Daher sollen sich beide – Schüler und Lehrer<br />
„…am Lehrgut binden, also in Gegenseitigkeit<br />
Fragen klären, Argumente abwägen und<br />
antworten formulieren“ (Ebd.).