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Ausgabe 77 - OCW

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Deutsche Botschaft in Prag<br />

dien und angesichts des bevorstehenden<br />

40. Jahrestages der<br />

DDR, entschied sie Ende September<br />

, die Flüchtlinge in Zügen,<br />

die über die DDR fahren<br />

sollten, ausreisen zu lassen.<br />

Unter großem Jubel verkündete<br />

Hans-Dietrich Genscher dies<br />

am 30. Sept. 1989 in der Prager<br />

Botschaft. Am 5. Okt. erreichten<br />

die Züge am Hofer<br />

Hauptbahnhof das Gebiet der<br />

Bundesrepublik Deutschland.<br />

Die hessische Universitäts-<br />

Stadt Gießen war in Ostdeutschland<br />

bekannter als im<br />

Westen. Seit dem Mauerbau<br />

hatte die Bundesregierung hier<br />

die zentrale Aufnahmestelle für<br />

alle eingerichtet, die aus der<br />

DDR ausreisten, flohen oder<br />

ausgewiesen wurden, Anfangs<br />

reisten vor allem Rentner. Am<br />

Ende schien das ganze Land<br />

unterwegs nach Gießen zu<br />

sein. Im Sommer 1989 begann<br />

die letzte Ausreisewelle aus der<br />

DDR. Schon vor den Massenfluchten<br />

über Ungarn kamen<br />

täglich bis zu 3000 Menschen<br />

im Lager an. Die regelmäßigen<br />

Demonstrationen waren ein bedeutender<br />

Bestandteil der friedlichen<br />

Revolution in der DDR.<br />

Die bekanntesten fanden in<br />

Leipzig statt, die so genannten<br />

Montagsdemonstrationen. Sie<br />

schlossen sich an die Friedensgebete<br />

in der Nikolaikirche an.<br />

Auch in anderen Städten der<br />

DDR versammelten sich die<br />

Menschen zu Protestdemonstrationen.<br />

Ab Herbst 1989 bilde-<br />

ten sich eine<br />

ganze Reihe<br />

von neuer opp<br />

o s i t i o n e l l e r<br />

p o l i t i s c h e r<br />

Gruppierungen,<br />

wie “Neue Forum”<br />

“Vereinigte<br />

Linke”, ”Grüne<br />

Liga”, u.a. mit<br />

Aufrufen an die<br />

Bevölk erung.<br />

Die Gründungsmitglieder<br />

und<br />

Akteure dieser<br />

Gruppen stammten häufig aus<br />

den Friedens-, Ökologie- oder<br />

Frauenkreisen innerhalb der<br />

evangelischen Kirche in der<br />

DDR, die sich verstärkt seit Beginn<br />

der 80er Jahre gebildet<br />

hatten. Die Aufrufe, oft kombiniert<br />

mit Kontaktadressen und<br />

Unterschriftenlisten wurden zunächst<br />

von Hand zu Hand weitergereicht,<br />

in manchen Betrieben<br />

auch bald ausgehängt.<br />

Zweimal besuchte Gorbatschow<br />

Deutschland: im Juni die<br />

BRD und im Oktober zum 40.<br />

Jahrestag der Gründung der<br />

DDR. Der Generalsekretär der<br />

SED und Staatsratsvorsitzender<br />

der DDR, Erich Honecker,<br />

ließ das Politbüro antreten und<br />

in Stichworten aufsagen, wie<br />

weit es doch der deutsche Arbeiter-<br />

und Bauernstaat gebracht<br />

hatte. Kein Wort über die<br />

Ausreisewelle im Land, kein<br />

Wort von Demonstrationen, erst<br />

recht kein Wort darüber, dass<br />

die im Westen hoch verschuldete<br />

DDR kurz vor der Staatspleite<br />

stand. Honeckers Pech<br />

war, dass sein Gast Gorbatschow<br />

war, der natürlich merkte,<br />

dass alles getürkt war. Ein<br />

paar Tage später war Honecker<br />

sein Amt los und wurde in Pension<br />

geschickt mit der Begründung,<br />

dass er krank sei. Das<br />

Ende der DDR nahte. Egon<br />

Krenz, Honeckers Nachfolger,<br />

und Günter Schabowski, SED<br />

Funktionär versprachen den<br />

Bürgern der DDR Reisefreiheit<br />

u.a. Aber die DDR-Bürger waren<br />

skeptisch und glaubten<br />

53<br />

nicht mehr an diesen Unrechtsstaat.<br />

Am 9.November 1989 fiel<br />

der Vorhang. Die Berliner Mauer<br />

fiel und die DDR-Diktatur war<br />

zerschlagen. Von jetzt an geht<br />

eine neue Epoche in die Weltgeschichte<br />

ein. Es gab kein<br />

Blutvergießen vor 20 Jahren,<br />

weshalb man von einem Wunder”<br />

spricht. Am 9./10. Nov.<br />

1989 waren kurz nach Mitternacht<br />

alle Grenzübergangsstellen<br />

an dem 156 Kilometer langem<br />

steinernen Symbol der<br />

deutschen Teilung geöffnet.<br />

V e r d a t t e r t e D D R -<br />

Grenzpolizisten, die die Weisung<br />

von oben vermissten und<br />

stundenlang nicht wussten, was<br />

sie tun sollten, ließen die immer<br />

zahlreichen gen Westen Strömenden<br />

schließlich passieren.<br />

Die alles Alte überrollende Kraft<br />

des 9. Nov. 1989 zeigte von<br />

neuem, dass Diktaturen am Ende<br />

sind, sobald sie die Kontrolle<br />

verlieren über die Menschen,<br />

die sie diktiert haben. Vergessen<br />

wollen wir aber nicht, wie<br />

viele Menschen an der Berliner<br />

Mauer starben. Wie viele Tote<br />

gab es an der Grenze zwischen<br />

Ost und West. Wie viele Fluchtversuche<br />

wurden gestartet, um<br />

in die Freiheit zu gelangen.<br />

Mehr als 28 Jahre lang wurde<br />

rund um die eingemauerten<br />

westlichen Sektoren der Stadt<br />

auf Menschen geschossen, nur<br />

weil sie die DDR verlassen und<br />

in die Freiheit wollten. Die Mauer-Angaben<br />

aus Akten der DDR<br />

-Grenztruppen und der Staatssicherheit<br />

lautet: sie war 156,4<br />

Kilometer lang, auf rund 59 Kilometern<br />

war der “antifaschistische<br />

Schutzwall” aus gängigen<br />

Betonplatten zusammengefügt,<br />

deren Standsicherheit<br />

stählerne T-Träger sicherten -<br />

ergänzt durch 68,4 Kilometer<br />

Streckmetallzaun. 186 Beobachtungstürme<br />

und 31 Führungsstellen<br />

gruppierten sich<br />

um West-Berlin, an 484 Stellen<br />

wurden Wachhunde eingesetzt.<br />

Text: Monika Seyfarth<br />

Fotos: Privat

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