28.02.2013 Aufrufe

Heft 4 - Institut für Zeitgeschichte

Heft 4 - Institut für Zeitgeschichte

Heft 4 - Institut für Zeitgeschichte

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

332 Helmut Lippelt<br />

oberschlesische Kohle mit monatlich ca. 300 000 t einen wichtigen Beitrag leistete.<br />

Aufgrund der passiven Gesamtbilanz aber war die erst im April 1924 mit Einführung<br />

des Zloty reformierte Währung schon seit Anfang 1925 erneut ins Wanken<br />

geraten, weshalb ein Eingriff zur Wiederherstellung des Gleichgewichts in der<br />

Handelsbilanz, also eine Anhebung der Zollsätze, dringend erforderlich war. Als<br />

dieser dann im Mai vorgenommen wurde, mußte er die noch laufenden Handelsvertragsverhandlungen<br />

zusätzlich belasten, traf er doch primär den deutschen<br />

Industrieexport. Denn Deutschland war Polens wichtigster Handelspartner; die<br />

Ex- und Importe beliefen sich auf etwa 40 Prozent des polnischen Außenhandels,<br />

stellten aber zugleich nur 4-5 Prozent des deutschen dar. In dieser Relation kommt<br />

zugleich die starke Abhängigkeit Polens vom Handel mit Deutschland zum Ausdruck.<br />

In dieser Situation ist die deutsche Diplomatie der Versuchung zu einer starren<br />

Haltung nicht entgangen. Obwohl sie zugunsten der Minderheit ein großzügiges<br />

Entgegenkommen forderte, obwohl gleichzeitig durch die von ihr initiierten „Vorgänge<br />

auf dem Gebiete hoher Politik" der innenpolitische Bewegungsraum der<br />

polnischen Diplomatie empfindlich eingeengt wurde, ging der Leiter der deutschen<br />

Verhandlungsdelegation, v. Lewald, bis zuletzt nicht über das Angebot eines Kohlenkontingents<br />

von 60000 t hinaus. Man meinte auf deutscher Seite, eine „legale<br />

politische Waffe" in der Hand zu haben 25 , während der Verhandlungspartner<br />

glaubte, sich wegen seiner handelspolitischen Bedrängnisse nicht zu politischen<br />

Konzessionen nötigen lassen zu dürfen 26 . Im letzten Augenblick schien trotzdem<br />

ein polnisches Entgegenkommen möglich 27 , aber Stresemanns Versuch, direkt in<br />

die Verhandlungen einzugreifen, kam zu spät 28 ; und so stolperte man in den<br />

Handelskrieg hinein 29 .<br />

25<br />

So Rauscher zum Grafen Skrzynski in der u. Anm. 29 zit. Unterredung.<br />

26<br />

Am 13. 6. bereitete die Warschauer Presse — offensichtlich amtlich inspiriert — die<br />

Bevölkerung auf den bevorstehenden Zollkrieg vor: Sie erwartete schwere wirtschaftliche<br />

Folgen durch Verschlechterung der Handelsbilanz, Verringerung des Devisenzuflusses, Abschreckung<br />

des ausländischen Kapitals und Erhöhung der Arbeitslosigkeit, die in Oberschlesien<br />

erregte Stimmung auslösen könne; doch sei es <strong>für</strong> Polen unmöglich, sich Kohlenausfuhr<br />

durch Nachgiebigkeit gegenüber politischen Forderungen zu erkaufen; nach Pressetelegramm<br />

Rauschers v. 13. 6., PA Bonn BRM 10,3/D 571770.<br />

27<br />

So Rauscher BRM 10,3/D 571771, 13. 6., über die hektischen polnischen Regierungsberatungen.<br />

28<br />

Stresemann verschob eine mit Pradzynski, dem Leiter der polnischen Verhandlungsdelegation,<br />

und Olszowski <strong>für</strong> den 16. Juni vereinbarte Besprechung auf den 18. Juni, um<br />

Zeit <strong>für</strong> das Studium der ihm an jenem Tage vom französischen Botschafter übergebenen<br />

offiziellen „Rückfragen" zur deutschen Sicherheitspaktanregung zu gewinnen. In der Zwischenzeit<br />

wurde Pradzynski nach Warschau zurückgerufen, BRM 10,3/D 571793. Daß<br />

Stresemann den Zollkrieg nicht wünschte, bezeugt seine Tagebucheintragung vom 15. 6.,<br />

s. Vermächtnis, II, S. 308.<br />

29<br />

Wie sehr die deutsche Taktik der verschiedenen Ebenen gescheitert war, wird aus dem<br />

Temperamentsausbruch des Grafen Skrzynski beim Besuche Rauschers am 15. 6., als alles<br />

vorbei war, deutlich: Der Graf hielt ihm „mit <strong>für</strong> ihn ungewöhnlicher Lebhaftigkeit Hal-

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!