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Heft 4 - Institut für Zeitgeschichte

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368 Helmut Lippelt<br />

protestierte und als um die gleiche Zeit der Plan in die Presse gelangte und dort<br />

eine heftige Diskussion auslöste 182 . Mitte August mußte Stresemann sich das Ende<br />

dieser Hoffnung eingestehen, und ähnlich wie ein halbes Jahr später Schubert sein<br />

Engagement in der polnischen Frage offenbaren sollte, kam jetzt Stresemanns<br />

innere Konzentration auf die Eupen-Malrnedy-Politik zum Ausdruck: er würde, so<br />

sagte er zu Lord D'Abernon „in dem Augenblick, wo eine Verständigung zwischen<br />

Deutschland und Belgien auf diesem Gebiet von London oder Paris verhindert<br />

würde, Locarno als erledigt ansehen" 183 . Briand suchte ihn später zu beschwichtigen,<br />

indem er die Schuld am Eklat den Belgiern zuschob, die den Handel<br />

gegenüber Poincare zu ungeschickt vorgebracht hätten 184 ; doch Poincares Versailler<br />

Legalismus hatte Stresemanns Intention durchaus richtig getroffen: mehr<br />

als um das abgetretene Gebiet war es ihm um einen revisionspolitischen Präzedenzfall<br />

gegangen 185 .<br />

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung ist Stresemanns Reaktion auf eine<br />

polnische Sondierung zu sehen, die ihm scheinbar die Gelegenheit bot, das polnische<br />

Problem in seiner ganzen Breite einschließlich der Grenzfrage aufzugreifen<br />

186 . Es war der unermüdlich um eine deutsch-polnische Verständigung bemühte<br />

Diamand, der Stresemann am 28. Juli 1926 bei dessen Kuraufenthalt in Bad<br />

Wildungen aufsuchte 187 . Diamand hatte trotz jener unerfreulichen Unterredung<br />

mit Schacht weiter den Kontakt zu Schubert gepflegt 188 . Überzeugt davon, daß die<br />

deutsch-polnischen Beziehungen nicht nur den „juristischen Gremien" in den<br />

Delegationsverhandlungen überlassen werden dürften 189 , hatte er sich selbst in<br />

halboffizieller Mission zum Zwischenträger von Meinungen an der Spitze der diplomatischen<br />

Behörden in Berlin und Warschau gemacht. Nach Pilsudskis Machtantritt<br />

hatte er sogleich Rücksprache mit Bartel, dem neuen Ministerpräsidenten,<br />

und Zaleski, dem neuen Außenminister, genommen. Am 30. Juni war er wieder<br />

in Berlin, um Schubert mitzuteilen, daß die neue Regierung „die feste Absicht<br />

182<br />

Pabst, S. 469ff.<br />

183<br />

ADAP, B, I, 2 Nr. 35, Aufz. Stresemann, 15. 8., ähnlich auch zum französischen Geschäftsträger,<br />

ebd. Nr. 55.<br />

184<br />

Ebd. Nr. 88, Aufz. Stresemann, 17. 9. 26 (Thoiry).<br />

185<br />

Zum primär prinzipiellen Charakter Tgl. ebd., I, 1 Nr. 292, unter Punkt 2; ebd., I,<br />

2 Nr. 1, Aufz. Schubert über Vortrag beim Reichspräsidenten, 3. 8. 26.<br />

186<br />

Spenz (wie Anm. 32), S. 164, findet es „merkwürdig", aber auch „bezeichnend", daß<br />

er es nicht tat. Er dramatisiert damit diese Episode ebenso wie Gasiorowski (wie Anm. 6),<br />

S. 300f.; Diamand kam weder „als Pilsudskis Spezialgesandter", noch war die Kompensation,<br />

die er zu offerieren hatte, eine Grenzrevision. Gasiorowslds Zusammenfassung der Zitate aus<br />

der Niederschrift Stresemanns vermittelt einen falschen Eindruck von Verlauf und Inhalt<br />

des Gesprächs.<br />

187<br />

Zum Folgenden vgl. ADAP, B, II, 2 Nr. 71, Aufz. Stresemann, 28. 7. 26; und zwei<br />

Aufz. Schuberts über sein Gespr. mit Diamand am 29. 7. 26: ebd., II, 2 Nr. 72 und ebd.,<br />

I, 1 Nr. 295.<br />

188<br />

Ebd., II, 1 Nr. 33, Aufz. Schubert, 9. 1. 26 mit Schlußbemerkung Diamands über<br />

Fortsetzung der Kontakte.<br />

189 Ebd., II, 2 Nr. 72.

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