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Heft 4 - Institut für Zeitgeschichte

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Zur deutschen Politik gegenüber Polen 1925/26 347<br />

hielt Rauscher eine „Spekulation a la baisse" <strong>für</strong> gefährlich, weil dadurch der<br />

günstigste Moment <strong>für</strong> den auch im deutschen Interesse liegenden Vertragsabschluß<br />

verpaßt werde. Polens Haltung werde sich unweigerlich verhärten,<br />

sobald die englische oder amerikanische Sanierungsanleihe in Sicht komme, die zu<br />

verhindern Deutschland nicht in der Lage sei. Schubert dagegen wehrte sich gegen<br />

die Unterstellung einer solchen Spekulation, bestand aber darauf, nicht unter<br />

Zeitdruck zu stehen, da mit einer solchen Sanierungsanleihe nicht zu rechnen sei.<br />

Nimmt man seine Verteidigung und seine Marginalien zusammen, so läßt sich<br />

sagen, daß er die Verhandlungen bürokratisch betrieb und auf die Baisse zwar nicht<br />

spekulierte, wohl aber auf sie hoffte. Der eigentliche Spekulant war Dirksen. Von<br />

ihm unterschied sich Schubert in Augenmaß und Stil des diplomatischen Vorgehens.<br />

Auch das läßt sich verdeutlichen:<br />

Als Dirksen in seiner Novemberaufzeichnung als nächsten Schritt einen Gedankenaustausch<br />

mit Lord D'Abernon be<strong>für</strong>wortete, war das Gespräch vom englischen<br />

Botschafter bereits eröffnet worden, der allerdings nicht um deutsche<br />

Beteiligung an der Sanierung Polens nachsuchte, sondern sich im Auftrage seines<br />

Ministers nach den deutschen Reaktionen auf die von Chamberlain ja nicht unwesentlich<br />

geförderten Gesten des Grafen Skrzynski erkundigte 87 . Die Verlegenheit,<br />

in die er damit die deutsche Diplomatie mit den hochgesteckten Zielen<br />

ihrer Polenpolitik brachte, wird daran deutlich, daß Schubert sich der englischen<br />

Aufforderung zur Gegengeste mit dem schwachen Argument zu entziehen versuchte,<br />

Deutschland habe auch seinerseits die Ausweisung der polnischen Optanten<br />

aufgehoben. Lord D'Abernon fand dies im Hinblick auf die völlig ungleiche<br />

Proportion doch nicht ganz hinreichend und fragte weiter, ob man nicht mehr<br />

tun könne, vielleicht bei den Handelsvertragsverhandlungen, worauf er Schuberts<br />

Maxime zu hören bekam, es sei doch unzweckmäßig, politische Fragen mit handelspolitischen<br />

zu verknüpfen; außerdem sei die Hauptschwierigkeit bei den Verhandlungen,<br />

daß „eben Schlesien in zwei Teile gespalten sei" 88 . Von dieser Schwierigkeit<br />

aber Heß Lord D'Abernon sich nicht abschrecken. Er ging über seinen<br />

Auftrag hinaus und begann, in der Hoffnung, Deutschlands starre Haltung in<br />

diesem Punkte aufzulockern, freimütig die Grenzfrage zu erörtern 89 .<br />

B, II, 1, S. 94 Anm.l; Schubert an Rauscher, 6. 1. 26, ADAP, B, II, 1 Nr. 31; Rauscher an<br />

Schubert, 8. 1. 26, BStS, Po, Bd. 1/E 168380».<br />

87 S. o. S. 324, Anm. 3; die im folgenden diskutierten Schubert-D'Abernon-Gespräche<br />

fanden statt: am 23. 10. 25, Aufz. Schubert, BStS, Po, Bd. 1/E 168390; am 29. 10., zwei<br />

Aufz. Schuberts, ebd./-392ff.; am 20. 11., D'Abernon an Chamberlain, DBFP, la, I Nr. 118;<br />

am 27. 2. 26, Aufz. Schubert, ADAP, B, II, 1 Nr. 71; ein Nachhall in Gespräch 22. 4. 26,<br />

DBFP, la, I Nr. 450.<br />

88 So im Gespräch am 29. 10. 25.<br />

89 Daß D'Abernon hier ebenso selbständig wie zuvor bei der Anregung der Sicherheitspaktinitiative<br />

(darüber Stambrook, wie Anm. 35) vorging, ergibt sich aus DBFP, Ia, I Nr. 34,<br />

D'Abernon an Chamberlain, 27. 10. 25, wo er die Korridorfrage unter geschickter Bezugnahme<br />

auf einige frühere Stücke des zirkulierenden amtlichen Schriftverkehrs, in denen<br />

diese Frage unter ganz anderen Voraussetzungen berührt worden war, zum Gegenstand seiner

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