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Heft 4 - Institut für Zeitgeschichte

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360 Helmut Lippelt<br />

was er dadurch erfuhr, muß ihm wenig angenehm geklungen haben. So setzte<br />

Lampson Rostin auseinander, er wisse sehr wohl, daß es in Deutschland zwei<br />

Auffassungen zur Frage der polnischen Währung gäbe, eine negative und eine<br />

positive. Er halte die negative <strong>für</strong> Unsinn; es könne <strong>für</strong> Deutschland nur nachteilig<br />

sein, wenn sich die polnische Wirtschaftslage verschlechtere. Hierdurch zur<br />

Reproduktion der Dirksenschen Theorie verleitet, gab Rostin Lampson nur Gelegenheit,<br />

seine Kritik um so ironischer vorzubringen: Die Kalkulation habe einen<br />

Konstruktionsfehler. Deutschland werde niemals gebeten werden, sich an der<br />

Sanierung zu beteiligen. Was England wünsche, sei, daß Deutschland möglichst<br />

bald den Handelsvertrag abschließe als ersten Schritt zur Anbahnung eines besseren<br />

Verhältnisses. Die Lösung, die Rostin vorschwebe, sei „far too schlau" 144 .<br />

Lampson räumte einige Tage später ein, daß die Beteiligung an der Sanierung<br />

auch ein Mittel zur Rekonziliation sein könne, aber „nur die Stabilisierung und<br />

nichts als die Stabilisierung müsse die Parole heißen. Finanz und Politik dürften<br />

in diesem Falle nicht vermischt werden" 145 .<br />

Wenn so das Gedankenspiel, eine Grenzrevision durch eine „politische Sanierung"<br />

Polens anzustreben, von Anfang an keine Chance hatte, Politik zu werden,<br />

so wurde schließlich durch die Reise Schachts zu Norman Ende Mai 1926 auch<br />

seinen Urhebern die Illusion genommen. Diese Reise, von Anfang an der Eckstein<br />

der Strategie Dirksens und Schachts, war erst Anfang Januar geplant gewesen,<br />

dann im April erwartet und endlich infolge des englischen Bergarbeiterstreiks<br />

nochmals aufgeschoben worden. Es Hegt ein wenig Ironie darin, daß gerade<br />

jener Streik der Kohle aus Polnisch-Oberschlesien eine entscheidende Absatzmöglichkeit<br />

und damit Polen eine Atempause verschaffte. Zur gleichen Zeit<br />

schuf Marschall Pilsudski durch seinen Staatsstreich die politischen Voraussetzungen<br />

<strong>für</strong> eine energische Stabilisierung. Als dann Schacht am 27. Mai Norman<br />

gegenübersaß, mußte er sich sagen lassen, was Rauscher schon immer gewußt<br />

und Lampson deutlich zu verstehen gegeben hatte, daß nämlich mit politischen<br />

Bedingungen die Finanzhilfe <strong>für</strong> Polen nicht zu blockieren war. Wie sehr sein<br />

nationaler Eifer, den er an den Tag legte, als er daraufhin schroff jede deutsche<br />

Beteiligung an der Sanierung ablehnte, besserer Einsicht im Wege stand, wird<br />

deutlich aus der Schlußbemerkung seines Berichts über dieses Gespräch: er regte<br />

an, das Auswärtige Amt möge doch „ein sehr sorgfältiges Memorandum vorbereiten,<br />

welches die vorstehende These ausführlich belegt, nämlich, daß das Gelingen<br />

eines wirtschaftlichen Sanierungsversuchs an die politischen Voraussetzungen<br />

geknüpft ist" 146 . Damit reichte der Fachmann das Problem an die Politiker<br />

zurück.<br />

18/E 370096ff.; 13. 5. mit Gregory, ebd./E 370100ff.; 17. 5. mit Lampson, H. A. Dirksen,<br />

Bd. 18/ungefilmt; 21.5. mit Gregory, ADAP, B, II, 1 Nr. 207; 21. 5. mit Lampson, ADAP,<br />

B, II, 1 Nr. 207 Anm. 3; 1.6. mit Gregory, H. A. Dirksen, Bd. 19/E 370259f.<br />

144 Gespräch mit Lampson am 17. 5.<br />

145 Gespräch mit Lampson am 21. 5.<br />

146 ADAP, B, II, 1 Nr. 213.

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