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Heft 4 - Institut für Zeitgeschichte

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Zur deutschen Politik gegenüber Polen 1925/26 351<br />

einandergingen. Rauscher schlug vor, Deutschland möge in das zu erwartende<br />

Sanierungskonsortium eintreten, um auf dem Wege über die Finanzkontrolle<br />

Polens militärische Machtstellung abzubauen. Damit Deutschland aber überhaupt<br />

seine Rolle glaubwürdig spielen konnte, wollte er zuvor das deutsch-polnische<br />

Verhältnis normalisieren. Dirksen dagegen wollte die Sanierung blockieren, solange<br />

Deutschlands territoriale Forderungen nicht erfüllt waren. Ob Deutschland dazu<br />

in der Lage war? Schubert glaubte es nicht, wenn er es auch wünschte; sein<br />

Realismus verhinderte, daß Dirksens Doktrin zur amtlichen Politik wurde; doch<br />

die Übereinstimmung seiner Hoffnungen mit den Dirksenschen Absichten führte<br />

dazu, daß er jenen in seiner nachgeordneten Position gewähren ließ.<br />

Für Dirksens Pläne wurden zwei Mitspieler wichtig: der Reichsbankpräsident<br />

Schacht, Gesprächspartner der Notenbankgouverneure Montagu Norman und Benjamin<br />

Strong, mit denen zusammen er das Triumvirat der „drei Finanzkönige" 100<br />

bildete, und der Londoner deutsche Botschaftsrat Dufour-Feronce. Schacht war<br />

schon immer ein leidenschaftlicher Verfechter der territorialen Revisionspolitik gewesen<br />

101 . Wes Geistes Kind er war, wird deutlich an der ebenso arroganten wie<br />

intransigenten Art, mit der er im Dezember 1925 auf die Möglichkeit einer Unterredung<br />

mit Hermann Diamand, einem der am meisten versöhnungsbereiten polnischen<br />

Gesprächspartner, reagierte. Als Finanzexperte der Polnischen Sozialistischen<br />

Partei und Mitglied der polnischen Delegation bei den Handelsvertragsverhandlungen<br />

hatte sich Diamand, wie auch Rauscher bestätigte, auf polnischer Seite<br />

am meisten <strong>für</strong> einen Ausgleich eingesetzt 102 und zugleich in privater Mission,<br />

nach Rücksprache mit dem polnischen Ministerpräsidenten und Finanzminister,<br />

durchblicken lassen, daß er gern mit Schacht sprechen würde und bei der Erkundung<br />

der deutschen Bereitschaft zur Mitwirkung an der Sanierung der polnischen<br />

Währung auch einer Erörterung des Korridorproblems nicht ausweichen wolle.<br />

Professor Julius Hirsch, ehemals Staatssekretär im Wirtschaftsministerium im<br />

Kabinett Bauer, der in Berlin verschiedentlich mit Diamand informelle Gespräche<br />

geführt und seinerseits Vorschläge zur Lösung des Grenzproblems beigesteuert<br />

hatte (Neutralisierung der Weichsel bei Rückgabe des Korridors oder Einräumung<br />

deutscher Landbrücken durch den Korridor), erläuterte Schacht am 14. 12. 1925<br />

diese Vorgeschichte und bat um einen Termin <strong>für</strong> Diamand 103 . Schacht erklärte<br />

sich daraufhin zwar zu einem Gespräch bereit, gab aber zugleich Hirsch zu verstehen,<br />

daß ihm „eine politische Beruhigung im Osten ohne glatte Rückgabe des<br />

Korridors und Oberschlesiens" unmöglich erscheine, weshalb er sich „auch nie-<br />

100 So die Iswestija lt. Tlgr. Brockdorff-Rantzau, 18. 7. 26, in: H. A. Dirksen, Bd. 19/<br />

E 370291; über die Zusammenarbeit der drei auch D'Abernon, Memoiren, III, S. 207.<br />

101 Vgl. u. a. F. Ebert, Schriften, Aufzeichnungen, Reden, Bd. 2, 1926, S.346 ff.<br />

102 ADAP, B, II, 2, Nr. 134. Schon am 11. 8. 25 war Diamand im „Robotnik" mit einer<br />

scharfen Kritik an der Abschiebung der deutschen Optanten hervorgetreten, BRM 10,4/<br />

D 571894. Besonders eindrucksvoll sein von der „Danziger Volksstimme" am 12.1.27 als<br />

Leitartikel aufgenommener Aufsatz über „Das Korridor-Problem".<br />

103 Auszug in ADAP, B, II, 1, Nr. 28, Anm. 2.

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