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Heft 4 - Institut für Zeitgeschichte

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336 Helmut Lippelt<br />

meinte, daß <strong>für</strong> sie eine Alternative in der Form, in der er sie formulierte, überhaupt<br />

bestanden hätte. Es war vielmehr gerade das Bestreben Berlins, dem Angebot<br />

eines Schiedsvertrags von vornherein die authentische Interpretation mit auf<br />

den Weg zu geben, daß dieser keine Grenzgarantie bedeute, wohl aber die Zusage,<br />

bei der weiteren Verfolgung der Grenzrevision nur friedliche Mittel gebrauchen<br />

zu wollen. Diese Linie wurde im März 1925 herausgearbeitet - unter den Augen<br />

einer erregten europäischen Diplomatie und Öffentlichkeit: Als sich herausstellte,<br />

daß Polen im Hauptvertrag, so wie Deutschland ihn sich vorstellte, keinen Platz<br />

haben würde, war Graf Skrzynski nach Paris geeilt, hatte zwar öffentlich sein Vertrauen<br />

in die Bündnistreue Frankreichs bezeugt, nach Hörensagen in Diplomatenkreisen<br />

aber Herriot einen scharfen Auftritt gemacht und ihn empört gefragt, ob<br />

Frankreich Polen verraten wolle 40 . In der französischen und polnischen Presse nahm<br />

die Vermutung immer bestimmtere Formen an, daß Deutschland nach Abschluß<br />

des Schiedsvertrags beabsichtige, das Grenzproblem aufzuwerfen und damit vor das<br />

dann etablierte Schiedsgericht zu gehen 41 . Hoesch vergewisserte sich bei seiner<br />

Zentrale, daß man das doch gewiß nicht wolle. Denn im gegenwärtigen Augenblick<br />

sei „selbst im günstigsten Falle höchstens mit einer unsere Wünsche in keiner<br />

Hinsicht befriedigenden Verbesserung" zu rechnen 42 . Aus Genf, wo der Völkerbundsrat<br />

tagte, ließ der Danziger Senatspräsident Sahm in Berlin nachfragen, ob<br />

ein „offiziöser Schritt in Warschau wegen der Rückgabe des Korridors und Danzigs "<br />

erfolgt sei 43 , woraufhin Stresemann geduldig erläuterte, man habe, da man den<br />

französischen Standpunkt kenne, daß auch das Ostproblem eine Rolle spiele, diesem<br />

mit der Schiedsvertragsanregung entgegenkommen wollen; die polnische Interpretation<br />

sei „eine bewußte oder unbewußte Umkehrung des Sachverhalts" 44 .<br />

Ebenso bestätigte Schubert Hoesch in seiner Version und instruierte ihn, „unseren<br />

40 BRM 10, 3/D 571499ff.; bes. ebd. - 671, Brockdorff-Rantzau an A.A., 4. 4., über<br />

Litwinow-Mitteilung einer Krassin-Information aus Paris.<br />

41 Am 20. 1. 25 übergab Schubert das Sicherheitsmemorandum D'Abernon zur inoffiziellen<br />

Weiterleitung nach London (Stambrook, wie Anm. 35, S. 257f.); offiziell trat die<br />

deutsche Diplomatie erst am 9. 2. durch Überreichung an Herriot damit hervor. Aber schon<br />

am 22. 1. erschien im „Petit Parisien" ein Artikel über die deutschen Pläne, in dem schon<br />

der Finger auf die Wunde gelegt wurde: „mais qui ne garantissait pas l'integrite des frontieres<br />

germano-polonaises"; BRM 15, 1 Bd. 1/D 642072, Hoesch, 22. 1.; nachdem dann das<br />

Pariser Blatt am 25. 1. auf das Thema zurückkam und am selben Tage auch die „Germania"<br />

es aufgriff, setzte eine breite Diskussion der deutschen Initiative in der westlichen und der<br />

polnischen Presse ein, ebd., Hoesch an A.A., 25. 1.; Schubert an Sthamer, 27. 1.; Hoesch<br />

an A.A., 29. 1. Im März riefen in Warschau der Magistrat, in Polnisch-Oberschlesien Presse<br />

und Gewerkschaften zu Protestdemonstrationen gegen „feindliche Pläne, die Grenze zu<br />

revidieren", auf, BRM 10, 3/D 571503, Schoenberg, Krakau, an A.A., 7. 3.; ebd.,-537,<br />

Dönhoff, Warschau, an A.A., 13. 3.<br />

42 BRM 10, 3/D 571 506, Hoesch an A.A., 7. 3.<br />

43 Ebd., - 502, Aschmann, Genf, an A.A., 7. 3.; zu Sahms Aktivität in der Korridorfrage<br />

vgl. auch H. Sprenger, Heinrich Sahm, Kommunalpolitiker und Staatsmann, 1969, S. 146ff.;<br />

s. auch unten S. 344.<br />

44 Ebd., - 512, Stresemann an Konsulat Genf, 9. 2.

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