28.02.2013 Aufrufe

Heft 4 - Institut für Zeitgeschichte

Heft 4 - Institut für Zeitgeschichte

Heft 4 - Institut für Zeitgeschichte

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

354<br />

Helmut Lippelt<br />

nicht unwahrscheinlich in Aussicht zu stellen" 113 . So sehr auch über die mittleren<br />

diplomatischen Ränge „aufgeklärt" werden mochte, offizielle Politik vermochte<br />

eine solche Obstruktion nicht zu werden. Und in diesem Zusammenhang ist es auch<br />

zu sehen, daß Schubert, wie schon erwähnt, bei dem letzten der geschilderten<br />

Korridor-Gespräche mit Lord D'Abernon Ende Februar 1926 die in Dirksens<br />

Dezember-Aufzeichnung suggerierten Gedankengänge <strong>für</strong> sich behielt.<br />

Wie wenig Dirksen aber daraus lernte, geht aus einer neuen Aufzeichnung hervor,<br />

die er nur eine Woche später, am 4. März, als Argumentationsgrundlage <strong>für</strong><br />

ein Gespräch Stresemanns mit Chamberlain auf der bevorstehenden Sondersession<br />

des Völkerbundes anfertigte 114 . Obwohl hier der deutschen Delegation der Kampf<br />

gegen den von Briand be<strong>für</strong>worteten ständigen Ratssitz <strong>für</strong> Polen bevorstand, wobei<br />

es darauf ankam, vor allem Chamberlain von der Unterstützung Briands abzuhalten,<br />

was am ehesten gelingen konnte, wenn dem Gespräch mit Chamberlain<br />

jede Belastung durch andere Probleme der deutsch-polnischen Beziehungen ferngehalten<br />

wurde, brachte Dirksen es fertig vorzuschlagen, die Frage des polnischen<br />

Ratssitzes lediglich als Anlaß zur Eröffnung eines grundsätzlichen Meinungsaustauschs<br />

über das Grenzproblem zu nehmen: So viel Bedeutung der Frage des<br />

Ratssitzes auch von der deutschen Regierung beigemessen werde, im Vergleich zu<br />

den Fragen der Großen Politik spiele sie nur eine sekundäre Rolle und solle bei<br />

dieser Unterhaltung aus dem Spiele bleiben. So sollte nach Dirksens Meinung<br />

Stresemann sprechen. Das Opfer des Locarno-Vertrags, so sollte er fortfahren, habe<br />

er in der Hoffnung gebracht, daß ihm die friedliche Revision der Grenze erleichtert<br />

werde; jetzt habe er aber den Eindruck, als ob England <strong>für</strong> Polen optiert<br />

habe. Dem waren dann die üblichen Dirksenschen Gedankengänge anzuschließen.<br />

Man kann hieraus ermessen, wie besessen Dirksen von dieser Frage war: Der<br />

Vertrag von Locarno, der kurz zuvor noch im Amt als vollkommener Erfolg der<br />

deutschen Diplomatie gegolten hatte, war <strong>für</strong> ihn zum „Opfer" geworden 115 .<br />

Er war seiner eigenen Propaganda erlegen.<br />

In solcher Stimmung dürfte Dirksen der in der Zentrale vorsprechende Dufour<br />

wie gerufen gekommen sein. Er fragte ihn, ob er seine Lieblingsidee gelegentlich<br />

mit maßgebenden Engländern besprechen könne, und zeigte sich von Dufours<br />

Vorschlag, sie Norman und Tyrrell vorzutragen, sehr angetan 116 . So kam der<br />

Stein ins Rollen: Am 28. Februar fragte Dufour Norman, „ob es nicht richtiger<br />

sei, die Frage der Wiederherstellung Polens nicht nur rein finanzgeschäftlich, sondern<br />

auch hochpolitisch zu behandeln". Dufour bekam zunächst zu hören, daß<br />

„Finanzkreise sehr ungern Finanzgeschäfte mit Politik verquicken", hatte aber den<br />

Eindruck, daß seine Argumente auf guten Boden gefallen seien 117 . Tatsächlich<br />

vertraute Norman ihm schon einen Monat später an, er habe beeindruckt von der<br />

113<br />

ADAP, B, II, 1 Nr. 36.<br />

114<br />

ADAP, B, II, 1 Nr. 74.<br />

115<br />

So auch in seinen Memoiren: Moskau, Tokio, London, 1949, S. 74ff.<br />

116<br />

S. u. S. 358, Anm. 135.<br />

117<br />

ADAP, B, II, 1 Nr. 72, Sthamer an A.A., 1. 3. 26.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!