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SCHWER PUNKT Eine wahre Geschichte Diagnose Polio Wir schreiben das Jahr 1956, das Jahr, während welchem der von Jonas Salk entwickelte Impfstoff gegen die Kinderlähmung erstmals in der Schweiz zur Verfügung stand. Für Viele zu spät. So auch für den im Folgenden Reto* genannten Patienten. Reto verbrachte zusammen mit seinen Eltern und vier Geschwistern die Herbstferien im Berner Oberland. Munter angereist, zeigte sich dann eines Tages während eines Familienspaziergangs, dass Reto der Familie, die munter ihres Weges ging, nicht mehr folgen konnte. Das rechte Bein versagte zunehmends seinen Dienst und Reto schleppte dieses, immer müder werdend, einfach nach. Mit Unterstützung der Eltern ging es auf den Rückweg und die Familie beschloss, beunruhigt durch die rasch fortschreitende Symptomatik, umgehend nach Hause zurückzukehren. Der herbeigerufene Vertreter des Hausarztes, ein tschechischer Arzt, untersuchte genau und wies Reto mit dem dringenden Verdacht auf Kinderlähmung umgehend ins Kinderspital Basel ein. Dort wurde nach einigen Tagen die Diagnose bestätigt. Die Sorge der Eltern war gross, wusste man doch damals noch, was es heissen kann, an Kinderlähmung zu erkranken – die Eiserne Lunge war oft die letzte Station. Lungenabteilung, Los Angeles, 1952 Da ja – und dies bis zum heutigen Tag – keine Behandlung der Kinderlähmung möglich war, blieb einem nur die Hoffnung. Reto blieb für mehrere Wochen im Spital und wurde «behandelt». Einserseits mit einer intensiven Vitamin-C-Behandlung, die wohl mithelfen soll, die Abwehrkräfte zu mobilisieren und andererseits mit täglichen, unendlich lange dauernden und ermattenden Physiotherapiesitzungen im Bett. Der Kontakt zur Aussenwelt war nicht möglich, denn Reto war durch eine Glasscheibe von der Umwelt aus Gründen der drohenden Keimverschleppung getrennt. Die behandelnden Ärzte, Schwestern und Physiotherapeutinnen trugen das wahre Gesicht vertuschen- Tägliche Physiotherapie de Masken. Die Welt des trauten Zuhause wurde für lange Zeit durch eine Welt der Anonymität, der Ungewissheit, der Angst, wie das weitergehen würde, abgelöst. Der einzige, jedoch schwache vor der Glasfront sich stumm verhaltene Trost, war der gelegentliche Besuch der Eltern. Reto war auf sich alleine gestellt und realisierte noch nicht, dass all die vielen in weiss Gekleideten eigentlich nur das Beste wollten. Die erste Erlösung war die Befreiung aus der Isolation und damit auch der erweiterte Bewegungsra- dius, so z.B., der Besuch der Physiotherapie ausserhalb des Krankenzimmers. Tägliche Physiotherapie Mit der Zeit erfuhr die Therapie eine willkommene Ergänzung im Therapiebad – die Welt wurde Schrittchen für Schrittchen wieder normaler – und es kam der Tag der Spitalentlassung: ein Freudenfest sollte man meinen, doch Reto war immer noch deutlich handicapiert und konnte sich nicht so bewegen, wie er eigentlich wollte. Die Grenzen dessen, was noch möglich sein würde, begannen sich abzuzeichnen und die Fortsetzung der physiotherapeutischen Massnahmen war gegeben. Fernab der Stadt wohnend, bedeutete dies zwei Mal pro Woche eine Reise ins ferne Kinderspital und zwei Nachmittage fernab des Ortes, wo Gleichaltrige ihre Zeit mit Spiel und Musse verbringen durften. Das Gefühl des Ausgegrenztseins, des anderen Alltags wurde Reto immer bewusster. Doch das Leben ging weiter, der Schulbesuch wurde wieder möglich, die volle Integration durch diverse Handicaps jedoch nicht mehr. Reto musste z.B. Spezialschuhe tragen, die nicht zu übersehen waren, beim Fussballspiel war ein Mittun nur als reaktionsarmer Goalie möglich. Die «Zeit danach» hat Reto aber dennoch überwunden, bis eine derart behindernde Fehlstellung des Fusses einen operativen Eingriff notwendig machten. Ein erneuter Spitalaufenthalt sollte aber neben einer klaren Verbesserung der Mobilität noch etwas viel Entscheidenderes bringen. Die damalige v.a. ärztliche Betreuung weckte in Reto Gefühle einer unendlichen Dankbarkeit und liessen den innigen Wunsch aufkommen, in Zukunft als ROTARY SUISSE LIECHTENSTEIN JUNI 2010 22
Arzt solchen Menschen helfen zu dürfen, die Hilfe brauchen, auch wenn sie nicht danach gefragt haben. Dieser Gedanke liess Reto Lungenabteilung, Los Angeles, 1952 nicht mehr los. In der Gewissheit, dass «nur» ein Teil seinerselbst durch die Kinderlähmung beeinträchtigt wurde, er jedoch sonst ohne Einfluss auf die körperliche und vor allem geistige Entwicklung blieb, ist Reto seiner innern Stimme gefolgt. Er hat Medizin studiert und konnte so mit einer reichen und sehr nahe erlebten Erfahrung während mancher Jahre hilfesuchenden und hilflosen Menschen das weitergeben, was er einst selbst empfangen durfte. zv *richtiger Name der Redaktion bekannt «Eradication de la poliomyélite: la dernière ligne droite est la plus difficile à franchir» La poliomyélite touche encore aujourd’hui de nombreuses personnes dans le monde. Une réalité d’autant plus révoltante lorsqu’on sait qu’il existe un vaccin qui ne coûte que quelques francs et qui pourrait éviter bien des souffrances. Depuis 1994, l’Occident est exempt de poliomyélite. Mais dans certains pays d’Afrique et du sous-continent indien, la maladie frappe encore, en particulier des enfants de moins de 5 ans. Ces cinq derniers mois, de nouveaux cas ont notamment été recensés au Tadjikistan, au Sénégal, en Mauritanie et au Tchad. Les mouvements migratoires provoqués par les conflits armés, les sécheresses ou les famines compliquent l’organisation de campagnes de vaccination systématique des enfants, seul moyen d’éradiquer totalement la maladie. Le DFAE poursuit son engagement en faveur de la lutte contre les maladies liées à la pauvreté. Un engagement qui se traduit notamment par la contribution annuelle de la DDC à des organisations internationales telles que l’OMS ou l’Unicef, et par le soutien à des projets dans le domaine de la promotion de la santé menés dans les pays les plus pauvres d’Afrique, d’Asie et d’Amérique latine. Quelle que soit la forme qu’elle revêt, l’aide est nécessaire: l’établissement de normes par l’OMS et l’Unicef est tout aussi important que l’organisation de campagnes de vaccination systématique ou que la sensibilisation de la population dans les régions démunies. Tout doit être mis en œuvre pour réduire les risques de réapparition de cas de poliomyélite. L’éradication de la poliomyélite est en bonne voie, mais la dernière ligne droite est la plus difficile à franchir. Ne relâchons pas nos efforts si près du but et libérons le monde de cette maladie. Micheline Calmy-Rey, Conseillère fédérale Cheffe du Département fédéral des Affaires étrangères (DFAE) Deutsche Fassung / Versione italiana: www.rotary.ch Photo: © Philippe Christin Musiker als Botschafter Singen für PolioPlus 13. April. Nach der Pressekonferenz der Rotary Foundation im Zürcher Jazz Club Moods über Polio startete die kongolesische Band Staff Benda Bilili ihre Europatournee zugunsten von PolioPlus. Die Musiker sind begehrte Botschafter der PolioPlus-Kampagne der RI Foundation. Das liegt nicht nur an ihren mitreissenden musikalischen Fähigkeiten. Der Kern der Band besteht aus vier Sängern und Gitarristen, die selber an Polio erkrankten. In ihren von traditionellem kongolesischem Rumba, Reggae und Funk inspirierten Stücken singen sie nicht nur über Kinderlähmung und andere Krankheiten, sondern auch über die Nöte von Obdachlosen und Strassenkindern. Die Lieder sollen auch Eltern aufrütteln und dazu bewegen, dem Aufruf der WHO zu folgen und ihre Kinder die Schluckimpfungen einnehmen zu lassen. Koordinator PDG Urs Herzog und Liliane Boualam, WHO. Das «Plus» von PolioPlus Liliane Boualam, die bei der WHO für die Umsetzung der Strategie zur Bekämpfung von Polio zuständig ist, dankte Rotary für dieses einzigartige Gesundheitsprogramm, das nicht nur für die Ausrottung von Polio so wichtig ist (s. S. 19). Das Plus in der Bezeichnung PolioPlus deutet an, dass man im Zusammenhang mit der Impfkampagne sehr effizient auch andere gesundheitliche Vorsorgemassnahmen und Informationsveranstaltungen bis in kleinste Dörfer durchführen kann. Staff Benda Bilili trat nach der vom Moods grosszügig unterstützten Pressekonferenz seine Europatournee an. Rot. Ruedi Huber ROTARY SUISSE LIECHTENSTEIN JUNI 2010 23
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