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Ressourcenorientiertes<br />
Präventionsmanagement<br />
Anja Gerlmaier<br />
Ergebnisse einer Evaluationsstudie<br />
in der Stahlindustrie<br />
Blaue Reihe 2007-01
ISSN 1864-8207<br />
Gelsenkirchen / Duisburg 2007<br />
Herausgeber:<br />
<strong>Institut</strong> <strong>Arbeit</strong> <strong>und</strong> Qualifikation<br />
FB Gesellschaftswissenschaften<br />
Universität Duisburg-Essen<br />
45117 Essen<br />
Telefon: +49-209-1707-0<br />
Telefax: +49-209-1707-110<br />
E-Mail: anja.gerlmaier@uni-due.de<br />
WWW: http://www.iaq.uni-due.de
Zusammenfassung<br />
Mit der Diskussion um den demografischen Wandel <strong>und</strong> die Alterung von Belegschaften<br />
gewinnt in vielen Unternehmen die Frage an Bedeutung, wie die Beschäftigungsfähigkeit<br />
<strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit von Mitarbeitenden über die Erwerbsspanne hinweg aufrecht<br />
erhalten <strong>und</strong> verbessert werden kann. Um ges<strong>und</strong>heitliche Beeinträchtigungen zu verhindern<br />
bzw. Ges<strong>und</strong>heitsressourcen aufzubauen ex<strong>ist</strong>ieren inzwischen verschiedenste<br />
Aktivitäten zur betrieblichen Ges<strong>und</strong>heitsförderung. Sie reichen von Einzelprogrammen<br />
wie der Ernährungsberatung bis hin zu übergreifenden <strong>Arbeit</strong>s- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsschutz-<br />
Managementsystemen.<br />
Eine Reihe von Studien deutet darauf hin, dass eine nachhaltige Verbesserung der Ges<strong>und</strong>heit<br />
von Beschäftigten nur durch ein systematisches Ges<strong>und</strong>heitsmanagement zu<br />
erzielen <strong>ist</strong>. Empirische Bef<strong>und</strong>e zur Bewertung von Ges<strong>und</strong>heits-<br />
Managementsystemen konzentrieren sich häufig nur auf die Betrachtung von pathogenetisch<br />
orientierten Kennzahlen von <strong>Arbeit</strong>sunfähigkeitsdaten bzw. Unfallkennzahlen.<br />
Nur wenige wissenschaftliche Evaluationsstudien liegen vor, die neben klassischen<br />
Kennzahlen des <strong>Arbeit</strong>s- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsschutzes Indikatoren des Wohlbefindens, des<br />
individuellen Ges<strong>und</strong>heitsverhaltens <strong>und</strong> der <strong>Arbeit</strong>ssituation betrachten. Im folgenden<br />
Beitrag werden die Ergebnisse einer zweijährigen Evaluationsstudie zur Wirksamkeit<br />
eines ressourcenorientierten Präventionsmanagements bei einem stahlverarbeitenden<br />
Unternehmen dargestellt. An der Untersuchung nahmen 1.527 Mitarbeitende an der<br />
Vorher- <strong>und</strong> 1.570 Mitarbeitende an der Nachherbefragung teil. Die Ergebnisse der Studie<br />
verweisen auf eine partielle Wirksamkeit des eingeführten Präventionsmanagements.<br />
Im Bereich der Ges<strong>und</strong>heitsparameter kann eine signifikante Steigerung des Ges<strong>und</strong>heitsverhaltens,<br />
des subjektiv erlebten Ges<strong>und</strong>heitszustandes <strong>und</strong> ein vermindertes<br />
Stresserleben festgestellt werden. Das Niveau der ges<strong>und</strong>heitlichen Beeinträchtigungen<br />
veränderte sich nicht. Bei den organisationalen <strong>und</strong> sozialen Ressourcen fanden sich bis<br />
auf eine leichte Verbesserung der erlebten sozialen Unterstützung keine bedeutsamen<br />
Veränderungen. Das Ausmaß der erlebten physikalischen Belastungen hat hypotheseninkonform<br />
innerhalb des Untersuchungszeitraums bedeutsam zugenommen.<br />
Abstract<br />
Due to the demografic trend of an aging workforce, work ability and occupational<br />
health are of increasing importance for many companies. Several methods of workplace<br />
health promotion (WHP) were developed to improve occupational health and wellbeing,<br />
e.g. specific programs as nutrition advice or integrated safety and health management<br />
systems are available. There is strong empirical evidence that integrated occupational<br />
health management systems (OHMS) achieve a continuous effectivity. Only<br />
few studies have evaluated effects of integrated OHMS on an individual level, yet.<br />
In the following study results of a preventive OHMS are presented. The OHMS was<br />
implemented in a steel company during 24 month. 1527 resp. 1570 employees participated<br />
in a questionaire on their health and working conditions, before and after the implementation<br />
of the OHMS. The results of the questionaire partly met with the expecta-
tions. Significant improvements are achieved in health behaviour, well-being and mental<br />
strain. But a substantial reduction of disorders and an improvement of working conditions,<br />
except social support, could not be identified.
Ressourcenorientiertes Präventionsmanagement 5<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
Einleitung..................................................................................................7<br />
1.1 <strong>Arbeit</strong>s- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsschutzmanagement im Wandel........................... 8<br />
1.1.1 Der technikorientierte <strong>Arbeit</strong>s- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsschutz ....................... 8<br />
1.1.2 Die Organisation im Fokus: die soziotechische Perspektive................ 8<br />
1.1.3 Die ressourcenorientierte Perspektive ................................................. 9<br />
2 Ressourcenorientiertes Präventionsmanagement:<br />
Ausgangspunkt, Ziele <strong>und</strong> Projektschritte....................................11<br />
3 Evaluationsdesign <strong>und</strong> -ziele .........................................................13<br />
3.1 Evaluationsdesign .......................................................................................... 13<br />
3.2 Theoretischer Rahmen des Evaluationsmodells......................................... 13<br />
3.3 Evaluationsinstrument ................................................................................... 15<br />
3.4 Fragestellungen im Rahmen der Evaluation................................................ 16<br />
4 Ergebnisse .......................................................................................18<br />
4.1 Stichprobe ....................................................................................................... 18<br />
4.2 Ablauf <strong>und</strong> Inhalte der Intervention .............................................................. 19<br />
4.3 Ergebnisse der Evaluation............................................................................. 19<br />
4.3.1 Wirksamkeit im Hinblick auf Akzeptanz <strong>und</strong> Beteiligung.................... 19<br />
4.3.2 Wirksamkeit der Maßnahmen im Hinblick auf Ges<strong>und</strong>heits-<br />
Ressourcen- <strong>und</strong> Belastungsparameter ............................ 22<br />
4.3.3 Bedeutung der Ressourcen- <strong>und</strong> Belastungsgrößen für die<br />
Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> das Wohlbefinden.................................... 23<br />
5 Diskussion .......................................................................................25<br />
Literatur...................................................................................................27
6<br />
Verzeichnis der Abbildungen<br />
Anja Gerlmaier<br />
Abbildung 1: Phasen eines betrieblichen Ges<strong>und</strong>heitsmanagements.............. 12<br />
Abbildung 2: Evaluationsmodell..................................................................... 15<br />
Abbildung 3: Bewertung der betrieblichen Maßnahmen zum <strong>Arbeit</strong>s- <strong>und</strong><br />
Ges<strong>und</strong>heitsschutz, prozentuale Veränderung der<br />
Bewertungskategorie „eher gut“ ............................................... 20<br />
Abbildung 4: Teilnahmefrequenz an den Ges<strong>und</strong>heitsmaßnahmen................ 21<br />
Verzeichnis der Tabellen<br />
Tabelle 1: Darstellung der verwendeten Skalen im Evaluationsmodell .... 16<br />
Tabelle 2: Zuordnung von Zielen <strong>und</strong> Indikatoren im Evaluationsdesign. 17<br />
Tabelle 3: Verteilung soziodemografischer Parameter in der Stichprobe<br />
<strong>und</strong> der Gesamtbeschäftigten .................................................... 18<br />
Tabelle 4: Partizipation an ausgewählten Maßnahmen im Hinblick auf<br />
Geschlecht, Position <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>szeitregelung .......................... 21<br />
Tabelle 5: Mittelwerte <strong>und</strong> Standardabweichungen der<br />
Ges<strong>und</strong>heitsparameter bei der Vorher- <strong>und</strong> Nachhermessung.. 22<br />
Tabelle 6: Mittelwerte <strong>und</strong> Standardabweichungen der<br />
Belastungsparameter bei der Vorher- <strong>und</strong> Nachhermessung .... 22<br />
Tabelle 7: Mittelwerte <strong>und</strong> Standardabweichungen der<br />
Ressourcenparameter bei der Vorher- <strong>und</strong> Nachhermessung ... 23<br />
Tabelle 8: Ergebnisse der schrittweisen Regressionsanalyse..................... 24
Ressourcenorientiertes Präventionsmanagement<br />
Einleitung<br />
Mit der Diskussion um den demografischen Wandel <strong>und</strong> die Alterung von Belegschaften<br />
gewinnt in vielen Unternehmen die Frage an Bedeutung, wie die Beschäftigungsfähigkeit<br />
<strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit von Mitarbeitenden über die Erwerbsspanne hinweg aufrecht<br />
erhalten <strong>und</strong> verbessert werden kann. Prognosen zum Altersstrukturwandel zeigen, dass<br />
in den nächsten Jahren mehr Unternehmen ihre Wettbewerbs- <strong>und</strong> Innovationsfähigkeit<br />
mit deutlich älteren Mitarbeitenden erzielen müssen (Buck et al. 2002; Bosch 2005,<br />
2003). Insbesondere Unternehmen in der Montanindustrie, die bei Reorganisationsvorhaben<br />
<strong>und</strong> dem damit einhergehenden Personalabbau stark auf Vorruhestandsregelungen<br />
gesetzt haben, werden mit den Folgen des demografischen Wandels<br />
allerdings schon viel früher konfrontiert (Gerlmaier 2007).<br />
Zur Prävention arbeitsbedingter Ges<strong>und</strong>heitsbeeinträchtigungen <strong>und</strong> zur ges<strong>und</strong>heits-<br />
<strong>und</strong> alternsgerechten <strong>Arbeit</strong>sgestaltung gibt es mittlerweile eine Reihe von Instrumenten<br />
<strong>und</strong> Programmen der betrieblichen Ges<strong>und</strong>heitsförderung (u.a. Ilmarinen / Tempel,<br />
2002). Allerdings kann beobachtet werden, dass diese Maßnahmen in vielen Unternehmen<br />
wenig zielgerichtet nach dem ‚Gießkannenprinzip’ durchgeführt werden, ohne dass<br />
eine f<strong>und</strong>ierte Diagnose von Problemschwerpunkten oder ein nachhaltiges Präventionskonzept<br />
vorliegen. Wie Gröben / Bös (1999) in einer repräsentativen Unternehmensbefragung<br />
feststellen, <strong>ist</strong> ein systematisches, integriertes Ges<strong>und</strong>heitsmanagement in den<br />
Betrieben eher die Ausnahme. Von denjenigen Unternehmen, die Kriterien <strong>und</strong> Ziele<br />
zur betrieblichen Ges<strong>und</strong>heitsförderung formuliert haben, erfüllen diese nach eigenen<br />
Angaben auch nur 15 Prozent.<br />
Hinsichtlich der Wirksamkeit einzelner Instrumente <strong>und</strong> Programme zur Ges<strong>und</strong>heitsförderung<br />
(z. B. Ges<strong>und</strong>heitszirkel, Raucherentwöhnung) ex<strong>ist</strong>ieren inzwischen eine<br />
Reihe f<strong>und</strong>ierter Evaluationsergebnisse (u. a. Slesina 2001). Studien von Ulich (2005)<br />
<strong>und</strong> Rosenbrock et al. (1997) verweisen allerdings darauf, dass eine nachhaltige Verbesserung<br />
der Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> des Wohlbefindens der Mitarbeitenden allein durch vereinzelte<br />
betriebliche Programme <strong>und</strong> Maßnahmen nicht erreicht werden kann. Vielmehr<br />
muss der <strong>Arbeit</strong>s- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsschutz <strong>als</strong> integraler Bestandteil unternehmerischer<br />
Le<strong>ist</strong>ungen betrachtet werden, der in allen Prozessen mitzuplanen <strong>ist</strong> <strong>und</strong> <strong>als</strong> organisationaler<br />
Entwicklungsprozess zu verstehen <strong>ist</strong> (Zink, 1998; Elke / Zimolong, 2001). Entsprechende<br />
Modelle eines systematischen <strong>Arbeit</strong>s- bzw. Ges<strong>und</strong>heitsmanagements liegen<br />
mittlerweile vor, allerdings finden sich bisher nur wenige Studien, die die Wirksamkeit<br />
ganzer organisationaler Ansätze überprüfen. Häufig beschränken sich Evaluationen<br />
zudem auf die Betrachtung klassischer <strong>Arbeit</strong>sunfähigkeitsdaten bzw. Unfallkennzahlen,<br />
die <strong>als</strong> „Frühindikatoren“ zur konsequenten Vorbeugung ges<strong>und</strong>heitlicher Beeinträchtigungen<br />
jedoch wenig geeignet sind (Gerlmaier / Latniak in Vorb.).<br />
Im Folgenden werden die Ergebnisse der Einführung eines ressourcenorientierten Präventionsmanagements<br />
in einem stahlverarbeitenden Unternehmen dargestellt. Ziel des<br />
von der Hütten- <strong>und</strong> Walzwerk-Berufsgenossenschaft geförderten Vorhabens war es, im<br />
Rahmen eines neuen Präventions-Managementkonzeptes die Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> das Wohlbefinden<br />
der Mitarbeitenden durch verschiedene Maßnahmen zum Ressourcenaufbau<br />
7
8<br />
Anja Gerlmaier<br />
gezielt zu verbessern. Neben den klassischen Erfolgsindikatoren der Ges<strong>und</strong>heitsförderung<br />
sollten zusätzlich „weiche“ Kennzahlen wie das Wohlbefinden <strong>und</strong> Indikatoren der<br />
erlebten <strong>Arbeit</strong>ssituation herangezogen werden, um die Wirksamkeit des neuen <strong>Arbeit</strong>s-<br />
<strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsschutzmanagements auf der Subjektebene zu überprüfen.<br />
1.1 <strong>Arbeit</strong>s- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsschutz-Management im Wandel<br />
Der <strong>Arbeit</strong>s- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsschutz (AGS) befindet sich seit längerem in einer Phase<br />
der Neuorientierung, die in Zusammenhang mit veränderten gesetzlichen Rahmenbedingungen<br />
in diesem Bereich, neuen Forschungsorientierungen <strong>und</strong> tiefgreifenden Veränderungen<br />
der Markt- <strong>und</strong> Produktionsbedingungen in der Wirtschaft zu sehen <strong>ist</strong>. Im<br />
Folgenden werden drei Entwicklungsphasen unterschieden: Die Phase des technikorientierten<br />
<strong>Arbeit</strong>s- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsschutzes sowie Entwicklungen eines sozio-technischen<br />
bzw. der ressourcenorientierten <strong>Arbeit</strong>s- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsschutzes.<br />
1.1.1 Der technikorientierte <strong>Arbeit</strong>s- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsschutz<br />
In der Blütezeit der industriellen Produktion dominierte im Hinblick auf den <strong>Arbeit</strong>sschutz<br />
lange Zeit eine technikorientierte Sichtweise der Gefahrenabwehr. Der Mensch<br />
galt in dieser Zeit überspitzt formuliert <strong>als</strong> ein vor Gefahren zu schützendes Objekt, aber<br />
auch <strong>als</strong> Hauptverursachungsfaktor von Un- oder Störfällen aufgr<strong>und</strong> unsicherer oder<br />
riskanter Verhaltensweisen (Hoyos / Wenninger 1995). Aus dieser Perspektive heraus<br />
bildeten Expert/innen des <strong>Arbeit</strong>sschutzes wie Ingenieure/innen, Sicherheitsfachkräfte<br />
<strong>und</strong> -beauftragte sowie <strong>Arbeit</strong>smediziner/innen die zentralen Akteure des <strong>Arbeit</strong>sschutzes.<br />
Ihre Hauptaufgabe bestand vor allem darin, Maßnahmen zur Unfallverhütung, Ergonomie<br />
<strong>und</strong> dem Schutz vor Gefahrstoffen entsprechend der gesetzlichen Vorgaben<br />
umzusetzen.<br />
1.1.2 Die Organisation im Fokus: die sozio-techische Perspektive<br />
In den 80er Jahren setzt sich in zunehmendem Maße die Erkenntnis durch, dass der<br />
Wirksamkeit rein verhaltens- oder technikorientierter <strong>Arbeit</strong>sschutzmaßnahmen Grenzen<br />
gesetzt sind. Immer mehr Untersuchungsergebnisse von schweren Unfällen <strong>und</strong><br />
Katastrophen deuteten darauf hin, dass weniger technische Mängel oder menschliches<br />
Fehlverhalten, sondern eine unzureichende Sicherheitsorganisation die Hauptursache<br />
von vielen Unfällen darstellte (Reason 1990). In dieser Zeit entwickelte sich ein reges<br />
Forschungsinteresse, in dessen Mittelpunkt eine erweiterte sozio-technische Perspektive<br />
im <strong>Arbeit</strong>sschutz stand, die vor allem die Interaktionen zwischen Mensch <strong>und</strong> Technik<br />
in einem organisationalen Gefüge betrachtete. Mit Verfahren wie dem Mensch-Technik-<br />
Organisation-Ansatz (MTO, vgl. Strohm / Ulich 1997) wurden beispielsweise betriebliche<br />
<strong>Arbeit</strong>sanalyseverfahren entwickelt, deren Ziel in einer umfassenden Analyse <strong>und</strong><br />
menschengerechten <strong>Arbeit</strong>sgestaltung bestand. Im <strong>Arbeit</strong>sschutz wurde etwa mit dem<br />
Konzept des Safety Management System von Hale, Heming, Carthey / Kirwan (1994)<br />
ein neuer, ganzheitlicher Ansatz erarbeitet, in dessen Fokus ein systematischer Ablauf<br />
von sicherheitsrelevanten Prozessen <strong>und</strong> eine entsprechende Organisation des <strong>Arbeit</strong>s-<br />
<strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsschutzes stand. Elemente des Konzeptes wurden wiederum bei der<br />
Entwicklung des ganzheitlichen Managements zum <strong>Arbeit</strong>s- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsschutz
Ressourcenorientiertes Präventionsmanagement 9<br />
(GAMAGS) (Elke / Zimolong 2001) oder des European Fo<strong>und</strong>ation for Quality Management-Modells<br />
(EFQM) (Zink 1998) einbezogen. Beide Modelle zielten darauf ab,<br />
Prozesse des Qualitäts- <strong>und</strong> Umweltmanagements mit Aufgaben des <strong>Arbeit</strong>s- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsschutzes<br />
zu systematisieren <strong>und</strong> zu verbinden. Eine zentrale Annahme der<br />
Konzepte <strong>ist</strong>, dass der Erfolg betrieblicher Sicherheits- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsarbeit nicht auf<br />
dem Einsatz vereinzelter Programme <strong>und</strong> Maßnahmen basiert. Ges<strong>und</strong>heit wird vielmehr<br />
zum integralen Bestandteil unternehmerischer Le<strong>ist</strong>ungen, die in allen Prozessen<br />
mitgeplant werden muss <strong>und</strong> <strong>als</strong> organisationaler Entwicklungsprozess zu verstehen <strong>ist</strong><br />
(Elke 2000). Die Handlungssteuerung der Aktivitäten auf der Organisationsebene wird<br />
ähnlich dem Problemlösezyklus von Hale et al. (1994) <strong>als</strong> Abfolge von Überwachung,<br />
Messung <strong>und</strong> Überprüfung der Durchführung von Maßnahmen an den formulierten<br />
AGS-Standards beschrieben. <strong>Diese</strong> Standards können in Form von Betriebs- oder <strong>Arbeit</strong>sanweisungen<br />
formuliert sein, aber auch in bestimmten Kennzahlen wie z. B. der<br />
Anzahl von <strong>Arbeit</strong>sunfällen pro Jahr in einer bestimmten Abteilung festgelegt sein. Ergibt<br />
die Bewertung eine Ist-Soll-Differenz, so werden Konsequenzen in Form von Qualifizierungsmaßnahmen<br />
der Organisationsteilnehmer, eine Optimierung der Kriterien<br />
bzw. die Ableitung neuer Standards notwendig. Eine ähnliche Sichtweise fand etwa zur<br />
gleichen Zeit auch in der betrieblichen Ges<strong>und</strong>heitsförderung Eingang. Auch hier wurde<br />
<strong>als</strong> zentrales Anliegen formuliert, den <strong>Arbeit</strong>s- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsschutz zu einem formalisierten<br />
<strong>und</strong> systematischen Führungsinstrument weiterzuentwickeln, um dadurch die<br />
bisher übliche Orientierung an Einzelproblemen <strong>und</strong> -maßnahmen zu überwinden (Badura<br />
et al. 1999). Mehrere Untersuchungen im Industriesektor konnten in diesem Zusammenhang<br />
zeigen, dass sich Betriebe mit hohen bzw. niedrigen Unfallzahlen vor allem<br />
darin unterscheiden, ob sie Sicherheitsstandards besitzen <strong>und</strong> diese auch kontrollieren<br />
(Elke / Zimolong 2001; Hoheisel 1995).<br />
1.1.3 Die ressourcenorientierte Perspektive<br />
Etwa seit dem Beginn des neuen Jahrtausends <strong>ist</strong> eine stärkere Orientierung auf die subjektiven<br />
Potenziale der <strong>Arbeit</strong>enden in Organisationen festzustellen. Hierfür können<br />
verschiedene Entwicklungen verantwortlich gemacht werden.<br />
Mit der Transformation von der Industrie- zur Dienstle<strong>ist</strong>ungsgesellschaft verändern<br />
sich in vielen Unternehmen elementare Gr<strong>und</strong>prinzipien der Organisation von <strong>Arbeit</strong>.<br />
Anstelle traditierter Formen der Unternehmenssteuerung <strong>und</strong> der <strong>Arbeit</strong>sorganisation<br />
gewinnen flexible Formen der <strong>Arbeit</strong> wie Team- / Projektarbeit oder marktzentrierte<br />
Formen der Steuerung <strong>und</strong> Koordination an Bedeutung. Durch Flexibilisierungstendenzen<br />
in der <strong>Arbeit</strong> (Zunahme marktzentrierter Steuerungsformen, Outsourcing) kann ein<br />
(sektoral zu differenzierender) Trend der Subjektivierung von <strong>Arbeit</strong> beobachtet werden.<br />
Dabei wird z. B. vermehrt auf die Selbstorganisationsfähigkeiten der <strong>Arbeit</strong>enden<br />
anstelle von Anweisung <strong>und</strong> Kontrolle <strong>und</strong> die stärkere Verwertung ihrer subjektiven<br />
Potenziale für den <strong>Arbeit</strong>sprozess gesetzt (Moldaschl 2002).<br />
In den <strong>Arbeit</strong>s- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitswissenschaften <strong>ist</strong> etwa zur gleichen Zeit ein deutlicher<br />
Perspektivenwandel festzustellen, der das Verständnis von Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Belastungsbewältigung<br />
betrifft. Den Hintergr<strong>und</strong> dieser Umorientierung bildet u.a. das zunehmende<br />
Interesse an Ansätzen der Salutogenese, bei denen die Frage im Vordergr<strong>und</strong> steht,
10<br />
Anja Gerlmaier<br />
was Individuen <strong>und</strong> Organisationen unternehmen können, um trotz Belastungen ges<strong>und</strong><br />
zu bleiben (Antonovski 1996; Udris et al. 1991). Die Ressourcen der Ges<strong>und</strong>erhaltung<br />
spielen auch bei den neuen Zielen der Weltges<strong>und</strong>heitsorganisation (WHO) eine bedeutsame<br />
Rolle. Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Wohlbefinden werden <strong>als</strong> gr<strong>und</strong>legende Voraussetzung<br />
sowohl für die aktive Teilnahme am gesellschaftlichen Leben wie auch für mehr Le<strong>ist</strong>ungsfähigkeit,<br />
Produktivität <strong>und</strong> Innovation in Unternehmen angesehen. Ges<strong>und</strong>heitsförderung<br />
zielt in diesem Zusammenhang auf einen Prozess ab, der allen Menschen ein<br />
höheres Maß an Selbstbestimmung über ihre Ges<strong>und</strong>heit ermöglichen <strong>und</strong> zur Stärkung<br />
der Ges<strong>und</strong>heitsressourcen befähigen soll (vgl. Ottawa-Charta der WHO). Ein Trend zur<br />
Hinwendung auf Ressourcen kann auch bei der Neuausrichtung der betrieblichen Ges<strong>und</strong>heitsförderung<br />
beobachtet werden. In Modellen wie dem „Salutogenetic Management“<br />
(Westermeyer / Stein 2006) oder der „ges<strong>und</strong>en Organisation“ (Kow<strong>als</strong>ki 2001;<br />
Badura / Hehlmann 2003) werden die Befähigung zu ges<strong>und</strong>heitsorientiertem Handeln<br />
<strong>und</strong> die Ressourcen des sozialen Systems wie Commitment <strong>als</strong> zentrale Einflussfaktoren<br />
der Ges<strong>und</strong>heitsförderung herausgestellt. Investitionen in diese Ressourcen stellen nach<br />
Einschätzung der Autoren einen „wichtigen Beitrag zur Nutzung ihrer organisationalen<br />
Möglichkeiten, zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit <strong>und</strong> zur Verhinderung von<br />
Siechtum <strong>und</strong> vorzeitigem Tod einer Organisation“ dar (Badura / Hehlmann 2003, 7).
Ressourcenorientiertes Präventionsmanagement 11<br />
2 Ressourcenorientiertes Präventionsmanagement: Ausgangspunkt,<br />
Ziele <strong>und</strong> Projektschritte<br />
Die Erkenntnis, dass es zu einer „ges<strong>und</strong>en Organisation“ (Kow<strong>als</strong>ki, 2001, 191) mehr<br />
bedarf <strong>als</strong> der Einhaltung von <strong>Arbeit</strong>sschutzstandards <strong>und</strong> Maßnahmen zur betrieblichen<br />
Ges<strong>und</strong>heitsförderung, stellte für ein Großunternehmen in der stahlverarbeitenden Industrie<br />
den ausschlaggebenden Gr<strong>und</strong> dar, neue Wege des <strong>Arbeit</strong>s- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsschutzes<br />
zu gehen. Zwar hatte das Unternehmen bereits flächendeckend Team- <strong>und</strong><br />
Gruppenarbeit eingeführt <strong>und</strong> die Aktivitäten seiner betrieblichen <strong>Arbeit</strong>sschutzakteure/innen<br />
stärker vernetzt, womit bereits bedeutsame Erfolge bei der Verminderung von<br />
Unfällen <strong>und</strong> Fehlzeiten erreicht werden konnten. Mit der Einführung eines Präventions-Managementsystems<br />
wollte die Unternehmensführung jedoch noch einen Schritt<br />
weiter gehen. Ein wesentliches Ziel des Vorhabens, das über die Projektlaufzeit von drei<br />
Jahren von der Hütten- <strong>und</strong> Walzwerk-Berufsgenossenschaft gefördert wurde, bestand<br />
darin, die Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Le<strong>ist</strong>ungsfähigkeit der Mitarbeitenden nachhaltig zu erhalten<br />
<strong>und</strong> zu verbessern. Im Mittelpunkt des Veränderungsprozesses standen dabei folgende<br />
Teilziele:<br />
• Schaffung einer positiven Ges<strong>und</strong>heitskultur im Unternehmen<br />
• Förderung <strong>und</strong> Stärkung der individuellen Ges<strong>und</strong>heitsressourcen<br />
• Optimierung arbeitsbezogener Ressourcen (soziale Unterstützung, Erhöhung der<br />
Lern- <strong>und</strong> Entscheidungsmöglichkeiten) <strong>und</strong> Verminderung arbeitsbedingter Belastungsfaktoren<br />
• Entwicklung ressourcenorientierter Kennzahlen zur Bewertung der Ges<strong>und</strong>heitssituation<br />
• Entwicklung integrierter betrieblicher Strukturen <strong>und</strong> Prozesse<br />
Im Gegensatz zu einem traditionellen pathogenetisch, d.h. krankheitsorientierten Verständnis<br />
von Ges<strong>und</strong>heit wurde von einem erweiterten Ges<strong>und</strong>heitsbegriff ausgegangen,<br />
in dessen Mittelpunkt die systemische Förderung des physischen, psychischen <strong>und</strong> sozialen<br />
Wohlbefindens stand. Nicht nur die Vermeidung von Krankheit <strong>und</strong> Fehlzeiten,<br />
sondern vor allem die Erhöhung des Wohlbefindens <strong>und</strong> die Aktivierung individueller<br />
Ges<strong>und</strong>heitsressourcen standen im Mittelpunkt des Vorhabens.<br />
Im Rahmen des Vorhabens wurde zunächst ein Steuerungskreis eingerichtet. <strong>Diese</strong>r war<br />
für die Einführung des Präventionsmanagements im Unternehmen verantwortlich. Zusätzlich<br />
entwickelte er für die interne Erfolgskontrolle des Projektes Scorecards, mit<br />
Hilfe derer Indikatoren zur Zielerreichung festlegt wurden. Um sich auszutauschen <strong>und</strong><br />
Ergebnisse zu bewerten, wurde ein projektbegleitender Beirat gebildet. <strong>Diese</strong>r tagte<br />
halbjährlich <strong>und</strong> setzte sich aus Vertretern von Berufsgenossenschaften <strong>und</strong> anderen<br />
überbetrieblichen Akteuren des <strong>Arbeit</strong>s- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsschutzes, Vertreter/innen von<br />
Transferunternehmen sowie dem Steuerungskreis zusammen.
12<br />
Anja Gerlmaier<br />
Ein weiteres Kernelement des Präventionsmanagements stellte die Evaluation des Vorhabens<br />
dar. Zum einen wurde mit der Evaluation das Ziel verfolgt, auf Basis von subjektiven<br />
Befindensparametern Erkenntnisse über die Wirksamkeit der durchgeführten<br />
Interventionen zu erhalten. Zum anderen sollten insbesondere die Ergebnisse der Erstbefragung<br />
zur Identifikation spezifischer Handlungsschwerpunkte im Betrieb genutzt<br />
werden.<br />
Der Projektablauf bei der Einführung des Präventionsmanagements wurde, wie in Abbildung<br />
1 dargestellt, entsprechend den Kernprozessen eines betrieblichen Ges<strong>und</strong>heitsmanagements<br />
konzipiert (vgl. Badura / Hehlmann 2003).<br />
Abbildung 1: Phasen eines betrieblichen Ges<strong>und</strong>heitsmanagements<br />
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Quelle: Badura / Hehlmann 2003 (modifiziert) © IAQ 2007<br />
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Ressourcenorientiertes Präventionsmanagement 13<br />
3 Evaluationsdesign <strong>und</strong> -ziele<br />
3.1 Evaluationsdesign<br />
Je nach Ziel <strong>und</strong> inhaltlicher Ausrichtung können nach Krieger (1998) im Rahmen eines<br />
Evaluationsdesigns verschiedene Evaluationskonzepte unterschieden werden. Von einer<br />
Ergebnisevaluation wird gesprochen, wenn im Vordergr<strong>und</strong> der Evaluation steht, die<br />
Programmwirkungen im Hinblick auf die Veränderungen des Ist-Zustandes zu beschreiben<br />
<strong>und</strong> bewerten. Dagegen zielt die Strukturevaluation darauf ab, ob die für das<br />
Programm gebildeten oder in Anspruch genommenen Einrichtungen personaler, materieller<br />
<strong>und</strong> organisationaler Art geeignet sind, um die Programmmaßnahmen in der geplanten<br />
Weise zu realisieren. Von Prozessevaluation wird dagegen gesprochen, wenn<br />
die tatsächliche Vorgehensweise der Programmeinrichtung zu bewerten <strong>ist</strong>. Fragen der<br />
Evaluation beschäftigen sich beispielsweise mit der Zufriedenheit der Beteiligten bezüglich<br />
des Verlaufs der Zusammenarbeit sowie mit Fragen, ob Lösungsvorschläge oder<br />
Maßnahmen tatsächlich realisiert wurden. Im Rahmen des Vorhabens wurde sowohl<br />
eine Ergebnis- wie auch Strukturevaluation vorgenommen. Nur Erstere bildet allerdings<br />
den Gegenstand dieses Berichtes.<br />
Als Evaluationsdesign wurde für das Vorhaben ein Pre-Post-Test-Design mit unbehandelter<br />
Kontrollgruppe (Vergleiche zweier Betriebsteile) konzipiert. Auf Hinwirken des<br />
betrieblichen Steuerungskreises musste bei der Umsetzung allerdings auf ein Kontrollgruppendesign<br />
verzichtet werden. Ebenso konnte eine Kodierung im Fragebogen, die<br />
für einen Pre-Post-Vergleich auf Personenebene notwendig gewesen wäre, beim Auftraggeber<br />
nicht durchgesetzt werden. Vertreter des Steuerungskreises befürchteten hierdurch<br />
die Gefahr einer geringeren Beteiligung bei der Befragung. Hierdurch konnten bei<br />
der späteren Analyse nur varianzanalytische Gruppenvergleiche anstelle von Längsschnittvergleichen<br />
mit Messwiederholungen durchgeführt werden.<br />
Eine zentrale Frage der Ergebnisevaluation war, inwiefern sich durch die Einführung<br />
des ressourcenorientierten Präventionsmanagements bedeutsame Verbesserungen der<br />
Ges<strong>und</strong>heit, des Wohlbefindens <strong>und</strong> der erlebten <strong>Arbeit</strong>ssituation bei den Beschäftigten<br />
nachweisen lassen (Effizienzmessung). Gegenstand der Evaluation stellten vor allem<br />
„weiche“, d.h. subjektive Faktoren dar, die mit Hilfe einer Mitarbeiterbefragung zu Beginn<br />
<strong>und</strong> nach Abschluss des Vorhabens ermittelt wurden.<br />
3.2 Theoretischer Rahmen des Evaluationsmodells<br />
Den Ausgangspunkt des Evaluationsmodells stellt ein handlungstheoretisch orientiertes<br />
Belastungs- / Ressourcenkonzept dar. Der <strong>Arbeit</strong>ende wird darin <strong>als</strong> aktiv Handelnder<br />
verstanden, der Einfluss auf seine Umwelt <strong>und</strong> sein Verhalten nehmen kann <strong>und</strong> nicht<br />
Belastungen passiv erträgt, wie es in vielen klassischen Belastungsmodellen angenommen<br />
wird.<br />
In diesem Konzept wird zwischen Anforderungen, Belastungen <strong>und</strong> Ressourcen differenziert<br />
(Oestereich 1999). <strong>Arbeit</strong>sanforderungen fordern <strong>und</strong> fördern in diesem Kon-
14<br />
Anja Gerlmaier<br />
zept die Fähigkeiten von <strong>Arbeit</strong>enden <strong>und</strong> bergen somit ein Potenzial für Ges<strong>und</strong>heit<br />
<strong>und</strong> Motivation in sich. Belastungen treten dagegen dann auf, wenn bestimmte Durchführungsbedingungen<br />
die Bewältigung der Anforderungen behindern oder Anforderungen<br />
im Widerspruch zueinander stehen. Für die ges<strong>und</strong>heitsgerechte Bewältigung von<br />
Handlungsanforderungen spielen persönliche, soziale <strong>und</strong> organisationale Ressourcen<br />
eine bedeutende Rolle. Ressourcen können dabei im Prozess der Bewältigung von Anforderungen<br />
<strong>als</strong> Hilfsmittel wirksam werden (z. B. Erfahrungen, soziale Unterstützung,<br />
ausreichende Verfügungsrechte). Es wird darüber hinaus davon ausgegangen, dass Ressourcen<br />
auch <strong>als</strong> „Klimafaktoren“ wirksam sind, die beitragen können, Belastungssituationen<br />
besser zu ertragen (Beispiel: soziales Klima).<br />
Von einer optimalen Anforderungsbewältigung wird dann ausgegangen, wenn dem Individuum<br />
genügend <strong>und</strong> adäquate interne <strong>und</strong> externe Ressourcen (Kompetenzen, Verhandlungsspielräume,<br />
etc.) in Bezug auf die jeweiligen Handlungsbedingungen zur Verfügung<br />
stehen (Becker 1998; Gerlmaier 2006). Zur Förderung der Ges<strong>und</strong>heit ex<strong>ist</strong>ieren<br />
verschiedene Ansätze: Verhältnisorientierte Ansätze setzen vor allem an den jeweiligen<br />
<strong>Arbeit</strong>sbedingungen der Mitarbeitenden an. Im Vordergr<strong>und</strong> stehen dabei Maßnahmen<br />
zur <strong>Arbeit</strong>s- <strong>und</strong> Organisationsgestaltung, die beitragen, physische <strong>und</strong> psychische Belastungen<br />
zu vermindern sowie individuelle <strong>und</strong> soziale Ressourcen aufzubauen (z. B.<br />
soziale Unterstützung durch Kolleg/innen). Verhaltenspräventive Maßnahmen zielen<br />
dagegen vor allem auf die Veränderung der individuellen Einstellungen sowie auf das<br />
Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> Bewältigungsverhalten ab. Klassische verhaltenspräventive Maßnahmen<br />
stellen beispielsweise Kurse zum Stressmanagement, Rückenschulen oder Ernährungsseminare<br />
dar.<br />
Abbildung 2 gibt einen Überblick über die Elemente <strong>und</strong> Wirkzusammenhänge des<br />
Evaluationsmodells. Hierbei werden drei Kriterienbereiche unterschieden: Outputkriterien<br />
sowie personen- <strong>und</strong> bedingungsbezogene Inputkriterien.
Ressourcenorientiertes Präventionsmanagement 15<br />
Abbildung 2: Evaluationsmodell<br />
Inputfaktoren<br />
Bedingungsbezogene<br />
Belastungen<br />
• Umgebungsbelastungen<br />
• <strong>Arbeit</strong>splatzunsicherheit<br />
Bedingungs-/subjektbezogene<br />
Ressourcen<br />
• Führung<br />
• Soziale Unterstützung<br />
• Soziales Klima<br />
• Ges<strong>und</strong>heitswissen<br />
• Veränderungsmotivation<br />
• Transparenz<br />
• Zeitautonomie<br />
• Handlungsautonomie<br />
Verhältnisprävention<br />
Anforderungsbewältigung<br />
+<br />
ges<strong>und</strong>heitsbezogeneVerhaltensabsicht<br />
Verhaltensprävention<br />
Outputfaktoren<br />
Stress/Psychische<br />
Erschöpfung<br />
Psychosomatische<br />
Beschwerden<br />
Ges<strong>und</strong>heitsverhalten<br />
Bewertung der<br />
Maßnahmen zum<br />
Ges<strong>und</strong>heitsschutz<br />
Quelle ©: IAQ 2007<br />
Als Outputkriterien dienen entsprechend einem erweiterten Ges<strong>und</strong>heitsverständnis<br />
verschiedene Aspekte des subjektiven Wohlbefindens, der psycho-mentalen Beanspruchung<br />
sowie des Ges<strong>und</strong>heitsverhaltens. Als „Auslöser“ oder Bedingungsfaktoren von<br />
Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Wohlbefinden werden im Modell vor allem Belastungen <strong>und</strong> Ressourcen<br />
ermittelt. Ausgangspunkt der Überlegungen <strong>ist</strong>, dass sich die Maßnahmen im Sinne<br />
eines präventiven Ansatzes der Ges<strong>und</strong>heitsförderung auch auf eine Veränderung individueller<br />
Einstellungen, Motivationen <strong>und</strong> Wissens (Ges<strong>und</strong>heitskompetenz) <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>heitsbeeinträchtigender<br />
<strong>Arbeit</strong>sbedingungen richten, um nachhaltig erfolgreich zu<br />
sein (<strong>Arbeit</strong>sgestaltung, Verhaltensprävention).<br />
3.3 Evaluationsinstrument<br />
Zur Operationalisierung der Wirksamkeitsindikatoren wurde, wo dies möglich war, auf<br />
wissenschaftlich f<strong>und</strong>ierte Instrumente <strong>und</strong> Verfahren zurückgegriffen. Tabelle 1 gibt<br />
einen Überblick über die verwendeten Instrumente:
16<br />
Anja Gerlmaier<br />
Tabelle 1: Darstellung der verwendeten Skalen im Evaluationsmodell<br />
Instrument Autorinnen / Autoren<br />
SALSA: Salutogenetische Subjektive <strong>Arbeit</strong>sanalyse,<br />
daraus<br />
• Skala zu Umgebungsbelastungen<br />
• Skala zum erlebten Ges<strong>und</strong>heitszustand<br />
• Führungsklima<br />
• Soziales Klima<br />
• Ges<strong>und</strong>heitsverhalten<br />
• Zeitsouveränität<br />
TAA: Tätigkeits- <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>sanalyseverfahren<br />
• Soziale Unterstützung<br />
• Transparenz<br />
DigA: Diagnose ges<strong>und</strong>heitsförderlicher <strong>Arbeit</strong><br />
• Soziale Unterstützung<br />
Freiburger-Beschwerdel<strong>ist</strong>e<br />
• Psychosomatische Beschwerden<br />
<strong>Arbeit</strong>swelt NRW 2004: Belastungsfaktoren – Bewältigungsformen<br />
– Zufriedenheit, daraus<br />
• Bewertung der AGS Maßnahmen<br />
Gereiztheit / Belastetheit-Skala<br />
• Stress<br />
Ges<strong>und</strong>heitswissen<br />
• Handlungsautonomie<br />
• <strong>Arbeit</strong>sbedingte Motivierung<br />
Rimann, M. / Udris, I. (1993)<br />
Büssing, A. / Glaser, J. (2002)<br />
Ducki, A. (2000)<br />
Fahrenberg, J. (1975)<br />
LAFA NRW (2005)<br />
Mohr, G. (1986)<br />
Eigenkonstruktionen<br />
Quelle: © IAQ 2007<br />
Sowohl im Evaluationsmodell <strong>als</strong> auch bei der Konzeption des Fragebogens war die<br />
Ermittlung verschiedener Formen der psychischen Belastung geplant. Da die arbeitsplatzbezogene<br />
Ermittlung psychischer Belastung Gegenstand eines Maßnahmenmoduls<br />
war, wurden auf Wunsch des Auftraggebers die entsprechenden Skalen entfernt.<br />
3.4 Fragestellungen im Rahmen der Evaluation<br />
Im Rahmen des Vorhabens wurden entsprechend der verschiedenen Zielsetzungen Evaluationskriterien<br />
auf unterschiedlichen Ebenen (Individuum, Führung, Koordination)<br />
entwickelt. Im Rahmen der Mitarbeiterbefragung sollten vor allem die Wirkungen der<br />
Maßnahmen auf der Subjektebene erhoben werden.<br />
Folgende Fragestellungen standen im Mittelpunkt der Evaluation:<br />
• Inwieweit kann durch das Vorhaben die Bewertung von betrieblichen Angeboten<br />
zum <strong>Arbeit</strong>s- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsschutz verbessert werden (Akzeptanz)? In-
Ressourcenorientiertes Präventionsmanagement 17<br />
wieweit gelingt es, Beschäftigte zur Teilnahme an den Präventionsangeboten zu<br />
mobilisieren, insbesondere Personengruppen mit einem erhöhten Ges<strong>und</strong>heitsrisiko<br />
im Unternehmen (männliche <strong>Arbeit</strong>er im Produktionsbereich)?<br />
• Kann durch die Maßnahmen des Präventionsmanagements die Ges<strong>und</strong>heits-, Belastungs-<br />
<strong>und</strong> Ressourcensituation der Beschäftigten verbessert werden?<br />
• Welche Maßnahmen erweisen sich <strong>als</strong> besonders wirkungsvoll im Hinblick auf<br />
die Ges<strong>und</strong>erhaltung der Beschäftigten?<br />
Insbesondere die Beantwortung der letzten Fragestellung erwies sich <strong>als</strong> schwierig. Auf<br />
Seiten der Auftraggeber war eine Einzelmaßnahmenevaluation bis auf die zahlenmäßige<br />
Erfassung der Teilnehmer nicht vorgesehen. Da auf Personenkennungen im Rahmen der<br />
Studie verzichtet wurde, konnte die Wirksamkeit von Einzelmaßnahmen ebenfalls nicht<br />
gemessen werden. Um zumindest Erkenntnisse darüber zu erhalten, welche Felder der<br />
Ges<strong>und</strong>heitsförderung (z. B. <strong>Arbeit</strong>sgestaltung, Verhaltensmodifikation, teambezogene<br />
Interventionen) einen besonders großen Einfluss auf die Ges<strong>und</strong>heit der Beschäftigten<br />
haben, wurden Zusammenhangsanalysen zwischen den Input- <strong>und</strong> Outputvariablen des<br />
Evaluationsmodells berechnet.<br />
Tabelle 2 gibt einen Überblick über die Interventionsziele <strong>und</strong> die gewählten Kriterien<br />
im Rahmen der Mitarbeiterbefragung.<br />
Tabelle 2: Zuordnung von Zielen <strong>und</strong> Indikatoren im Evaluationsdesign<br />
Ziel Indikator / Kriterium<br />
Schaffung einer positiven Ges<strong>und</strong>heitskultur<br />
im Unternehmen<br />
Verbesserung der Ges<strong>und</strong>heitssituation<br />
<strong>und</strong> des Wohlbefindens<br />
Förderung individueller <strong>und</strong> arbeitsbezogener<br />
Ressourcen<br />
Verminderung arbeitsbedingter Belastungsfaktoren<br />
Zunahme der Akzeptanz betrieblicher Ges<strong>und</strong>heitsaktivitäten<br />
Höhe der Beteiligung an den Präventionsangeboten,<br />
insbesondere der betrieblichen Risikogruppen<br />
Reduzierung von Stress<br />
Verminderung psychosomatischer Beschwerden<br />
Erhöhung der <strong>Arbeit</strong>smotivation<br />
Verbesserung des erlebten Ges<strong>und</strong>heitszustandes<br />
(Wohlbefinden)<br />
Verbesserung des individuellen Ges<strong>und</strong>heitsverhaltens<br />
Erhöhung der individuellen Ges<strong>und</strong>heitskompetenz<br />
Reduzierung von arbeitsbedingten Belastungsfaktoren<br />
Verbesserung arbeitsbezogener Ressourcen<br />
(soziale Unterstützung, soziales <strong>und</strong> Führungsklima,<br />
Handlungsautonomie <strong>und</strong> Zeitsouveränität)<br />
Wirksamkeit der Einzelmaßnahmen Prozentualer Anteil der Varianzaufklärung der<br />
Inputfaktoren an der Variable „Ges<strong>und</strong>heitliche<br />
Beschwerden“<br />
Quelle: © IAQ 2007
18<br />
4 Ergebnisse<br />
4.1 Stichprobe<br />
Anja Gerlmaier<br />
An der Ersterhebung nahmen 1.527 Mitarbeitende teil, an der Zweiterhebung nach 24<br />
Monaten beteiligten sich 1.570 Mitarbeitende. Die Rücklaufquoten betrugen 83 Prozent<br />
bzw. 90 Prozent <strong>und</strong> sind <strong>als</strong> außerordentlich gut zu bezeichnen. Häufig liegen Rücklaufquoten<br />
bei Befragungen zwischen 30–70 Prozent.<br />
Aus betrieblichen Gründen wurden bei der Vor- <strong>und</strong> Nachhererhebung zwei von fünf<br />
Schichten der Produktion an der Befragung beteiligt. Bei den Verwaltungs- <strong>und</strong> Dienstle<strong>ist</strong>ungsbereichen<br />
erfolgte eine Vollerhebung. Wie Tabelle 3 zeigt, <strong>ist</strong> die Stichprobe<br />
im Hinblick auf die Altersstruktur im Unternehmen sowie die Verteilung der Geschlechter<br />
mit der Gesamtbelegschaft vergleichbar. Aufgr<strong>und</strong> des Umstandes, dass nur<br />
zwei Schichten im Produktionsbetrieb an der Untersuchung teilnehmen, <strong>ist</strong> eine Vergleichbarkeit<br />
im Hinblick auf die „Positionen“ zwischen der Stichprobe <strong>und</strong> der Gesamtbelegschaft<br />
nicht gegeben. Insgesamt kann jedoch, insbesondere unter Berücksichtigung<br />
der hohen Beteiligung, von repräsentativen Ergebnissen ausgegangen werden.<br />
Tabelle 3: Verteilung soziodemografischer Parameter in der Stichprobe<br />
<strong>und</strong> der Gesamtbelegschaft<br />
Geschlecht<br />
männlich<br />
weiblich<br />
Position<br />
<strong>Arbeit</strong>er/in<br />
Angestellte/r<br />
davon<br />
Verteilung Gesamtbelegschaft Rücklauf (nachher)<br />
Führungsposition<br />
sonstiges<br />
Alter<br />
Unter 20 Jahre<br />
21–30 Jahre<br />
31–40 Jahre<br />
41–50 Jahre<br />
Über 50 Jahre<br />
2.387 (93 %)<br />
181 (7 %)<br />
1.910 (68,7 %)<br />
658 (23,65 %)<br />
214 (7,7 %)<br />
172 (6,3 %)<br />
391 (14,3 %)<br />
656 (24 %)<br />
858 (31,4 %)<br />
654 (23,9 %)<br />
keine Ang.: 63 (4 %)<br />
1.339 (85,3 %)<br />
168 (10,7 %)<br />
keine Ang.: 128 (8,2 %)<br />
741(47,2 %)<br />
391 (24,9 %)<br />
147 (9,4 %)<br />
163 (10,4 %)<br />
145 (3,6 %)<br />
261 (9,2 %)<br />
330 (16,6 %)<br />
439 (28 %)<br />
338 (21,5 %)<br />
Quelle: © IAQ 2007
Ressourcenorientiertes Präventionsmanagement 19<br />
4.2 Ablauf <strong>und</strong> Inhalte der Intervention<br />
Nach der erfolgten Ersterhebung wurden die Ergebnisse zur Ges<strong>und</strong>heits-, Ressourcen-<br />
<strong>und</strong> Belastungssituation bereichs- <strong>und</strong> abteilungsspezifisch ausgewertet 1 . Zur Ermittlung<br />
besonderer Handlungsschwerpunkte erfolgte ein Abteilungsranking für die verschiedenen<br />
Out- <strong>und</strong> Inputvariablen. Jede Abteilung erhielt eine abteilungsspezifische<br />
Ampelkarte, auf der abgetragen war, in welchen Bereichen (Ges<strong>und</strong>heits-, Ressourcen-<br />
<strong>und</strong> Belastungsvariablen) ein Handlungsbedarf besteht. Jede Abteilung erhielt aus dem<br />
Steuerkreis eine Rückmeldung über ihre Ergebnisse.<br />
Die Planung <strong>und</strong> Umsetzung der Interventionsmaßnahmen richtete sich zu einem Teil<br />
an zuvor gesetzten Handlungsfeldern aus. Zum anderen erfolgten Umsetzungsmaßnahmen<br />
auf Basis der in der Mitarbeiterbefragung gewonnenen Ergebnisse zur Belastungs-<br />
<strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitssituation in den Unternehmensbereichen. So wurde in einem Unternehmensbereich<br />
mit kritischen Belastungs- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsprofilen Ges<strong>und</strong>heitszirkel<br />
durchgeführt. Betriebsübergreifend wurden verschiedene arbeitsmedizinische <strong>und</strong> sicherheitstechnische<br />
Maßnahmen für die Beschäftigten angeboten, an denen diese freiwillig<br />
teilnehmen konnten. Mitarbeitende erhielten im Rahmen des Projektes zudem die<br />
Möglichkeit, vergünstigt oder kostenfrei an Sport- <strong>und</strong> Fitnessangeboten teilzunehmen,<br />
die externe Dienstle<strong>ist</strong>er oder das Unternehmen selbst anboten. Zur Verbesserung des<br />
Ges<strong>und</strong>heitsklimas <strong>und</strong> der Optimierung der Kommunikations- <strong>und</strong> Koordinationsprozesse<br />
wurden in einigen Bereichen, in denen Interesse bestand, ges<strong>und</strong>heitsorientierte<br />
Führungskräfteworkshops <strong>und</strong> 360-Grad-Feedbacks durchgeführt. Ein weiterer Schwerpunkt<br />
des Vorhabens lag in einer besseren Mobilisierung der Beschäftigten zur Teilnahme<br />
an den Präventionsangeboten. Dazu wurde eine unternehmensweite Informationskampagne<br />
(Intranetauftritt, Zeitschrift, Aushänge über Angebote) durchgeführt, um<br />
die Angebote <strong>und</strong> Informationen des Projektes bekannter zu machen. Im Rahmen des<br />
Projektes erfolgte ebenfalls der Umbau der Werkskantine <strong>und</strong> die Veränderung des<br />
Speisenangebotes, um eine ges<strong>und</strong>e Ernährung der Mitarbeitenden zu unterstützen.<br />
4.3 Ergebnisse der Evaluation<br />
4.3.1 Wirksamkeit im Hinblick auf Akzeptanz <strong>und</strong> Beteiligung<br />
Eine Fragestellung innerhalb der Maßnahmenevaluation richtete sich darauf zu überprüfen,<br />
in welchem Maße die Mitarbeitenden durch das Vorhaben mobilisiert werden konnten,<br />
an den Maßnahmen des Projektes teilzunehmen.<br />
Akzeptanz<br />
Die Akzeptanz der betrieblichen Maßnahmen zum <strong>Arbeit</strong>s- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsschutz <strong>ist</strong><br />
im Untersuchungszeitraum gestiegen. Deutlich gestiegen <strong>ist</strong> die Akzeptanz vor allem<br />
bei den Fitnessangeboten, bei den Informationen über Ges<strong>und</strong>heitsrisiken, bei den Informationen<br />
vom Betriebsrat sowie bei der Ernährung in der Kantine <strong>und</strong> der Zwischenverpflegung.<br />
Auch die Servicele<strong>ist</strong>ungen, die zu Beginn des Vorhabens schon ü-
20<br />
Anja Gerlmaier<br />
berdurchschnittlich gute Bewertungen erzielten, wurden nach Abschluss der Maßnahmen<br />
besser bewertet <strong>als</strong> vorher. Dazu zählten unter anderem der betriebsärztliche<br />
Dienst, die sicherheitstechnische Betreuung, die Beratungsangebote <strong>und</strong> die Sicherheitseinrichtungen.<br />
Abbildung 3: Bewertung der betrieblichen Maßnahmen zum <strong>Arbeit</strong>s- <strong>und</strong><br />
Ges<strong>und</strong>heitsschutz, prozentuale Veränderung der Bewertungskategorie<br />
„eher gut“<br />
Quelle: © IAQ 2007<br />
Beteiligung<br />
Fitnessangebote<br />
Ernährung Kantine<br />
Zwischenverpflegung<br />
<strong>Arbeit</strong>splatzgestaltung<br />
Beratungsangebote<br />
Informationen über Ges<strong>und</strong>heitsrisiken<br />
Betreuung betriebsärztlicher Dienst<br />
Sicherheitseinrichtungen<br />
Infos vom Betriebsrat<br />
Betreuung durch Sicherheitsfachkräfte<br />
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100<br />
16,4<br />
In der Nachhererhebung wurde neben der Akzeptanz danach gefragt, ob <strong>und</strong> wie häufig<br />
die Befragten frei wählbare Angebote zur betrieblichen Ges<strong>und</strong>heitsförderung genutzt<br />
haben. Eine deskriptive Auswertung zeigt, dass insbesondere die Angebote zur ges<strong>und</strong>en<br />
Ernährung <strong>und</strong> die Vorsorgeuntersuchungen von mehr <strong>als</strong> der Hälfte der Befragten<br />
„regelmäßig“ bzw. „ab <strong>und</strong> zu“ genutzt werden. An den Unfallverhütungstrainings hat<br />
beinahe die Hälfte der Befragten teilgenommen, jeder Dritte besuchte im Projektzeitraum<br />
einmal Ges<strong>und</strong>heitsseminare. 42 % der Befragten geben an, den Ges<strong>und</strong>heitspass<br />
zu nutzen.<br />
1 Meinen Kolleginnen Katharina Oelgemöller <strong>und</strong> Chr<strong>ist</strong>ine Franz sei an dieser Stelle für ihre tatkräftige<br />
Unterstützung bei der Dateneingabe <strong>und</strong> –bearbeitung gedankt.<br />
26,9<br />
33,9<br />
39,4<br />
39,9<br />
50,8<br />
55,9<br />
48,9<br />
53,8<br />
44,1<br />
51,3<br />
2004 2006<br />
57,6<br />
54,9<br />
70,3<br />
71<br />
76,6<br />
81<br />
79<br />
84,1<br />
88,2
Ressourcenorientiertes Präventionsmanagement 21<br />
Abbildung 4: Teilnahmefrequenz an den Ges<strong>und</strong>heitsmaßnahmen<br />
Kantinenangebote<br />
Fahrsicherheitstraining<br />
Unfallverhütungstraining<br />
Sportevents<br />
Sportangebote<br />
Vorsorgeuntersuchungen<br />
Ges<strong>und</strong>heitspass<br />
Fitnessstudio<br />
Ges<strong>und</strong>heitsseminare<br />
Quelle: © IAQ 2007<br />
Des Weiteren wurde untersucht, ob bestimmte Mitarbeitergruppen die Maßnahmen weniger<br />
in Anspruch genommen haben <strong>als</strong> andere. Empirische Untersuchungen zeigen<br />
hier, dass es bei der Inanspruchnahme von Ges<strong>und</strong>heitsförderungsmaßnahmen geschlechts-<br />
<strong>und</strong> qualifikations- bzw. bildungsspezifische Unterschiede gibt. Hierdurch<br />
besteht die Gefahr, dass Maßnahmen zur Ges<strong>und</strong>heitsprävention, die auf einer freiwilligen<br />
Teilnahme basieren, ihre eigentliche Zielgruppe nicht erreichen (Georg / Peter<br />
2007). Die Ergebnisse geben keinen Hinweis darauf, dass sich die Teilnehmenden im<br />
Hinblick auf soziodemografische Parameter wie Geschlecht, Position oder <strong>Arbeit</strong>szeitregelung<br />
von der Gesamtstichprobe unterscheiden. So beträgt der Anteil der Männer,<br />
die angeben, an einem Ges<strong>und</strong>heitsseminar teilgenommen zu haben 90,5 %. Der Anteil<br />
der Männer in der Gesamtstichprobe beträgt 89 %.<br />
Tabelle 4: Partizipation an ausgewählten Maßnahmen im Hinblick auf<br />
Geschlecht, Position <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>szeitregelung (in Klammern:<br />
Anteil an der Gesamtstichprobe)<br />
Präventionsmaßnahme Anteil Männer Anteil <strong>Arbeit</strong>er Anteil Schichtarbeit<br />
Ges<strong>und</strong>heitsseminare 90,5 % (89 %) 53 % (51 %) 58,3 % (52 %)<br />
Vergünstigte Teilnahme Fitness-Studio<br />
Teilnahme an Vorsorgeuntersuchungen<br />
14,8<br />
21,4<br />
21,9<br />
31,4<br />
35,4<br />
46,6<br />
42,0<br />
63,2<br />
85,4 % (89 %) 51,3 % (51 %) 51,9 % (52 %)<br />
88,9 % (89 %) 51,5 % (51 %) 52,3 % (52 %)<br />
Sportangebote 88,5 % (89 %) 50,2 % (51 %) 48,7 % (52 %)<br />
Unfallverhütungstrainings 96,6 % (89 %) 60,4 % (51 %) 63,1 % (52 %)<br />
64,1<br />
0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />
Quelle: © IAQ 2007<br />
82,9<br />
77,1<br />
76,8<br />
66,2<br />
63,7<br />
51,0<br />
54,5<br />
ab <strong>und</strong> zu bis regelmäßig gar nicht<br />
33,7<br />
34,7
22<br />
Anja Gerlmaier<br />
4.3.2 Wirksamkeit der Maßnahmen im Hinblick auf Ges<strong>und</strong>heits-, Ressourcen-<br />
<strong>und</strong> Belastungsparameter<br />
Ges<strong>und</strong>heitsparameter<br />
Wie Tabelle 5 zeigt, haben sich im Bereich der Ges<strong>und</strong>heitsparameter das Ges<strong>und</strong>heitsverhalten<br />
<strong>und</strong> der erlebte Ges<strong>und</strong>heitszustand der Mitarbeitenden signifikant verbessert.<br />
Auch das subjektive Stresserleben wird nach Durchführung der Maßnahmen insgesamt<br />
geringer eingeschätzt. Dagegen konnte bei den körperlichen Beschwerden <strong>und</strong> der arbeitsbedingten<br />
Motivierung keine Veränderung festgestellt werden.<br />
Tabelle 5: Mittelwerte <strong>und</strong> Standardabweichungen der Ges<strong>und</strong>heitsparameter<br />
bei der Vorher- <strong>und</strong> Nachhermessung<br />
Variable Vorhermessung Nachhermessung Signifikanz<br />
M SD M SD<br />
Körperliche Beschwerden 12,22 2,29 12,09 2,35 ,148<br />
Subjektiv erlebter Ges<strong>und</strong>heitszustand<br />
<strong>Arbeit</strong>sbedingte Motivierung<br />
2,76 1,32 4,20 1,85 ,000<br />
4,16 ,775 4,13 ,789 ,308<br />
Ges<strong>und</strong>heitsverhalten 2,21 ,382 2,27 ,388 ,000<br />
Stresserleben 2,34 ,724 2,27 ,717 ,017<br />
Quelle: © IAQ 2007<br />
Belastungen<br />
Die physikalischen Belastungen haben im Untersuchungszeitraum leicht, aber signifikant<br />
zugenommen. Besonders die Bereiche Schmutz <strong>und</strong> Staub am <strong>Arbeit</strong>splatz, langes<br />
Stehen <strong>und</strong> unangenehme Temperaturen verschlechterten sich im Vergleich zur Ausgangserhebung<br />
deutlich.<br />
Tabelle 6: Mittelwerte <strong>und</strong> Standardabweichungen der Belastungsparameter<br />
bei der Vorher- <strong>und</strong> Nachhermessung<br />
Variable Vorhermessung Nachhermessung<br />
Ungünstige<br />
Beleuchtung<br />
Schmutz <strong>und</strong><br />
Staub<br />
M SD M SD Signifikanz<br />
3,09 1,237 3,09 1,279 ,986<br />
2,95 1,404 3,06 1,402 ,032<br />
Langes Stehen 2,74 1,420 2,85 1,437 ,035<br />
Viel sitzen 3,09 1,387 3,07 1,387 ,720<br />
Unangenehme<br />
Temperaturen<br />
3,20 1,183 3,44 1,109 ,000<br />
Quelle: © IAQ 2007
Ressourcenorientiertes Präventionsmanagement 23<br />
Ressourcen<br />
Wie bei den Belastungen wurde anhand von Mittelwertvergleichen auch bei den Ressourcenparametern<br />
überprüft, ob die Maßnahmen zum Präventionsmanagement einen<br />
Einfluss auf die Ausprägung verschiedener Ressourcenindikatoren haben.<br />
Beim Ges<strong>und</strong>heitswissen kann eine signifikante Verbesserung in der Stichprobe gef<strong>und</strong>en<br />
werden. Auf dem 5 %-Niveau wird der Anstieg bei der erlebten sozialen Unterstützung<br />
signifikant. Der Effekt <strong>ist</strong> im Wesentlichen auf deutliche Verbesserungen in einem<br />
Werk zurückzuführen. Dagegen haben sich das soziale Klima <strong>und</strong> das Führungsklima<br />
nicht wesentlich verändert.<br />
Keine bedeutsamen Mittelwertunterschiede zwischen der Vorher- <strong>und</strong> Nachhererhebung<br />
finden sich auch bei den organisationalen Ressourcen Handlungsautonomie <strong>und</strong> Zeitsouveränität.<br />
Tabelle 7: Mittelwerte <strong>und</strong> Standardabweichungen der Ressourcenparameter<br />
bei der Vorher- <strong>und</strong> Nachhermessung<br />
Variable Vorhermessung Nachhermessung<br />
M SD M SD<br />
Führungsklima 3,75 0,85 3,80 0,82 ,092<br />
Ges<strong>und</strong>heitswissen 3,09 0,55 3,20 0,59 ,000<br />
soziales Klima 3,95 0,79 3,97 0,77 ,563<br />
soziale Unterstützung 3,89 0,78 3,95 0,75 ,025<br />
Handlungsautonomie 3,57 0,75 3,59 0,69 ,465<br />
Zeitautonomie 3,06 0,87 3,12 0,83 ,066<br />
Quelle: © IAQ 2007<br />
4.3.3 Bedeutung der Ressourcen- <strong>und</strong> Belastungsgrößen für die Ges<strong>und</strong>heit<br />
<strong>und</strong> das Wohlbefinden<br />
Letztlich sollte der Frage nachgegangen werden, welchen Einfluss die so genannten<br />
Inputfaktoren des Evaluationsmodells, d.h. die individuellen, sozialen <strong>und</strong> organisationalen<br />
Ressourcen <strong>und</strong> Belastungen auf die Ges<strong>und</strong>heit der Beschäftigten haben. Vertiefende<br />
Zusammenhangsanalysen zwischen den Input- <strong>und</strong> Outputfaktoren können zur<br />
Erklärung beitragen, welche Interventionsformen viel versprechend sind <strong>und</strong> welche<br />
eher nicht. Zur Klärung dieser Frage wurde für die Nachherbefragung eine schrittweise<br />
Regressionsanalyse auf die abhängige Variable „Körperliche Beschwerden“ berechnet.<br />
In die Regressionsgleichung wurden die Prädiktoren Alter (<strong>als</strong> Kovariate), individuelle<br />
Ges<strong>und</strong>heitsressourcen (Ges<strong>und</strong>heitswissen), Umgebungsbelastungen, soziale Ressourcen<br />
(soziales Klima, soziale Unterstützung, Führungsklima) <strong>und</strong> organisationale Ressourcen<br />
(Handlungs- <strong>und</strong> Zeitautonomie) aufgenommen.
24<br />
Tabelle 8: Ergebnisse der schrittweisen Regressionsanalyse<br />
Schritte R 2 Beta p<br />
(1) Soziale Unterstützung ,053 ,146 ,000<br />
(2) Umgebungsbelastungen ,090 -,171 ,000<br />
(3) Alter ,109 -,166 ,000<br />
(4) Handlungsautonomie ,118 ,078 ,000<br />
(5) Ges<strong>und</strong>heitswissen ,121 ,056 ,022<br />
(6) Führungsklima ,124 ,064 ,032<br />
Anja Gerlmaier<br />
Quelle: © IAQ 2007<br />
Wie Tabelle 8 zeigt, tragen an erster <strong>und</strong> zweiter Stelle die soziale Unterstützung <strong>und</strong><br />
die Umgebungsbelastungen zur Aufklärung des Ausmaßes psychsomatischer Beschwerden<br />
bei. Bei dem Faktor „Alter“ <strong>ist</strong> anzunehmen, dass es weniger das tatsächliche<br />
Alter der Beschäftigten <strong>ist</strong>, das in Verbindung mit körperlichen Beschwerden steht.<br />
Vielmehr dürfte sich dahinter ein körperlicher Verschleiß verbergen, der durch Belastungsexpositionen<br />
während der Erwerbsspanne bedingt <strong>ist</strong> (Morschhäuser 2004; Ilmarinen<br />
1995). Nach den Berechnungen steht die individuelle Ressource „Ges<strong>und</strong>heitsverhalten“<br />
erst an vierter Stelle der Varianzaufklärung. Sie klärt mit 14 % im Vergleich zu<br />
den sozialen Ressourcen <strong>und</strong> den Belastungen deutlich weniger Varianz an der abhängigen<br />
Variable auf.
Ressourcenorientiertes Präventionsmanagement 25<br />
5 Diskussion<br />
Die Ergebnisse der Evaluationsstudie deuten darauf hin, dass die angestrebten Ziele des<br />
ressourcenorientierten Präventionsmanagements zum Teil erreichen konnten.<br />
Eine positive Entwicklung <strong>ist</strong> beim Aufbau einer positiven Ges<strong>und</strong>heitskultur zu verzeichnen.<br />
So stieg etwa die Akzeptanz der <strong>Arbeit</strong>s- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsschutzaktivitäten<br />
unter den Mitarbeitenden deutlich an. Ebenfalls konnten die Beschäftigten in substanziellem<br />
Ausmaß zur Teilnahme an den Maßnahmen mobilisiert werden. Offenbar <strong>ist</strong> es<br />
dabei auch gelungen, mit den verschiedenen Präventionsmaßnahmen alle Mitarbeitendengruppen<br />
in ähnlichem Maße anzusprechen.<br />
Eine Verbesserung der Ges<strong>und</strong>heitssituation <strong>und</strong> des Wohlbefindens konnte teilweise<br />
erzielt werden. Hypothesenkonforme Wirkungen fanden sich beim Ges<strong>und</strong>heitsverhalten<br />
<strong>und</strong> -erleben sowie beim Stresserleben. Während sich das Wohlbefinden der Mitarbeitenden<br />
offenbar durch die Maßnahmen deutlich erhöht hat, veränderten sich die Beschwerdesituation<br />
<strong>und</strong> die Motivation der Beschäftigten dagegen nicht.<br />
Bei den ges<strong>und</strong>heitsrelevanten Inputfaktoren verbesserten sich nur die erlebte soziale<br />
Unterstützung <strong>und</strong> das Ges<strong>und</strong>heitswissen. Entgegen der Annahmen stiegen die erlebten<br />
Umgebungsbelastungen im Untersuchungszeitraum an.<br />
Verschiedene Gründe können dafür verantwortlich sein, dass die angestrebten Ziele des<br />
Vorhabens nur teilweise erreicht wurden.<br />
So besteht ein Erklärungsgr<strong>und</strong> für die gleich bleibende Beschwerdesituation im Unternehmen<br />
darin, dass sich die Wirkungen des ressourcenorientierten Präventionsmanagements<br />
erst zeitverzögert <strong>und</strong> langfr<strong>ist</strong>ig durchsetzen. Ebenfalls <strong>ist</strong> denkbar, dass die gewählten<br />
Maßnahmen mit ihrem Schwerpunkt auf verhaltenspräventiven Maßnahmen in<br />
erster Linie geeignet sind, Primärprävention zu betreiben. Sie wären folglich wirkungsvoll<br />
darin, Ges<strong>und</strong>e ges<strong>und</strong> zu erhalten, greifen jedoch nicht (mehr) bei Personen mit<br />
beginnenden oder manifesten Erkrankungen (Hurrelmann 2004). Ein weiterer Gr<strong>und</strong><br />
kann allerdings auch darin bestehen, dass nur wenige Maßnahmen zur Belastungsverminderung<br />
<strong>und</strong> dem Aufbau sozialer <strong>und</strong> organisationaler Ressourcen durchgeführt<br />
wurden, diese jedoch nach den Ergebnissen der Regressionsanalyse in hohem Maße für<br />
die Entstehung ges<strong>und</strong>heitlicher Beeinträchtigungen verantwortlich sind.<br />
Bei der Bewertung der Evaluation <strong>ist</strong> zu berücksichtigen, dass aufgr<strong>und</strong> der Untersuchung<br />
im Feld <strong>und</strong> einer fehlenden Kontrollgruppe externe Stör- bzw. Einflussfaktoren<br />
wirksam geworden sind, die im Rahmen des Untersuchungsdesigns nur bedingt kontrollierbar<br />
waren. So fanden während der Evaluationsphase umfangreiche Reorganisationen<br />
im Unternehmen statt. Denkbar wäre, dass hierdurch Ängste, individuelle Unsicherheiten<br />
über das berufliche Fortkommen oder eine objektiv neue <strong>Arbeit</strong>ssituation durch<br />
Stellenwechsel verursacht worden sind (Sverke et al. 2002). Hierdurch könnte es zu<br />
einer Abschwächung der ges<strong>und</strong>heitsförderlichen Wirkungen des Präventionsmanagements<br />
<strong>und</strong> damit zu einer Unterschätzung der Effekte gekommen sein.
26<br />
Anja Gerlmaier<br />
Für die Gestaltung eines wirkungsvollen, modernen Präventionsmanagements ergeben<br />
sich aus den Ergebnissen der Evaluation verschiedene Implikationen:<br />
Eine erweiterte Sichtweise von Ges<strong>und</strong>heit im betrieblichen <strong>Arbeit</strong>s- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsschutz<br />
<strong>und</strong> die systematische Nutzung ges<strong>und</strong>heitsbezogener subjektiver Kennzahlen<br />
eröffnet Unternehmen neue Möglichkeiten der Präventionsarbeit. Subjektive Wohlbefindensparameter<br />
<strong>als</strong> „Frühindikatoren“ können im Vergleich zu den klassischen Ges<strong>und</strong>heitsindikatoren<br />
wie Fehlzeiten dazu beitragen, Maßnahmen zielgerichtet durchzuführen<br />
<strong>und</strong> bereits anzusetzen, bevor ges<strong>und</strong>heitliche Schädigungen eintreten.<br />
Im vorliegenden Fall wurde durch die Wahl der Interventionsmaßnahmen ein Schwerpunkt<br />
auf die Entwicklung individueller Ges<strong>und</strong>heitsressourcen <strong>als</strong> Protektivfaktoren<br />
der Salutogenese gelegt. Verschiedene Studien aus der <strong>Arbeit</strong>spsychologie verweisen<br />
jedoch darauf, dass individuumszentrierte Ges<strong>und</strong>heitsmaßnahmen in Betrieben me<strong>ist</strong><br />
nicht zu einer längerfr<strong>ist</strong>igen Verminderung insbesondere von ges<strong>und</strong>heitlichen Beeinträchtigungen<br />
führen, wenn nicht gleichzeitig Veränderungen der <strong>Arbeit</strong>sbedingungen<br />
erfolgen (Ulich 2005; Rosenbrock et al. 1997). Maßnahmen zur betrieblichen Ges<strong>und</strong>heitsförderung<br />
sollten folglich nicht nur an der Verbesserung der Ges<strong>und</strong>heitskompetenz,<br />
sondern gleichermaßen an der Schaffung ges<strong>und</strong>heitsförderlicher <strong>Arbeit</strong>sbedingungen<br />
ansetzen. Bewährt haben sich dort vor allem integrative Präventionskonzepte,<br />
die verhaltens- <strong>und</strong> verhältnisorientierte Maßnahmen problembezogen kombinieren<br />
bzw. aufeinander aufbauen (Bamberg / Busch 2006). Um nachhaltige Effekte durch ein<br />
betriebliches Ges<strong>und</strong>heitsmanagement zu erzielen, sollte die Ausrichtung auf salutogene<br />
Ges<strong>und</strong>heitspotenziale der Beschäftigten nicht auf Kosten bewährter Maßnahmen zum<br />
<strong>Arbeit</strong>s- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsschutz, sondern <strong>als</strong> ergänzendes Element verstanden werden.<br />
Hier gilt es zu bedenken, dass der Abbau physikalischer Belastungen, insbesondere in<br />
Bereichen wie der Produktion <strong>und</strong> Fertigung, weiterhin eine wichtige Präventionsmaßnahme<br />
darstellt, die durch Aufbau individueller Ressourcen nicht kompensiert werden.<br />
Letztlich zeigen die Ergebnisse der Evaluation allerdings auch, dass der Erfolg eines<br />
betrieblichen Ges<strong>und</strong>heitsmanagements nicht nur von seiner inhaltlichen Ausrichtung<br />
<strong>und</strong> einem systematischen Projektmanagement abhängig <strong>ist</strong>. Er wird in steigendem<br />
Ausmaß von betrieblichen Kontextbedingungen <strong>und</strong> Entwicklungen wie etwa Reorganisationsmaßnahmen<br />
beeinflusst. Angesichts der zum Teil massiven Wirkungen betrieblicher<br />
Umstrukturierungsmaßnahmen auf das Befinden <strong>und</strong> die Ges<strong>und</strong>heit der Beschäftigten<br />
eröffnen sich hier neue Handlungsfelder, die bei der Konzeption eines ganzheitlichen<br />
Präventionsmanagementansatzes zukünftig stärker Berücksichtigung finden sollten.
Ressourcenorientiertes Präventionsmanagement 27<br />
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