Weißbuch Alterssicherung: Alternativen zur Rente mit 67 - Arbeit ...
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arbeit“, sagt Georg Heidel. Entsprechend<br />
verbreitet sind Verschleißerkrankungen der<br />
Wirbelsäule und der Gelenke. Zudem ist<br />
gerade in den ausschließlich <strong>mit</strong> männlichen<br />
Beschäftigten besetzten BSR-Sparten das Gesundheitsbewusstsein<br />
nicht sehr ausgeprägt.<br />
„Generell haben ungefähr siebzig Prozent<br />
aller behandelten Erkrankungen <strong>mit</strong> einer Lebensweise<br />
zu tun, die erheblich beeinfl ussbar<br />
ist: fehlende Ausgleichsbewegungen, Rauchen,<br />
zu viel Alkohol, ungesunde Ernährung,<br />
Umgang <strong>mit</strong> Stress“, sagt der Mitarbeiter<br />
der Gesundheits- und Sozialberatung. Und<br />
so bieten die BSR <strong>mit</strong>tlerweile mehrere Male<br />
im Jahr Gesundheitstage außerhalb Berlins<br />
an. Dabei stehen Einführungen in autogenes<br />
Training, in Ausdauersportarten und Tipps<br />
für eine gesunde Lebensführung ebenso auf<br />
dem Programm wie Vorträge zu allgemeinen<br />
Gesundheitsrisiken, Vorbeugung oder <strong>zur</strong><br />
betrieblichen Gesundheitsförderung.<br />
Zu einer gesunden Lebensweise motivieren<br />
soll auch der Gesundheitsbonus: Für Vorsorgeuntersuchungen,<br />
Teilnahme am Betriebssport<br />
oder auch an den Gesundheitstagen<br />
gibt es Bonuseinträge. Wer regelmäßig bei<br />
solchen Aktivitäten <strong>mit</strong>macht, wird <strong>mit</strong><br />
Einkaufsgutscheinen belohnt und nimmt an<br />
einer Verlosung teil. Für Georg Heidel kleine,<br />
aber wichtige Anstöße, Straßenreiniger und<br />
Müllwerker für die eigene Gesundheit zu<br />
sensibilisieren.<br />
Auf der gesamtbetrieblichen Ebene liege freilich,<br />
da sind sich der Gesundheitsexperte und<br />
der Schwerbehindertenvertreter einig, noch<br />
Einiges im Argen. „Die <strong>Arbeit</strong>sorganisation<br />
muss mehr als bisher die Änderungen in der<br />
Leistungsfähigkeit und in den Genesungsverläufen<br />
älterer <strong>Arbeit</strong>nehmer berücksichtigen.<br />
Alternsgerechte Leistungsanforderungen und<br />
eine entsprechende Organisation der <strong>Arbeit</strong><br />
sind unverzichtbar, wenn nicht Raubbau <strong>mit</strong><br />
der menschlichen <strong>Arbeit</strong>skraft betrieben werden<br />
soll“, betont Georg Heidel. Die Alters- und<br />
Gesundheitsstruktur der Mitarbeiter müsste<br />
Maßstab für die Planung und <strong>Arbeit</strong>sorganisation<br />
sein. „Leider gibt es bei den BSR die<br />
ungute Tradition der Leistungslöhne. Auch die<br />
Gewerkschaft hat das in Tarifverhandlungen<br />
immer <strong>mit</strong>getragen“, gesteht Helmfried Hauch<br />
ein. „Die Kollegen wurden durch die so genannte<br />
Gedingezulage motiviert, viel Leistung<br />
in wenig Zeit zu bringen. Dass das auf die eigenen<br />
Knochen ging, haben sie zumeist Jahre<br />
später gespürt.“ Bei einem Altersdurchschnitt,<br />
der gerade in einem operativen Bereich wie<br />
der Straßenreinigung bei 48 Jahren liegt, sei<br />
Gesundheitsförderung rechnet sich<br />
Betriebliches Gesundheitsmanagement<br />
macht sich für Unternehmen bezahlt.<br />
Betriebliche Gesundheitsförderung kann<br />
Fehlzeiten um bis zu 36 Prozent senken.<br />
Bezogen auf die Produktivität kann sich<br />
jeder investierte Euro vervierfachen bzw.<br />
versechsfachen. Das ist das Ergebnis einer<br />
Studie unter Beteiligung der Betriebskrankenkassen.<br />
(Julia Kreis, Wolfgang Bödeker,<br />
Gesundheit und ökonomischer Nutzen<br />
betrieblicher Gesundheitsförderung und<br />
Prävention, 2003)<br />
die Einführung des alternsgerechten <strong>Arbeit</strong>ens<br />
dringend geboten.<br />
Georg Heidel weiß, dass der Weg zu einer differenzierteren<br />
<strong>Arbeit</strong>sorganisation noch lang<br />
ist. „Wenn die persönliche Leistungsbemessung<br />
im Interesse des Gesundheitsschutzes<br />
etwas gemindert werden sollte, darf der Lohn<br />
nicht in gleichem Umfang sinken. Hier sind<br />
neben den betrieblichen Akteuren auch die Tarifparteien<br />
gefragt“, sagt der Gesundheitsfachmann.<br />
Die Geschäftsführung müsse überzeugt<br />
werden, dass sich eine verhältnismäßig höhere<br />
Bezahlung trotz geminderter Spitzenleistungen<br />
auch betriebswirtschaftlich auszahlen könne:<br />
„Auf diese Weise könnten wir Krankheitstage<br />
und den allgemeinen Verschleiß der Mitarbeiter<br />
reduzieren. Die <strong>Arbeit</strong>skontinuität würde<br />
steigen und da<strong>mit</strong> die Produktivität.“<br />
Wenn auch die Neubewertung und die<br />
Organisation der <strong>Arbeit</strong> erst am Anfang<br />
stehen, so haben die BSR in den letzten<br />
Jahren eine Menge dafür getan, behinderten<br />
und gehandicapten Mitarbeitern einen<br />
sinnvollen und produktiven <strong>Arbeit</strong>splatz zu<br />
schaffen: Im Sommer 2004 etwa ging die<br />
BSR-eigene Papierkorbwerkstatt <strong>mit</strong> 15 Mitarbeitern<br />
an den Start. Da<strong>mit</strong> wurden gleich<br />
mehrere Ziele erreicht. Zum einen integrierte<br />
das Unternehmen einen Aufgabenbereich,<br />
der einige Jahre zuvor ausgegliedert worden<br />
war. Zum anderen können leistungsgeminderte<br />
Beschäftigte hier ihre Fähigkeiten unter<br />
Beweis stellen. Nicht zuletzt konnten die<br />
BSR für diese Neugestaltung Förder<strong>mit</strong>tel<br />
des Berliner Integrationsamtes in Anspruch<br />
50 51<br />
nehmen. Gleich zweifach wurde die BSR-<br />
Papierkorbwerkstatt ausgezeichnet: Mit dem<br />
„RehaPreis“ der gewerblichen Berufsgenossenschaften<br />
und dem Integrationspreis des<br />
Landes Berlin.<br />
Auch das „Scout-Projekt“, das Anfang 2006<br />
gestartet wurde, dürfte den BSR noch viel<br />
Lob einbringen: Zwölf ebenfalls leistungsgeminderte<br />
Mitarbeiter sind dabei als eine<br />
Art Müll-Task-Force in Berlin unterwegs, um<br />
„Schmuddelecken“ zu säubern, aber auch<br />
um Ansprechpartner für Passanten oder<br />
Geschäftsinhaber zu sein.<br />
Georg Heidel und Helmfried Hauch sind<br />
zuversichtlich, dass solche Projekte positive<br />
Auswirkungen im Inneren wie im Äußeren<br />
haben. „Die Kollegen sollen ja schließlich<br />
so lange wie möglich produktiv arbeiten<br />
können, nur muss ein über 50-Jähriger nicht<br />
unbedingt noch schwere Mülltonnen schieben“,<br />
sagt der Mitarbeiter der Gesundheits-<br />
und Sozialberatung.<br />
Eines steht für ihn jedoch fest: BSR-Mitarbeiter<br />
können nicht erst <strong>mit</strong> <strong>67</strong> Jahren in <strong>Rente</strong><br />
gehen. „Viele unserer Kollegen haben im<br />
Alter von 15 Jahren angefangen zu arbeiten.<br />
So eine harte <strong>Arbeit</strong> hält niemand 50 Jahre<br />
durch.“ Abseits der gesellschaftspolitischen<br />
<strong>Rente</strong>ndebatte tun jedenfalls Georg Heidel<br />
und Helmfried Hauch eine Menge dafür,<br />
dass die 5485 BSR-Beschäftigten halbwegs<br />
gesund ihre <strong>Rente</strong> erreichen – <strong>mit</strong>tlerweile<br />
ohne betrieblichen Bierausschank, dafür <strong>mit</strong><br />
regelmäßigen Raucherentwöhnungskursen.