Weißbuch Alterssicherung: Alternativen zur Rente mit 67 - Arbeit ...
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Reformoption Erwerbstätigenversicherung<br />
Die Erwerbsbiografi en verändern sich.<br />
Deshalb muss auch das System der <strong>Alterssicherung</strong><br />
weiterentwickelt werden. In eine<br />
Erwerbstätigenversicherung sollten nach<br />
den Vorstellungen des DGB in einem ersten<br />
Schritt Selbstständige und Freiberufl er<br />
einbezogen werden, perspektivisch alle<br />
Erwerbstätigen.<br />
Der Anteil der Erwerbstätigen, die ihr komplettes<br />
<strong>Arbeit</strong>sleben sozialversicherungspfl ichtig<br />
und in Vollzeit beschäftigt sind, hat in den<br />
<strong>zur</strong>ückliegenden Jahren deutlich abgenommen.<br />
Die von den <strong>Arbeit</strong>gebern so häufi g<br />
geforderte Bereitschaft zu mehr Flexibilität bei<br />
<strong>Arbeit</strong>szeiten und -formen ist für viele längst<br />
Alltag: In den Lebensläufen abhängig Beschäftigter<br />
können sich Phasen der Teilzeitarbeit<br />
und der <strong>Arbeit</strong>slosigkeit <strong>mit</strong> Zeiten der Selbstständigkeit<br />
abwechseln. Allein zwischen 1999<br />
und 2004 ist die Quote der Selbstständigen<br />
an allen Erwerbstätigen in der Bundesrepublik<br />
von 9,9 auf 10,8 Prozent gestiegen.<br />
Veränderte Erwerbsbiografi en erfordern es,<br />
das System der <strong>Alterssicherung</strong> weiterzuentwickeln.<br />
Ziel muss es sein, dass die <strong>Rente</strong><br />
„armutsfest“ wird, also Menschen, die ihr<br />
Leben lang gearbeitet haben, eine <strong>Rente</strong><br />
oberhalb der Grundsicherung erhalten und<br />
zwar selbst dann, wenn sie über längere<br />
Zeit geringe Einkommen bezogen haben.<br />
Beispielsweise könnten die Einkommen von<br />
<strong>Arbeit</strong>slosen und GeringverdienerInnen in der<br />
gesetzlichen <strong>Rente</strong>nversicherung „hochge-<br />
wertet“ werden, das heißt, sie würden dann<br />
stärker als bisher bei der <strong>Rente</strong>nberechnung<br />
berücksichtigt werden. Dafür gibt es auch<br />
Vorbilder: So wird während der Kinderberücksichtigungszeit<br />
(während der ersten zehn<br />
Lebensjahre des Kindes) das Einkommen um<br />
50 Prozent – auf maximal 100 Prozent des<br />
Durchschnittsverdienstes – hochgewertet.<br />
Um auf längere Sicht die gesetzliche <strong>Rente</strong>nversicherung<br />
zu stärken, sollte zudem<br />
der Versichertenkreis erweitert werden.<br />
Eine Erwerbstätigenversicherung sollte<br />
Selbstständige in die <strong>Rente</strong>nversicherung<br />
einbeziehen. Auf diese Weise würden gleich<br />
mehrere Ziele erreicht: Das Solidarprinzip<br />
der sozialen Sicherung könnte gestärkt, die<br />
<strong>Alterssicherung</strong> an die moderne <strong>Arbeit</strong>swelt<br />
angepasst und selbstständig Erwerbstätige<br />
besser abgesichert werden. Außerdem würde<br />
die gesetzliche <strong>Rente</strong>nversicherung durch die<br />
Ausweitung des Versichertenkreises auch vor<br />
dem fi nanziellen Ausbluten geschützt.<br />
Je mehr Menschen – freiwillig oder erzwungen<br />
wegen fehlender sozialversicherungspfl ichtiger<br />
<strong>Arbeit</strong>splätze – in die Selbstständigkeit<br />
wechseln, desto wichtiger wird es, sie in den<br />
Versichertenkreis einzubeziehen. Dabei geht<br />
es nicht vorrangig darum, die Selbstständigen<br />
und Freiberufl erInnen, die bereits über Versorgungswerke<br />
abgesichert sind, in die gesetzliche<br />
<strong>Rente</strong>nversicherung zu zwingen. Die <strong>Rente</strong>nversicherung<br />
sollte vor allem die Selbstständigen<br />
und Freiberufl erInnen aufnehmen, die sich<br />
bisher privat kaum versichern, weil sie die hohen<br />
Prämien nicht aufbringen können. Vor der<br />
Einführung einer Erwerbstätigenversicherung<br />
sind allerdings noch wichtige Fragen zu beantworten,<br />
so zum Beispiel <strong>zur</strong> Beitragszahlung.<br />
Denkbar wäre es, die Beiträge für Selbstständige<br />
ohne engen Bezug zum tatsächlich<br />
erzielten Einkommen festzusetzen: Basis<br />
könnte etwa das Bruttodurchschnittsentgelt<br />
eines abhängig Beschäftigten sein.<br />
Frauendomäne Minijobs<br />
Anteil der geringfügig Beschäftigten an den Erwerbstätigen<br />
nach Geschlecht und Altersgruppen 2004 (in Prozent)<br />
68 69<br />
9,4<br />
13,9<br />
6,3<br />
Frauen<br />
Männer<br />
10,8<br />
5,2<br />
10,2<br />
1,9<br />
12,0<br />
1,4<br />
13,7<br />
1,2<br />
12,1<br />
Auch der Umgang <strong>mit</strong> geringfügig Beschäftigten<br />
muss neu geregelt werden. Es steht<br />
fest, dass sowohl auf der Seite der Erwerbstätigen<br />
wie auf der der <strong>Arbeit</strong>geber Bedarf<br />
an solchen „kleinen“ Beschäftigungsverhältnissen<br />
besteht. Doch darf es keine Anreize<br />
geben, immer mehr Menschen auf Geringfügigkeitsbasis<br />
einzustellen, weil sonst die Sozialkassen<br />
Schaden nehmen. Freibeträge in der<br />
Sozialversicherung für alle <strong>Arbeit</strong>nehmerInnen<br />
könnten eine sinnvolle Alternative sein.<br />
15-19 20-24 25-29 30-34 35-39 40-44 45-49 50-54 55-59 60-64 über 64<br />
Altersgruppen (Jahre)<br />
Quelle: Statistisches Bundesamt, Sonderauswertung des Mikrozensus/1. Gender-Datenreport des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend<br />
Nur knapp 30 Prozent der 55- bis 64-Jährigen sind sozialversicherungspfl ichtig beschäftigt.<br />
Jeder vierte bis fünfte Ältere geht ausschließlich einer geringfügigen Beschäftigung nach. Am<br />
höchsten ist der Anteil der MinijobberInnen unter den älteren Frauen: Während lediglich 2,3<br />
Prozent der 55-59-jährigen männlichen Erwerbstätigen geringfügig beschäftigt sind, arbeiten<br />
13,2 Prozent der gleichaltrigen Frauen in einem Minijob.<br />
1,3<br />
10,8<br />
1,7<br />
11,1<br />
2,3<br />
13,2<br />
7,6<br />
29,1<br />
32,7<br />
52,4