Wanderung, Wohnen und Wohlstand - Mieterverband
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sozusagen in der günstigen Wohnung «gefangen». Dieses als «Lock-in-<br />
Effekt» bekannte Phänomen hat mittlerweile substanzielle Ausmasse<br />
angenommen. Zurzeit liegen die Bestandesmieten für Zürcher 4-Zimmer-Wohnungen<br />
r<strong>und</strong> 25 % unter den Preisen auf dem freien Markt | 14 .<br />
Die durchschnittliche jährliche Ersparnis durch den bestehenden Vertrag<br />
beläuft sich auf 6000 Franken. Kapitalisiert man diesen Betrag mit<br />
einer typischen Immobilienrendite von 4 % auf eine angenommene<br />
Restmietzeit von acht Jahren, errechnet sich ein finanzieller Vorteil von<br />
42 000 Franken. Da die Mietverbilligungen bei den gemeinnützigen<br />
Wohnungen massiv höher sind, verlängert sich auch dort die durchschnittliche<br />
Belegungsdauer. Der Barwert der Ersparnisse, die man erzielt,<br />
wenn man während zwölf Jahren in einer genossenschaftlichen<br />
4-Zimmer-Wohnung lebt, beläuft sich auf r<strong>und</strong> 125 000 Franken. Dies<br />
entspricht in etwa 1,5 durchschnittlichen Jahreseinkommen. Da die<br />
Unterschiede zwischen Kosten- <strong>und</strong> Marktmieten in Zeiten hoher Nachfrage<br />
weiter zunehmen, verstärken sich diese Mobilitätshemmnisse weiter.<br />
In der Folge fühlen sich viele langjährige Mieter wie Eigentümer, die<br />
ihren «Besitzstand» wahren. Untermietverträge sind ein Mittel, die finanziellen<br />
Vorteile einer Altwohnung zu behalten, auch wenn sie nicht<br />
mehr den Bedürfnissen entspricht.<br />
Die Folge davon sind verkrustete, intransparente <strong>und</strong> illiquide Märkte,<br />
die die Zeitkosten der Wohnungssuche massiv verteuern. Etwas beschönigend<br />
hielt die Stadt Zürich in einem Bericht zur Wohnungssuche fest,<br />
dass «Mittelstandshaushalte, die längerfristig in Zürich wohnen <strong>und</strong><br />
genügend Zeit haben für ihre Suche», intakte Chancen besässen, nach<br />
einer «gewissen Zeit» eine Wohnung mit einem guten Preis-Leistungs-<br />
Verhältnis zu finden, möglicherweise sogar bei einem gemeinnützigen<br />
Wohnbauträger (Stadt Zürich, Stadtentwicklung 2009b: 13). Tatsächlich ist die beklagte<br />
Intransparenz <strong>und</strong> Segmentierung der städtischen Wohnungsmärkte<br />
selbst eine Folge der Regulierung durch die Kostenmiete <strong>und</strong> des<br />
gemeinnützigen Wohnungsbaus.<br />
Mit der Ausschaltung bzw. Einschränkung des Preismechanismus entstehen<br />
in der Regel Warteschlangen, da die Nachfrage das Angebot übersteigt.<br />
Diese müssen bewirtschaftet werden. An die Stelle des Preises, der<br />
knappe Güter aufgr<strong>und</strong> der Zahlungsbereitschaft (<strong>und</strong> damit auch der<br />
Präferenzen) verteilt, muss ein zentraler administrativer Allokationsmechanismus<br />
treten. Aus Sicht der gemeinnützigen Wohnbauträger entsteht<br />
genau dadurch der notwendige Spielraum, um die Durchmischung<br />
zu erhalten. Die Baugenossenschaften verfolgen eine strenge Praxis bei<br />
der Belegung ihrer Wohnungen. Mit einigem Stolz weisen sie darauf hin,<br />
dass die Bewohnerdichte in Genossenschaftswohnungen über jener im<br />
14 Der in Tabelle 4 für 4-Zimmer-Wohnungen angegebene Wert von 15 % bezieht sich auf die<br />
Differenz zwischen Bestandesmieten <strong>und</strong> der Marktmiete, d.h. dem Niveau der Mieten<br />
auf einem unregulierten Markt. Dieses liegt annahmegemäss 10 % unter den beobachteten<br />
Mieten bei Neu- <strong>und</strong> Wiedervermietung.<br />
Viele langjährige<br />
Mieter fühlen sich<br />
wie Eigen tümer,<br />
die ihren «Besitzstand»<br />
wahren.<br />
30 <strong>Wanderung</strong>, <strong>Wohnen</strong> <strong>und</strong> <strong>Wohlstand</strong>