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AUFTRAG_284_w.pdf - Gemeinschaft Katholischer Soldaten

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stellung von technischen Standards<br />

und durch Sicherheitskontrollen aktiv<br />

beteiligt. Auch die Produktsicherheit<br />

ist in diesem Zusammenhang zu<br />

nennen.<br />

Zu einem immer bedeutenderen<br />

Handlungsfeld des Staates hat sich<br />

schließlich die Informations- und<br />

Datensicherheit entwickelt. Mit dem<br />

rasanten Wachstum der Informationstechnologie<br />

ist in den vergangenen<br />

Jahren eine bis dahin unbekannte Bedrohungslage<br />

entstanden. Ein Aspekt<br />

ist die Internetkriminalität 22 . Computerviren,<br />

Trojaner und Würmer drohen<br />

die auf Computer gespeicherten<br />

Daten und Programme zu löschen,<br />

Rechner zu lähmen oder außer Betrieb<br />

zu setzen; durch Phishing täuschen<br />

Hacker eine falsche Identität<br />

vor, spionieren persönliche Daten aus<br />

und greifen auf Bankkonten zu. Aber<br />

das IT-Zeitalter kennt auch globale<br />

Bedrohungslagen. Mit den seit 2005<br />

zunehmenden, zielgerichteten elektronischen<br />

Angriffen auf Behörden<br />

und Wirtschaftsunternehmen werden<br />

ganze Staaten bedroht.<br />

Zur Abwehr solcher Gefahren des<br />

Computerzeitalters wird Schutz ebenfalls<br />

allenthalben durch den Staat erwartet.<br />

In Deutschland wurde deshalb<br />

bereits im Jahr 1991 das „Bundesamt<br />

für Sicherheit in der Informationstechnik“<br />

in Bonn eingerichtet, im<br />

April 2011 zudem ein „Nationales<br />

Cyber-Abwehrzentrum“.<br />

Sicher – unsicher. Grenzen der<br />

Sicherheitstätigkeit des Staates<br />

Der menschliche Wunsch, sich sicher<br />

fühlen zu können, steht in<br />

einem engen Zusammenhang mit der<br />

Entstehung, Entwicklung und Ausweitung<br />

des modernen Staates. Doch<br />

die dem Sicherungszweck des Staates<br />

innewohnende Dynamik hat ihre<br />

Grenzen. Diese sollen abschließend<br />

in drei Thesen angesprochen werden.<br />

Erstens: „Die Erweiterung der<br />

staatlichen Zweckordnungen und<br />

Zweckdimensionen darf (...) in keinem<br />

Fall zur Aufgabe der elementaren<br />

Sicherungszwecke führen“ 23 . Mit<br />

22 Vgl. Markus Thiel, Die Entgrenzung<br />

der Gefahrenabwehr. Tübingen 2011, S.<br />

6-29.<br />

23 Hans Jürgen Papier, Wie der Staat<br />

Freiheit und Sicherheit vereint, in: Die<br />

Welt vom 1.6.2008.<br />

<strong>AUFTRAG</strong> <strong>284</strong> • DEZEMBER 2011<br />

Recht plädierte der frühere Präsident<br />

des Bundesverfassungsgerichts,<br />

Hans-Jürgen Papier, dafür, dass der<br />

Sicherheitszweck des Staates „nicht<br />

gegen den liberalen, staatsbegrenzenden<br />

und freiheitsverbürgenden Zweck<br />

des Rechtsstaats ausgespielt werden“<br />

dürfe. Gerade unter dem Aspekt terroristischer<br />

Bedrohung kann diese<br />

Grenze jedoch leicht überschritten<br />

werden. Das Bundesverfassungsgericht<br />

hat zwar schon früh festgestellt:<br />

„Der Staat darf und muss terroristischen<br />

Bestrebungen (...) mit den erforderlichen<br />

rechtsstaatlichen Mitteln<br />

wirksam entgegentreten“ 24 . Bei<br />

der Wahl der Mittel zur Erfüllung dieser<br />

Schutzpflicht ist der Staat jedoch<br />

auf diejenigen Mittel beschränkt,<br />

„deren Einsatz mit der Verfassung<br />

in Einklang steht“ 25 . Staatliche Maßnahmen<br />

zur Terrorabwehr, wie sie<br />

nach dem 11. September 2001 auch<br />

in Deutschland beschlossen wurden<br />

– etwa der Große Lauschangriff, das<br />

Luftsicherheitsgesetz, die Antiterror-<br />

Datei -, stehen deshalb stets unter<br />

dem Gebot der Verhältnismäßigkeit.<br />

Sicherheit darf nicht zu Lasten der<br />

Freiheit gehen.<br />

Zweitens: Sicherheit hat ihren<br />

Preis. Dies gilt für innere und äußere<br />

Sicherheit, aber mehr noch für<br />

soziale Sicherheit. Sicherheit kostet<br />

Geld, und mit der Ausdehnung<br />

der Sicherheitsaufgaben des Staates<br />

sind parallel auch die Ausgaben<br />

des Staates angestiegen – und zwar<br />

geradezu exponentiell. In Zeiten zurückgehender<br />

Steuereinnahmen, von<br />

Haushaltsdefiziten und Finanzkrisen<br />

können Staaten freilich nicht<br />

unendlich Ausgaben tätigen, sondern<br />

müssen über eine verantwortliche<br />

Begrenzung nachdenken. Dies<br />

ist bekanntlich eine schwierige Aufgabe:<br />

Gerade im Bereich der Verteidigung<br />

können Sparmaßnahmen<br />

schnell die Einsatzbereitschaft gefährden.<br />

Im Bereich der Sozialpolitik<br />

haben die so genannten „Hartz“-<br />

Reformen in Deutschland haben zwar<br />

gezeigt, dass die politischen Akteure<br />

durchaus in der Lage sind, partielle<br />

Leistungskürzungen durchzusetzen.<br />

Angesichts der breiten politischen<br />

Basis der bisherigen sozialstaatli-<br />

24 BVerfGE 49, 24 (56).<br />

25 BVerfG, 1 BvR 518/02 vom 4.4.2006,<br />

Absatz-Nr. 130.<br />

GESELLSCHAFT NAH UND FERN<br />

chen Entwicklung erscheint jedoch<br />

ein über solche partiellen Leistungskürzungen<br />

hinausgehender Abbau<br />

sozialpolitischer Programme wenig<br />

wahrscheinlich.<br />

Drittens: Totale Sicherheit gibt<br />

es nicht. Bedrohungen und Gefahren<br />

gehören eben unvermeidlich zur<br />

menschlichen Existenz. Der Soziologie<br />

Ulrich Beck hat aufgezeigt: Je moderner<br />

und komplexer Gesellschaften<br />

werden, desto größer werden die<br />

Risiken 26 . Diese kann der Staat zwar<br />

möglicherweise minimieren, aber<br />

ganz beseitigen kann er sie nicht.<br />

So wie im Straßenverkehr das Nullrisiko<br />

nur zu erreichen wäre, wenn<br />

wir das Geschwindigkeitslimit auf<br />

null Kilometer reduzierten, so könnte<br />

das Risiko eines Terroranschlags<br />

letztendlich nur ausgeschlossen werden,<br />

wenn der Staat jedem einzelnen<br />

Bürger einen Überwacher zuteilen<br />

würde 27 . Eine solche Vorstellung ist<br />

absurd und wäre mit den Prinzipien<br />

einer freiheitlichen Demokratie<br />

nicht zu vereinbaren. Darüber hinaus<br />

müssen wir immer damit rechnen,<br />

dass nach der Beseitigung von alten<br />

Bedrohungen neue Risiken entstehen<br />

können. Inzwischen ist der Kalte<br />

Krieg zu Ende und der Sozialstaat<br />

hat ein beachtliches Niveau erreicht,<br />

aber auch das 21. Jahrhundert wird<br />

trotz aller Sicherheitsanstrengungen<br />

von Unsicherheit geprägt sein. Globale<br />

Probleme wie der Klimawandel<br />

und die Bedrohung durch den internationalen<br />

Terrorismus stellen neue<br />

Gefährdungslagen dar. Und auch mit<br />

materiellen Existenzängsten werden<br />

weiterhin viele Menschen konfrontiert<br />

bleiben.<br />

Gerade dieser letzte Aspekt verweist<br />

darauf, dass Sicherheit als normativer<br />

Begriff stets eine psychologisch-subje<br />

ktive Dimension besitzt.<br />

Es wird immer eine Kluft geben<br />

zwischen objektiv bestimmbarer<br />

und vom Staat herstellbarer Sicherheit<br />

und der subjektiven Empfindung<br />

praktischer Unsicherheit. Wir müssen<br />

damit leben, dass hier auf Erden<br />

immer ein Rest Unsicherheit bleibt.<br />

26 Ulrich Beck, Risikogesellschaft. Auf<br />

dem Weg in eine andere Moderne.<br />

Frankfurt a.M. 1986.<br />

27 Vgl. Rolf Dobelli, Warum wir für das<br />

Nullrisiko zu viel bezahlen, in: FAZ vom<br />

7.3.2011, S. 28.<br />

17

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