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AUFTRAG_284_w.pdf - Gemeinschaft Katholischer Soldaten

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von Präsident Karsai, „eine Verordnung zu erlassen, die<br />

die Beschäftigung enger Verwandter von Ministern, …<br />

Gouverneuren … auf allen staatlichen Ebenen verbietet“ 25<br />

kann nur als Spiegel einer dramatischen Lage verstanden<br />

werden.<br />

Die seit neun Jahren in Afghanistan intervenierenden<br />

Staaten und Organisationen müssen ihr Handeln gegenüber<br />

der afghanischen Bevölkerung an Rechtsstandards<br />

orientieren. Dazu gehört die Anerkennung der afghanischen<br />

Bevölkerung und damit der afghanischen Bürger und<br />

Bürgerinnen als gleichberechtigte Rechtsgenossen. Diese<br />

Haltung haben die intervenierenden Staaten in den Jahren<br />

seit 2001 eher zögerlich eingenommen; erst seit der Londoner<br />

Konferenz 2010 setzt sich die Einsicht durch. Für den<br />

Aufbau des Rechtssystems in Afghanistan hatten Deutschland<br />

und Italien besondere Verantwortung übernommen.<br />

Allerdings ist dies bislang noch nicht gelungen; mit der<br />

Londoner Konferenz ist aber eine erneute Anstrengung in<br />

dieser Richtung unternommen worden. Bisher scheiterte<br />

die Forderung die in Afghanistan herrschende „Kultur<br />

der Straflosigkeit“ zu beenden und mit dem Aufbau eines<br />

Rechtsstaats zu beginnen, am gemeinsamen Unwillen der<br />

afghanischen Verantwortlichen wie der Verantwortlichen<br />

der internationalen Staatengemeinschaft. Für den weiterhin<br />

notwendigen Aufbau eines afghanischen Rechtsstaates<br />

bedarf es vor allem aber die Zustimmung der Bevölkerung.<br />

Recht lebt von der Anerkennung der Rechtsgenossen, nicht<br />

primär von der gewaltsamen Durchsetzung. Weil aber die<br />

intervenierenden Staaten Recht nicht von außen durchsetzen<br />

können, braucht dieser Prozess Zeit, die sich nicht<br />

in Monaten oder wenigen Jahren bemisst, sondern eher in<br />

Jahrzehnten. Hierbei ist immer vorauszusetzen, dass alle<br />

Beteiligten in gleicher Weise den Aufbau einer funktionierenden<br />

unparteilichen Rechtsordnung wollen. Genau hieran<br />

müssen aber im Blick auf die afghanische Machtelite<br />

nicht nur um Präsident Karzai erhebliche Zweifel angemeldet<br />

werden. 26 Eine gewisse Hoffnung besteht jedoch,<br />

wenn es gelingt die Beschlüsse der „National Consultative<br />

Peace Jirga“ vom Juni 2010 umzusetzen, dies wird weiter<br />

unten thematisiert.<br />

Partikularinteressen dürfen nicht dominieren<br />

Noch immer dominieren zu sehr Einzelinteressen mächtiger<br />

Staaten das Handeln der Vereinten Nationen. Der<br />

ausbleibende Erfolg in Afghanistan hat nicht zuletzt mit<br />

unkoordinierter Hilfe und dem Fehlen einer starken UN<br />

zu tun, so dass die wohlwollende Aufbauhilfe der Staaten<br />

ohne effektive Koordination vonstatten geht.27 Die deutsche<br />

Regierung gibt dieses Defizit in ihrem Fortschrittsbericht<br />

Afghanistan (Dezember 2010) für die Jahre 2001<br />

25 Afghanistan: Die Londoner Konferenz, 28. Januar 2010 (Kommuniqué),<br />

ebd.<br />

26 Diese These vertritt u.a. US-Botschafter Karl Eikenberry, wenn<br />

er sagt: “Mr. Karzai was not an adequate strategic partner and<br />

was interested only in using foreign troops to keep himself<br />

in power“, in: ‘Nobody is winning’, admits McChrystal. The<br />

Independent, 16. May 2010, www.independent.co.uk/news/<br />

world/asia/nobody-is-winning-admits-mcchrystal-1974697.html<br />

27 Vgl. Paul Fishstein, Winning Hearts and Minds? Examining the<br />

Relationship between Aid and Security in Afghanistan’s Balkh<br />

province, Feinstein International Center, 11/2010, 34 ff.<br />

<strong>AUFTRAG</strong> <strong>284</strong> • DEZEMBER 2011<br />

KIRCHE UNTER SOLDATEN<br />

- 2009 unumwunden zu, wenn dort konstatiert wird: „Die<br />

internationale <strong>Gemeinschaft</strong> verfolgt nun (sic!) eine gemeinsame<br />

Strategie.“28 Es wird dort geholfen, wo es der<br />

eigene Vorteil nahe zu legen scheint. Dies gilt nicht nur<br />

für Afghanistan, sondern auch in vergleichbaren anderen<br />

internationalen Engagements. Deshalb unterstreicht das<br />

II. Vatikanische Konzil die Notwendigkeit einer internationalen<br />

Ordnung mit wirksamen Institutionen; das Friedenswort<br />

der deutschen Bischöfe „Gerechter Friede“ betont<br />

die Notwendigkeit einer Reform der UN.29 Das derzeitige<br />

strukturelle Problem der Staatengemeinschaft ist solange<br />

nicht überwindbar, solange den Staaten als internationalen<br />

Akteuren nicht eine zumindest gleichrangige UN gegenübersteht,<br />

die in der Lage ist die Partikularinteressen<br />

in Ausgleich zu bringen und das für das globale Gemeinwohl<br />

Notwendige zu realisieren. Von einer an ethischen<br />

Prinzipien ausgerichteten Außenpolitik ist demnach zu<br />

fordern, die Weiterentwicklung der Vereinten Nationen auf<br />

das beschriebene Ziel hin nicht nur nicht zu untergraben,<br />

sondern die Weiterentwicklung auch aktiv zu fördern .30<br />

Wer das Ziel will, muss auch die Mittel bereitstellen<br />

Politische Zielvorgaben müssen mit den entsprechenden<br />

Mitteln unterlegt sein, sonst ist vorhersehbar, dass der<br />

Erfolg ausbleibt. Dies gilt – nicht nur mit Blick auf das<br />

Afghanistan-Engagement – sowohl für den zivilen Wiederaufbau<br />

als auch für den militärischen Auftrag. Die Erfahrungen<br />

des internationalen Engagements lehren, dass der<br />

zivile Wiederaufbau staatliche Verwaltungsstrukturen genauso<br />

umfasst wie Justiz, Polizei, grundlegende Infrastruktur<br />

und den Bildungssektor – all dies abhängig vom Grad<br />

der Zerstörung, nicht zuletzt die Organisation politischer<br />

Teilhabe, um nicht gleich von Demokratie zu sprechen.<br />

Drei Probleme haben sich in den letzten Jahren gezeigt:<br />

Erstens wird auf die anschwellende Aufstandsbewegung<br />

seit 2002 mit der Bereitstellung weiterer Ressourcen<br />

geantwortet, insbesondere mit dem Entsenden zusätzlicher<br />

Truppen, ohne die offenkundig falsche politische<br />

Strategie zu hinterfragen, die die aufständischen Taliban<br />

in den vergangenen neun Jahren nicht stoppen und auch<br />

die Bevölkerung mehrheitlich nicht überzeugen konnte. 31<br />

Aus diesem Grund stellt Gilles Dorronsoro fest, „the focus<br />

on resources continues to prevent proper debate on strategy<br />

and objectives“ 32 : Wenn aber die implementierte politisch-militärische<br />

Strategie offenkundig nicht zum Ziel<br />

führt, muss sie überprüft werden; die Verlagerung auf die<br />

Mittelebene führt nicht zum Erfolg.<br />

28 Die Bundesregierung, Fortschrittsbericht Afghanistan zur<br />

Unterrichtung des Deutschen Bundestages, 5; www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/2010/12/2010-12-13fortschrittsbericht-afghanistan.html.<br />

29 Vgl. Die deutschen Bischöfe, Gerechter Friede, Bonn 2000, 60<br />

ff.<br />

30 Diese These hat Gerhard Beestermöller entwickelt; vgl. G.<br />

Beestermöller, Krieg gegen den Irak – Rückkehr in die Anarchie<br />

der Staatenwelt? Ein kritischer Kommentar aus der perspektive<br />

einer Kriegsächtungsethik, Stuttgart 2002, 41ff.<br />

31 Vgl. A New Way Forward: Rethinking U.S. Strategy in<br />

Afghanistan, Report of the Afghanistan Study Group, www.afghanistanstudygroup.org/NewWayForward_report.<strong>pdf</strong><br />

32 G. Dorronsoro, Fixing a failed strategy in Afghanistan, a.a.O., 25<br />

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