AUFTRAG_284_w.pdf - Gemeinschaft Katholischer Soldaten
AUFTRAG_284_w.pdf - Gemeinschaft Katholischer Soldaten
AUFTRAG_284_w.pdf - Gemeinschaft Katholischer Soldaten
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
delt. Außerdem war es so, dass die<br />
jeweiligen Konzilsteilnehmer in Einzelfragen<br />
ganz unterschiedliche Positionen<br />
einnahmen und schon von daher<br />
nicht über einen Kamm geschert<br />
werden können.<br />
Es gehört zum modernen, demokratischen<br />
Selbstverständnis der<br />
Konzilsteilnehmer, dass nur jene<br />
Texte verabschiedet wurden, für<br />
die sich eine klare und eindeutige<br />
Mehrheit findet. In der zweiten und<br />
dritten Sitzungsperiode ging es nicht<br />
um die Einhaltung einer gewissen<br />
thematischen Systematik, sondern es<br />
wurden vor allem jene Dokumente<br />
gebilligt, wo es wenig Dissens gab,<br />
da entweder hier eine Theologie oder<br />
eine Pastoralpraxis skizziert wurde,<br />
die im Grunde schon längst Gestalt<br />
angenommen hatte. Es handelt sich<br />
um die drei am 21. November 1964<br />
verabschiedeten Dokumente:<br />
– Lumen gentium (Licht der Völker),<br />
die dogmatische Konstitution<br />
der Kirche, in der es um ihr<br />
Selbstverständnis als Kirche geht,<br />
– Orientalium Ecclesiarum: das Dekret<br />
über die katholischen Ostkirchen,<br />
– Unitatis redintegratio, das Dekret<br />
über den Ökumenismus, also über<br />
die getrennten Christen der evangelischenReligionsgemeinschaften<br />
und der orthodoxen Kirchen.<br />
„Christus ist das Licht der Völker“<br />
Die dogmatische, also von Lehrsätzen<br />
durchzogene Konstitution<br />
„Lumen gentium“ ist eine in deutlich<br />
biblischer Sprache geprägte Schrift,<br />
in der es um das theologische Selbstverständnis<br />
der katholischen Kirche<br />
geht. Der gesamte Text ist durchsetzt<br />
von zahlreichen Zitaten aus dem Alten<br />
und Neuen Testament. Hierbei erfolgt<br />
ein klarer Rückgriff auf die Lehre der<br />
Kirchenväter (Patristik), vor allem auf<br />
Cyprian von Karthago, Ambrosius von<br />
Mailand, Basilius von Caesarea, Kyrill<br />
von Alexandria und Augustinus von<br />
Hippo. Auch auf dem im Hochmittelalter<br />
lebenden Heiligen Thomas, dem<br />
Jesus von Aquino, der zusammen mit<br />
Albertus Magnus der Scholastik zur<br />
Blüte verhalf, wird in „Lumen gentium“<br />
Bezug genommen. Es handelt<br />
sich zugleich um den ersten Text in<br />
der langen Geschichte der Kirche, in<br />
der sich das kirchliche Lehramt aus-<br />
<strong>AUFTRAG</strong> <strong>284</strong> • DEZEMBER 2011<br />
führlich zur Lehre von der Kirche per<br />
se äußert.<br />
Das Dokument gliedert sich in<br />
acht Kapitel: das Mysterium der Kirche,<br />
das Volk Gottes (populus dei), die<br />
hierarchische Verfassung der Kirche,<br />
die Laien, die Berufung zur Heiligkeit<br />
in der Kirche, die Ordensleute, der<br />
endzeitliche Charakter der pilgernden<br />
Kirche und ihre Einheit mit der<br />
himmlischen Kirche und die selige<br />
jungfräuliche Gottesmutter Maria im<br />
Geheimnis Christi und der Kirche.<br />
In diesen Kapitelüberschrift kommt<br />
das Hauptanliegen des Textes zum<br />
tragen, der darin besteht, dass Christus<br />
als Mitte der Kirche deutlicher<br />
hervortreten soll. So wird die Kirche<br />
als mystischer Leib Christi und als<br />
„Wanderndes Gottesvolk“ verstanden,<br />
wobei Engführungen auf den institutionellen<br />
Charakter der Kirche vermieden<br />
werden.<br />
Das Dokument beginnt mit der<br />
Formulierung: „Christus ist das Licht<br />
der Völker. Darum ist es der dringende<br />
Wunsch dieser im Heiligen Geist<br />
versammelten heiligen Synode, alle<br />
Menschen durch seine Herrlichkeit,<br />
die auf dem Antlitz der Kirche widerscheint,<br />
zu erleuchten, indem sie das<br />
Evangelium allen Geschöpfen verkündet.<br />
Die Kirche ist ja in Christus<br />
gleichsam das Sakrament, das heißt<br />
Zeichen und Werkzeug für die innigste<br />
Vereinigung mit Gott wie für die<br />
Einheit der ganzen Menschheit. Die<br />
Kirche, das heißt das im Mysterium<br />
schon gegenwärtige Reich Christi,<br />
wächst durch die Kraft Gottes sichtbar<br />
in der Welt. … Alle Menschen<br />
werden zu dieser Einheit mit Christus<br />
gerufen, der das Licht der Welt<br />
ist: Von ihm kommen wir, durch ihn<br />
leben wir, zu ihm streben wir hin.“<br />
Und etwas später: „So erscheint die<br />
ganze Kirche als ‚das von der Einheit<br />
des Vaters und des Sohnes und des<br />
Heiligen Geistes her geeinte Volk.“<br />
In diesen Formulierungen steigt eine<br />
Aufwertung der Rolle der Laien in der<br />
römisch-katholischen Kirche auf, da<br />
eben alle Menschen in Heilsgemeinschaft<br />
mit Christus stehen. Die heilstiftende<br />
Erlösungsbotschaft Christi<br />
hat Vorrang vor allem anderen. Dies<br />
kommt auch in weiteren Kapiteln zur<br />
Heiligkeit der Kirche und zum Bild<br />
von der Pilgerschaft der Kirche zum<br />
Ausdruck. In einem Abschlusskapi-<br />
RELIGION UND GESELLSCHAFT<br />
tel wird der Gottesmutter Maria als<br />
„mater ecclesia“, als Mutter der Kirche,<br />
gedacht.<br />
Bei „Lumen gentium“ handelt es<br />
sich um eine dogmatische Konstitution,<br />
also um eine Aneinanderreihung<br />
von Lehrsätzen. Diese Lehrsätze sollen<br />
deutlich machen, wofür die Kirche<br />
steht und worin ihre identitätsbildenden<br />
Momente liegen. Im Grunde<br />
geht es darum, den Mitgliedern der<br />
römisch-katholischen Kirche, Laien<br />
und Kleriker gleichermaßen, Argumente<br />
an die Hand zu geben, um zu<br />
verdeutlichen, was Kirche in einem<br />
positiven Sinne ausmacht und worin<br />
ihre Strahlkraft, ihre Botschaft besteht.<br />
Ganz grundsätzlich stellt „Lumen<br />
gentium“ also eine programmatische<br />
Schrift dar, aber nur für die<br />
Ausrichtung der Kirche nach Innen.<br />
Für die Beziehungen der Kirche und<br />
ihrer Gläubigen nach außen, in Gesellschaft<br />
und Politik hinein, steht<br />
die pastorale Konstitution „Gaudium<br />
et spes“, die am 7. Dezember 1965<br />
verabschiedet wurde. Beide Schriften<br />
sind daher in einem inneren, theologischen<br />
Zusammenhang zu sehen.<br />
Die katholischen Ostkirchen<br />
Zur geschichtlichen Bedeutung des<br />
II. Vaticanums gehört es, dass das<br />
Konzil versuchte, zwei geschichtliche<br />
Ereignisse, wenn nicht gleich aufzuheben,<br />
doch zumindest zu überbrücken:<br />
das Schisma zwischen der weströmischen<br />
und der ost-römischen Kirche<br />
im Jahr 1054, aus der sich im<br />
Osten dann die orthodoxen Kirchen<br />
entwickelten, und die Abspaltung<br />
der evangelischen Religionsgemeinschaften<br />
im Kontext der Reformation<br />
im 16. Jahrhundert. Zugleich besteht<br />
seit dem II. Vaticanum das Bemühen,<br />
andere (Welt-) Religionen nicht einfach<br />
als Werke des Teufels abzutun,<br />
sondern mit diesen nicht-christlichen<br />
Religionen in einen Dialog zu treten.<br />
Hierzu sind drei Dokumente verabschiedet<br />
worden, eben am 21.November<br />
1964 das Ost-Kirchen- und das<br />
Ökumene-Dekret und am 28. Oktober<br />
1965 die Erklärung „Nostra Aetate“,<br />
in der es um das angesprochene Verhältnis<br />
zu den nicht-christlichen Religionen<br />
geht.<br />
Die Frage nach dem Verhältnis<br />
zu den katholischen Ostkirchen erscheint<br />
erklärungsbedürftig, da weit-<br />
25