Titelbild - Gießener Allgemeine
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durch die Stadt laufe. Ich kann nur wenig<br />
Deutsch, aber einzelne Worte kann ich<br />
verstehen. Ich mag die Clubs und die<br />
Kneipen. Eigentlich mag ich einfach alles –<br />
Gießen ist ein netter Ort, den ich in Gedanken<br />
immer bei mir trage.<br />
Wenn Sie Gießen mit amerikanischen<br />
Städten vergleichen, wo liegt der Unterschied?<br />
Amerikanische Städte sind in sich<br />
sehr stark auseinandergezogen. Mit der<br />
Erfindung des Autos ist das Land stark gewachsen<br />
und die Städte wanderten immer<br />
weiter nach draußen. In Gießen findest du<br />
alles, was du brauchst. Es reicht, in die<br />
Stadtmitte zu gehen. Es gibt Ärzte, Lebensmittelgeschäfte,<br />
Apotheken. Da, wo ich<br />
lebe, muss ich mich ins Auto setzen, egal<br />
wohin ich will. Selbst wenn ich nur einen<br />
Spaziergang machen möchte, muss ich erst<br />
mal fahren. Ihr lebt alle sehr dicht zusammen,<br />
und es ist alles sehr gut geplant.<br />
Was waren Ihre Lieblingsorte, als Sie hier<br />
in Gießen stationiert waren? Die Kneipen!<br />
(lacht). Ich bin sehr gerne ins »Ausweg« gegangen,<br />
in die »Zwibbel«, wo heute das<br />
»Melchiors« ist, in die »Number One« nach<br />
Lich, in einen Club nach Lauterbach, an<br />
dessen Namen ich mich nicht mehr erinnere<br />
– eine große Disco, mit einer weiteren<br />
Disco darin, in den »Leierkasten« und<br />
in den »Irish Pub«. Am liebsten mochte ich<br />
aber das »Ausweg«, weil sie da alternative<br />
Musik und Dark Wave gespielt haben.<br />
Schade, dass es geschlossen ist. Auch im<br />
»Scarabee« war ich oft. Außerdem gab es<br />
noch das »Phönix« (heute »Chevy«, Anm. d.<br />
Red.) Gegen Ende meines Aufenthaltes waren<br />
wir ständig dort. Es war damals sehr<br />
beliebt, umso überraschter war ich, dass es<br />
nicht mehr existiert. Außerdem mag ich<br />
den Gleiberg und den <strong>Gießener</strong> Bahnhof.<br />
Das Gebäude ist wunderschön. Jedes Mal,<br />
wenn ich hier bin, setze ich mich dorthin<br />
und trinke einen Kaffee oder ein Bier. Der<br />
Schwanenteich ist vielleicht mein allerliebster<br />
Ort. Ich mag es, dort spazieren zu<br />
gehen, und die Blumen, das Gras und die<br />
Menschen zu sehen. Und ich mag das<br />
Schwimmbad an der Ringallee.<br />
Was war die wichtigste Erfahrung, die Sie<br />
in Ihrer Zeit hier gemacht haben? Ich habe<br />
hier ein deutsches Mädchen kennengelernt.<br />
Ihre Eltern waren sehr nette Menschen,<br />
und auch wenn das mit uns beiden<br />
nicht sehr lange gehalten hat, habe ich bei<br />
ihrer Familie gelernt wie sich Deutschland<br />
wirklich anfühlt. Das war eine sehr wichtige<br />
Erfahrung. Wir sind im Guten auseinandergegangen.<br />
Anfangs mochten ihre Eltern es<br />
nicht, dass sie mit einem Soldaten ausging.<br />
Doch dann haben sie mich kennengelernt.<br />
Auch wenn es kulturelle Unterschiede gibt:<br />
Der Stellenwert der Familie ist hier derselbe<br />
wie in Amerika.<br />
Was hat Gießen Ihnen bedeutet, als Sie<br />
hier stationiert waren, und was bedeutet<br />
es Ihnen heute? Als ich hierher kam, wurde<br />
mir gesagt, dass ich nach Gießen müsste<br />
und ich fragte: »Was ist das – davon habe<br />
ich noch nie gehört?« Ich habe also meinen<br />
Onkel angerufen, der Colonel bei der<br />
Air Force war. Er kannte Gießen. Um ehrlich<br />
zu sein: Die ersten sechs Monate, die<br />
ich hier war, habe ich Gießen nicht gemocht.<br />
Es war bewölkt, kalt und nass. Da,<br />
wo ich herkomme, ist es warm und sonnig.<br />
Dann habe ich die Stadt kennengelernt,<br />
und das war etwas ganz Besonderes. Ich<br />
erinnere mich an das letzte Wochenende,<br />
an dem ich hier war. 1993: Ich habe einen<br />
traurigen Song im Radio gehört und wurde<br />
so traurig, weil ich hier weg musste. Klar<br />
wollte ich meine Mum und meine Familie<br />
wiedersehen, aber zu diesem Zeitpunkt<br />
dachte ich darüber nach, ob ich jemals<br />
zurückkehren könnte. Das Leben ging<br />
weiter, ich bekam meinen ersten Job, gründete<br />
eine eigene Familie. 2004 begann ich<br />
ernsthaft darüber nachzudenken, wie besonders<br />
dieser Ort ist und ich wusste: Ich<br />
muss zurückkommen! Als ich dann wieder<br />
hier war, war alles noch besser geworden.<br />
Das ist wie mit einem guten Dessert, dass<br />
Licher Bier ist dem Autor im Gedächtnis geblieben.<br />
RAMPENLICHT<br />
du über viele Jahre nicht gegessen hast.<br />
Seitdem komme ich jedes Jahr ein- oder<br />
sogar zweimal. Es fühlt sich jedes Mal an<br />
wie Nachhausekommen.<br />
Was hat sich hier in Gießen verändert?<br />
Gießen hat sich nicht so stark verändert<br />
wie die USA. Wir bauen unsere Gebäude<br />
nicht für die Ewigkeit, reißen Häuser ab<br />
und stellen neue auf. Hier sind die Strukturen<br />
immer noch dieselben. Dieses Gebäude<br />
hier (das »Stadtcafé«, Anm. d. Red.)<br />
war früher »Pizza Hut« – heute gefällt es<br />
mir besser, denn ich möchte nicht nach<br />
Deutschland kommen und »Pizza Hut« sehen<br />
(lacht). Gießen ist schöner geworden<br />
und moderner, schau dir allein Bars wie das<br />
»Dachcafé« an. Und: Es gibt keine Amerikaner<br />
mehr. Als ich hier war, wimmelte es<br />
von Amerikanern. Ich habe immer versucht,<br />
ihnen aus dem Weg zu gehen. Wir<br />
haben Clubs besucht, in denen GIs eigentlich<br />
nicht gern gesehen waren. Aber wir<br />
durften rein, weil wir uns respektvoll verhalten<br />
haben.<br />
Haben Sie ihre Familie jemals mit hierher<br />
gebracht? Ja, meine Frau, bevor wir Kinder<br />
hatten. Aktuell sind unsere Kinder aber<br />
noch zu klein. Aber ich kann es kaum erwarten,<br />
ihnen die Stadt zu zeigen.<br />
Sie mögen Licher Bier. Was ist für Sie das<br />
Besondere daran? Ich liebe Licher Bier! Es<br />
ist ein wundervolles Pils. Man kann es in<br />
Foto:<br />
7/2012 streifzug 15