Titelbild - Gießener Allgemeine
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Poliça kommen ins »Zoom«<br />
Eine Band aus Minneapolis um eine ehemalige Folksängerin ist derzeit das Spannendste,<br />
was der Popzirkus zu bieten hat. Poliça versöhnen Hiphop, Elektro und Indiepop. Wären sie<br />
15 Jahre früher gekommen, hätte man der Popmusik nie den Rücken kehren müssen. Am<br />
2. Juli gibt sich die Band im »Zoom« die Ehre.<br />
»Sie sind die beste Band, die ich jemals gehört<br />
habe.« Wer ein solches Kompliment<br />
von Justin Vernon, dem Kopf hinter Bon<br />
Iver, vorweisen kann, der packt am besten<br />
seine Koffer. Denn mit an Sicherheit grenzender<br />
Wahrscheinlichkeit geht es bald auf<br />
große Tournee rund um den Globus.<br />
Wenn dann auch noch Jay-Z daherkommt,<br />
und das eigene Musikvideo auf seinem<br />
Blog mit der Öffentlichkeit teilt, dann hat<br />
man am besten schon die Nachbarn gebeten,<br />
sich um die Blumen zu kümmern,<br />
denn so schnell wird man wohl nicht zurück<br />
sein: Der Hype dürfte ein großer werden.<br />
Channy Leanagh, die eiskalte Stimme<br />
hinter Poliça, hat genau das hinter sich.<br />
Seit knapp 15 Jahren sichert Auto-Tune, ein<br />
Programm zur nachträglichen Tonhöhenkorrektur<br />
von digitalen Musikaufnahmen,<br />
auch eher mittelmäßig begabten Sängern<br />
in gewisser Regelmäßigkeit hohe Chartplatzierungen.<br />
Ihre Stimmen klingen dann oft<br />
metallisch, schiefe Töne sucht man nach<br />
der Bearbeitung durch Auto-Tune vergebens.<br />
Cher stetzte mit »Believe« den Anfang<br />
der Mode, von Madonna bis Kanye<br />
West folgte der halbe Popzirkus – mit teils<br />
unsäglichen Ergebnissen. Auch Channy<br />
Leanagh klingt nach Auto-Tune. Doch bei<br />
Poliça wird ihre Stimme nicht verändert,<br />
um ihr einen besseren Klang zu geben<br />
oder etwas darzustellen, was in Wahrheit<br />
gar nicht da ist. Vielmehr geht es um<br />
Atmosphäre.<br />
Dass die Musik der Band gleichermaßen<br />
von Justin Vernon und Jay-Z – der eine seines<br />
Zeichens sensibler Songwriter mit<br />
Waldschratbart, der andere ehemals Drogendealer<br />
und inzwischen Medienmogul –<br />
Die Band um Sängerin Channy Leanagh räumt im Popzirkus auf.<br />
angepriesen wird, ist deutlichstes Zeichen<br />
dafür, dass sich Poliça nicht so gerne an<br />
Genregrenzen halten. Sie zeigen vielmehr:<br />
Hiphop, Elektro und Indiepop können miteinander.<br />
Verwurzelt in Minneapolis gründete<br />
sich die Band erst im vergangenen<br />
Jahr. Doch schon heute kann man sich eine<br />
gut aufgeräumte Plattensammlung ohne ihr<br />
Debütalbum »Give You The Ghost« nur<br />
Foto: bf<br />
schwer vorstellen. Möchte man vielleicht<br />
auch gar nicht: Wenn Auto-Tune bereits<br />
vor 15 Jahren so geklungen hätte, wäre es<br />
wohl gar nicht nötig gewesen, der Popmusik<br />
den Rücken zu kehren. Poliça kommen<br />
spät, doch immer noch sind sie ein Segen<br />
– nicht nur für Justin Vernon und Jay-Z.<br />
Tickets für ihr Konzert am 2. Juli im »Zoom«<br />
kosten 14 Euro. Florian Dörr<br />
7/2012 streifzug 33<br />
Fotos: Sven Stinn