2010 12 06 Theorie der Personalentwicklung - syspero GmbH
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Theoretisches Handbuch zur praktischen Qualitätssicherung <strong>der</strong><br />
<strong>Personalentwicklung</strong> im Mittelstand<br />
von<br />
Rainer Gardyan (M.A.)<br />
Münster, Köln, Berlin, Würzburg, Stuttgart<br />
1995 bis <strong>2010</strong><br />
Seite 1<br />
1 Einleitung .................................................................................... 2<br />
2 <strong>Personalentwicklung</strong> als Kernfunktion des<br />
Personalmanagements ............................................................... 8<br />
2.1 <strong>Theorie</strong>n <strong>der</strong> Arbeitsorganisation 10<br />
2.1.1 Bürokratie-Ansatz nach Weber 10<br />
2.1.2 Wissenschaftliche Betriebsführung nach Taylor 13<br />
2.1.3 Anreiz-Beitrag-<strong>Theorie</strong> nach Barnard 15<br />
2.1.4 Human-Relation-Ansatz nach Roethlisberger/Dickson 17<br />
2.2 Personalmanagement als betriebliche Institution <strong>der</strong><br />
klassischen Organisationstheorie 17<br />
2.3 Arbeitsorganisation und <strong>Personalentwicklung</strong> 21<br />
2.3.1 Paradigmenwechsel in <strong>der</strong> Arbeitsorganisation 21<br />
2.3.2 Organisationsparadigmenwechsel in <strong>der</strong> Industrie 22<br />
2.3.3 Organisationsparadigmenwechsel im<br />
Dienstleistungsbereich 23<br />
2.4 Funktionen des Personalmanagements 25<br />
2.5 Modelle <strong>der</strong> <strong>Personalentwicklung</strong> im Kontext <strong>der</strong><br />
Organisationsentwicklung 30<br />
2.5.1 Historische Phasenmodelle 30<br />
2.5.2 Zeitunabhängige Phasenmodelle 32<br />
2.6 <strong>Personalentwicklung</strong> als Supportprozess 34<br />
2.6.1 Reaktive <strong>Personalentwicklung</strong> 35<br />
2.6.2 Proaktive <strong>Personalentwicklung</strong> 38<br />
2.6.3 Definition <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen proaktiven und reflexiven<br />
<strong>Personalentwicklung</strong> 40<br />
3 Begriffe des systematischen <strong>Personalentwicklung</strong>sprozesses<br />
.................................................................................................... 42<br />
3.1 Bildung und berufliche Bildung 43<br />
3.2 Beruf 46<br />
3.3 Qualifikation 48<br />
3.4 Schlüsselqualifikationen 52<br />
3.5 Motivation und Leistung 59<br />
4 <strong>Personalentwicklung</strong> als Kern-Prozess des<br />
Personalmanagements ............................................................. 61<br />
4.1 Sollprozess <strong>der</strong> <strong>Personalentwicklung</strong> 64<br />
4.1.1 Nachfolgeplanung 66
Seite 2<br />
4.1.2 Arbeitshypothesen zur Nachfolgeplanung 68<br />
4.1.3 Qualifikationsbedarfsanalyse 69<br />
4.1.3.1 Definition des <strong>Personalentwicklung</strong>sbedarfs 70<br />
4.1.3.2 Methoden <strong>der</strong> <strong>Personalentwicklung</strong>sbedarfsanalyse 71<br />
4.1.3.3 Systematische Mitarbeitergespräche als priorisierte<br />
Methode <strong>der</strong> Qualifikationsbedarfsanalyse 74<br />
4.1.3.4 Anfor<strong>der</strong>ungsprofile 75<br />
4.1.3.5 Kommunikation <strong>der</strong> strategischen Vorgaben 75<br />
4.1.3.6 Mitarbeitergespräche durchführen 76<br />
4.1.4 Arbeitshypothesen zur Qualifikationsbedarfsanalyse 78<br />
4.1.5 Qualifikationsbedarfsplanung 80<br />
4.1.6 Arbeitshypothesen zur Qualifikationsbedarfsplanung 82<br />
4.1.7 Maßnahmenmanagement 83<br />
4.1.8 Arbeitshypothesen zur Maßnahmenplanung 85<br />
4.1.9 <strong>Personalentwicklung</strong>s-Evaluation und Transferkontrolle 86<br />
4.1.9.1 Betriebswirtschaftlicher Evaluationsprozess nach<br />
Phillips 104<br />
4.1.9.2 Sozial-pädagogischer Evaluationsprozess nach Stiefel<br />
90<br />
4.1.9.3 Evaluationsprozess nach Becker 107<br />
4.1.9.4 Arbeitshypothese zur Evaluation und Transferkontrolle<br />
92<br />
5. Zusammenfassung ................................................................ 110<br />
Literaturliste ............................................................................... 111<br />
1 Einleitung<br />
<strong>Personalentwicklung</strong> wird von Wissenschaftlern 1 und<br />
Unternehmensmanagern als wichtiger Teilprozess des<br />
Personalmanagements angesehen, um die<br />
Organisationsentwicklung <strong>der</strong> Unternehmen zu unterstützen, den<br />
wirtschaftlichen Erfolg zu steigern und die Mitarbeiter an die<br />
Unternehmen zu binden. 2 Die European Foundation for Quality<br />
Management hat beispielsweise einen deutlichen Zusammenhang<br />
zwischen den Anstrengungen im Bereich <strong>der</strong> <strong>Personalentwicklung</strong><br />
1 Zur Bedeutung <strong>der</strong> <strong>Personalentwicklung</strong> als Kernfunktion des Personalmanagements vgl. Wun<strong>der</strong>er, R.<br />
et al. (2000); S. 158<br />
2 vgl. Worrach, U. (2001); S. 66- 69<br />
Seite 3<br />
und dem Unternehmenserfolg aufgezeigt 3 . In diesem Sinne kann<br />
und muss die <strong>Personalentwicklung</strong> als ein strategischer<br />
Erfolgsfaktor <strong>der</strong> Unternehmensentwicklung angesehen werden,<br />
dessen Vernachlässigung wettbewerbsschädlichen Einfluss auf<br />
die Unternehmensentwicklung haben kann. 4<br />
Dem folgend überwiegen so auch in <strong>der</strong> aktuellen<br />
wissenschaftlichen und praktischen Diskussion die Erkenntnisse<br />
und Meinungen, die <strong>der</strong> <strong>Personalentwicklung</strong> eine entscheidende<br />
Rolle bei <strong>der</strong> Unternehmensentwicklung und somit bei <strong>der</strong><br />
Erzielung des wirtschaftlichen Erfolges zuordnen. 5 Dies bestätigt<br />
sich zudem in empirischen Untersuchungen von Wun<strong>der</strong>er/Dick 6 ,<br />
Hochschule Sankt Gallen, sowie von Rosche/Groß/Egeler,<br />
Fachhochschule Konstanz. 7 Zusammenfassend stellt Wun<strong>der</strong>er<br />
auf einer gesicherten empirischen Basis fest, dass die<br />
<strong>Personalentwicklung</strong> als wichtigste wertschöpfende<br />
Personalfunktion zu betrachten ist. Dabei kommt ihr <strong>der</strong> höchste<br />
Bedeutungszuwachs gegenüber allen an<strong>der</strong>en<br />
Personalmanagementfunktionen zu. 8 Die oben genannte<br />
Konstanzer Untersuchung kommt wenig überraschend zum<br />
gleichen Ergebnis. 9<br />
Entgegen <strong>der</strong> wissenschaftlichen Erkenntnis zur Bedeutung <strong>der</strong><br />
<strong>Personalentwicklung</strong> kommt Merk auf die Praxis reflektierend zum<br />
Fazit, dass die deutschen Manager die Bedeutung <strong>der</strong><br />
3<br />
vgl. Iltis <strong>GmbH</strong>, www.4managers.de/.../efqm-european-foundation-for-qualitymanagement/(18.10.2009)<br />
4<br />
vgl. Bötel, C. et al. (1999); S. 17<br />
5<br />
vgl. Wun<strong>der</strong>er, R. et al. (2000); S. 73 und 154<br />
6<br />
vgl. Wun<strong>der</strong>er, R. et al. (2000); Personalmanagement<br />
7<br />
vgl. Rosche, J-D. et al. (2001); S. 6 ff<br />
8<br />
vgl. Wun<strong>der</strong>er, R et al. (2000); S. 136<br />
9<br />
vgl. Rosche, J.-D. et al. (2001)
Seite 4<br />
<strong>Personalentwicklung</strong> zwar erkannt haben, aber diese Erkenntnis<br />
in <strong>der</strong> Praxis noch nicht umsetzen. 10 Dies bestätigt sich auch in<br />
den Ergebnissen <strong>der</strong> Benchmarking-Gruppe des Bündnisses für<br />
Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit, die im März 2001<br />
beauftragt wurde, eine Zusammenstellung und eine Bewertung<br />
von Beispielen „gute Praxis“ im Bereich <strong>der</strong> betrieblichen<br />
Weiterbildung in Deutschland vorzulegen. Demnach nehmen in<br />
Deutschland nur 20 % <strong>der</strong> Beschäftigten zwischen 25 und 54<br />
Jahren an Maßnahmen <strong>der</strong> beruflichen Weiterbildung teil,<br />
während dies in Großbritannien und Schweden über 50 % sind. 11<br />
Es mangelt, wie Staudt feststellt, demnach an Umfang und<br />
Professionalisierung <strong>der</strong> <strong>Personalentwicklung</strong>. <strong>12</strong> Auch<br />
Mühlemeyer 13 von <strong>der</strong> Fachhochschule Worms kommt im<br />
Rahmen einer Untersuchung zum Stand <strong>der</strong> Einführung<br />
systematischer <strong>Personalentwicklung</strong> in <strong>der</strong> deutschen Wirtschaft<br />
zum Ergebnis, dass <strong>Personalentwicklung</strong> in <strong>der</strong> betrieblichen<br />
Praxis vielfach wenig professionell ein- und umgesetzt wird. Diese<br />
Feststellung verstärkt sich weiter durch den skeptischen Ansatz<br />
Staudts, <strong>der</strong> die in den Unternehmen angewandte praktische<br />
Anwendung <strong>der</strong> <strong>Personalentwicklung</strong> für äußerst ineffizient hält.<br />
Er geht davon aus, dass ca. 80 % des Mitteleinsatzes für die<br />
<strong>Personalentwicklung</strong> wirkungslos bleiben. 14 Praktizierte<br />
<strong>Personalentwicklung</strong> geht für Staudt an <strong>der</strong> betrieblichen<br />
Wirklichkeit, sowie an aktuellen Erkenntnissen zur<br />
Qualifikationsforschung vorbei und stellt sich mehr als Mode mit<br />
<strong>der</strong> ”Hoffnung auf die Lösung von personellen, organisatorischen,<br />
10 vgl. Merk,R. (1998); S. 7<br />
11 vgl. Fels, G. et al. (2001); S. 1 ff.<br />
<strong>12</strong> vgl. Staudt, E. et al. (1999); S. 1 und S. 24<br />
13 vgl. Mühlemeyer (2002) ;S. 24<br />
14 vgl. Staudt, E. et al. (2001); S. 28;<br />
Seite 5<br />
unternehmens- und regionalen Entwicklungsproblemen” dar, als<br />
dass sie Einfluss auf unternehmerische Entwicklungen nehmen<br />
könnte. 15<br />
Auch Grünewald/Moraal stellen fest, dass die in <strong>der</strong><br />
wissenschaftlichen Grundlagenforschung <strong>der</strong><br />
Qualifikationsbedarfsplanung zugemessene hohe Priorität <strong>der</strong><br />
<strong>Personalentwicklung</strong> sich nicht in <strong>der</strong> vorgefundenen Praxis<br />
deutscher Unternehmungen wi<strong>der</strong>spiegelt. 16 Sehr pointiert<br />
formuliert hierzu Eschbach im Handelsblatt vom 18. November<br />
2002:“ Die Personalabteilung spielt in deutschen Unternehmen<br />
eine unbedeutende Rolle. Wenn kein Prinz sie erlöst, muss sie<br />
sich selber helfen.“ 17 Eine europäische Studie aus 1998 weist<br />
nach, dass nur 14 % aller mittelständischen Unternehmen eine<br />
systematische Planung <strong>der</strong> <strong>Personalentwicklung</strong> durchführen. 18<br />
Keller stellt auf <strong>der</strong> Grundlage einer empirischen Untersuchung für<br />
den deutschen Mittelstand die vorgenannten Thesen bestätigend<br />
fest, dass nach wie vor das ”Feuerwehrprinzip” als<br />
Planungsmethode anzutreffen ist. 19 Auch die kritische Analyse<br />
von Mitarbeiterfluktuationszahlen zeigt, dass in<br />
Dienstleistungsunternehmen Fluktuationsraten zwischen 4 und 10<br />
% überwiegend sind. 20 . Genauso kommt Arnold bereits 1991 zu<br />
dem Ergebnis, dass Betriebe sich häufig ad hoc und relativ<br />
kurzfristig mit dem Weiterbildungsbedarf befassen und in <strong>der</strong><br />
15 vgl. Staudt, E. et al. (1999); S. 1<br />
16 vgl. Grünewald, U. et al. (1996); S. 58<br />
17 vgl.Eschbach, H. (2002)<br />
18 vgl. Hoffmann, T. (1998); S. 8<br />
19 vgl. Keller, A. (1998); S. 44<br />
20 vgl.Alewell et Al (2001); S. 575
Seite 6<br />
Mehrzahl <strong>der</strong> Betriebe nach wie vor ein analytisches und<br />
wissenschaftlich fundiertes Bedarfsermittlungssystem fehlt. 21<br />
Obwohl, wie oben dargestellt, wissenschaftlich anerkannt ist, dass<br />
das Erkennen von Mitarbeiterpotentialen eine <strong>der</strong> wichtigsten<br />
Führungsaufgaben ist, stellt Wun<strong>der</strong>er gerade in diesem<br />
Personalmanagementsegment ein großes Defizit fest. 22 Vergleicht<br />
man die Feststellung Arnolds aus 1991 mit dem Urteil Wun<strong>der</strong>ers<br />
aus 2000, so kann zusammengefasst werden, dass trotz positiver<br />
Erkenntnis ein praktischer Fortschritt in <strong>der</strong> Systematisierung <strong>der</strong><br />
<strong>Personalentwicklung</strong> nicht festzustellen ist. Dies bestätigt sich<br />
zum Beispiel auch für die mittelständische Immobilienwirtschaft<br />
unter an<strong>der</strong>em durch einen kritischen Handelsblattbeitrag des<br />
Personalberaters Knips, <strong>der</strong> die Situation mit <strong>der</strong> Überschrift<br />
„Personalmanagement kenne ich nicht“ kennzeichnet. 23<br />
Die grundlegenden theoretischen Ansätze Arnolds werden aktuell<br />
von Becker fortgeführt und zu einer <strong>Theorie</strong> <strong>der</strong><br />
<strong>Personalentwicklung</strong> ausgebaut. Darüber hinausgehende<br />
deutschsprachige wissenschaftstheoretische Ansätze lassen sich<br />
aktuell nicht nachweisen.<br />
Die Ansätze von Arnold und Becker definieren nicht, für welches<br />
Wirtschaftssegment diese <strong>Theorie</strong>n gelten und ihre<br />
Praxistauglichkeit zu beweisen hätten. In einer Studie von<br />
……………… wird jedoch ermittelt, dass systematische<br />
<strong>Personalentwicklung</strong> in <strong>der</strong> Hauptsache in <strong>der</strong> Großindustrie<br />
21 vgl. Arnold, R. (1991); S. 148<br />
22 vgl. Wun<strong>der</strong>er, R. (2000); S. 168<br />
23 vgl. Knips, W. (2001); S. 7<br />
Seite 7<br />
angewendet wird. Eine an<strong>der</strong>e Studie kommt zu dem Ergebnis,<br />
dass <strong>Personalentwicklung</strong> im Mittelstand praktisch nicht<br />
stattfindet. Es ist zu bedenken, dass 80 % aller Arbeitnehmer in<br />
Deutschland in mittelständischen Betrieben tätig sind. Somit findet<br />
<strong>Personalentwicklung</strong> auf einer theoretischen Basis wohl nur für 20<br />
% aller Arbeitnehmer und –innen und Deutschland statt.<br />
Die oben angeführte Kritik an <strong>der</strong> Praxisrelevanz und Wirkung<br />
systematischer <strong>Personalentwicklung</strong>, speziell zusammen mit den<br />
Wirkungen <strong>der</strong> Globalisierung und des dynamischen Wandels des<br />
gesellschaftlichen und betrieblichen Umfelds 24 , machen unbedingt<br />
eine systematische <strong>Personalentwicklung</strong> auch im Mittelstand<br />
notwendig, die sich von einer reaktiven und unwirksamen<br />
Anpassungsfortbildung deutlich unterscheiden muss 25 . Die<br />
gefor<strong>der</strong>te Systematik muss zum einen mit einer wissenschaftlich<br />
abgesicherten Begrifflichkeit arbeiten, 26 und zum an<strong>der</strong>en selbst<br />
als Arbeitsprozess organisiert werden, <strong>der</strong> so transparent und<br />
eindeutig ist, dass <strong>der</strong> Wertschöpfungsbeitrag <strong>der</strong><br />
<strong>Personalentwicklung</strong>sarbeit betriebswirtschaftlich ermittelt werden<br />
kann. 27 Die Qualifikationsbedarfsplanung ist dabei als<br />
Teilprozessschritt <strong>der</strong> <strong>Personalentwicklung</strong> <strong>der</strong> entscheidende<br />
Nukleus des gesamten Prozesses. 28<br />
Zusammenfassend kann bis hierher festgestellt werden, dass bis<br />
heute in <strong>der</strong> deutschen Wirtschaft zwar die strategische Bedeutung<br />
<strong>der</strong> <strong>Personalentwicklung</strong> und damit die Notwendigkeit einer<br />
24 vgl. Wun<strong>der</strong>er, R. et al. (2000); S. 9<br />
25 vgl.Wöltje, J. et al. (1996); S. 1<br />
26 vgl. Kapitel 4<br />
27 vgl. Schmeisser (2001); S. 15<br />
28 vgl. Merk, R. (1998); S. 177
Seite 8<br />
systematischen Qualifikationsplanung anerkannt sind, dass jedoch<br />
gleichzeitig eine flächendeckende praktische Umsetzung <strong>der</strong><br />
<strong>Theorie</strong> in die Praxis im Mittelstand noch nicht zu verzeichnen ist.<br />
Die Praxis zeigt, dass in mittelständischen Unternehmen selten<br />
systematische Ansätze zielgerichteter <strong>Personalentwicklung</strong> zu<br />
erkennen sind.<br />
In dieser Arbeit soll ein Katalog von Hypothesen dargestellt werden,<br />
<strong>der</strong> sich unmittelbar aus dem systematischen Prozess <strong>der</strong><br />
<strong>Personalentwicklung</strong> ableitet. Mit diesen Hypothesen, siehe Kapitel<br />
4, lässt sich <strong>der</strong> Realisierungsgrad einer systemischen<br />
<strong>Personalentwicklung</strong> auch für mittelständische Unternehmen.<br />
nachweisen.<br />
2 <strong>Personalentwicklung</strong> als Kernfunktion des<br />
Personalmanagements<br />
Das Personalwesen lässt sich als selbständige Organisationsform<br />
in Unternehmen seit Mitte <strong>der</strong> 60ger Jahre nachweisen. In <strong>der</strong> davor<br />
liegenden Zeit wurden entsprechend notwendige Arbeiten nur in<br />
den Funktionen <strong>der</strong> Personaleinstellung, -entlassung und<br />
Bezahlung, von den leitenden Kräften o<strong>der</strong> mit steigendem<br />
Industrialisierungsgrad, von den kaufmännischen Abteilungen,<br />
neben <strong>der</strong>en originären Aufgaben, wahrgenommen. 29 In <strong>der</strong> Praxis<br />
des deutschen Mittelstandes trifft die vorangehende Feststellung bis<br />
heute zu. Die kleinen bis mittelgroßen Unternehmen, kennen die<br />
Personalarbeit nur als administrative Pflichtarbeit. Die<br />
entsprechenden Funktionen liegen meist unmittelbar bei <strong>der</strong><br />
29 vgl. Thommen, J.-P. (2001); S. 584<br />
Seite 9<br />
kaufmännischen Geschäftsführung verankert. Die folgenden<br />
Ausführungen sollen den verantwortlichen Führungskräften in<br />
mittelständischen Unternehmen einen Überblick geben, welche<br />
Funktionen <strong>der</strong> <strong>Personalentwicklung</strong> in mittelständischen<br />
Unternehmen, in welcher Form abgebildet sein sollten, um eine<br />
wertschöpfende Personalarbeit, speziell <strong>Personalentwicklung</strong>, zu<br />
gewährleisten.<br />
Bevor die Teilfunktionen des Personalmanagements im Überblick<br />
dargestellt werden, soll vorab die wirtschaftshistorische Entwicklung<br />
<strong>der</strong> Arbeitsorganisation seit Beginn <strong>der</strong> Industrialisierung im<br />
Überblick dargestellt werden. Die <strong>Personalentwicklung</strong> wird in <strong>der</strong><br />
folgenden <strong>Theorie</strong> dabei als Teilprozess des Personalmanagements<br />
verstanden, dessen Genese und jeweilige konkrete Ausgestaltung<br />
wie<strong>der</strong>um von <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong> Arbeitsorganisation abhängig ist.<br />
Die Entwicklung <strong>der</strong> Arbeitsorganisation generiert auf <strong>der</strong> einen<br />
Seite grundsätzlich die Funktionen des Personalmanagements und<br />
ist in ihrem jeweils aktuellen Status entscheidend für die Praxis <strong>der</strong><br />
<strong>Personalentwicklung</strong>. Dem kommt auch für die Organisation und die<br />
Inhalte <strong>der</strong> <strong>Personalentwicklung</strong> in Unternehmen des Mittelstandes<br />
eine beson<strong>der</strong>e Bedeutung zu. Denn im deutschen Mittelstand sind<br />
bis heute oftmals und dies gleichzeitig, in einem Unternehmen,<br />
noch klassische Arbeitsorganisationen mit tayloristischen<br />
Merkmalen und gleichzeitig neoklassische Organisationsformen,<br />
wie dem Human-Relation-Ansatz, anzutreffen. Dies wie<strong>der</strong>um führt<br />
im Bereich <strong>der</strong> <strong>Personalentwicklung</strong> zu grundsätzlichen<br />
Gestaltungsproblemen, da verschiedene Organisationsansätze<br />
ebenso unterschiedliche Formen <strong>der</strong> <strong>Personalentwicklung</strong><br />
bedingen. Dem folgend, werden im nächsten Abschnitt die
Seite 10<br />
klassischen und neoklassischen <strong>Theorie</strong>n <strong>der</strong> Arbeitsorganisation<br />
im Überblick dargestellt, um folgende vertieft auf <strong>der</strong>en Bedeutung<br />
für die <strong>Personalentwicklung</strong> einzugehen.<br />
2.1 <strong>Theorie</strong>n <strong>der</strong> Arbeitsorganisation<br />
In <strong>der</strong> Literatur werden grundsätzlich die folgenden vier <strong>Theorie</strong>n zur<br />
Arbeitsorganisation unterschieden 30 :<br />
• <strong>der</strong> Bürokratie-Ansatzes nach Weber 31 ,<br />
• die wissenschaftliche Betriebsführung nach Taylor 32 ,<br />
als klassische <strong>Theorie</strong>n und<br />
• die Anreiz-Beitrags-<strong>Theorie</strong> nach Barnard 33 .<br />
• <strong>der</strong> Human-Relation-Ansatz nach Roethlisberger/Dickson 34 ,<br />
2.1.1 Bürokratie-Ansatz nach Weber 35<br />
In <strong>der</strong> <strong>Theorie</strong> Webers liegt <strong>der</strong> Fokus <strong>der</strong> Darstellungen auf <strong>der</strong><br />
Analyse <strong>der</strong> Bürokratiestrukturen des frühen 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts. Mit<br />
dem gesellschaftlichen Wandel zur Demokratiesierung aller<br />
gesellschaftlichen Strukturen, also auch <strong>der</strong> Arbeitssysteme,<br />
bedurften auch die Organisationen <strong>der</strong> Verwaltungen einer neuen<br />
<strong>Theorie</strong>. So will <strong>der</strong> Bürokratieansatz nach Max Weber die<br />
Funktionsweise von staatlicher Verwaltung und Großorganisationen<br />
in mo<strong>der</strong>nen Industriegesellschaften im kapitalistischen<br />
Wirtschaftssystem erklären.<br />
30 Vgl. Scherm, E. et al (2007)<br />
31 zur <strong>Theorie</strong> des Bürokratie-Ansatzes von Max Weber vgl. Greshoff, R. et al (2005)<br />
32 Zur <strong>Theorie</strong> <strong>der</strong> wissenschaftlichen Betriebsführung von Fredrick W. Taylor vgl. Kanigel, R. (1997)<br />
33 Zur Anreiz-Beitrags-<strong>Theorie</strong> nach Barnard vgl. Mach, J. (1993)<br />
34 Zur <strong>Theorie</strong> des Human-Relationsansatzes von Roethlisberger/Dickson vgl. Rosenstiel, L.v. (1991)<br />
35 Zum Praxisbezug <strong>der</strong> <strong>Theorie</strong> Webers vgl. Bosetzky, H. et al. (2002)<br />
Seite 11<br />
Primäres Ziel dieses Ansatzes ist es, die Leistungsfähigkeit von<br />
Verwaltungsorganisationen mit Hilfe von Aufgabenteilung und<br />
sachlicher Aufgabenerfüllung zu optimieren und dauerhaft aufrecht<br />
zu erhalten. Jedem Organisationsmitglied wird ein fester<br />
Arbeitsplatz und die notwendige, feste Kompetenz zur<br />
Aufgabenerfüllung zugesprochen. Die Hierarchie, Weisungs- und<br />
Kontrollbefugnisse sind streng geglie<strong>der</strong>t. Die Verwaltungsaufgaben<br />
werden dabei generell nach festen Ablaufregeln organisiert. Die<br />
aktenmäßige Nachvollziehbarkeit <strong>der</strong> Verwaltungstätigkeit wird zum<br />
Grundprinzip. Diese Bürokratie ist gekennzeichnet durch<br />
Sachlichkeit und scheinbare Objektivität. Die Ausführenden Kräfte,<br />
das Verwaltungspersonal, sind in diesem System hauptamtlich tätig<br />
und vor allem in leitenden Funktionen nicht mehr ehren- o<strong>der</strong><br />
nebenamtlich beschäftigt. Formal entscheidend für die Übertragung<br />
einer Verwaltungstätigkeit ist theoretisch ausschließlich die<br />
Qualifikation des Mitarbeiters. Die fachliche und persönliche<br />
Eignung steht formal vor <strong>der</strong> legitimierenden Herkunft. Der<br />
berufliche Aufstieg verläuft in fest definierten Karrierewegen,<br />
sogenannter Laufbahnen. Der Aufstieg auf <strong>der</strong> Karriereleiter ist<br />
ebenso wie <strong>der</strong> Einstieg, von <strong>der</strong> Eignung und Qualifikation<br />
abhängig. In diesem Rahmen entsteht das Berufsbild des Beamten<br />
und das für die deutsche Bürokratie bis heute prägende<br />
Beamtenrecht. Diese Strukturen prägen bis heute nicht nur den<br />
öffentlichen Bereich, son<strong>der</strong>n auch noch weitgehend die<br />
Verwaltungen von großen Unternehmen und Konzernen. In wie weit<br />
die <strong>Theorie</strong> Webers auf die Strukturen des Mittelstandes<br />
übertragbar sind ist bis heute nicht untersucht worden. Auf die
Seite <strong>12</strong><br />
Aspekte <strong>der</strong> ausgeprägten Arbeitsteilung im Verwaltungsbereich im<br />
Allgemeinen wird weiter unten eingegangen.<br />
Die Praxis <strong>der</strong> <strong>Theorie</strong> Webers führt bezüglich <strong>der</strong> beruflichen<br />
Anfor<strong>der</strong>ungen zu einer weitgehenden Spezialisierung des<br />
Verwaltungs-Beamten. Die strenge Regelhaftigkeit schränkt den<br />
Mitarbeiter in seinem Entscheidungsspielraum ein. Innovationen,<br />
wie Verän<strong>der</strong>ungen in <strong>der</strong> Ablauforganisation können nicht vom<br />
Mitarbeiter angestoßen werden. Dies ist ausschließlich zentralen<br />
Instanzen vorbehalten. Die Qualifizierung des Mitarbeiters vor dem<br />
Einstieg in den Beruf des Verwaltungsbeamten ist auf die Erlangung<br />
formaler Qualifikationen ausgerichtet, die zum Einstieg in bestimmte<br />
Laufbahnen berechtigen. Die Weiterbildung im Beruf ist<br />
grundsätzlich auf die partielle Vermittlung neuer Fertigkeiten<br />
beschränkt, die sich aus den angeordneten Än<strong>der</strong>ungen in den stark<br />
arbeitsteilig organisierten Teilaufgaben ergeben. Eine umfassende<br />
Qualifikationserweiterung findet nur im Falle des hierarchischen<br />
Aufstiegs in den Laufbahnen statt.<br />
Die Kritik an Webers Bürokratietheorie lässt sich zum einen in eine<br />
soziologisch-gesellschaftskritische Argumentation und zum an<strong>der</strong>en<br />
in einer Kritik <strong>der</strong> Effizienz in <strong>der</strong> stark arbeitsteiligen hierarchischen<br />
Arbeitsteilung darstellen.<br />
Die sozilogische Kritik stellt im Kern dar, dass Webers <strong>Theorie</strong><br />
prinzipiell nur eine scheinbare Demokratiesierung <strong>der</strong> Arbeitswelt<br />
darstellt. Stattdessen ist das gesamte Bürokratiesystem auf die<br />
Herrschaftsstabilisierung <strong>der</strong> vordemokratischen Oberschichten<br />
ausgerichtet. Der Adel und die bürgerliche Oberschicht haben bis<br />
Seite 13<br />
heute durch bildungspolitisch formalisierte Zugangsbarrieren<br />
sichergestellt, dass die Verwaltung des Staates, aber auch die von<br />
großen Unternehmen und Konzernen, ihnen weitgehend<br />
vorbehalten bleibt. Darüber hinaus ist eine Demokratiesierung <strong>der</strong><br />
Abläufe durch proaktives Agieren <strong>der</strong> Mitarbeiter in unteren bis<br />
mittleren Funktionsebenen nicht vorgesehen. Än<strong>der</strong>ungen am<br />
Arbeitssystem gehen nur von <strong>der</strong> Organisationspitze aus. Der<br />
vorgeschriebene Instanzenweg und die Schriftlichkeit ziehen lange<br />
Entscheidungswege und langsame Entscheidungen nach sich. Die<br />
strenge Arbeitsteilung ist motivationshemmend, sie führt zu einer<br />
Entfremdung <strong>der</strong> Beschäftigten ihrer Tätigkeit. Nicht die Interessen<br />
des Kunden stehen im Vor<strong>der</strong>grund, son<strong>der</strong>n die starren Regeln <strong>der</strong><br />
Vorgangsausführung. 36<br />
2.1.2 Wissenschaftliche Betriebsführung nach Taylor<br />
Anfang des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts war F.W. Taylor (1856 – 1915)<br />
<strong>der</strong>jenige, <strong>der</strong> die marxistische <strong>Theorie</strong> <strong>der</strong> kapitalistischen<br />
Arbeitsteilung unter den praktischen Bedingungen <strong>der</strong><br />
Industrieproduktion zum maßgeblichen Organisationsprinzip<br />
machte. 37<br />
Taylor betrachtet im Grundsatz genauso wie vorher bereits Marx<br />
o<strong>der</strong> auch Smith, die Arbeitsteilung, als Mittel zur Optimierung <strong>der</strong><br />
menschlichen Arbeitskraft, die als potentieller Störfaktor im<br />
36 Vgl. ausführlich zur <strong>Theorie</strong> Webers Bosetzky, H. / Heinrich, P. (2002)<br />
37 vgl. Gabler, Th. (1988), Band 5; S. 1887; vgl. ausführlich zum Leben und Werk F.W. Taylor bei<br />
Kuchenbrock, M. (2000); http//people @freenet.de/matkuch1/taylor.htm<br />
34 vgl. Fredecker, I. (1991); S. 13 und 14; vgl hierzu auch Braverman (1979), S. 83<br />
35 vgl. Severing, E. (1988); S. 189 und Braverman (1979), S 93<br />
36 vgl. Dostal, W. (1998); S.441
Seite 14<br />
kapitalistischen Produktionsprozess betrachtet wurde. 38 Dabei<br />
fasste Taylor seine <strong>Theorie</strong> 1911 in <strong>der</strong> 156seitigen Schrift<br />
„Grundsätze <strong>der</strong> wissenschaftlichen Betriebsführung“ zusammen.<br />
Die Zerlegung <strong>der</strong> Arbeitsprozesse in kleinste Schritte sollte hierbei<br />
einen hohen Technikeinsatz ermöglichen, <strong>der</strong> die Stücklohnkosten<br />
senkte und Qualitätsmängel durch menschliche Fehlhandlung<br />
minimierte 39 . Dazu sanken allgemein die<br />
Qualifikationsanfor<strong>der</strong>ung 40 und die aus dem Zunftwesen<br />
entstandene standesgemäße Beruflichkeit verlor ihre<br />
gesellschaftlich stabilisierende Funktion. 41 Menschliche<br />
Arbeitsleistung wurde in <strong>der</strong> Organisationsform des Taylorismuses<br />
beliebig kontrollier- und austauschbar. 42 Der Preis und die<br />
Leistungsqualität <strong>der</strong> Arbeit wird nach dieser <strong>Theorie</strong> und <strong>der</strong><br />
daraus abgeleiteten Organisations- Praxis vom rein quantitativen<br />
Verhältnis des Angebots an Arbeitskraft und <strong>der</strong> entsprechenden<br />
Nachfrage nach weitgehend unqualifizierter Arbeitsleistung<br />
bestimmt. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass <strong>der</strong><br />
historisch-kritische und analytische marxistische Ansatz durch die<br />
Organisationskonzepte Taylors in <strong>der</strong> kapitalistischen Praxis des<br />
industriellen Take-Off-Zeitalters praxisrelevant wurde.<br />
Tayloristische Arbeitsorganisation, die in <strong>der</strong><br />
Betriebswirtschaftslehre auch als Scientific Management 43<br />
bezeichnet wird war, wie weltweit, auch in Deutschland bis Mitte <strong>der</strong><br />
70iger Jahre des vergangenen Jahrhun<strong>der</strong>ts die prägende<br />
Organisationsform <strong>der</strong> Industriearbeit. Vor allem die<br />
38 vgl. Thommen, J.-P. et al. (2001); S. 578-579<br />
42 vgl. Braverman, H. 1979, S. 63; vgl. auch Gabler (1988); Band 5, S. 1888<br />
43 vgl. Thommen, J.-P. et al. (2001); S. 578-579<br />
Seite 15<br />
Massengüterproduktion basierte auf diesem Organisationsprinzip. 44<br />
Die in <strong>der</strong> Nachkriegsphase ständig wachsende Nachfrage nach<br />
preiswerten Konsumgütern zwang die Arbeitsorganisatoren und<br />
Techniker zu immer weitergehenden Formen <strong>der</strong> Arbeitszerlegung<br />
unter ständig gesteigertem Technikeinsatz. 45<br />
Die Prinzipien des Taylorismuses aufarbeitend stellen die<br />
Industriesoziologen Kern und Schumann in ihrer bedeutenden<br />
Arbeit „Das Ende <strong>der</strong> Arbeitsteilung?“ fest: „Bisher beruhten alle<br />
Formen kapitalistischer Rationalisierung auf einem Grundkonzept,<br />
das lebendige Arbeit als Schranke <strong>der</strong> Produktion fasste, die es<br />
durch möglichst weitgehende technische Automatisierung des<br />
Produktionsprozesses zu überwinden galt. In diesem Residuum<br />
lebendiger Arbeit war es vor allem <strong>der</strong> potentielle Störfaktor Mensch,<br />
<strong>der</strong> durch restriktive Arbeitsgestaltung möglichst weitgehend zu<br />
kanalisieren und zu kontrollieren war.“ 46 Die menschenleere<br />
Roboterproduktion wurde in den 70ger Jahren zur Idealvorstellung<br />
<strong>der</strong> tayloristischen Arbeitsorganisatoren.<br />
2.1.3 Anreiz-Beitrag-<strong>Theorie</strong> nach Barnard<br />
Die theoretischen Aufarbeitungen <strong>der</strong> klassischen<br />
Organisationstheorien nahmen ihren Anfang nicht erst in den<br />
Untersuchungen von Kern/Schuman. Schon in <strong>der</strong> 50iger Jahren<br />
stellte Chester Barnard das Unternehmen als ein kooperatives<br />
System dar, in dem Individuen nicht nur durch monitäre Anreize zur<br />
Leistung gezwungen wurden. Nach Barnard hängt die<br />
44 vgl. Kern, H. et al., (1984), S. 40<br />
45 vgl. Kern, H. et al. (1984), S. 40<br />
46 Kern, H. et al. (1984), S. 19
Seite 16<br />
Leistungsstärke <strong>der</strong> Organisation von <strong>der</strong> Bereitschaft <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong><br />
ab, aus einem eigenen Antrieb den Erfolg <strong>der</strong> Organisation zu<br />
steigern. 47<br />
In <strong>der</strong> <strong>Theorie</strong> Barnards gibt es ein Gleichgewicht zwischen<br />
Anreizen <strong>der</strong> Organisation und den Beiträgen <strong>der</strong> Mitarbeiter. Die<br />
Organisation wird nicht mehr ausschließlich auf die Nützlichkeit des<br />
Mitarbeiters ausgerichtet. Vielmehr stellen die Beiträge <strong>der</strong><br />
Mitarbeiter eine Ressource dar, die die Organisation<br />
leistungsstärker machen können. Der Wille <strong>der</strong> Mitarbeiter solche<br />
gestaltenden Beiträge zu liefern, ist davon abhängig, dass die<br />
Anreize <strong>der</strong> Entlohnung eine ausreichende Befriedung zum<br />
Ausgleich <strong>der</strong> Belastung findet.<br />
Daraus lässt sich schließen, dass die Überlebensfähigkeit von<br />
Organisationen davon abhängt, ob die Balance zwischen<br />
Befriedigung und Belastung hergestellt werden kann. Da sich die<br />
Motivation des Einzelnen ständig unter den Bedingungen <strong>der</strong><br />
Sozialisation än<strong>der</strong>t, muss sich ein Unternehmen, um überleben zu<br />
können, ständig den neuen Gegebenheiten anpassen. 48 Der latente<br />
Anpassungsdruck wird verstärkt, da nicht mehr die Befriedung <strong>der</strong><br />
elementaren materiellen Bedürfnisse des Arbeitnehmers im<br />
alleinigen Mittelpunkt stehen, son<strong>der</strong>s dass im Gegensatz zu den<br />
klassischen Organisationstheorien, auch immaterielle Bedürfnisse<br />
zu betrachten sind. 49 Die <strong>Theorie</strong> des Human-Relation-Ansatzes<br />
führt die Anreiz-Beitragstheorie fort.<br />
47 vgl. Barnard, C.; (1974)<br />
48 vgl. Simon, H.; (1957)<br />
49 vgl. Simon, H. (1997)<br />
Seite 17<br />
2.1.4 Human-Relation-Ansatz nach Roethlisberger/Dickson<br />
Der Human Relations Ansatz 50 ist geprägt durch ein individuelleres<br />
Menschenbild, als dies Grundlage in den klassischen<br />
Organisationstheorien <strong>der</strong> Fall ist. Zentraler Punkt des Human<br />
Relation Ansatzes ist hierbei, dass Leistung weniger durch Zwang,<br />
o<strong>der</strong> Befriedigung <strong>der</strong> Grundbedürfnisse, als vielmehr durch eine<br />
zufriedenstellende Arbeit geför<strong>der</strong>t wird. Dabei werden die sozialen<br />
Bedürfnisse des Menschen betont. Die Zufriedenheit <strong>der</strong> Mitarbeiter<br />
hängt dabei stark von <strong>der</strong> sozialen Kommunikation und einem<br />
partizipativen Führungsstil ab. Eine intensive, weitgehend offene<br />
Kommunikation, führt demnach zur Leistungssteigerung. Im<br />
Mittelpunkt <strong>der</strong> <strong>Theorie</strong> des Human-Relation-Ansatzes steht<br />
demnach nicht das Individuum, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Mitarbeiter in seinem<br />
betrieblichen sozialen Umfeld. 51<br />
Mit den Hawthorne Studien (1924-1932) wurden die zentralen<br />
Thesen des Human Relations Ansatzes empirisch überprüft. Die<br />
Studien sind benannt nach den Hawthorne-Werken, in denen ein<br />
überwiegen<strong>der</strong> Teil <strong>der</strong> Studien stattfanden. 52<br />
2.2 Personalmanagement als betriebliche Institution <strong>der</strong><br />
klassischen Organisationstheorie<br />
Die Arbeitszerlegung in möglichst kleine und einfache Schritte, bei<br />
hohem Technikeinsatz, hatte auch die Abspaltung <strong>der</strong> planerischen<br />
und verwaltenden Tätigkeiten von <strong>der</strong> unmittelbaren Produktion in<br />
50 vgl. Ulich, E.; (2005); S. 39 ff.<br />
51 vgl. Ulich, E.; (2005); S. 41<br />
52 vgl. Roethlisberger, F.J. / Dickson, W. J.; (1939)
Seite 18<br />
einen ständig wachsenden administrativen Bereich, <strong>der</strong> den<br />
eigentlichen Produktionsprozess vor- und nachgelagerten, sowie<br />
<strong>der</strong> verwaltenden Tätigkeiten, zur Folge. 53 Die tayloristischen<br />
Prinzipien <strong>der</strong> Industrieproduktion haben bedingt, “dass produktive<br />
Aufgaben immer detaillierter von administrativen getrennt werden<br />
konnten. Der administrative Verwaltungsbereich wurde so immer<br />
weiter vergrößert. Der Bürokratieansatz Webers lieferte hierfür den<br />
notwendigen theoretischen Rahmen. „Die Ausglie<strong>der</strong>ung und<br />
Verselbständigung <strong>der</strong> administrativen Tätigkeiten war geradezu<br />
Ziel <strong>der</strong> Rationalisierung im Produktionsprozess.“ 54 Tayloristische<br />
Arbeitsorganisation ist somit Voraussetzung und gleichzeitig Anstoß<br />
des Entstehens einer umfassenden Verwaltungsorganisation.<br />
Als frühes Beispiel <strong>der</strong> Büroindustrialisierung im Sinne des<br />
Taylorismus soll die Einrichtung von Schreib- und<br />
Buchhaltungsbüros angeführt werden. 55 Als Beleg führt hierzu<br />
Szyperski an, dass die Arbeitsplätze organisatorisch so angeordnet<br />
wurden, dass die Teilarbeitsergebnisse analog zum Fließband <strong>der</strong><br />
Industrieproduktion von Platz zu Platz weitergereicht werden<br />
konnten. 56 Speziell im Schreibdienst ließen sich auch<br />
Arbeitsmengen und Arbeitsteilung analog zur Fließbandarbeit<br />
erfassen und messen. 57 Die Technikdominanz <strong>der</strong> <strong>Theorie</strong> des<br />
Taylorismuses wird auch hier erneut deutlich. Insbeson<strong>der</strong>e mit<br />
Einsatz <strong>der</strong> Schreibmaschine und später auch elektronische<br />
Schreibsysteme und mo<strong>der</strong>ne Softwarelösungen konnte<br />
53 vgl. Szyperski, N. (1961), S.1<strong>06</strong> ff<br />
54 vgl. Szyperski, N. (1961), S.1<strong>06</strong> und 107<br />
55 vgl. Koch, R. (1982); S. 118<br />
56 vgl. Szyperski, N. (1961), S. <strong>12</strong>5<br />
57 vgl. Gottschall, K. et al. (1985)<br />
Seite 19<br />
menschliche Arbeit im Bürobereich immer weiter ersetzt und die<br />
Arbeitsleistung ständig erhöht werden.<br />
Sinkende Qualifikationsanfor<strong>der</strong>ungen, <strong>der</strong> Verlust <strong>der</strong> Beruflichkeit<br />
<strong>der</strong> Arbeit und eine damit einhergehende Austauschbarkeit <strong>der</strong><br />
Arbeitskräfte bei gleichzeitig hoher Arbeitsplatzfluktuation machten,<br />
einhergehend mit <strong>der</strong> Industrialisierung <strong>der</strong><br />
Unternehmensverwaltung, auch Zug um Zug eine Verwaltung <strong>der</strong><br />
menschlichen Arbeitskraft notwendig. Thommen verweist hierzu im<br />
organisationshistorischen Kontext treffend auf eine erste<br />
Organisationsphase <strong>der</strong> Personalverwaltung die bis in die 60iger<br />
Jahre prägende war. Während dieser Zeit stand die kaufmännische<br />
Verwaltung des Kostenblocks Personal im Zentrum <strong>der</strong><br />
Personalarbeit. Naheliegend wurde genau diese Personalarbeit<br />
auch in den kaufmännischen Abteilungen erledigt. 58<br />
In <strong>der</strong> historisch-rückblickenden Analyse kommt dem vorgenannten<br />
folgend Brauer zusammenfassend grundsätzlich für den Zeitraum<br />
bis Mitte <strong>der</strong> 70iger Jahre zu dem Ergebnis, dass die Grundregeln<br />
des Taylorismus auf die administrativen Büro- und<br />
Dienstleistungsbereiche übertragbar waren. 59 Es kann zumindest<br />
auch mit Gottschall feststellt werden, dass „als kleinster<br />
gemeinsamer Nenner <strong>der</strong> unterschiedlichen Einschätzungen ....<br />
festgehalten werden kann, dass die kaufmännisch-verwaltende<br />
Arbeit im historischen Verlauf systemischen<br />
Arbeitsteilungsprozessen unterlegen war .....“. 60<br />
58 vgl. Thommen, J.-P. (2001); S. 584<br />
59 vgl. auch Brauer, B. (1989); S. 23<br />
60 Gottschall, K. (1990), S. 36
Seite 20<br />
Es kann festgestellt weiter werden, dass das Personalwesen als<br />
unternehmensinterne, vom Produktionsprozess abgespaltene<br />
administrative Funktion, sowohl als organisatorische Institution, als<br />
auch in seiner Entstehungsursache, in einer konsequent<br />
voranschreitenden Arbeitsteilung begründet ist und zum an<strong>der</strong>en<br />
selbst stark arbeitsteilig organisiert ist. Die Hauptfunktionen des<br />
Personalwesens lagen dabei bis Mitte <strong>der</strong> 60iger Jahre in <strong>der</strong><br />
Verwaltung <strong>der</strong> Personalakten, <strong>der</strong> Bezahlung sowie <strong>der</strong> Einstellung<br />
und Entlassung von Mitarbeitern. 61 In den 60ger Jahren erfolgte<br />
dann eine Professionalisierung des Personalmanagements, ohne<br />
dass die oben genannten Kernfunktionen und<br />
Organisationsparameter wesentlich verän<strong>der</strong>t wurden. Vielmehr<br />
wurde die verwaltende Personalarbeit lediglich um Aspekte <strong>der</strong><br />
„qualitativen Sozialpolitik“ 62 ergänzt. Auf die qualitative Erweiterung<br />
<strong>der</strong> Personalarbeit weist auch Gaugler hin, wenn er ausführt, dass<br />
in <strong>der</strong> Nachkriegszeit das Personalmanagement auch den<br />
Erwartungen <strong>der</strong> übrigen Anspruchsgruppen (Kunden, Lieferanten,<br />
Mitarbeitern, soziale Umwelt etc.) gerecht zu werden suchte. 63<br />
Trotzdem bleibt festzuhalten, dass trotz aller<br />
Aufgabenerweiterungen, die organisatorischen Grundzüge des<br />
Personalmanagements tayloristisch geprägt blieben solange die<br />
Prinzipien des Taylorismus organisatorisches Leitbild blieben. Hier<br />
zeigt sich deutlich <strong>der</strong> Entwicklungszusammenhang in den<br />
allgemeinen Prinzipien <strong>der</strong> Arbeitsorganisation und denen des<br />
Personalmanagements insbeson<strong>der</strong>e.<br />
61 vgl. Thommen, J.-P. (1998); S. 584<br />
62 vgl. Thommen, J.-P. (1998); S. 584<br />
63 Gaugler,E. (2001), S. 3<br />
Seite 21<br />
2.3 Arbeitsorganisation und <strong>Personalentwicklung</strong><br />
In den nächsten Abschnitten soll wie<strong>der</strong> die Eingangshypothese des<br />
determinierenden Einflusses <strong>der</strong> Form <strong>der</strong> Arbeitsorganisation auf<br />
die Gestaltung <strong>der</strong> <strong>Personalentwicklung</strong> aufgenommen werden.<br />
Demnach ist zu untersuchen, ob die Än<strong>der</strong>ungen in den<br />
Grundsätzen <strong>der</strong> Arbeitsorganisation ebenfalls einen<br />
Paradigmenwechsel in <strong>der</strong> Organisation und dem<br />
Aufgabenspektrum des Personalwesens, speziell in <strong>der</strong><br />
<strong>Personalentwicklung</strong> zur Folge hatten.<br />
2.3.1 Paradigmenwechsel in <strong>der</strong> Arbeitsorganisation<br />
In den 70ger Jahren wandelte sich das gesellschaftliche und<br />
industrielle Bild in den westlichen Industrienationen. Die Nachfrage<br />
nach Massenkonsumgütern begann zu sinken. Die Werte und<br />
Erscheinungen <strong>der</strong> Wachstumsgesellschaft wurden von<br />
gesellschaftlich relevanten Gruppen infrage gestellt. Scholz weist in<br />
diesem Zusammenhang mit beson<strong>der</strong>em Bezug auf die Entwicklung<br />
des Personalwesens auf die gleichzeitige Zunahme <strong>der</strong><br />
internationalen Verflechtungen und die Globalisierung <strong>der</strong> Märkte<br />
bereits seit Anfang <strong>der</strong> 70ger Jahre hin. 64<br />
Das Nachfrageverhalten <strong>der</strong> Konsumenten und <strong>der</strong> weltweite<br />
Konkurrenzdruck zwangen zu einer Umstellung <strong>der</strong> noch stark<br />
klassisch geprägten Produktionsmethoden. 65 In <strong>der</strong> Konsequenz<br />
ging die Massenproduktion zurück und das Organisations-<br />
64 Scholz, C. (1994); S. 19<br />
65 vgl. Bauerdick et al. (1993); S. 98; vgl. auch Schmidt (1994), S. 17
Seite 22<br />
Paradigma <strong>der</strong> tayloristischen Arbeitsteilung, bzw. Webers<br />
Bürokratisierungsansatz musste infrage gestellt werden.<br />
2.3.2 Organisationsparadigmenwechsel in <strong>der</strong> Industrie<br />
1984 stellen die deutschen Soziologen Kern und Schumann im<br />
Rahmen einer wissenschaftlich und öffentlich stark beachteten<br />
Feldstudie dann jedoch einen Paradigmenwechsel in <strong>der</strong><br />
Arbeitsorganisation <strong>der</strong> Kernsektoren <strong>der</strong> deutschen Industrie fest.<br />
Ausgangspunkt ihre These ist, dass <strong>der</strong> technische Fortschritt eine<br />
neue Qualität erreicht hatte. Auf <strong>der</strong> einen Seite kommen sie zur<br />
ernüchternden Feststellung, dass „<strong>der</strong> enorme Umbruch <strong>der</strong><br />
Produktionsapparate mit seiner gewaltigen Vernichtung<br />
menschlicher Arbeitsmöglichkeiten gepaart ist mit dem<br />
gesellschaftlichen Skandal <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit“. 66 Gleichzeitig<br />
verweisen die Autoren jedoch optimistisch darauf, dass bisher <strong>der</strong><br />
Taylorismus wichtige Produktivpotentiale <strong>der</strong> Beschäftigten<br />
ausschaltete, die in dem, von ihnen beobachteten, ganzheitlichen<br />
Ansatz <strong>der</strong> neuen Arbeitsgestaltung als Chance genutzt werden<br />
können. „Das Credo <strong>der</strong> neuen Produktionskonzepte lautet: a)<br />
Autonomisierung des Produktionsprozesses gegenüber lebendiger<br />
Arbeit bringt nicht per se das wirtschaftliche Optimum. Und b) Der<br />
einseitige Zugriff auf Arbeitskraft verschenkt wichtige<br />
Produktivitätspotentiale.“ 67 Die Aktualität dieser Feststellung liegt<br />
auf <strong>der</strong> Hand. Und dies auch im Beson<strong>der</strong>en für den<br />
Immobilienvertrieb. Konkurenzdruck und letztendlich fallenden<br />
66 Kern, H. et al. (1984), S. 17; vgl. auch Severing, E. (1994); S. 194<br />
67 Kern, H. et al. (1984), S. 19<br />
Seite 23<br />
Preise haben im Mittelstand zu nicht anhaltenden<br />
Rationalisierungswellen geführt, die dem tayloristischen Prinzip<br />
gefolgt sind.<br />
Der in den 80ger Jahren in ersten Ansätzen vorgefundene<br />
Paradigmenwechsel hinsichtlich <strong>der</strong> Organisationsform von Arbeit<br />
ist bezüglich des tatsächlichen Fortgangs und seiner<br />
wirtschaftlichen sowie sozialen Auswirkungen breit öffentlich und<br />
wissenschaftlich diskutiert worden. 68 Eine aktuellere empirische<br />
Untersuchung zu Formen <strong>der</strong> industriellen Arbeitsgestaltung zeigt<br />
und bestätigt den Wandel hin zur prozessorientierten Gestaltung<br />
<strong>der</strong> Betriebs- und Arbeitsorganisation. 69 Hierzu ist jedoch kritisch<br />
anzumerken, dass genau diese Prozessorientierung unter Einsatz<br />
von Standardsoftware nicht automatisch eine Abkehr vom<br />
potenzialdestruktiven Taylorismus darstellt.<br />
2.3.3 Organisationsparadigmenwechsel im<br />
Dienstleistungsbereich<br />
Baethge und Oberbeck stellen 1986 auch einen Perspektivwechsel<br />
<strong>der</strong> Arbeitsorganisation im kaufmännischen Aufgabenbereich fest,<br />
in dessen Rahmen tayloristische Elemente zu Gunsten einer<br />
systemischen Rationalisierung zurücktreten. 70<br />
Sie betrachten die von ihnen vorgefundene integrierte<br />
Arbeitsorganisation nicht weiter als übertragenes Muster <strong>der</strong><br />
68 vgl. hierzu die ausführlich dargestellte Diskussion bei Malsch et al. 1987<br />
69 Baethge, M. et al. (1998); S. 464<br />
70 Baethge, M. et al. (1986), S. 26ff
Seite 24<br />
klassischen Organisationstheorie 71 . Denn „ ..dies würde heißen,<br />
dass die Haupttendenz ihrer (<strong>der</strong> Angestellten; Verf.)<br />
Arbeitsorganisation bei gegebenem technischen Niveau in einer<br />
zunehmenden Fragmentierung des Tätigkeitsinhalts und einer sich<br />
verschärfenden Spaltung von anleitenden und ausführenden<br />
Tätigkeiten .... bei gleichzeitiger Rigidesierung <strong>der</strong> Festlegung des<br />
Arbeitspensums und seiner Bewältigungsformen bestünde; und dies<br />
mit dem Ziel, den betrieblichen Arbeitsablauf von <strong>der</strong><br />
Beschaffenheit <strong>der</strong> individuellen Arbeitskraft - ihre Qualifikation,<br />
ihrem Willen, ihrem Gefühl- möglichst unabhängig zu machen und<br />
eine Optimierung <strong>der</strong> Kosten herbeizuführen, und mit einer fast<br />
unausweichlichen Folge <strong>der</strong> Dequalifizierung <strong>der</strong> Sachbearbeiter.“ 72<br />
Die Übertragbarkeit <strong>der</strong> klassischen Organisationstheorie auf die<br />
mo<strong>der</strong>ne Büroorganisation wird für die im Jahre 1986 vorgefundene<br />
Wirklichkeit somit klar abgewiesen. Baethge und Oberbeck sehen<br />
die typischen Merkmale <strong>der</strong> klassischen Organisation zum Zeitpunkt<br />
ihrer Untersuchung nicht mehr erfüllt. Für den Dienstleistungssektor<br />
stellen sie ebenfalls für die Zeit ab Mitte <strong>der</strong> 70iger Jahre einen<br />
organisatorischen Perspektivwechsel fest. Auch hier zeigen<br />
Feldstudien in Kernsektoren <strong>der</strong> Dienstleistung, dass<br />
Rationalisierung nicht länger tayloristisch und technikzentriert<br />
geprägt ist. Die neuen Organisationsansätze sind nicht mehr<br />
funktional, son<strong>der</strong>n systematisch und prozessorientiert ausgerichtet.<br />
Im Gegensatz zum Taylorismus werden die Arbeitsschritte nicht<br />
weiter atomisiert. Statt dessen findet eine Zusammenführung<br />
ehemals zerglie<strong>der</strong>ter Aufgaben im Sinne einer integrierten<br />
Vorgangsbearbeitung statt. Baethge/Baethge-Kinsky stellen hierzu<br />
zusammenfassend fest, dass sich zumindest im Ansatz in großen<br />
71 Baethge, M. et al. (1986), S. 27<br />
72 Baethge, M. et al. (1986), S. 28<br />
Seite 25<br />
Teilen <strong>der</strong> Dienstleistungsorganisationen ähnliche<br />
Organisationsformen wie in <strong>der</strong> Industrie finden lassen. 73<br />
2.4 Funktionen des Personalmanagements<br />
Die Globalisierung des Marktes, einhergehend mit den verän<strong>der</strong>ten<br />
Produktionsprozessen, hat auch unmittelbare Konsequenzen auf<br />
die Organisation des Personalmanagements. Hierdurch entstanden<br />
zwangsläufig neue qualitative und quantitative Anfor<strong>der</strong>ungen an<br />
den Personalbedarf sowie gesteigerte Anfor<strong>der</strong>ungen an das<br />
Personalmanagement. Die Internationalisierung bedingte auch<br />
zudem einen verstärkten Einsatz von mo<strong>der</strong>nen Informations- und<br />
Kommunikationstechnologien, die wie<strong>der</strong>um die Anfor<strong>der</strong>ungen an<br />
das Personalwesen und insbeson<strong>der</strong>e an die <strong>Personalentwicklung</strong><br />
in starkem Maße heraufsetzen. 74<br />
Die Flexibilisierung und die steigende Komplexität <strong>der</strong> Arbeit,<br />
verän<strong>der</strong>ten auch die Sichtweise auf die Ressource Personal.<br />
Personal wird nicht länger als kurzfristig austauschbarer<br />
Produktionsfaktor, son<strong>der</strong>n jetzt als Unternehmenswert an sich<br />
gesehen. Es reicht unter den mo<strong>der</strong>nen Produktionsbedingungen<br />
nicht länger aus, das Personal lediglich als austauschbares<br />
Wirtschaftsgut zu verwalten. Vielmehr liegen die Hauptfunktionen<br />
des Personalwesens seit den 70iger Jahren in <strong>der</strong> „Humanisierung,<br />
Partizipation, Ausbau <strong>der</strong> qualitativen Funktionen wie Aus- und<br />
Weiterbildung (off-the-job), kooperative Mitarbeiterführung, Human<br />
Relations, Personalbetreuung, Humanisierung von Arbeitsplätzen,<br />
Bewertung des Arbeitspotentials, Arbeitsumgebung und Arbeitszeit,<br />
73 Baethge, M. et al. (1998); S. 469<br />
74 Scholz, C. (1994); S. 15
Seite 26<br />
Organisations- und <strong>Personalentwicklung</strong>.“ 75 Genau dem muss auch<br />
die Personalarbeit in mittelständischen Unternehmen entsprechen.<br />
An dieser Stelle ist deutlich <strong>der</strong> Zusammenhang zwischen <strong>der</strong><br />
Entwicklung <strong>der</strong> Arbeitsorganisation in den Produktions- und<br />
Dienstleistungsprozessen und <strong>der</strong> Institutionalisierung des<br />
Personalwesens mit erheblich erweitertem Aufgabenspektrum zu<br />
erkennen. Hinzu kommt, dass unter den neuen<br />
Produktionsbedingungen dem Personal nicht mehr nur die reaktive<br />
Verrichtungsfunktion, son<strong>der</strong>n auch eine proaktive<br />
Gestaltungsfunktion zukommt. Dem Personalmanagement kommt in<br />
diesem Rahmen die zusätzliche Funktion zu, das Personal nicht nur<br />
zu verwalten, son<strong>der</strong>n die Qualifikation <strong>der</strong> Mitarbeiter in einem<br />
ständigen Prozess, den jeweiligen neuen Produktionsanfor<strong>der</strong>ungen<br />
anzupassen.<br />
Grundsätzlich stellt so auch Scholz als Konsequenz <strong>der</strong> oben<br />
beschriebenen Entwicklung die verstärkte Bedeutung und<br />
Institutionalisierung des Personalmanagements, mit den<br />
Schwerpunkten <strong>der</strong> Aus-, Fort- und Weiterbildung in<br />
Zusammenhang mit erhöhter Mitsprache <strong>der</strong> Arbeiter fest. 76 Mit <strong>der</strong><br />
Entwicklung des Personalwesens als eigenständige und in den<br />
Unternehmensorganisationen legitimierten Abteilungen<br />
kristallisierten sich demnach die heute allgemein anerkannte<br />
Kernfunktionen des Personalmanagements als Supportprozess<br />
gleichzeitig mit dem organisatorischen Paradigmenwechsel heraus.<br />
75 Thommen, J.-P- (1998); S. 584<br />
76 vgl. Scholz, C. (1994) ; S. 21<br />
Seite 27<br />
Jäger nennt und differenziert in diesem Zusammenhang die<br />
Prozesse des posttayloristischen Personalmanagements in<br />
Kernprozesse und unterstützende<br />
Prozesse. Die eigentlichen Kernprozesse benennt er als die<br />
Personalplanung, Personalbeschaffung und die Personalsteuerung.<br />
Die Personalplanung umfasst dabei die Teilprozessschritte <strong>der</strong><br />
Personalprognose, Personalplanung und <strong>der</strong> Budgeterstellung. Die<br />
Personalbeschaffung glie<strong>der</strong>t sich wie<strong>der</strong>um in die<br />
Teilprozessschritte des Personalmarketings, <strong>der</strong> Personalauswahl<br />
und <strong>der</strong> Vertragsgestaltung. 77 Der Kernprozess „Personalsteuerung“<br />
beinhaltet darüber hinaus die Teilprozessschritte „Personalmenge<br />
regulieren“, „Personalqualität sicherstellen“ und<br />
„Kostenmanagement durchführen“. 78<br />
Ähnlich, differenziert auch Thommen die Hauptfunktionen des<br />
Personalmanagement in:<br />
1. Personalbedarfsermittlung<br />
2. Personalbeschaffung (-marketing)<br />
3. Personaleinsatz<br />
4. Personalmotivation und –honorierung<br />
5. <strong>Personalentwicklung</strong><br />
6. Personalfreistellung. 79<br />
Die tiefer als bei Jäger gehende Differenzierung nach Thommen<br />
weist darauf hin, dass es unter den Bedingungen <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen<br />
Arbeitsorganisation insbeson<strong>der</strong>e darauf ankommt dass das<br />
Personalmanagement Dienstleistungsfunktionen erbringt, die auf<br />
77 vgl. Jäger, W. et al. (1999); S. 58 ff<br />
78 vgl. Jäger, W. et al. (1999); S. 59<br />
79 vgl. Thommen, J.-P. et al. (2000); S. 585
Seite 28<br />
die Leistungsfähigkeit und –bereitschaft <strong>der</strong> Mitarbeiter zwischen<br />
den Phasen <strong>der</strong> Personalbeschaffung und <strong>der</strong> –freisetzung<br />
fokussiert. Während bei Jäger lediglich <strong>der</strong> Teilprozessschritt<br />
„Personalqualität sicherstellen“ genannt wird, führt Thommen<br />
beson<strong>der</strong>s hervorhebend die Kernfunktion <strong>der</strong> <strong>Personalentwicklung</strong><br />
an.<br />
Wun<strong>der</strong>er unterscheidet noch differenzierte, grundsätzlich<br />
folgende Personalfunktionen <strong>der</strong> Personalmanagements:<br />
1. <strong>Personalentwicklung</strong> und –ausbildung<br />
2. Personalauswahl<br />
3. Personalgewinnung<br />
4. Entgeltgestaltung<br />
5. Personalbetreuung<br />
6. Personalkostenmanagement<br />
7. Arbeitszeitgestaltung<br />
8. Personaleinsatz<br />
9. Personalplanung<br />
10. Mitarbeiterberatung<br />
11. Sozialgestaltung<br />
<strong>12</strong>. Personalabbau. 80<br />
In diesem Modell finden sich prinzipiell die Ansätze Jägers und<br />
Thommens zusammengefasst wie<strong>der</strong>. Wun<strong>der</strong>er geht jedoch noch<br />
weiter, in dem er die Kernfunktionen nicht hierarchisch glie<strong>der</strong>t und<br />
damit in ihrer Bedeutung differenziert. Vielmehr stellt er bereits auf<br />
<strong>der</strong> obersten Glie<strong>der</strong>ungsebene eine umfangreiche Differenzierung<br />
80 vgl. Wun<strong>der</strong>er, R. (2000); S. 1<strong>12</strong><br />
Seite 29<br />
dar. Diese Funktionen müssen nach Wun<strong>der</strong>er im nächsten Schritt<br />
zu Prozessen des Personalmanagements organisiert werden,<br />
denen handelsrechtlich eindeutig ihr jeweiliger Beitrag an <strong>der</strong><br />
Wertschöpfung des gesamten Unternehmens zugewiesen werden<br />
kann. Nur so stellt sich Personalmanagement gegen den Vorwurf<br />
<strong>der</strong> Unproduktivität o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Gemeinkostenlastigkeit. Indem die<br />
Personalmanagementfunktionen zu wertschöpfenden Prozessen<br />
zusammengestellt werden, entsteht ein Dienstleister als<br />
Unternehmen im Unternehmen, <strong>der</strong> für an<strong>der</strong>e Geschäftsfel<strong>der</strong><br />
produktiv ist. 81<br />
Wun<strong>der</strong>er führt die oben genannten Funktionen zu einem<br />
Wertschöpfungsprozess zusammen, <strong>der</strong> die Teilprozesse<br />
Personalmarketing, Personalbeurteilung, <strong>Personalentwicklung</strong>,<br />
Personalhonorierung und Personalfreisetzung umfasst. 82<br />
Eine Studie Wun<strong>der</strong>ers zeigt deutlich, dass in dieser Prozesskette<br />
<strong>der</strong> <strong>Personalentwicklung</strong> <strong>der</strong> größte Beitrag zur Wertschöpfung des<br />
Personalmanagements zu kommt 83 . Entsprechend ist es<br />
Gegenstand dieses Beitrags, die <strong>Personalentwicklung</strong> als<br />
Kernprozess des Personalmanagements und damit wichtigem<br />
Supportprozess für den Mittelstand, weiter zu beschreiben und zu<br />
analysieren. Vorab wird ähnlich wie bei den vorangegangenen<br />
Darstellungen zur historisch-analytischen Entwicklung des<br />
Personalwesens im Allgemeinen, die Beschreibung <strong>der</strong> Entwicklung<br />
und <strong>der</strong> wechselnden Definitionen <strong>der</strong> <strong>Personalentwicklung</strong> im<br />
historisch-organisatorischen Kontext erfolgen.<br />
81 Schmeisser, W. (2001);<br />
vgl. hierzu auch: Böttcher, A. (2002); S. 55 ff.<br />
82 vgl. Wun<strong>der</strong>er, R. (2000); S. 158<br />
83 vgl. Wun<strong>der</strong>er, R. (2000); S. 73 u. 154
Seite 30<br />
2.5 Modelle <strong>der</strong> <strong>Personalentwicklung</strong> im Kontext <strong>der</strong><br />
Organisationsentwicklung<br />
2.5.1 Historische Phasenmodelle<br />
Arnold unterscheidet historisch linear ablaufend 3<br />
Entwicklungsphasen <strong>der</strong> <strong>Personalentwicklung</strong>. 84 In einer ersten<br />
Konzeptionsphase die er auf den Zeitraum 1935-1960 bezieht,<br />
werden erste <strong>Theorie</strong>entwürfe zu einer Betriebspädagogik erstellt. In<br />
einer zweiten Differenzierungsphase die etwa von 1960-1980<br />
terminiert ist, wird versucht, die Gegenstandsbereiche <strong>der</strong><br />
Betriebspädagogik neu zu orten und empirisch zu belegen. Dem<br />
schließt sich die Innovationsphase an, in <strong>der</strong> betriebliche<br />
Ausbildungsgänge nicht lediglich neu geordnet, son<strong>der</strong>n um<br />
zusätzliche Qualifikationen, die auf <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong><br />
Selbstständigkeit <strong>der</strong> Lernenden ausgerichtet sind, erweitert wird. In<br />
dieser Phase wird betriebliche Weiterbildung nicht weiterhin nur als<br />
quantitative Position gewertet, son<strong>der</strong>n sie wird als integrierter<br />
Bestandteil <strong>der</strong> Unternehmens- und Organisationsentwicklung<br />
gesehen.<br />
Deutlich ist hier eine Zeitphasenaufteilung zu erkennen, wie sich<br />
allgemein bezogen auf die Entwicklung des Personalwesens bereits<br />
bei Thommen zu erkennen ist.<br />
Zudem wird von Arnold <strong>der</strong> proaktive und innovative Aspekt <strong>der</strong><br />
<strong>Personalentwicklung</strong> aufgenommen, in dem er die<br />
Technikanwendung als Lernfeld betrachtet, in dem es dem<br />
84 vgl. Arnold, R. 1990; S. 37 ff<br />
Seite 31<br />
Mitarbeiter gelingen kann, nicht nur die Technik im Sinne <strong>der</strong><br />
Arbeitserledigung zu beherrschen, son<strong>der</strong>n innovativ zu<br />
verän<strong>der</strong>n. 85 Dieser personalentwicklungstheoretischer Ansatz steht<br />
ebenfalls zeitlich und inhaltlich in vollem Bezug zum<br />
arbeitsorganisatorischen Paradigmenwechsel <strong>der</strong> 70ger Jahre.<br />
Zur Phaseneinstellung <strong>der</strong> <strong>Personalentwicklung</strong> führt Scholz ähnlich<br />
wie Arnold auch einen historisch linearen Ablauf an. 86 Im Rahmen<br />
<strong>der</strong> Etablierung des Personalmanagements stellt er ab Anfang <strong>der</strong><br />
70ger Jahre den Einstieg in eine noch mehr formal-juristische<br />
Funktion <strong>der</strong> <strong>Personalentwicklung</strong> fest. Für Anfang <strong>der</strong> 80ger Jahre<br />
schreibt Scholz dann unter an<strong>der</strong>em <strong>der</strong> <strong>Personalentwicklung</strong> im<br />
Rahmen <strong>der</strong> Personalstrategie die verstärkte innovative Aufgabe zu,<br />
die Unternehmen für den globalen Wettbewerb durch optimale<br />
Ressourcennutzung zu stärken. Für die 90ger Jahre bis heute und<br />
in die Zukunft hinein prognostiziert Scholz eine <strong>Personalentwicklung</strong><br />
in <strong>der</strong> je<strong>der</strong> Vorgesetzte zu Teilen die Rolle des Personalmanagers<br />
wahrnehmen wird.<br />
An dieser Stelle ist zwar <strong>der</strong> reflexive Ansatz <strong>der</strong><br />
<strong>Personalentwicklung</strong> noch nicht deutlich zu erkennen, aber <strong>der</strong><br />
Trend zur Verantwortungsverlagerung <strong>der</strong><br />
<strong>Personalentwicklung</strong>sarbeit, hin zu den Fachvorgesetzten, wird<br />
deutlich und beschreibt den Einstieg in eine zyklisch verlaufende<br />
<strong>Personalentwicklung</strong>. Die historische Parallelität zur Entwicklung <strong>der</strong><br />
Arbeitsorganisation zeigt sich deutlich.<br />
Beide Modelle beschreiben die Gestaltungsstufen <strong>der</strong><br />
<strong>Personalentwicklung</strong> somit als einen für die Vergangenheit<br />
85 vgl. Arnold, R. 1990; S. 40 ff<br />
86 vgl. Scholz, C. 1994; S. 22 und 23
Seite 32<br />
beobachteten und für die Zukunft prognostizierbaren linear<br />
verlaufenden historischen Prozess, <strong>der</strong> parallel zur Entwicklung <strong>der</strong><br />
Arbeitsorganisation verläuft. Dieser optimistisch-positiv Ansatz geht<br />
davon aus, dass sich die Organisation <strong>der</strong> <strong>Personalentwicklung</strong><br />
parallel zur Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Arbeitsorganisation weiter entwickeln<br />
wird und gleichzeitig Motor <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ung ist . Dieser unterstellten<br />
Zwangsläufigkeit stehen Ansätze entgegen, die zwar grundsätzlich<br />
die selben Organisationsformen <strong>der</strong> <strong>Personalentwicklung</strong> kennen,<br />
diese jedoch zeitunabhängig, gleichzeitig o<strong>der</strong> in Mischform<br />
kenntlich machen. Solche zeitunabhängigen Modelle sollen <strong>der</strong><br />
Vollständigkeit nach, im nächsten Abschnitt dargestellt werden.<br />
2.5.2 Zeitunabhängige Phasenmodelle<br />
Während die oben geschil<strong>der</strong>ten Phasenmodelle linear historisch<br />
ausgerichtet sind, entwirft Becker ein 3 Phasen Schema, das<br />
zeitunabhängig ist. 87 Dies Modell lässt den Zeithorizont als<br />
Entwicklungsmaßstab außer Acht und macht deutlich, dass alle<br />
aufgezeigten Phasen nach wie vor nebeneinan<strong>der</strong> o<strong>der</strong> gemischt in<br />
<strong>der</strong> betrieblichen Wirklichkeit angetroffen werden können.<br />
Becker beschreibt zuerst die Institutionalisierungsphase <strong>der</strong><br />
<strong>Personalentwicklung</strong> in <strong>der</strong> ein Bildungsbeauftragter o<strong>der</strong> ein<br />
<strong>Personalentwicklung</strong>sreferent damit beginnt, einen Seminarkatalog<br />
zu erstellen und um Teilnehmer zu werben. In diesem<br />
Institutionalisierungszustand steht die Vermittlung von fachlichen<br />
Fertigkeiten im Vor<strong>der</strong>grund. Becker unterstellt, dass solche Modelle<br />
in vorwiegend stark arbeitsteilig organisierten Betrieben vorzufinden<br />
87 vgl. Becker, F.G. 1990; S. 682 ff<br />
Seite 33<br />
sind. Deutlich ist hier <strong>der</strong> Bezug zu einem reaktiven Verständnis von<br />
<strong>Personalentwicklung</strong> festzustellen, in <strong>der</strong> nur auf den Status quo<br />
ausgerichtetes single loop learning statt findet. Lietzau 1997<br />
bezeichnet diese Phase <strong>der</strong> <strong>Personalentwicklung</strong> als eine Phase <strong>der</strong><br />
pragmatischen Anpassungsqualifizierung. 88<br />
In <strong>der</strong> zweiten Phase, <strong>der</strong> Differenzierungsphase <strong>der</strong><br />
<strong>Personalentwicklung</strong>, werden Bedarfsanalysen durchgeführt und<br />
<strong>Personalentwicklung</strong>sziele gesetzt. Von diesem Moment an<br />
bestimmen kreative Gestaltung und Erfolgskontrollen die Arbeit <strong>der</strong><br />
<strong>Personalentwicklung</strong>. Zudem basiert die Arbeit auf<br />
unternehmenseinheitlichen Grundsätzen. Diese Entwicklungsphase<br />
kennzeichnet den Übergang von tayloristischen zu mo<strong>der</strong>nen<br />
prozessorientierten Arbeitsorganisationsformen und beschreibt<br />
gleichzeitig die weiter entwickelte lernende Organisation und das<br />
double loop learning.<br />
In <strong>der</strong> dritten Integrationsphase wird die Zusammenführung von<br />
Lern- und Arbeitsfeld angestrebt. In dieser Entwicklungsstufe<br />
verwirklichen Vorgesetzte und Mitarbeiter den Grundsatz, dass<br />
<strong>Personalentwicklung</strong> eine nicht delegierbare Managementaufgabe<br />
ist. <strong>Personalentwicklung</strong> wird zur Hilfe zur Selbsthilfe bei <strong>der</strong> Lösung<br />
technischer, sozialer und organisatorischer Probleme.<br />
<strong>Personalentwicklung</strong> und Organisationsentwicklung wirken als<br />
Integrationsverbund zusammen. 89<br />
Die Darstellungen <strong>der</strong> Entwicklungsphasen <strong>der</strong><br />
<strong>Personalentwicklung</strong> unterscheiden sich bei Becker o<strong>der</strong> auch<br />
88 Lietzau, E. 1997; S. 21<br />
89 Becker, F. 1990; S. 682
Seite 34<br />
Lietzau grundsätzlich nicht von denen bei Arnold o<strong>der</strong> Scholz.<br />
Wichtig ist jedoch festzuhalten, dass Becker und Lietzau eine<br />
unbedingt logisch gekoppelte zeitgleiche Verbindung <strong>der</strong><br />
Entwicklung von Arbeitsorganisationsformen und Modellen <strong>der</strong><br />
<strong>Personalentwicklung</strong> nicht sehen. Vielmehr ist davon auszugehen,<br />
dass mo<strong>der</strong>ne Arbeitsorganisationsformen nicht unbedingt zeitgleich<br />
ebenso mo<strong>der</strong>ne proaktive Formen <strong>der</strong> <strong>Personalentwicklung</strong><br />
aufweisen, aber zwangsläufig eine Annäherung mo<strong>der</strong>ner<br />
Arbeitsorganisation und proaktive <strong>Personalentwicklung</strong> notwendig<br />
ist, wenn die Unternehmen am Markt überleben wollen. Für die<br />
Unternehmen des Mittelstandes bedeutet dies, dass im Einzelfall<br />
kritisch zu analysieren ist, welchen Entwicklungsstand die<br />
Arbeitsorganisation und die <strong>Personalentwicklung</strong> erreicht haben.<br />
2.6 <strong>Personalentwicklung</strong> als Supportprozess<br />
Frühe Formeln <strong>der</strong> <strong>Personalentwicklung</strong>, zumindest im Rahmen <strong>der</strong><br />
weiter unten noch zu treffenden Feststellungen und Erkenntnisse,<br />
lassen sich bereits in <strong>der</strong> mittelalterlichen Zunft- und<br />
Handwerkerorganisation erkennen. Als Praktiker <strong>der</strong> späten<br />
mittelalterlichen Schiffsbauindustrie stellte zum Beispiel <strong>der</strong><br />
schwedische Ökonom Westermann bereits Mitte des 18.<br />
Jahrhun<strong>der</strong>ts die Bedeutung des industriellen Wissens und damit<br />
die Relevanz <strong>der</strong> <strong>Personalentwicklung</strong> für die<br />
Unternehmensentwicklung und den –erfolg fest. Konkret und<br />
beispielhaft resümierte er in einer Bestandsaufnahme zur<br />
Leistungsfähigkeit <strong>der</strong> schwedischen Werftindustrie über<br />
Rückstände gegenüber an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n, die seiner Meinung nach<br />
auf Defizite im Fertigungswissen <strong>der</strong> schwedischen Werftarbeiter<br />
Seite 35<br />
beruhten. In einem frühen Ansatz von <strong>Personalentwicklung</strong> verweist<br />
er somit exemplarisch darauf, dass die schwedische<br />
Schiffsbauindustrie nur in erfolgreicher Konkurrenz zu<br />
ausländischen Werften treten konnte, wenn die handwerklichen<br />
Fähigkeiten <strong>der</strong> Arbeiter, Westermann würde heute wohl anführen:<br />
durch gezielte <strong>Personalentwicklung</strong>, entsprechend verbessert<br />
würde. 90<br />
Im Gegensatz zur oben aufgezeigten frühen Praxis hat die<br />
Forschung bisher jedoch noch keine eindeutige Definition des<br />
Begriffs <strong>Personalentwicklung</strong> hervorgebracht. 91 Mayrhofer stellt zum<br />
plakativen Beweis <strong>der</strong> wissenschaftlichen Vielseitigkeit sieben<br />
grundsätzlich verschiedene „Leseproben“ entsprechen<strong>der</strong><br />
Definitionen zusammen. 92 Im Folgenden sollen weitere Definitionen<br />
dargestellt werden, so dass im Ergebnis Gemeinsamkeiten<br />
herausgearbeitet werden können, um eine möglichst umfassende<br />
Definition abzuleiten, die als Grundverständnis <strong>der</strong> weiteren Arbeit<br />
angenommen werden kann.<br />
2.6.1 Reaktive <strong>Personalentwicklung</strong><br />
Menzel definiert <strong>Personalentwicklung</strong> „als Inbegriff aller<br />
Maßnahmen, die <strong>der</strong> individuellen beruflichen Entwicklung <strong>der</strong><br />
Mitarbeiter dienen und ihnen unter Beachtung ihrer persönlichen<br />
Interessen, die zur optimalen Wahrnehmung ihrer jetzigen und<br />
künftigen Aufgabe erfor<strong>der</strong>lichen Qualifikationen vermitteln.“ 93<br />
Ähnlich grenzt Scholz Mitte <strong>der</strong> 90ger Jahre die<br />
90 Zitiert nach Pawlowsky, P. et al.(1996); S.3<br />
91 vgl. Mayrhofer, W. (1996); S.452<br />
92 vgl.Mayrhofer, W. (1996); S. 452<br />
93 vgl. Menzel, W. (1989); S. 15
Seite 36<br />
<strong>Personalentwicklung</strong> durch die Darstellung verschiedener Kernfel<strong>der</strong><br />
des Personalmanagements auf die Schlüsselfrage ein, zu<br />
untersuchen, in wie weit die Fähigkeiten <strong>der</strong> Mitarbeiter in Hinblick<br />
auf bestehende bzw. künftiger qualitativer Personalbedarfe erhöht<br />
werden können. 94 Diese beiden definitorischen Ansätze deuten trotz<br />
<strong>der</strong> hohen Bedeutung <strong>der</strong> Individualisierung des<br />
Personalmanagements bei Scholz 95 auf ein Verständnis von<br />
<strong>Personalentwicklung</strong>, <strong>der</strong>en Ziel sich in <strong>der</strong> Hauptsache an den<br />
gegebenen, bzw. im Vorfeld optimierten, Arbeitsplatzanfor<strong>der</strong>ungen<br />
und <strong>der</strong> Vermittlung von fachlichen Fertigkeiten orientiert.<br />
Zusammenfassend ist hier ein anfor<strong>der</strong>ungsorientierter, stark<br />
reaktiver Ansatz von <strong>Personalentwicklung</strong> zu erkennen, <strong>der</strong> in <strong>der</strong><br />
<strong>Theorie</strong> <strong>der</strong> lernenden Organisation 96 auch als „single loop learning“<br />
definiert wird. 97<br />
Hinweisend auf eine mehr systematische und vor allem proaktive<br />
Betrachtung <strong>der</strong> <strong>Personalentwicklung</strong> und För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />
Leistungspotentiale führt Schulte weiterführend aus, dass <strong>der</strong><br />
Gegenstand <strong>der</strong> <strong>Personalentwicklung</strong> die systematisch vorbereitete,<br />
durchgeführte und kontrollierte Identifikation und För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />
Leistungspotentiale aller Mitarbeiter ist. 98 Dieser Ansatz wird von<br />
Meier noch um Aspekte des organisierten und sozialen<br />
Lernprozesses ergänzt, wenn er argumentiert, dass<br />
<strong>Personalentwicklung</strong> ein organisierter Lernprozess ist, <strong>der</strong> „im<br />
sozialen Umfeld „Unternehmen“ stattfindet und von ihm initiiert,<br />
beeinflusst o<strong>der</strong> gestaltet wird. Hierzu gehören alle planenden,<br />
94 vgl. Scholz, C. (1994); S. 46<br />
95 vgl. Scholz, C. (1997); S. 8<br />
96 vgl. ausführlich zum Überblick zur <strong>Theorie</strong> <strong>der</strong> lernenden Organisation: Fischer, M. (1999); S. 503 ff<br />
97 vgl. Kluge, A. (1999); S. 16;vgl. auch Fischer, M. (1999); S. 5<strong>06</strong><br />
98 vgl. Schulte, C. (1989); S. 20<br />
Seite 37<br />
durchführende und kontrollierende Instrumente, Ergebnisse und<br />
Prozesse. Ebenso wichtig wie das Ergebnis (Bildungsstand) ist <strong>der</strong><br />
Prozess (Bildungsvorgang).“ 99<br />
Münch ergänzt und erweitert über die soziale und prozessorientierte<br />
Sicht hinaus, um die herzustellende Interessenkongruenz zwischen<br />
Arbeitnehmern und –gebern sowie durch hinzufügen des<br />
<strong>Personalentwicklung</strong>sziels Handlungskompetenz zu vermitteln,<br />
wenn er definiert, dass <strong>Personalentwicklung</strong> das insgesamt<br />
<strong>der</strong>jenigen Maßnahmen ist, „die geeignet sind, die<br />
Handlungskompetenz <strong>der</strong> Mitarbeiter weiter zu entwickeln, zu<br />
erhalten und ständig zu erneuern und zwar mit dem Ziel, den<br />
Unternehmenserfolg unter weitestgehen<strong>der</strong> Berücksichtigung <strong>der</strong><br />
Mitarbeiterinteressen zu sichern.“ 100 Becker fasst die<br />
prozessorientierte Sicht und die Betonung <strong>der</strong> Handlungskompetenz<br />
noch weiter zusammen. Demnach sind unter <strong>Personalentwicklung</strong><br />
......diejenigen betrieblich veranlassten Maßnahmen zu verstehen,<br />
mit denen Qualifikationen von Mitarbeitern durch die Organisation<br />
von Lernprozessen initiativ und weitgehend systematisch erhalten<br />
und erweitert bzw. diese Verän<strong>der</strong>ungen angeregt werden. Ziel ist<br />
die Vermittlung als notwendig erachteter aktueller wie potentieller<br />
Handlungskompetenz zur Aufgabenerfüllung.“ 101 Dieser noch lineare<br />
Prozess einer reaktiven <strong>Personalentwicklung</strong> wird prägnant als<br />
single loop learning bezeichnet.<br />
Es kann festgehalten werden, dass klassische konservative<br />
Organisationskonzepte nur reaktive <strong>Personalentwicklung</strong>smodelle<br />
99 Meier, H. (1991); S. 6<br />
100 Münch, J. (1995); S. 15<br />
101 Becker, F.G. (1999); S. 272
Seite 38<br />
zulassen, die auf eine nachgelagerte Anpassungsqualifizierung<br />
ausgerichtet sind. Die Praxis zeigt, dass gerade in mittelständischen<br />
Unternehmen häufig noch klassische, konservative<br />
Organisationsmodelle anzutreffen sind und die <strong>Personalentwicklung</strong><br />
von Führungskräften und Geschäftsführern als<br />
optimierungsbedürftig empfunden wird. Entsprechende Ansätze<br />
scheitern oftmals daran, dass von den verantwortlichen nicht<br />
bedacht wird, das mo<strong>der</strong>ne Modelle <strong>der</strong> <strong>Personalentwicklung</strong>, wie<br />
sie im folgenden Kapitel beschrieben werden, in klassischen<br />
Organisationen nicht funktionieren können.<br />
2.6.2 Proaktive <strong>Personalentwicklung</strong><br />
Allen bisher dargestellten mehr statischen, rückwärtsblickenden<br />
Ansätze, die im Kern jeweils von den vorgefundenen<br />
Anfor<strong>der</strong>ungsprofilen als Maßstab <strong>der</strong> dann einsetzenden<br />
<strong>Personalentwicklung</strong> ausgehen, kann die <strong>Theorie</strong> eines<br />
entwicklungsorientierten, proaktiven Verständnisses erweiternd<br />
entgegen gestellt werden. In diesem Fall stehen Arbeitsorganisation<br />
und Qualifikation in einer wechselseitigen dynamischen<br />
Beziehung. 102 <strong>Personalentwicklung</strong> wird zum Bestandteil einer<br />
integrativen Personalstrategie in <strong>der</strong> lernenden Organisation. 103 Mit<br />
dem Ziel einer weitgehenden Abkehr von <strong>der</strong> Belegschafts- und<br />
Qualifikationssegmentierung. 104 Damit hebt sich die proaktive<br />
<strong>Personalentwicklung</strong> klar von einem reaktiven Verständnis als eine<br />
auf pragmatische Anpassung an Verän<strong>der</strong>ungen reagierende<br />
Aufgabe ab, in dem sie sich als Motor <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ung versteht.<br />
102 vgl. Stangel-Meseke, M. et al. (1995); S. 5<br />
103 vgl. Fischer, M. (1999); S. 507<br />
104 vgl. hierzu auch Fredecker, I. 1991; S. 18<br />
Seite 39<br />
In diesem Sinne ist das auf Anpassung ausgerichtete Modell des<br />
„single loop learnings“ zu einem „double loop learning“ weiter<br />
entwickelt, „weil sich hier Handlungsergebnisse <strong>der</strong> Individuen in<br />
verän<strong>der</strong>ten Normen, Strategien und Grundannahmen <strong>der</strong><br />
Organisation nie<strong>der</strong>schlagen. 105<br />
Investitionen in die Entwicklung <strong>der</strong> Mitarbeit des Unternehmens<br />
werden so als strategische Aufgabe verstanden. “Dabei kommt <strong>der</strong><br />
<strong>Personalentwicklung</strong> die Aufgabe zu, zeitgemäße Konzepte zu<br />
erarbeiten, die den Mitarbeitern Perspektiven eröffnen, sowie<br />
Qualifizierungsmöglichkeiten und För<strong>der</strong>maßnahmen anzubieten,<br />
die motivieren, zu unternehmerischem Denken anregen und die die<br />
Lage des Unternehmens am Markt stärken. Hierbei gilt es<br />
insbeson<strong>der</strong>e, die latent vorhandenen aber verdeckten innovativen<br />
Kompetenzen <strong>der</strong> Mitarbeiter aufzudecken, auszubilden und zu<br />
för<strong>der</strong>n. Kreativitätspotentiale werden mehr als je zuvor zum<br />
entscheidenden Baustein für den Unternehmenserfolg.“ 1<strong>06</strong><br />
In einem ständigen kreisförmigen Prozess 107 wird <strong>der</strong> Mitarbeiter<br />
dahin „entwickelt“, innovativ gestaltend auf die Arbeitsprozesse zu<br />
wirken. 108 Fischer weist weitergehend jedoch zurecht daraufhin,<br />
dass <strong>der</strong> letzte Schritt zu einer umfassenden <strong>Personalentwicklung</strong>,<br />
die das Organisationskonzept <strong>der</strong> lernenden Organisation abdeckt,<br />
mit <strong>der</strong> Implementierung <strong>der</strong> proaktiven <strong>Personalentwicklung</strong> im<br />
System des „ double loop learnings“ noch nicht getan ist, da hier <strong>der</strong><br />
Prozess <strong>der</strong> Normengebung selbst noch nicht in die Systematik <strong>der</strong><br />
105 vgl. Kluge, A. (1999); S. 17; und Fischer, M. (1999); S. 507<br />
1<strong>06</strong> Lukas, A. (1998); S. 53<br />
107 vgl. Münch, J. (1995); S. 55<br />
108 vgl. Kluge, A. (1999); S. 226
Seite 40<br />
<strong>Personalentwicklung</strong> aufgenommen wird. 109 Dies wird erst durch die<br />
Einführung des Deutero-Learning erreicht. 110<br />
Es wird hier deutlich, dass diese mo<strong>der</strong>nen Modelle <strong>der</strong><br />
<strong>Personalentwicklung</strong> die ebenso mo<strong>der</strong>nen Organisationskonzepte<br />
unterstützen. Während in klassischen Organisationen <strong>der</strong><br />
Mitarbeiter an die Organisation angepasst wird, gestaltet <strong>der</strong><br />
Mitarbeiter über seine erworbenen Qualifikationen die<br />
Arbeitssysteme. Und hier wird ein prinzipielles Dilemma des<br />
deutschen Mittelstandes deutlich. Mittelständische Unternehmen<br />
entwickeln ihren Erfolg aus stark standardisierten Prozessen bei<br />
enger Führung. Verantwortlich für die Optimierung <strong>der</strong> Prozesse<br />
sind einzig die Führungskräfte und Geschäftsführer. Der Mitarbeiter<br />
muss in diesen Systemen funktionieren. Viele Führungskräfte im<br />
Mittelstand verbieten ihren Mitarbeitern das Mitdenken, um ihre<br />
eigene Legitimation und ihren eigenen Erfolg nicht zu gefährden.<br />
Arbeiten gerade konservativ organisierte Unternehmen mit einer<br />
proaktiven <strong>Personalentwicklung</strong>, so schaffen sie Qualifikationen bei<br />
den Mitarbeiters, die nicht abgerufen werden. Bei den Mitarbeitern<br />
entsteht ein Qualifikationsstau, <strong>der</strong> schnell in Demotivation<br />
umschlagen kann.<br />
2.6.3 Definition <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen proaktiven und reflexiven<br />
<strong>Personalentwicklung</strong><br />
Die oben dargestellten Kernelemente einer mo<strong>der</strong>nen reflexiven<br />
<strong>Personalentwicklung</strong> als Basis <strong>der</strong> weiteren Ausführungen werden<br />
sehr treffend und prägnant von Mayrhofer zusammengefasst.<br />
109 vgl. Fischer, M. (1999); S. 507<br />
110 vgl. Kluge, A. (1999); S. 199 ff<br />
Seite 41<br />
<strong>Personalentwicklung</strong> setzt nach Mayrhofer an Personen und <strong>der</strong><br />
Arbeitsorganisation an. Mit den Maßnahmen <strong>der</strong><br />
<strong>Personalentwicklung</strong> wird angestrebt, das latent vorhandene<br />
Spannungsverhältnis zwischen Menschen und Organisationen<br />
dynamisch zu nutzen. Durch verbesserte Qualifikation werden<br />
Organisationen und Arbeitsabläufe, Normen und Werte in einem<br />
ständigen Kreislauf optimierter. 111 Dieser umfassende und<br />
gleichzeitig sehr prägnante Ansatz, <strong>der</strong> <strong>Personalentwicklung</strong> als<br />
proaktive Funktion des Personalmanagement soll im Weiteren als<br />
Leitbild verfolgt werden.<br />
Diese vorgenannte sehr prägnante Definition <strong>der</strong><br />
<strong>Personalentwicklung</strong> nach Mayrhofer fasst darüber hinaus alle zuvor<br />
genannten Aspekte zusammen. Zum einen wird auch hier zu Beginn<br />
Bezug genommen auf einen Vergleich zwischen den Anfor<strong>der</strong>ungen<br />
<strong>der</strong> Arbeitsstelle und <strong>der</strong> Qualifikation <strong>der</strong> Mitarbeiter. Der<br />
vorausschauende, proaktive und auf dauerhafte Verän<strong>der</strong>ung<br />
gerichtete Sichtweise wird im Weiteren dadurch auf den Punkt<br />
gebracht, dass nach Mayrhofer ein ständiges Spannungsverhältnis<br />
zwischen Menschen und Organisationen besteht, dass in einem<br />
ebenso stetigen Prozess <strong>der</strong> <strong>Personalentwicklung</strong> verän<strong>der</strong>t, aber<br />
niemals aufgelöst wird. In diesem stetigen Prozess bewirken nicht<br />
nur Arbeitsabläufe und Qualifikation, die sich wechselseitig<br />
beeinflussen, den Grad <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ung, viel mehr fließt im Sinne<br />
des Deutero Learnings auch die Normenreflexion und –verän<strong>der</strong>ung<br />
mit ein.<br />
111 Mayrhofer, W. (1996); S. 453-454
Seite 42<br />
Übertragen auf den Mittelstand stellt sich die Frage, ob in diesem<br />
Bereich die <strong>Personalentwicklung</strong> im Sinne des Deutero Learnings<br />
bereits etabliert ist. O<strong>der</strong> ob mögliche Effizienzsteigerungen<br />
ausbleiben, da auf systematische <strong>Personalentwicklung</strong> noch<br />
verzichtet wird. Vor <strong>der</strong> Klärung dieser Frage ist jedoch, wie<br />
vorangegangen, bereits für die Korrelation zwischen<br />
Arbeitsorganisation und Personalmanagement erfolgt,<br />
nachzuweisen, ob auch zwischen <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong><br />
Arbeitsorganisation und <strong>der</strong> <strong>Personalentwicklung</strong> ein enger<br />
Zusammenhang besteht.<br />
3 Begriffe des systematischen <strong>Personalentwicklung</strong>sprozesses<br />
Die mehr pragmatische als wissenschaftliche Prägung von Begriffen<br />
<strong>der</strong> <strong>Personalentwicklung</strong> in <strong>der</strong> betrieblichen Praxis führt dazu, dass<br />
es we<strong>der</strong> deutliche Abgrenzungen, noch einheitliche Begriffe <strong>der</strong><br />
<strong>Personalentwicklung</strong> und <strong>der</strong> betrieblichen Bildungsarbeit gibt. 1<strong>12</strong><br />
Die weiter unten durchgeführte Analyse <strong>der</strong> wissenschaftlichen<br />
Literatur beweist die Uneinheitlichkeit <strong>der</strong> Begriffsverwendung. 113<br />
Synonyme o<strong>der</strong> wi<strong>der</strong>sprüchliche Begriffsverwendungen führen in<br />
<strong>der</strong> wissenschaftlichen und praktischen Diskussion zu nicht<br />
effektiver Verwirrung bis hin zu unternehmerischen<br />
Fehlentscheidungen.<br />
Im Vorfeld einer Beschreibung von <strong>Personalentwicklung</strong>sprozessen<br />
im Mittelstand müssen deshalb im Folgenden, die im<br />
Sollprozessmodell <strong>der</strong> <strong>Personalentwicklung</strong> maßgeblich verwandten<br />
Begriffe vorab als Grundlage eines einheitlichen Verständnisses<br />
1<strong>12</strong> vgl. Münch, J. (1995); S. 16<br />
113 Detaillierte Ausführungen hierzu siehe Punkt 2.2.1 ff<br />
Seite 43<br />
definiert und spezifiziert werden. 114 Wie bereits in den<br />
vorangegangenen Kapiteln, soll auch hier wie<strong>der</strong> eine historisch-<br />
organisatorische Betrachtung <strong>der</strong> Begriffsentwicklung durchgeführt<br />
werden. Es ist zu untersuchen, ob genauso wie die Organisation<br />
des Personalmanagements und die Entwicklung <strong>der</strong><br />
<strong>Personalentwicklung</strong>, von <strong>der</strong> allgemeinen<br />
Organisationsentwicklung abhängen und eine entsprechende<br />
Korrelation auch in <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong> Grundbegriffe <strong>der</strong><br />
<strong>Personalentwicklung</strong> festzustellen ist.<br />
3.1 Bildung und berufliche Bildung<br />
Der ursprüngliche Bildungsbegriff <strong>der</strong> Aufklärung beinhaltete das<br />
Ziel, die anzustrebende Mündigkeit und Vernunft in <strong>der</strong> bürgerlichen<br />
Gesellschaft zu för<strong>der</strong>n. Bildung sollte nicht weiter an<br />
fremdbestimmten religiösen und politischen<br />
Unterwerfungsansprüchen des Mittelalters orientiert sein, son<strong>der</strong>n<br />
am Ziel einer rationalen und vernunftbegleiteten Lebensführung.<br />
Der Bildungsbegriff <strong>der</strong> Aufklärung kann als betont sach- und<br />
arbeitsorientiert verstanden werden. Die herrschaftsfreie<br />
Erweiterung des vor allem praktisch anwendbaren und nützlichen<br />
Wissens zur Verbesserung des eigenen und gesellschaftlichen<br />
Umfeldes in <strong>der</strong> Form von bürgerlicher Ausbildung war Kern dieses<br />
utilaristischen Bildungsbegriffs. Im Berufsbegriff <strong>der</strong> Aufklärung<br />
waren je nach Tätigkeit alle handwerklichen o<strong>der</strong> kaufmännischen<br />
Fähigkeiten subsumiert, die zur sach – und fachgerechten Erfüllung<br />
<strong>der</strong> Aufgaben notwendig waren. Im wirtschaftshistorischen Kontext<br />
lassen sich an dieser Stelle erstmals gezielt „fachliche Fähigkeiten“<br />
114 zur Bedeutung <strong>der</strong> Begriffsdefinition als Grundlage wissenschaftlicher Arbeit vgl. Quelle fehlt
Seite 44<br />
als wichtiges Element <strong>der</strong> beruflichen Handlungsfähigkeit<br />
festmachen. Wie bereits im vorangegangenen Kapitel aufgezeigt,<br />
kann jedoch mit <strong>der</strong> im 18. Jahrhun<strong>der</strong>t einsetzenden<br />
Industrialisierung und <strong>der</strong> damit einhergehenden Dequalifizierung,<br />
ein konsequenter Rückbau <strong>der</strong> Bedeutung <strong>der</strong> fachlichen<br />
Fähigkeiten, festgestellt werden.<br />
Dem betont auf die fachlichen Fertigkeiten zugewandtem<br />
Bildungsbegriff <strong>der</strong> Aufklärung, gepaart mit dem Dilemma des<br />
Aufstiegs des Bürgertums auf <strong>der</strong> einen Seite und <strong>der</strong><br />
einhergehenden wirtschaftlichen und beruflichen<br />
Massenverelendung auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite, wird gegen Ende des<br />
18. Jahrhun<strong>der</strong>ts mit dem einsetzenden Neuhumanismus und<br />
gleichzeitigem Beginn <strong>der</strong> industriellen Revolution, eine neue<br />
Deutung zugemessen. Die erneute Betonung <strong>der</strong> Werte des<br />
klassischen Altertums überdeckt die materialistisch-utilaristischen<br />
Tendenzen, <strong>der</strong> die breite Masse <strong>der</strong> Bevölkerung ausgrenzenden<br />
bürgerlichen Aufklärung. Gegenüber dem Rationalismus <strong>der</strong><br />
Aufklärung betonte <strong>der</strong> Neuhumanismus die Individualität und<br />
Selbstverwirklichung <strong>der</strong> Arbeiter außerhalb <strong>der</strong> industriellen<br />
Tätigkeit. Bildung wurde so zu einer „unberuflichen“ Beschäftigung<br />
mit klassischen Kulturgütern bei gleichzeitiger Vernachlässigung <strong>der</strong><br />
beruflich-fachlichen Qualifikation. Der Neuhumanismus grenzte<br />
konsequent in seinem Bildungsbegriff die utilaristische berufliche<br />
Ausbildung von <strong>der</strong> allgemeinen Bildung ab. Die konsequente<br />
Trennung <strong>der</strong> beruflich-nützlichen Bildung von <strong>der</strong> Allgemeinbildung<br />
kann so als frühe <strong>Personalentwicklung</strong>sstrategie im Sinne des<br />
einsetzenden Taylorismuses betrachtet werden. Denn es wurde<br />
möglich, den Aufwand für die berufliche Bildung<br />
Seite 45<br />
gesellschaftspolitisch und philosophisch untermauert zu minimieren<br />
und gleichzeitig die „wertfreie Bildung“ als unberuflich und<br />
staatstragend zu legitimieren. Mit an<strong>der</strong>en Worten lässt sich<br />
feststellen, dass mit dem Einsetzen des Taylorismus gepaart mit<br />
seiner Tendenz <strong>der</strong> Dequalifizierung, gleichzeitig eine Reduzierung<br />
des Bildungsbegriffs auf grundsätzlich vernachlässigte<br />
außerberufliche Aspekte festzustellen ist. Fachliche Fähigkeiten<br />
werden hier dauerhaft und für 2 Jahrhun<strong>der</strong>te prägnant von <strong>der</strong><br />
Allgemeinbildung getrennt. Diese Trennung von beruflicher und<br />
allgemeiner Bildung hatte auch im Sinne <strong>der</strong> tayloristischen<br />
Arbeitsorganisation zur Folge, dass die Mitarbeiter we<strong>der</strong> befähigt<br />
noch legitimiert waren, den eigentlichen Produktionsprozess zu<br />
reflektieren, geschweige ihn sogar zu verän<strong>der</strong>n. Dieser<br />
Dequalifizierungstendenz des Taylorismus wird durch<br />
Kerschensteiners Berufsbildungstheorie 115 , die bis heute das duale<br />
Berufsbildungssystem in Deutschland bestimmt, nicht überwunden<br />
und wirkt in ihrer einseitigen auf die fachliche Qualifizierung<br />
ausgerichteten <strong>Theorie</strong> die Handlungsunfähigkeit <strong>der</strong> Mitarbeiter<br />
verstärkend bis in die heutige Zeit nach. 116<br />
Betrachtet man rekapitulierend, dass <strong>der</strong> Taylorismus bis in die<br />
70iger Jahre des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts als dominierende<br />
Organisationsform vorzufinden war und teilweise heute noch<br />
vorzufinden ist, so lässt sich ebenfalls bereits hier die allgemein<br />
anzuwendende <strong>Theorie</strong> aufstellen, dass Mitarbeiter, die auch heute<br />
noch unter den Bedingungen des Taylorismus sozialisiert wurden<br />
o<strong>der</strong> werden, gar nicht ohne weiteres in <strong>der</strong> Lage sind,<br />
Arbeitsysteme aktiv zu gestalten, da ihnen die hierzu notwendige<br />
Bildung prinzipiell vorenthalten, bzw. nicht zuteil wurde. Die<br />
115 vgl. Spranger, E. (1922); S. 159 - 177<br />
116 vgl. Gonon, Ph. (1999); S. 8
Seite 46<br />
Trennung von allgemeiner Bildung und beruflicher Bildung spiegelt<br />
sich demnach hypothetisch bis heute auch im Ausbildungssystem<br />
des deutschen Mittelstandes wie<strong>der</strong>.<br />
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass auch in <strong>der</strong><br />
Begriffsgeschichte <strong>der</strong> Bildung ein inhaltlicher Entwicklungsverlauf<br />
festzustellen ist, <strong>der</strong> sich in seinen verschiedenen Ausprägungen<br />
wie<strong>der</strong>um an den Gestaltungsformen <strong>der</strong> Arbeitsorganisation<br />
festmachen lässt. Der beson<strong>der</strong>e Erkenntniswert für die<br />
<strong>Personalentwicklung</strong> im Allgemeinen und den Mittelstand im<br />
Beson<strong>der</strong>en liegt darin, dass vor <strong>der</strong> Implementierung von<br />
<strong>Personalentwicklung</strong>ssystemen und –Maßnahmen, jeweils<br />
rechtzeitig <strong>der</strong> Organisationsgrad des Bezugsbereichs und die<br />
Rahmenbedingungen <strong>der</strong> beruflichen Sozialisation <strong>der</strong> Mitarbeiter<br />
festzustellen sind. Bezogen auf den Betrieb konnte dargelegt<br />
werden, dass das heute vorgefundene Berufsbildungssystem<br />
überwiegend konservativ entwickelt ist und somit nach wie vor für<br />
die Anfor<strong>der</strong>ungen solcher Organisationskonzepte qualifiziert, die<br />
tayloristischen Ursprungs sind. Entsprechend kann von einer<br />
allgemeinen Mitarbeiterqualifikation ausgegangen werden, die<br />
durch das duale Bildungssystem und durch den klassischen<br />
Berufsbildungsbegriff, einseitig auf letztendlich reduzierte fachliche<br />
Fähigkeiten ausgerichtet ist. Unternehmerische Potenziale sind<br />
kaum entwickelt.<br />
3.2 Beruf<br />
Seite 47<br />
Der, wie im vorherigen Abschnitt dargestellt, in <strong>der</strong><br />
Berufsbildungstheorie noch idealisierte Berufsbegriff, hat seine<br />
historischen Wurzeln als ursprünglich religiöser Begriff, <strong>der</strong> in Folge<br />
<strong>der</strong> Reformation auf das Arbeitsleben unter dem<br />
Nützlichkeitscharakter <strong>der</strong> Aufklärung ausgedehnt wurde. 117 Damit<br />
steht <strong>der</strong> Berufsbegriff inhaltlich dem Bildungsbegriff <strong>der</strong> Aufklärung<br />
sehr nah. So kommt Menne in diesem Kontext zur knappen<br />
Definition, dass im Berufsbegriff <strong>der</strong> Berufsbildungstheorie alle<br />
Fertigkeiten und Kenntnisse zusammengefasst wurden, die im<br />
Rahmen einer Ausbildung erworben und in <strong>der</strong> Praxis vertieft<br />
wurden. 118 Deutlich ist hier <strong>der</strong> enge Bezug zwischen dem Beruf<br />
und den tatsächlichen Tätigkeiten festzustellen. Dieser Berufsbegriff<br />
beinhaltet jedoch nicht die im Sinne einer mo<strong>der</strong>nen<br />
<strong>Personalentwicklung</strong> zur Bewältigung konsequenter<br />
Arbeitsprozesse notwendige Fähigkeit, vorgefundene<br />
Arbeitssysteme kritisch zu analysieren und zu verän<strong>der</strong>n.<br />
Mit <strong>der</strong> ”realistischen Wende” in <strong>der</strong> Bildungstheorie und –praxis<br />
während <strong>der</strong> 70er Jahren wurde <strong>der</strong> idealisierte Berufsbegriff<br />
grundsätzlich in Frage gestellt. 119 Neben <strong>der</strong> Intabilität des<br />
Berufsbegriffs wurde auch <strong>der</strong> Verlust <strong>der</strong> tradierten<br />
gesellschaftlichen Schutzfunktion erörtert, gemäß <strong>der</strong> dem Beruf<br />
eine die Sozialposition legitimierenden Funktion zukommt. <strong>12</strong>0 Dies<br />
führt dazu, dass Arbeitnehmer und Gewerkschaft an einem<br />
schützenden Berufsbegriff festhalten, was wie<strong>der</strong>um die praktische<br />
Überwindung des Taylorismus erschwert. Littek/Heisig untermauern<br />
aktuell diese These in dem sie feststellen, dass das Festhalten am<br />
117 Menne, P. (1999); S. 220<br />
118 vgl. Menne, P. (1999); S. 220<br />
119 vgl. Gonon, Ph. (1999); S. 8<br />
<strong>12</strong>0 vgl. Clement, U. (1996); S. 617 ff.
Seite 48<br />
klassischen idealsierten Berufsbegriff sogar die Diffusion neuer<br />
Organisationskonzepte behin<strong>der</strong>t. <strong>12</strong>1<br />
Wichtig ist die Feststellung, dass <strong>der</strong> verklärte Berufsbegriff an<br />
tradierten Organisationsformen des Taylorismus festhält und damit<br />
die Diffusion mo<strong>der</strong>nen Organisationen verhin<strong>der</strong>t.<br />
Weniger pointiert, differenziert Dostal den Berufsbegriff inhaltlich je<br />
nach Qualifikationsstufe. Nach seiner Erkenntnis behält <strong>der</strong> Beruf<br />
seine historische Legitimation für höhere Qualifikationsstufen<br />
während für niedrigere Stufen die Beruflichkeit sich zum zeitlich und<br />
inhaltlich flexiblen und gleichzeitig beschränkten Job-Begriff<br />
gewandelt hat. <strong>12</strong>2 Im Sinn <strong>der</strong> post-tayloristischen <strong>Theorie</strong> stellt<br />
Lipsmeier fest, dass <strong>der</strong> Beruf als pädagogisch definierter Begriff<br />
unter den neuen Produktionsbedingungen nicht mehr haltbar ist.<br />
Vielmehr stellt <strong>der</strong> Berufsbegriff heute eine ”Handelsbezeichnung<br />
für Qualifikationsbündel auf dem Arbeitsmarkt” <strong>12</strong>3 dar.<br />
Die hier dargestellten theoretischen Diskussionsbeiträge lassen sich<br />
in einer doppelten Sicht auf den Berufsbegriff zusammenfassen.<br />
Zum einen definiert sich <strong>der</strong> Beruf über die formale Festlegung nach<br />
<strong>der</strong> beruflichen Ausbildung, zum an<strong>der</strong>en in <strong>der</strong> jeweils aktuellen<br />
ausgeübten Tätigkeit. <strong>12</strong>4 Beide Sichtweisen werden in <strong>der</strong> Praxis<br />
und Wissenschaft begrifflich parallel angewandt und nicht immer<br />
angemessen differenziert. <strong>12</strong>5<br />
3.3 Qualifikation<br />
<strong>12</strong>1 vgl. Littek, W et al. (1996)<br />
<strong>12</strong>2 Dostal, W. (1998); S. 438 ff<br />
<strong>12</strong>3 Lipsmeier, A. (1998); S. 481 ff<br />
<strong>12</strong>4 vgl. Dostal , W. (1999); S. 41<br />
<strong>12</strong>5 vgl. Dostal, W. (1999); S.41<br />
Seite 49<br />
Als theoretische Erweiterung und zur Überwindung des<br />
einschränkenden idealisierten Berufsbegriff wird in <strong>der</strong> Praxis und<br />
Literatur <strong>der</strong> Qualifikationsbegriff verwand. Brauer führt jedoch<br />
problematisch auch zum Qualifikationsbegriff aus, dass es hier<br />
keine ”realdefinitorische” Festlegung gibt. <strong>12</strong>6 Beispielsweise<br />
definieren Pawlowski/Bäumer stark auf die konkrete Arbeitstätigkeit<br />
ausgerichtet, dass ”Qualifikationen als Kenntnisse, Fähigkeiten und<br />
Fertigkeiten, ausgehend von spezifischen Tätigkeitsmerkmalen<br />
definiert werden.” <strong>12</strong>7 Damit wird die Qualifikation als spezifisches<br />
Tätigkeitsmerkmal <strong>der</strong> Arbeit, gelöst vom Bildungs- und<br />
Berufsbegriff, definiert. Weinbrenner erweitert diese Auffassung,<br />
indem er Qualifikationen als ”die objektiven Anfor<strong>der</strong>ungen eines<br />
bestimmten Berufs o<strong>der</strong> Arbeitsplatzes” <strong>12</strong>8 definiert. Damit rückt er<br />
von <strong>der</strong> alleine auf fachliche Fertigkeiten bezogenen Definition ab.<br />
Konkret führt er zur Definition aus, dass <strong>der</strong> ”Qualifikationsbegriff...<br />
den Bildungsbegriff weitgehend überlagert, zum Teil sogar<br />
verdrängt hat,.. aber dann zunehmend wie<strong>der</strong> erweitert wurde und<br />
damit, insbeson<strong>der</strong>e mit dem Subjektbezug, auch wie<strong>der</strong> Elemente<br />
des Bildungsbegriffs aufnimmt.” <strong>12</strong>9 Berufliche Bildung als berufliche<br />
Qualifikation und individuelle Bildung im humanistischen Sinne<br />
überlagern sich demnach hier wie<strong>der</strong>. Dem folgend kommt<br />
konsequent auch Brauer zur umfassenden Definition, dass ”unter<br />
Qualifikation ... die Gesamtheit aller Kenntnisse, Fähigkeiten und<br />
Fertigkeiten eines Individuums subsumiert werden, welche ...im<br />
Verlauf .... beruflicher Qualifizierungsprozesse systematisch und<br />
planvoll erworben werden und die Befähigung einer Person für die<br />
Bewältigung einer bestimmten Aufgabenstellung im beruflichen<br />
<strong>12</strong>6 Brauer, B. (1989); S. 18<br />
<strong>12</strong>7 Pawlowski, P et al. (1996); S. 7<br />
<strong>12</strong>8 Weinbrenner, P. (1990); S. 4; vgl. auch Hentrich, J. et al. (1991); S. 10<br />
<strong>12</strong>9 Weinbrenner, P. (1990); S. 10
Seite 50<br />
Kontext konstituiert.” 130 Diese Definition stellt das Individuum sowohl<br />
in seiner Arbeitswelt, als auch in seinem sozialen Kontext in den<br />
Mittelpunkt <strong>der</strong> Betrachtungen. So rücken auch Bildungsinhalte in<br />
die betrieblichen Betrachtungen, die ursprünglich und unmittelbar<br />
nicht funktional-beruflicher Natur sind. Hier zeigt sich deutlich, dass<br />
mit dem Qualifikationsbegriff, die im Taylorismus fundierte<br />
Trennung von Beruf und Bildung überwunden wird. Deutlich bleibt<br />
jedoch, dass im Qualifikationsbegriff <strong>der</strong> Anteil an fachlichen<br />
Fertigkeit noch überwiegt und mit ihm Anfor<strong>der</strong>ungen an die<br />
Fähigkeiten zur Gestaltung <strong>der</strong> Organisationen noch nicht<br />
umfassend beschrieben sind.<br />
Zur Bedeutung und Verleitung des post-tayloristischen<br />
Qualifikationsbegriffs, wie ihn unter an<strong>der</strong>em Bauer definiert hat,<br />
stellen Kern/Schumann für die Gruppe <strong>der</strong> Produktionsfacharbeiter<br />
bezüglich <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong> fachlichen Qualifikationen fest, dass<br />
Mitte <strong>der</strong> 70ger Jahre die neuen Arbeitsorganisationen ”eine sehr<br />
hohe Gesamtübersicht und eine große Eingriffssicherheit auch im<br />
Fall schwer kalkulierbarer .... Unregelmäßigkeiten (verlangen,<br />
Verf.). Zumindest muss <strong>der</strong> Systembetreuer sicher improvisieren<br />
können und effektive Überbrückungslösungen finden. Schließlich<br />
wird, damit zusammenhängend, das Erlernen neuer<br />
Eingriffstechniken verlangt.” 131 Deutlich wird hier noch an die hohe<br />
Bedeutung <strong>der</strong> fachlichen Qualifikation appelliert. Genauso verweist<br />
auch Litzenberg 10 Jahre später für die Facharbeiter in <strong>der</strong><br />
Automobilindustrie darauf, dass sie über die erfor<strong>der</strong>lichen Anlagen-<br />
und Prozesskenntnisse verfügen müssen. Darüber müssen die<br />
Produktionsfacharbeiter ”Zusammenhänge und die Wirkungen ihres<br />
130 Brauer, B. (1989); S. 19<br />
131 Kern, H. et al. (1984); S. 196<br />
Seite 51<br />
Tuns auf die gesamte Anlage einschätzen.” 132 Postulate des<br />
dequalifizierenden Taylorismus lassen sich hier nicht mehr finden.<br />
Qualifikation bedeutet hier weitaus umfassen<strong>der</strong>e Fähigkeiten, als<br />
diese in den möglichst reduzierten Anfor<strong>der</strong>ungen des Taylorismus<br />
gefor<strong>der</strong>t wurden. Für den Bereich des Maschinenbaus stellen<br />
Hauptmanns/Seitz Mitte <strong>der</strong> 90ger Jahre ebenfalls die anhaltende<br />
Notwendigkeit und Bedeutung <strong>der</strong> Vermittlung von fachlichen<br />
Qualifikationen unter Beweis, in dem sie ausführen, ”dass<br />
betriebliche Qualifizierungsmaßnahmen nach wie vor primär auf die<br />
Erweiterung und Aktualisierung fachlich-technischer Kenntnisse<br />
ausgerichtet sind.” 133<br />
Für den Angestelltenbereich kommen Baethge/Oberbeck, auch die<br />
fachliche Qualifikationen herausstellend, zu dem Ergebnis, ”dass<br />
das, was in <strong>der</strong> Vergangenheit den Dienstleistungsunternehmen<br />
gute Dienste geleistet hat, auch für die Bewältigung <strong>der</strong> schwieriger<br />
gewordenen Konkurrenzbeziehungen das probate Heilmittel<br />
abgeben könnte: die Fachqualifikation <strong>der</strong> Angestellten.” 134 Ebenso<br />
kann mit speziellem Fokus auf die Entwicklung <strong>der</strong><br />
Qualifikationsstruktur von weiblichen Angestellten als wesentliche<br />
Qualifikationsanfor<strong>der</strong>ung angesehen werden, ”dass die<br />
Anfor<strong>der</strong>ungen an die kaufmännischen Fachqualifikationen<br />
ansteigen.” 135<br />
Die Relevanz von fachlichen Qualifikationen und <strong>der</strong>en Vermittlung<br />
ist somit als wichtiges Faktum im Rahmen von<br />
Qualifizierungsmaßnahmen mit dem Ziel einer Qualifizierung zum<br />
132 Litzenberg, G. (1987); S. 218<br />
133 Hauptmanns, P. et al. (1993); S. 93<br />
134 Baetghe, M. et al. (1986); S. 330<br />
135 Gottschall, K. et al. (1989), S. 210
Seite 52<br />
Einsatz auf adäquaten Arbeitsplätzen unter mo<strong>der</strong>nen<br />
Organisationsbedingungen zu beachten. Die Vermittlung von<br />
fachlichen Qualifikationen <strong>der</strong> Mitarbeiter im Umgang mit <strong>der</strong><br />
mo<strong>der</strong>ner Technologie bzw. solchen Dienstleistungen sind<br />
demnach Teilziel einer jeden innovativen <strong>Personalentwicklung</strong>.<br />
Auch <strong>der</strong> Berufsbildungsbericht 1996 stellt fest, dass im Rahmen<br />
<strong>der</strong> beruflichen Weiterbildung weiterhin ein hohes Maß an neuen<br />
fachlichen Qualifikationen vermittelt werden muss. 136 Hier zeigt sich<br />
die Bedeutung des Qualifikationsbegriffs als maßgebliche<br />
Voraussetzung bei <strong>der</strong> Einführung neuer Organisationsformen. 137<br />
3.4 Schlüsselqualifikationen<br />
Staudt/Kriegesmann stellen über die Erkenntnisse zur Bedeutung<br />
<strong>der</strong> fachlichen Qualifikationen jedoch empirisch belegt fest, dass<br />
<strong>der</strong> Anteil an fachlichen Qualifikationen an <strong>der</strong> gesamten<br />
Handlungskompetenz eines Mitarbeiters nur 20 % darstellen. 138<br />
Dies bedeutet, dass fachliche Qualifikationen zwar Voraussetzung<br />
sind, aber alleine noch nicht ausreichen können, die Arbeitssysteme<br />
proaktiv durch die Mitarbeiter zu verän<strong>der</strong>n. Hier zeigt sich erneut<br />
deutlich, dass wie weiter oben bereits erörtert, die Vermittlung von<br />
fachlichen Fähigkeiten als Gegenstand und Ziel <strong>der</strong> beruflichen<br />
Bildung alleine zu kurz greifen. Selbst <strong>der</strong> zeitgemäße<br />
Qualifikationsbegriff kann die traditionell verengte Sicht <strong>der</strong> fachlich<br />
ausgerichteten beruflichen Bildung nicht überwinden. Deshalb gilt<br />
es im Folgenden weitere Komponenten aufzudecken und einer<br />
begrifflichen Definition zuzuführen, die möglichst das Gesamtbild<br />
136 Berufsbildungsbericht (1996); S. 115; vgl. auch Schlaffke, W. (1994); S. 33<br />
137 vgl. Kern, M. et al. (1984); S. 323, vgl. auch: Huppertz, M. (1993); S.63 und Bullinger, H.J. (1987);<br />
S.115<br />
138 Staudt, E. et al. (1999); S. xx??<br />
Seite 53<br />
<strong>der</strong> beruflichen Handlungsmöglichkeiten abbilden. Dieser<br />
Gesamtansatz wurde am Wendepunkt des Taylorismus durch die<br />
Ergänzung <strong>der</strong> fachlichen Qualifikationen um die sogenannten<br />
„Schlüsselqualifikationen“ zu erreichen versucht. Entsprechend wird<br />
in diesem Abschnitt ein weiteres maßgebliches Grundelement zur<br />
proaktiven Gestaltung von Arbeitssystemen, die<br />
„Schlüsselqualifikationen“, beschrieben und diskutiert.<br />
Die Diskussion des Begriffs ”Schlüsselqualifikation” und die ihm<br />
zugrundeliegende Verwendung im Zusammenhang mit <strong>der</strong><br />
Einführung neuer Organisationskonzepte stehen, wie oben<br />
eingeleitet, im Mittelpunkt <strong>der</strong> folgenden Erörterung. Vorab wurde<br />
bereits beschrieben, dass gerade vor dem Hintergrund neuer<br />
Arbeitsorganisationskonzepte und eines dynamisch wachsenden<br />
Wirtschaftssystems, <strong>der</strong> traditionelle Qualifikationsbegriff, <strong>der</strong> auf <strong>der</strong><br />
Analyse und Vermittlung funktionaler Fertigkeiten und Kenntnisse<br />
abzielt, unzureichend ist. Erfor<strong>der</strong>lich ist deshalb eine Erweiterung<br />
des Qualifikationsbegriffs um Aspekte extrafunktionaler<br />
Fähigkeiten. 139<br />
Grundlegend wird zur Überwindung des einseitigen und damit<br />
unzureichenden Begriffs <strong>der</strong> fachlichen Qualifizierung <strong>der</strong> Begriff<br />
<strong>der</strong> Schlüsselqualifikationen eingeführt. 140 Dass <strong>der</strong> Zeitpunkt <strong>der</strong><br />
Genese dieser <strong>Theorie</strong> mit dem Ende <strong>der</strong> tayloristischen<br />
Arbeitsorganisation gleichzusetzen ist zeigt, dass dies Konzept im<br />
Zusammenhang einer latenten Qualifikationsplanungsunsicherheit<br />
zu sehen ist, die Anfang <strong>der</strong> 70er Jahre mit dem Einsetzen des<br />
139 vgl. Drosten, S. (1999); S. 196<br />
140 vgl. Mertens, D. (1974)
Seite 54<br />
organisatorischen Paradigmenwechsels zu beobachten war. 141 Im<br />
Zusammenhang des Paradigmenwechsels ”wurden neben rein<br />
fachlichen Qualifikationsanfor<strong>der</strong>ungen Fähigkeiten erfor<strong>der</strong>lich wie<br />
Sozialkompetenz ......, Methodenkompetenz ........ und an<strong>der</strong>e<br />
überfachliche Qualifikationen, die unter dem Sammelbegriff <strong>der</strong><br />
Schlüsselqualifikationen gefasst werden.” 142 Die<br />
Prognoseunsicherheit 143 unter den Rahmenbedingungen <strong>der</strong> neuen<br />
Organisationskonzepte versuchte Mertens ”mit dem Blick auf die<br />
Gestaltung des Bildungssystems produktiv zu wenden, indem er<br />
eine Neuorientierung für das Bildungssystem for<strong>der</strong>t, die dem<br />
beschleunigten und immer komplexer werdenden wirtschaftlichen<br />
und gesellschaftlichen Entwicklungsprozess Rechnung tragen<br />
sollte.” 144 Es galt, den betont dequalifizierenden Taylorismus hin zu<br />
einer proaktiven qualifizierten Mitgestaltung zu überwinden. 145<br />
Mertens ging es darum, Qualifikationen zu bestimmen, die sich für<br />
eine ”große Zahl von Positionen und Funktionen als alternative<br />
Optionen zum gleichen Zeitpunkt” und für die ”Bewältigung einer<br />
Sequenz von Anfor<strong>der</strong>ungen im Laufe des Lebens” 146 eignen<br />
sollten. Diese Fähigkeiten und die Erwartungen an das<br />
Arbeitsvermögen sollten nicht länger ausschließlich an konkretes<br />
Können geknüpft werden, son<strong>der</strong>n umfassten auch solche, die über<br />
den kurzfristigen Erwerb fachlicher Fähigkeiten hinausgehen. 147 Zur<br />
Bedeutung <strong>der</strong> Schlüsselqualifikationen führt auch Stiller aus, dass<br />
generell die Anfor<strong>der</strong>ungen an die berufliche Handlungskompetenz,<br />
insbeson<strong>der</strong>e an die Methoden, Sozial- und Personalkompetenz,<br />
141 vgl. Klein, R. et al. (1993); S. 148 ff<br />
142 Pawlowski, P. et al. (1996); S. 25<br />
143 vgl. Elbers, D. et al. (1975); S. 27<br />
144 Klein, R. et al. (1993); S. 149<br />
145 vgl. Mertens, D. (1974); S. 38<br />
146 Mertens, D. (1974); S. 40<br />
147 vgl. Klein, R. et al. (1993); S. 149<br />
Seite 55<br />
sich erhöhen müssen, um überhaupt wettbewerbsfähig bleiben zu<br />
können. 148 Lutz ergänzt hierzu, dass im Zentrum <strong>der</strong> Qualifikationen<br />
die Fähigkeit stehen muss, ”auf <strong>der</strong> Basis eines breiten<br />
gemeinsamen Sockels an Wissen und Können neues,<br />
möglicherweise sehr disparates Wissen so aufzunehmen und zu<br />
verarbeiten, dass es rasch in <strong>der</strong> alltäglichen Arbeit nutzbar<br />
gemacht werden kann.” 149<br />
Inzwischen lässt sich die Diskussion um Schlüsselqualifikationen in<br />
<strong>der</strong> Fachliteratur an vielen Stellen festmachen. Gottschall und<br />
an<strong>der</strong>e kommen zum Beispiel zu <strong>der</strong> Erkenntnis, dass ”die<br />
erfolgreiche Bewältigung von neuen Anfor<strong>der</strong>ungen, wie sie zum<br />
Beispiel im Rahmen <strong>der</strong> sogenannten beratungsintensiven<br />
Verkaufskonzepte auftreten, ......erst dann als Qualifikation bzw.<br />
Qualifikationszuwachs definiert werden (kann, Verf.), wenn die<br />
entsprechenden Fähigkeiten und Kenntnisse auf ein ....<br />
verallgemeinerbares Niveau gehoben, und ein Stück weit von dem<br />
individuellen Lern- und Leistungsvermögen ... gelöst würden.” 150<br />
Genauso wie hier unter dem speziellen Blickwinkel <strong>der</strong><br />
Qualifizierung von Frauen erarbeiteten Feststellung, kommt auch<br />
das Ifo-Institut bereits 1980 in einer breit angelegten Untersuchung<br />
zu <strong>der</strong> Feststellung, dass nicht das Erlernen von speziellen<br />
Kenntnissen <strong>der</strong> Stoffbearbeitung in dem betreffenden Berufsfeld<br />
<strong>der</strong> Facharbeiter künftig im Vor<strong>der</strong>grund stehen wird, son<strong>der</strong>n dass<br />
dies die Aneignung von Schlüsselqualifikationen sein wird. 151<br />
Geißler führt schon 1987 bestätigend hierzu aus: ”Allgemeine<br />
Befähigungen .... ermöglichen als Basis- und<br />
148 Stiller, I. (1996); S. 4; vgl. auch Reisach, U. (1995); S. 622<br />
149 Lutz, B. (1996); S. 89<br />
150 Gotschall, K. et al. (1989); S. 136<br />
151 vgl. Albert, K. et al. (1996); S. 13
Seite 56<br />
Schlüsselqualifikationen im Hinblick auf neue Technologien eine<br />
dynamische Neuorientierung. Diese Schlüsselqualifikationen sind<br />
auch wichtig, um unter verän<strong>der</strong>ten Bedingungen das<br />
Zusammenleben und Zusammenarbeiten zu gestalten.” 152 Auch<br />
Schlaffke kommt 1994 zur Aussage: ”Nicht irgendwelche beliebigen<br />
Facharbeiter o<strong>der</strong> als Facharbeiter definierten Kräfte werden<br />
gebraucht, son<strong>der</strong>n Mitarbeiter, die ein beson<strong>der</strong>es Verbundsystem<br />
aus Fach- und Schlüsselqualifikationen verfügen.” 153 Diese Zitate<br />
belegen die Bedeutung des Schlüsselqualifikations-Begriffs in <strong>der</strong><br />
Übergangsphase vom Taylorismus zu den mo<strong>der</strong>nen<br />
Arbeitsorganisationsformen und können gleichzeitig zu kritischen<br />
Anmerkungen überführen.<br />
Zur kritischen Reflexion kann das oben angeführte Zitat von Geißler<br />
weitergeführt werden, wenn er aussagt: ” Der Arbeitsmarkt wird<br />
den Erwerbstätigen in Zukunft verstärkt eine branchenübergreifende<br />
Flexibilität und Mobilität abverlangen. Für berufliche Weiterbildung<br />
bedeutet dies: Es werden verstärkt Qualifikationsbestätigungen<br />
(Schlüsselqualifikationen; Verf.) nachgefragt, die betriebs- und<br />
branchenunabhängig zu verwenden sind.” 154 Die hier unterstellte<br />
Flexibilisierung , hat auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite jedoch auch eine<br />
Vernachlässigung <strong>der</strong> Schutzfunktionen des Berufs und damit auch<br />
<strong>der</strong> Qualifikationen zur Folge und stellt die Interessen <strong>der</strong><br />
Unternehmer bei gleichzeitiger sozialer Destabilisierung <strong>der</strong><br />
Mitarbeiter den Vor<strong>der</strong>grund des Betrachters. 155<br />
152 Geißler, C. (1987); S. 92; vgl. auch Hentrich, J. (1991); S. 49<br />
153 Schlaffke, W. (1994); S. 33; vgl. auch Hensge, K. et al. (1996); S. 17<br />
154 Geißler, C (1987); S. 99; vgl. auch Albert, K. et al. (1996); S. 13<br />
155 vgl. Thomssen, W. (1978); S. 71<br />
Seite 57<br />
Kritiker führen in diesem Sinne an, dass <strong>der</strong> Mitarbeiter durch die<br />
auf flexiblen Arbeitseinsatz bezogene Entberuflichung seine<br />
Orientierung an einer festen Lebensplanung und damit langfristig<br />
Leistungsmotivation verliert. Die Zurückstellung konkreter fachlicher<br />
Qualifikationsziele macht den Mitarbeiter zum Spielball <strong>der</strong> sich<br />
ständig wandelnden Organisationskonzepte. 156 Nach Geißler hat<br />
<strong>der</strong> Verzicht auf konkrete Qualifikationsziele eine ständige<br />
Entwertung schon erworbener Qualifikationen zur Folge. 157<br />
Schlüsselqualifikationen dienen so verstanden ausschließlich dem<br />
Flexibilisierungsinteresse, ständig und möglichst kurzfristig<br />
qualifiziertes Personal einsetzen zu können. 158 ”Zielsetzung und<br />
Instrumente .... <strong>der</strong> Arbeitgeber sind entsprechend ausgelegt.<br />
Beabsichtigt ist die kurzfristige, möglichst reibungslose Anpassung<br />
<strong>der</strong> betroffenen Arbeitskräfte an die Erfor<strong>der</strong>nisse <strong>der</strong> neuen<br />
Technologien.” 159 Hier stellt sich die Frage, ob die im Mittelstand<br />
vorzufindenden hohen Fluktuationsraten 160 nicht gerade darin ihre<br />
Ursache haben, dass Schlüsselqualifikation in diesem<br />
Wirtschaftssegment beson<strong>der</strong>s nach gefragt werden und bei<br />
gleichzeitiger Vernachlässigung <strong>der</strong> fachlichen Qualifikationen,<br />
somit vielfach Beschäftigungsverhältnisse bestehen, die latent vom<br />
Arbeitsplatzwechsel bedroht sind.<br />
Diese kritische Bewertung aufgenommen und verbunden mit <strong>der</strong><br />
Konsequenz einer Vernachlässigung <strong>der</strong> Schlüsselqualifikation<br />
würde jedoch an<strong>der</strong>erseits grundsätzlich die innovative<br />
Gestaltungschance durch <strong>Personalentwicklung</strong> in den neuen<br />
156<br />
vgl. Severing, E. (1994); S. 74<br />
157<br />
Geißler, K. (1990); S. 55 - 59<br />
158<br />
vgl. Klein, R. et al. (1993); S. 154; vgl. auch Hendrich, W. (1994); S. 29; auch Severing, E. (1994); S.<br />
207<br />
159<br />
Preiss H. et al. (1988); S. 240; vgl. auch Weinbrenner, P. 1990; S. 9 und 10<br />
160<br />
vgl. zu den hohen Fluktuationsraten Alewell et al. (2001); S. 575
Seite 58<br />
Organisationskonzepten außer Acht lassen. 161 ”Von daher<br />
gewinnen Ansätze an Bedeutung, die in ihren Überlegungen von<br />
<strong>der</strong> Frage ausgehen, wie sich Kompetenzen, mit denen man<br />
aktuelle und zukünftige Arbeitssituationen nicht nur bewältigen,<br />
son<strong>der</strong>n auch gestalten vermag, vermitteln lassen.” 162 Es geht<br />
hierbei darum, im Zuge neuer Arbeitsorganisation entstehende<br />
Qualifikationsanfor<strong>der</strong>ungen nicht nur als zu vermittelnde<br />
Schlüsselqualifikationen zu katalogisieren, son<strong>der</strong>n diese auch<br />
immer unter dem Aspekt <strong>der</strong> möglichen Gestaltungsfähigkeit des<br />
Arbeitnehmers zu betrachten. 163 Denn gerade hier liegt eine<br />
beson<strong>der</strong>e Chance <strong>der</strong> neuen Organisationskonzepte und <strong>der</strong> damit<br />
einhergehenden Qualifizierung. 164 Einen diesen Aspekt<br />
berücksichtigenden theoretischen Ansatz hat Laur-Ernst 165 1990 im<br />
Rahmen eines Symposiums in Hamburg zur Diskussion <strong>der</strong><br />
Bedeutung von Schlüsselqualifikationen vorgelegt. 166<br />
Zur Abhebung vom strapazierten Begriff <strong>der</strong><br />
Schlüsselqualifikationen, es gibt unübersehbar viele<br />
Begriffsdefinitionen 167 , schlägt Laur-Ernst vor, von<br />
berufsübergreifenden Qualifikationen zu reden. 168 Weilnböck-Buck<br />
führt hierzu insbeson<strong>der</strong>e aus, dass qualifikatorisch mit dieser<br />
Mo<strong>der</strong>nisierungsdiskussion ”Brückenqualifikationen”, als <strong>der</strong><br />
Fähigkeit, fachlich über Berufs- und Funktionsgrenzen hinweg<br />
problembezogen zu diskutieren ist 169 . Das von Mertens entwickelte<br />
161<br />
vgl. Severing, E. (1994); S. 208 und Staudt, E (1999); S. 13<br />
162<br />
Klein, R. et al. (1993); S. 159<br />
163<br />
vgl. Preiss, H. et al. (1988); S. 240 ff<br />
164<br />
vgl. Fredecker, I (1991); S. <strong>12</strong>1 ff; auch Reisach, U. (1995); S. 620<br />
165<br />
Laur-Ernst, U. (1990); S. 36 ff<br />
166<br />
vgl. Brödner, P. (1985)<br />
167<br />
Klein, R. et al. (1993); S. 158<br />
168<br />
vgl. Severing, E. (1994); S. 79<br />
169<br />
Weilnböck-Buck, I. (1996); S. 150<br />
Seite 59<br />
Schlüsselqualifikationsmodell ist damit kritisch aufgearbeitet werden<br />
und von einem einseitigen Flexibilisierungsansatz in eine innovative<br />
Konzeption überführt worden 170 . Auch hier ist wie<strong>der</strong> <strong>der</strong> deutliche<br />
Bezug zwischen <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong> Organisationsparadigmen und<br />
<strong>der</strong> angewandten Begriffe festzustellen.<br />
Diesem Verständnis von Schlüsselqualifikationen als<br />
berufsübergreifende innovative Qualifikationen im Sinne von<br />
Brückenqualifikationen soll wegen ihres ganzheitlichen Ansatzes 171 ,<br />
das auch die Gestaltungschancen und- aufgaben des Mittelstandes<br />
beinhaltet, weiter gefolgt werden.<br />
3.5 Motivation und Leistung<br />
Der wirtschaftsoziologische Begriff <strong>der</strong> Motivation 172 definiert sich<br />
ursprünglich aus <strong>der</strong> Verhaltenspsychologie. Hier wird Motivation als<br />
innerer Antrieb verstanden, die Umweltbedingungen über das<br />
Lebensnotwendige hinaus durch Arbeit zu verän<strong>der</strong>n. 173 Dem<br />
zugrunde liegt die Erkenntnis, dass allem menschlichen Handeln<br />
vier emotionale Grundbedürfnisse zugrunde liegen, also von<br />
grundlegenden Trieben gelenkt werden. „Diese vier Grundtriebe<br />
sind im menschlichen Hirn fest verankert und müssen befriedigt<br />
werden. Der Grad <strong>der</strong> Befriedigung dieser Triebe hat Auswirkungen<br />
auf unsere Gefühle und damit auch auf unser Verhalten.“ 174 Die<br />
vier Triebfaktoren sind:<br />
170<br />
zur kritischen Diskussion des Schlüsselqualifikationsmodells von Mertens vgl. Reetz, L. et al. (1990)<br />
und Döring, R. (1994)<br />
171<br />
vgl. Albert, C. et al. (1996); S. 13<br />
172<br />
Gabler Verlag (<strong>2010</strong>); Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: Motivation, online im Internet:<br />
http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/55007/motivation-v4.html<br />
173<br />
Wirtschaftslexikon24.net (<strong>2010</strong>); http://www.wirtschaftslexikon24.net/d/motivation/motivation.htm<br />
174 Fricke, K./Mertens, R; (2009); S. 24
Seite 60<br />
- <strong>der</strong> Besitztrieb,<br />
- <strong>der</strong> Trieb sich zu binden,<br />
- <strong>der</strong> Trieb, die Zusammenhänge zu verstehen und,<br />
- <strong>der</strong> Trieb, Besitz zu verteidigen und zu bewahren. 175<br />
Maßgeblichen Einfluss auf die Befriedigung <strong>der</strong> vorgenannten<br />
Triebe haben das Vergütungssystem, die Unternehmenskultur, die<br />
Gestaltung <strong>der</strong> Arbeitsinhalte und die Prozesse <strong>der</strong><br />
Ressourcenzuteilung sowie die Leistungssteuerung. Bedeutsam ist<br />
hierbei die Erkenntnis, dass nicht erfüllte Befriedigung in einem <strong>der</strong><br />
Triebe nicht durch Übererfüllung in einem an<strong>der</strong>en Segment<br />
ausgeglichen werden kann.<br />
Aus diesen Erkenntnissen wächst für die <strong>Personalentwicklung</strong> die<br />
Erkenntnis, dass Maßnahmen <strong>der</strong> <strong>Personalentwicklung</strong> sich an <strong>der</strong><br />
Erfüllung <strong>der</strong> vorgenannten Grundtriebe orientieren müssen. Jede<br />
Maßnahme, die nicht in einem konkreten Zusammenhang zur<br />
Trieberfüllung steht, o<strong>der</strong> gar kontraproduktiv ist, wird demotivierend<br />
wirken. 176 Die <strong>Personalentwicklung</strong> wird dabei in <strong>der</strong> Hauptsache auf<br />
den Trieb, Zusammenhänge verstehen zu wollen ausgerichtet sein.<br />
Die Besitztriebe werden in <strong>der</strong> Hauptsache durch<br />
Entlohnungsstrategien befriedigt, und beeinflussen das „Handlungs-<br />
Wollen“. Die die Leistung bestimmenden Faktoren des „Könnens“<br />
und des „Dürfens“ korrelieren in starkem Maße mit <strong>der</strong> Befriedigung<br />
des Triebes Zusammenhänge verstehen zu wollen. 177<br />
Niermeyer/Seyffert vertiefen die von Niermeyer 2007 aufgestellte<br />
175 vgl. Fricke, K./Mertens, R (2009); S. 24 ff<br />
176 vgl. Spenger R.K.; (2005); Mythos Motivation<br />
177 vgl. Niermeyer, R.; (2007); Motivation<br />
Seite 61<br />
Leistungsformel als Produkt aus Können, Wollen und Dürfen. 178<br />
Arbeits-Leistung wird in diesem Zusammenhang als messbare<br />
quantitative o<strong>der</strong> qualitative Zielgröße gemessen. Eine 100%ige<br />
Arbeitsleistung ist demnach erfüllt, wenn <strong>der</strong> Mitarbeiter die vorab<br />
gesetzte Zielgröße erreicht. 179<br />
4 <strong>Personalentwicklung</strong> als Kern-Prozess des<br />
Personalmanagements<br />
Wie in den vorangegangenen Kapiteln aufgezeigt, wird die<br />
<strong>Personalentwicklung</strong> als Teilprozess des Personalmanagements 180<br />
von Wissenschaftlern und Unternehmensmanagern als ein<br />
entscheiden<strong>der</strong> Baustein gesehen, die Organisationsentwicklung<br />
<strong>der</strong> Unternehmen zu unterstützen, um somit den wirtschaftlichen<br />
Erfolg zu steigern und die Mitarbeiter an die Unternehmen zu<br />
binden. 181 In diesem Sinne muss die <strong>Personalentwicklung</strong> als ein<br />
strategischer Erfolgsfaktor zur Unternehmensentwicklung<br />
angesehen werden. 182 Insgesamt überwiegen so auch in <strong>der</strong><br />
aktuellen wissenschaftlichen und praktischen Diskussion die<br />
Erkenntnisse und Meinungen, die <strong>der</strong> <strong>Personalentwicklung</strong> eine<br />
entscheidende Rolle bei <strong>der</strong> Unternehmensentwicklung und somit<br />
bei <strong>der</strong> Erzielung des wirtschaftlichen Erfolges zuordnen. 183 Dies<br />
bestätigt sich aktuell in den empirischen Untersuchungen von<br />
Wun<strong>der</strong>er /Dick 184 , Hochschule Sankt Gallen sowie von<br />
Rosche/Groß/Egeler, Fachhochschule Konstanz. 185 Punktgenau<br />
178<br />
vgl. Niermeyer, R./Seyffert, M.; (2009); Motivation<br />
179<br />
Gabler Verlag (<strong>2010</strong>); Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: Motivation, online im Internet<br />
http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/86529/arbeitsleistung-v4.html<br />
180<br />
vgl. Wun<strong>der</strong>er, R. (2000); S. 158<br />
181<br />
Worrach, U. (2001); S. 66- 69<br />
182<br />
Bötel, C. et al. 1999; S. 17, und Hoffmann, H. (2000); S. 50<br />
183<br />
vgl. Wun<strong>der</strong>er, R. (2000); S. 73 und 154<br />
184<br />
vgl. Wun<strong>der</strong>er, R. et al. (2000)<br />
185<br />
Rosche, J-D. et al. (2001)
Seite 62<br />
stellt Wun<strong>der</strong>er auf einer gesicherten empirischen Basis demnach<br />
fest, dass <strong>Personalentwicklung</strong> in den nächsten 10 Jahren als<br />
wichtigste Personalfunktion zu betrachten ist. Dabei kommt ihr <strong>der</strong><br />
höchste Bedeutungszuwachs gegenüber allen an<strong>der</strong>en<br />
Personalmanagementfunktionen zu. 186 Die Konstanzer<br />
Untersuchung kommt zum gleichen Ergebnis. 187<br />
Entgegen <strong>der</strong> wissenschaftlichen Erkenntnis zur Bedeutung <strong>der</strong><br />
<strong>Personalentwicklung</strong> kommt Merk jedoch mit starkem Praxisbezug<br />
zum Fazit, dass die deutschen Manager die Bedeutung <strong>der</strong><br />
<strong>Personalentwicklung</strong> zwar erkannt haben, aber diese Erkenntnis in<br />
<strong>der</strong> Praxis noch nicht umsetzen. 188 Es mangelt an<br />
Professionalisierung <strong>der</strong> <strong>Personalentwicklung</strong>. 189 Diese Feststellung<br />
korreliert wie<strong>der</strong>um mit dem skeptischen Ansatz Staudts, <strong>der</strong> die<br />
praktische Anwendung <strong>der</strong> <strong>Personalentwicklung</strong> für äußerst<br />
ineffizient hält. Staudt geht davon aus, dass ca. 80 % des<br />
Mitteleinsatzes für die <strong>Personalentwicklung</strong> wirkungslos bleiben. 190<br />
Praktizierte <strong>Personalentwicklung</strong> geht für Staudt an <strong>der</strong><br />
betrieblichen Wirklichkeit sowie an aktuellen Erkenntnissen zur<br />
Qualifikationsforschung vorbei und stellt sich mehr als Mode mit <strong>der</strong><br />
”Hoffnung auf die Lösung von personellen, organisatorischen,<br />
unternehmens- und regionalen Entwicklungsproblemen” dar, als<br />
dass sie Einfluss auf unternehmerische Entwicklungen nehmen<br />
könnte. 191<br />
186 Wun<strong>der</strong>er, R et al. (2000); S. 136<br />
187 vgl. Rosche, J.-D. et al. (2001)<br />
188 Merk,R. (1998); S. 7<br />
189 Staudt, E. et al. (1999); S. 1 und S. 24<br />
190 Staudt, E. et al. (2001); S. 28; Staudt, E./ Kottmann, M.; Deutschland gehen die Innovatoren aus! Das<br />
Aus- und Weiterbildungssystem des vergangenen Jahrhun<strong>der</strong>ts muss reformiert werden; in: Personal<br />
1/2001; S. 22 ff.<br />
191 Staudt, E. et al. (1999); S. 1<br />
Seite 63<br />
Die oben angeführte Kritik an <strong>der</strong> Wirkung praktizierter<br />
<strong>Personalentwicklung</strong>, speziell in Anbetracht des hohen finanzielle<br />
Aufwands, zusammen mit den Wirkungen <strong>der</strong> Globalisierung und<br />
des dynamischen Wandels des gesellschaftlichen und betrieblichen<br />
Umfelds 192 , machen unbedingt eine praxisrelevante systematische<br />
<strong>Personalentwicklung</strong> notwendig, die sich von einer reaktiven<br />
Anpassungsfortbildung deutlich unterscheiden muss 193 . Die<br />
gefor<strong>der</strong>te Systematik muss zum einen mit einer wissenschaftlich<br />
abgesicherten Begrifflichkeit arbeiten, wie diese im Kapitel 4<br />
zusammengefasst wurde und zum an<strong>der</strong>en selbst als<br />
Arbeitsprozess organisiert werden, <strong>der</strong> so transparent und eindeutig<br />
ist, dass <strong>der</strong> Wertschöpfungsbeitrag des<br />
<strong>Personalentwicklung</strong>sprozesses betriebswirtschaftlich ermittelt<br />
werden kann. 194<br />
Eine vergleichende Analyse verschiedener Prozessmodelle zeigt<br />
deutlich, dass ein einheitliches Prozess-Modell für die<br />
<strong>Personalentwicklung</strong> zu erkennen ist. Obwohl Unterschiede in <strong>der</strong><br />
Darstellung <strong>der</strong> Teilprozesse auf <strong>der</strong> ersten Abstraktionsebene zu<br />
erkennen sind, lässt sich eine hohe Kongruenz in <strong>der</strong><br />
Prozessgestaltung erkennen. 195<br />
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass<br />
wissenschaftliche Betrachtungen zur grundsätzlichen<br />
systematischen Gestaltung <strong>der</strong> <strong>Personalentwicklung</strong> vielfältig<br />
vorliegen. In <strong>der</strong> aktuellen Literatur lassen sich durchgängig Modelle<br />
finden, die die Phasen Weiterbildungsbedarfsanalyse, Planung und<br />
Organisation, Durchführung <strong>der</strong> Weiterbildungsmaßnahmen,<br />
192 vgl. Wun<strong>der</strong>er, R. et al. (2000); S. 9 ff.<br />
193 Wöltje, J. et al. (1996); S. 1<br />
194 vgl. hierzu Schmeisser, W. (2001); S. 15 ff.<br />
195 vgl. Becker, F.G.(1997); S. 59 und Becker, F.G. et al. (1999); S. 272 und Pawlowski, P. et al. (1996) ;<br />
S. 272
Seite 64<br />
Sicherung des Transfers und Erfolgskontrolle zusammen mit <strong>der</strong><br />
Evaluation ausweisen. 196 Die oben aufgeführten Modelle gleichen<br />
sich in <strong>der</strong> einheitliche Benennung ihrer groben Prozesselementen.<br />
Es fehlt jedoch an einer tiefergehenden einheitlichen und<br />
geschlossenen Betrachtung, die allgemeingültig als theoretischer<br />
Standardprozesse auf die Praxis übertragen werden könnte. 197<br />
Auch Pierschke verweist auf Defizite im mittelständischen<br />
Wirtschaftssegment des Immobilienmanagements, wenn es um die<br />
Gestaltung von Personalmanagementprozessen geht. In diesem<br />
Kapitel sollen deshalb die Grundelemente eines standardisierten<br />
<strong>Personalentwicklung</strong>sprozesses in einem überschaubaren<br />
Zusammenhang detailliert dargestellt und analysiert werden. Auf die<br />
Notwendigkeit dieser analytischen Vorarbeit weisen auch<br />
Beaman/Krüger, genauso wie Arnold bereits 1991, hin, indem sie<br />
feststellen, dass vor <strong>der</strong> strategischen Ausrichtung <strong>der</strong><br />
Personalarbeit unbedingt eine teilweise auch sehr aufwendige<br />
analytische Vorarbeit zu leisten ist. 198 Deshalb ist es hier Ziel, ein<br />
vollständiges und eindeutig praxisrelevantes Verständnis für alle<br />
Teilelemente des Sollprozesses <strong>der</strong> <strong>Personalentwicklung</strong> mit<br />
beson<strong>der</strong>em Bezug auf den Mittelstand zu erarbeiten.<br />
4.1 Sollprozess <strong>der</strong> <strong>Personalentwicklung</strong><br />
Der folgende Sollprozess einer systematischen<br />
<strong>Personalentwicklung</strong> baut auf <strong>der</strong> <strong>Theorie</strong> einer<br />
”Bildungstechnologie” wie sie bereits Anfang <strong>der</strong> 90er Jahre von<br />
196 vgl. Wöltje, J. et al. (1996); S. 5<br />
197 vgl. Arnold, R. (1991); S. <strong>12</strong>3<br />
198 vgl. Beaman, K. et al. (1999)<br />
Seite 65<br />
Arnold konzipiert 199 ist auf. Wie oben bereits aus verschiedenen<br />
wissenschaftlichen Ansätzen abgeleitet, zeigt sich, dass sich die<br />
<strong>Personalentwicklung</strong> idealtypisch in die Teilprozessschritte,<br />
Nachfolgeplanung, Qualifikationsbedarfsplanung,<br />
Qualifikationsplanung Maßnahmenmanagement und<br />
Evaluation/Bildungscontrolling glie<strong>der</strong>n sollte. 200<br />
Das Prozessmodell einer systemischen <strong>Personalentwicklung</strong> kann<br />
als gradliniger und grundsätzlich im Jahresrhythmus zu<br />
durchlaufen<strong>der</strong>, wissenschaftlich abgesicherter und praxiserprobter<br />
Prozess betrachtet werden. In ihm lassen sich alle einer<br />
systematischen <strong>Personalentwicklung</strong> zuzuordnenden<br />
Elementaraufgaben abbilden. Hinzu kommt, dass eine solch<br />
stringente Darstellung die <strong>Personalentwicklung</strong> als eigenständigen<br />
wertschöpfenden Prozess klar und eindeutig von an<strong>der</strong>en<br />
Kernprozessen des Personalmanagements abgrenzt. Insbeson<strong>der</strong>e<br />
bedeutet dies, dass die in <strong>der</strong> Praxis oftmals <strong>der</strong><br />
<strong>Personalentwicklung</strong> zugeordneten Teilprozesse Bewerberauswahl<br />
und Leistungsbeurteilung eindeutig eigenständige Kernprozessen<br />
des Personalmanagements zugeordnet werden. 201<br />
Folgend werden die Teilprozesse einer systematischen<br />
<strong>Personalentwicklung</strong>, dem oben beschriebenen Modell folgend,<br />
ausführlich beschrieben, um aus diesen theoretischen<br />
Darstellungen, Qualitätskriterien einer systematischen<br />
<strong>Personalentwicklung</strong> speziell für den Mittelstand abzuleiten. Darauf<br />
199 vgl. Arnold, R. (1991)<br />
200 vgl. Ebert, G. (1998); S. 14 ff.; Becker, F. G. (1999); S 272<br />
201 vgl. zur Abgrenzung <strong>der</strong> Personalmanangementprozesse Scholz, C. (1994); S. 47 und Wun<strong>der</strong>er, R.<br />
(2000); S. 113 ff
Seite 66<br />
aufbauend können dann Qualitätsstandards einer systematischen<br />
<strong>Personalentwicklung</strong> festgelegt werden.<br />
4.1.1 Nachfolgeplanung<br />
Dem ersten Teilprozessschritt des <strong>Personalentwicklung</strong>sprozesses,<br />
<strong>der</strong> Nachfolgeplanung, ist die Erarbeitung, Festlegung, bzw.<br />
jährliche Aktualisierung <strong>der</strong> Unternehmens- und Personalstrategie<br />
unverzichtbar vorgelagert.<br />
Zur Bedeutung <strong>der</strong> Unternehmensstrategie als Ausgangspunkt<br />
einer systematischen <strong>Personalentwicklung</strong>, hebt Breuer beson<strong>der</strong>s<br />
hervor, dass einem systematischen <strong>Personalentwicklung</strong>skonzept<br />
eine maßgebende Unternehmensstrategie vorangehen muss. 202<br />
Auch Hofmann betont die Bedeutung <strong>der</strong> Unternehmensstrategie<br />
für die systematischen Weiterbildung wenn sie feststellt, dass<br />
„Weiterbildungsmaßnahmen, die kurzfristig und punktuell dann<br />
angesetzt werden, wenn sich fehlende Qualifikationen bereits<br />
praktisch als Defizite geltend machen, ... zu spät (kommen, Verf.)<br />
und ... zu kurz (greifen, Verf.) ... <strong>Personalentwicklung</strong> muss<br />
integrierter Bestandteil <strong>der</strong> gesamten Unternehmensstrategie sein“.<br />
203 Demnach können aktuelle und vor allem künftige Anfor<strong>der</strong>ungen<br />
des Unternehmens an die Mitarbeiter nur dann in den<br />
<strong>Personalentwicklung</strong>sprozess einfließen, wenn entsprechende<br />
Qualifikationsanfor<strong>der</strong>ungen frühzeitig gespiegelt an <strong>der</strong><br />
vorangegangenen Unternehmensausrichtung identifiziert werden<br />
202 Breuer, K. (2000); S. 62<br />
203 Hofmann, H. (2000); S. 50<br />
Seite 67<br />
und in gezielte <strong>Personalentwicklung</strong>smaßnahmen einfließen. 204<br />
Dabei ordnet sich die ”Personal- und Weiterbildungspolitik allen<br />
an<strong>der</strong>en strategischen Entscheidungen unter.” 205<br />
Diese Darstellungen belegen eindeutig die präjustizierende<br />
Bedeutung einer gründlichen Ausrichtung <strong>der</strong><br />
Unternehmensstrategie. <strong>Personalentwicklung</strong>skonzepte, denen<br />
keine gesamtstrategischen Überlegungen vorausgehen, bleiben<br />
reaktiv o<strong>der</strong> in ihrer Wirkung uneffektiv. Und dies selbst dann, wenn<br />
ein systematischer <strong>Personalentwicklung</strong>sprozess implementiert<br />
wäre.<br />
Der erste Teilprozessschritt <strong>der</strong> <strong>Personalentwicklung</strong>, die<br />
”Nachfolgeplanung”, setzt demnach auf <strong>der</strong> Unternehmensstrategie<br />
auf und beginnt mit <strong>der</strong> Ermittlung von mittelfristig entstehenden<br />
Vakanzen. 2<strong>06</strong> Diese werden ermittelt, indem Führungskräfte<br />
zusammen mit Personalmanagern, Controllern und Betriebsräten<br />
auf <strong>der</strong> Grundlage unternehmensstrategischer Vorgaben die kurz<br />
bis mittelfristig zu erwartenden wirtschaftlichen und<br />
organisatorischen Entwicklungen hinsichtlich des Personalbedarfs<br />
bewerten und daraus freiwerdende Stellen, die Vakanzen,<br />
identifizieren. 207<br />
Im Sinne einer mo<strong>der</strong>nen <strong>Personalentwicklung</strong>, die es u. a. zum Ziel<br />
hat, möglichst viele verdeckte Potentiale <strong>der</strong> Mitarbeiter<br />
aufzudecken 208 , sind die mittelfristig geplanten Vakanzen allen<br />
204 Drosten; S. (1999); S. 191<br />
205 Pawlowski, P et al. (1996); S. 43<br />
2<strong>06</strong> Mayrhofer, W. (1996); S. 466<br />
207 Staudt, E. (1999); S. 22<br />
208 vgl. Pawlowski, P et al. (1996); S. 47-48
Seite 68<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Unternehmens in<br />
transparenter Weise zur Bewerbung bekannt zu geben. 209 Daran<br />
anschließend findet die allen Beteiligten transparente Auswahl <strong>der</strong><br />
Nachfolgekandidaten statt.<br />
Als Ergebnis des Teilprozesses Nachfolgeplanung ergibt sich eine<br />
Vakanzenliste für das gesamte Unternehmen, sowie eine Liste <strong>der</strong><br />
festgelegten Nachfolgekandidaten. Diese Informationen stellen<br />
einen maßgeblichen Input für den folgenden Teilprozessschritt: <strong>der</strong><br />
Qualifikationsbedarfsplanung dar.<br />
4.1.2 Arbeitshypothesen zur Nachfolgeplanung<br />
Eine systematische Nachfolgeplanung sollte gemäß <strong>der</strong> oben<br />
dargestellten Abläufe, folgende Strukturmerkmale aufweisen:<br />
a) vorangegangene Unternehmensstrategieplanung,<br />
b) systematisch erarbeitete, detaillierte, Vakanzenliste,<br />
c) interessenausgleichende Kandidatenauswahl,<br />
d) mittelfristig verbindliche Festlegung <strong>der</strong> Nachfolgekandidaten.<br />
Aus diesen Merkmalen lassen sich folgende Hypothesen ableiten:<br />
H1: Grundlegende und unverzichtbare Voraussetzung einer<br />
wirksamen und wirtschaftlich effektiven <strong>Personalentwicklung</strong> ist das<br />
Vorhandensein einer aktuellen Unternehmensstrategie, aus <strong>der</strong><br />
wie<strong>der</strong>um eine Personalstrategie abgeleitet wird.<br />
209 Kolmerer, H. et al. (1998); S. 140; vgl. auch Arnold, R. (1991); S. 151<br />
Seite 69<br />
H2: Vor <strong>der</strong> Auswahl <strong>der</strong> Kandidaten, die als Potenzialträger einem<br />
individuellen <strong>Personalentwicklung</strong>sverfahren unterzogen werden<br />
sollen, sind in einem abgesicherten betriebswirtschaftlichen und<br />
kommunikativen Prozess, die kurz- bis mittelfristig zu erwartenden<br />
Vakanzen festzulegen.<br />
H3: Die Nachfolgekandidaten sind in einem offenen, fairen und<br />
nachvollziehbaren Verfahren auszuwählen.<br />
H4: Als Ergebnisdokument einer systematischen Fachfolgeplanung<br />
müssen eine Vakanzenliste und eine abschließende Aufzählung <strong>der</strong><br />
Nachfolgekandidaten vorliegen.<br />
Erst wenn diese wissenschaftlich abgeleiteten Eckpunkte<br />
nachweislich praktiziert werden, sind die notwendigen Vorarbeiten<br />
geleistet, um in eine systematische Qualifizierungsbedarfsplanung<br />
einzusteigen.<br />
4.1.3 Qualifikationsbedarfsanalyse<br />
Die Qualifikationsbedarfsplanung ist als zweiter Teilprozessschritt<br />
des <strong>Personalentwicklung</strong>sprozesses <strong>der</strong> entscheidende Nuklius des<br />
gesamten Prozesses . 210<br />
Die in <strong>der</strong> wissenschaftlichen Grundlagenforschung <strong>der</strong><br />
Qualifikationsbedarfsplanung zugemessene hohe Priorität spiegelt<br />
sich jedoch in <strong>der</strong> vorgefundenen Praxis deutscher<br />
210 Merk, R. (1998); S. 177
Seite 70<br />
Unternehmungen nicht wi<strong>der</strong>. 211 Eine europäische Studie aus 1998<br />
weist nach, dass nur 14 % aller mittelständischen Unternehmen<br />
eine systematische Planung <strong>der</strong> <strong>Personalentwicklung</strong><br />
durchführen. 2<strong>12</strong> Auch Keller stellt auf <strong>der</strong> Grundlage einer<br />
empirischen Untersuchung für den deutschen Mittelstand fest, dass<br />
nach wie vor das ”Feuerwehrprinzip” als Planungsmethode<br />
anzutreffen ist. 213 Genauso kommt Arnold zu dem Ergebnis, dass<br />
Betriebe sich häufig ad hoc und relativ kurzfristig mit dem<br />
Weiterbildungsbedarf befassen und in <strong>der</strong> Mehrzahl <strong>der</strong> Betriebe<br />
sicherlich nach wie vor ein analytisches und wissenschaftlich<br />
fundiertes Bedarfsermittlungssystem fehlt. 214 Obwohl<br />
wissenschaftlich anerkannt ist, dass das Erkennen von<br />
Mitarbeiterpotentialen eine <strong>der</strong> wichtigsten Führungsaufgaben ist,<br />
stellt auch Wun<strong>der</strong>er gerade hier ein großes Defizit in den<br />
Führungskräftequalitäten fest. 215 Entsprechend ist es von<br />
elementarer Bedeutung, diesen Teilprozessschritt beson<strong>der</strong>s<br />
dezidiert festzulegen. 216<br />
4.1.3.1 Definition des <strong>Personalentwicklung</strong>sbedarfs<br />
Merk definiert den Qualifizierungsbedarf als Summe aller Defizite,<br />
die sich aus einem Abgleich <strong>der</strong> Soll- und Istanfor<strong>der</strong>ungen<br />
ergibt. 217 Der <strong>Personalentwicklung</strong>sbedarf wird darüber hinaus nach<br />
Becker bezüglich des zeitlichen Betrachtungshorizonts “als<br />
quantitative Unterdeckung <strong>der</strong> Kapazität zum aktuellen o<strong>der</strong> zu<br />
211 Grünewald, U./ Moraal, D. (1996); S. 58 ff.<br />
2<strong>12</strong> Hoffmann, T. (1998); S. 8<br />
213 Keller, A. (1998); S. 44 ff.<br />
214 Arnold, R. (1991); S. 148<br />
215 Wun<strong>der</strong>er, R. (2000); S. 168<br />
216 Bodenhöfer, H.-J. 1996; S. 237<br />
217 Merk, R. (1998); S. 181<br />
Seite 71<br />
einem zukünftigen Zeitpunkt individuell ermittelt” 218 und definiert.<br />
Becker bringt somit gegenüber Merk die zukunftsorientierte Sicht in<br />
die Definition ein. Scholz bezeichnet die “qualitative Unterdeckung”<br />
treffend und prägnant daher als “Fähigkeitslücke”. 219 Ziel <strong>der</strong><br />
Qualifikationsbedarfsanalyse ist es somit, mit geeigneten Methoden<br />
das Delta zur Handlungskompetenz 220 im Vergleich <strong>der</strong> aktuellen<br />
und künftigen Arbeitsplatzanfor<strong>der</strong>ungen zur aktuellen Qualifikation<br />
zu ermitteln.<br />
4.1.3.2 Methoden <strong>der</strong> <strong>Personalentwicklung</strong>sbedarfsanalyse<br />
Kolmerer/Kuhn-Krainik unterscheiden die Bedarfsanalyse-Methoden<br />
<strong>der</strong> Befragung von Experten, strukturierte Beobachtungen und das<br />
Erfassen von statistischen Daten. 221 Ähnlich unterscheidet Kunz die<br />
Instrumente:<br />
a) systematische Mitarbeitergespräche,<br />
b) Gesprächsforen mit Führungskräften,<br />
c) Assessment-Center-Verfahren und<br />
d) 360 Grad Feedbackverfahren 222 .<br />
218 Becker, F.G. (1999); S. 199<br />
219 Scholz, C. (1994); S. 252<br />
220 zur Definition <strong>der</strong> Handlungskompetenz vgl. Staudt et al. (1999) und Kapitel 4<br />
221 Kolmerer, H. et al. (1998); S. 140<br />
222 Kunz, G (1998); S. 98
Seite 72<br />
Die Methoden zur Qualifikationsbedarfsanalyse theoretisch<br />
zusammenfassend stellt Arnold folgende Liste von Instrumenten und<br />
Methoden auf:<br />
a) systematischen Beobachtung,<br />
b) die Befragung von Führungskräften,<br />
c) Einstellungsanalysen,<br />
d) Klimaanalysen,<br />
e) Leistungsbeurteilungen,<br />
f) Mo<strong>der</strong>ationsmethoden,<br />
g) Assessment-Center-Verfahren und<br />
h) weitere diagnostische Ansätze. 223<br />
Diesem in <strong>der</strong> Literatur nach wie vor ausführlichstem<br />
Ordnungsschema, dass die an<strong>der</strong>en dargestellten Aufzählungen<br />
umfasst, soll im weiteren gefolgt werden. Dazu ist es notwendig, die<br />
einzelnen Methoden näher zu beschreiben.<br />
a) Beobachtungsmethode<br />
Die in <strong>der</strong> Praxis selten vorkommenden Beobachtungsmethoden<br />
reichen von Formen unsystematischer Beobachtung bis hin zu<br />
solchen Darstellungen, in denen Führungskräfte <strong>der</strong><br />
Fachabteilungen systematische Beobachtungen zur<br />
Qualifikationsbedarfsbeobachtung durchführen. 224 Arnold kritisiert an<br />
diesen Verfahren, dass sie einseitig top-down-orientiert sind und das<br />
weniger eine Nachfrage nach Weiterbildung zu Tage tritt, als<br />
vielmehr nur dokumentiert wird, was offenkundig ist. Verdeckte<br />
Kompetenzen können so nicht aufgedeckt werden, da sich das<br />
223 Arnold, R. (1991); S. 148<br />
224 Arnold, R. (1991); S. 149<br />
Seite 73<br />
beobachtete Verhalten größtenteils top-down wenig reflektiert<br />
darstellt. 225<br />
b) Befragungsmethode<br />
Rein quantitativ stellt sich die Befragung als die meist angetroffene<br />
Alternative zur Beobachtung dar. 226 Auch bei dieser Methode reicht<br />
das angewandte Spektrum von unstrukturierten Befragungen über<br />
halbstrukturierte Interviews bis zu stark vorgeprägten<br />
Befragungen. 227 Grundlegend für die Durchführung solcher<br />
Mitarbeiterbefragung zur Ermittlung von Bildungsbedarfen sind<br />
Erkenntnisse aus <strong>der</strong> Sozialforschung. 228 Die Mitarbeiterbefragung<br />
als Analysemethode ist demnach sehr stark auf die das<br />
Mitarbeiterverhalten prägenden Daten und Strukturen ausgerichtet.<br />
Als Nachteil im Sinne einer umfassenden systematischen Planung<br />
stellt sich entsprechend dar, dass unternehmensstrategische<br />
Überlegungen oftmals ausgegrenzt bleiben. 229 Nachteilig kommt<br />
zudem hinzu, dass auch Befragungen <strong>der</strong> top-down-Perspektive<br />
verpflichtet sind und sich somit mehr angebotsorientierten Zugriffen<br />
eröffnen, als dass sie eine Methode darstellen, in <strong>der</strong> die<br />
maßgeblichen Bedarfsdeterminanten wie Markt- und<br />
Organisationsentwicklung Einfluss hätten. 230<br />
c) Mo<strong>der</strong>ationsmethode<br />
Als sehr guten Ansatz, die Befragungs- und Beobachtungsmethode<br />
um einen Bottom-up-Prozess zu ergänzen, betrachtet Arnold die<br />
Mo<strong>der</strong>ationsmethoden. D. h., dass in einem unmittelbaren Gespräch<br />
225 Arnold, R. (1991); S. 149<br />
226 Arnold, R. (1991); S. 149<br />
227 Arnold, R. (1991); S. 149/150<br />
228 Arnold, R. (1991); S. 150<br />
229 Arnold, R. (1991); S. 150<br />
230 Arnold, R. (1991); S. 150
Seite 74<br />
mit den betroffenen Mitarbeitern nicht nur vorgehaltene Angebote<br />
bestätigt werden, son<strong>der</strong>n dass auch neuartige Nachfragen nach<br />
Maßnahmen <strong>der</strong> <strong>Personalentwicklung</strong> in einem gleichberechtigten<br />
Gespräch thematisiert werden. 231<br />
d) Weitere Methoden<br />
Zu den ”weiteren Methoden” zählt Arnold Assessment-Center-<br />
Verfahren und weitere sehr dezidierte Methoden die darauf hinaus<br />
laufen, ”den jeweiligen Entwicklungsstand des einzelnen<br />
Mitarbeiters möglich facettenreich zu dokumentieren und mit ihm in<br />
einen ständigen Dialog darüber einzutreten, welche persönlichen<br />
Weiterentwicklungsziele er mit Hilfe welcher<br />
Weiterbildungsangebote anstreben möchte”, sowie Einstellungs-<br />
und Klimaanalysen. 232 Zu diesen dialogischen Methoden müssen<br />
neuerdings die 360° Feedback Gespräche gezählt werden.<br />
Metz/Roth weisen in diesem Zusammenhang insbeson<strong>der</strong>e auf die<br />
hohe Bedeutung dieser Feedback Gespräche für die<br />
Qualifikationsbedarfsanalyse hin. 233<br />
4.1.3.3 Systematische Mitarbeitergespräche als priorisierte<br />
Methode <strong>der</strong> Qualifikationsbedarfsanalyse<br />
Wenn die Interessen des Unternehmens und die <strong>der</strong> Mitarbeiter<br />
gleichberechtigt in den <strong>Personalentwicklung</strong>sprozess einfließen<br />
231 Arnold, R. (1991); S. 151<br />
232 Arnold, R. (1991); S. 152<br />
233 Metz, A. et al. (2000); S. 38<br />
Seite 75<br />
sollen 234 , so ist bereits bei <strong>der</strong> Erhebung des individuellen<br />
Entwicklungsbedarfs ein daraufhin optimal ausgerichtetes Verfahren<br />
anzuwenden. 235 In diesem Zusammenhang verweist Münch zwar<br />
darauf, dass die Interessen immer nur näherungsweise angeglichen<br />
werden können, dann an<strong>der</strong>erseits jedoch diese Kongruenz in<br />
einer auf gegenseitiger Wertschätzung beruhenden<br />
Unternehmenskultur erreichbar ist. 236 Dies lässt sich<br />
anerkanntermaßen effektiv und zuverlässig im Rahmen eines<br />
systematischen Mitarbeitergesprächs erzielen. 237<br />
4.1.3.4 Anfor<strong>der</strong>ungsprofile<br />
Zur Vorbereitung <strong>der</strong> Mitarbeiterjahresgespräche sollten in einem<br />
Top-Down-Ansatz, basierend auf Marktanfor<strong>der</strong>ungen und <strong>der</strong><br />
Unternehmensstrategie, detaillierte Anfor<strong>der</strong>ungskataloge bezüglich<br />
<strong>der</strong> fachlichen Fähigkeiten und berufsübergreifen<strong>der</strong><br />
Schlüsselqualifikationen 238 erarbeitet und zu Anfor<strong>der</strong>ungsprofilen<br />
für jede Stellengruppe zusammengefasst werden. 239 So stellt<br />
McClelland schon 1993 richtungsweisend fest, dass es <strong>der</strong> beste<br />
Weg ist, die geeignete Kraft zu finden, wenn man auf komplexe<br />
Kompetenzmodelle zurückgreift. 240<br />
4.1.3.5 Kommunikation <strong>der</strong> strategischen Vorgaben<br />
Nach dem Abschluss <strong>der</strong> analytischen Vorarbeiten, noch vor Beginn<br />
<strong>der</strong> eigentlichen Gespräche, sind allen am Planungsprozess<br />
234<br />
vgl. hierzu Pawlowski, P. et al. (1996); S. 47-48, vgl. auch Drosten, S. (1999) ; S. 50<br />
235<br />
Drosten; J. 1999; S.189<br />
236<br />
Münch, J. (1995); S. 15<br />
237<br />
Kolmerer, H. et al. (1998); S. 140; vgl. auch Arnold , R. 1991; S. 151 und 152<br />
238<br />
aktuell zu Schlüsselqualifikationen vgl.: Felbert, v. D (1997)<br />
239<br />
Kolmerer, H et al. (1998); S. 140 ff.<br />
240<br />
vgl. McClelland , D. C. (1993); S. 7
Seite 76<br />
beteiligten Organisationseinheiten und Mitarbeitern die unmittelbar<br />
aus <strong>der</strong> Unternehmensstrategie 241 und den Unternehmenszielen<br />
abgeleitete konkrete Planungsvorgaben mit Fokus auf die<br />
Qualifikationsbedarfsplanung bekannt zu geben. 242 So kann die<br />
maßgebliche Prämisse eingehalten werden, dass die<br />
Qualifikationsbedarfsplanung sich aus den personalwirtschaftlichen<br />
Zielen <strong>der</strong> Unternehmen ergibt. 243<br />
4.1.3.6 Mitarbeitergespräche durchführen<br />
Im nächsten Schritt werden in einem Bottom-Up-Prozess die bei<br />
den Mitarbeitern vorhandenen Kompetenzen im Rahmen eines<br />
Mitarbeitergesprächs an den Stellenanfor<strong>der</strong>ungen und <strong>der</strong><br />
Strategie gespiegelt. 244 Im Mittelpunkt des Bottom-Up-Verfahrens<br />
steht das Gespräch zwischen Mitarbeiter und Vorgesetztem. 245<br />
Da ein möglichst weiter Zugang aller Beschäftigten an die berufliche<br />
Weiterbildung gefor<strong>der</strong>t wird 246 , sollten entsprechende<br />
Mitarbeitergespräche alle Kräfte <strong>der</strong> jeweiligen Unternehmen<br />
einschließen. 247 Dieser umfassende Ansatz berücksichtigt zum<br />
einen die aus Mitarbeitersicht anzustrebende Aufhebung des<br />
selektiven Charakters <strong>der</strong> betrieblichen Weiterbildung 248 und<br />
an<strong>der</strong>erseits eröffnet er den Unternehmen die Chance <strong>der</strong><br />
”Entwicklung” ungenutzter Potentiale. 249 So kann grundsätzlich<br />
davon ausgegangen werden, dass in den Unternehmen<br />
241<br />
vgl. zur beson<strong>der</strong>en Bedeutung <strong>der</strong> Unternehmensstrategie für den Qualifikationsplanungsprozess bei<br />
Drosten, S. (1999); S. 53 und S. 54<br />
242<br />
Kolmerer, H et al. (1998); S. 140<br />
243<br />
Drosten, S, (1999); S. 50<br />
244<br />
Bodenhöfer, H.-J. (1996); S. 237 und 238; vgl. auch Bötel, C. et al. (1999); S. 18<br />
245<br />
Lutz, B. (1996); S. 89; vgl. auch Arnold, R. (1991); S. 151<br />
246<br />
Düll, H./Bellmann, L. (1999); S. 71, vgl. auch Wun<strong>der</strong>er, R. et al. (2000); S 135<br />
247<br />
Arnold, R. (1991); S. 151<br />
248<br />
Baethge, M. (1992); S. 317<br />
249<br />
zum selektiven Charakter <strong>der</strong> beruflichen Weiterbildung vgl. Düll, H./Bellmann, L. (1999); S. 71-82<br />
Seite 77<br />
brachliegendes Informationsverarbeitungs- und<br />
Problemlösungspotential aufgespürt und entfaltet werden kann. 250<br />
An dieser Stelle kommt die für die mo<strong>der</strong>ne <strong>Personalentwicklung</strong><br />
gefor<strong>der</strong>te Gleichberechtigung von Unternehmenszielen und<br />
Mitarbeiterinteressen zum Ausdruck. 251 Unabweisbare aktuelle und<br />
vor allem künftige Arbeitsanfor<strong>der</strong>ungen können so mit den<br />
Interessen <strong>der</strong> Mitarbeiter in Übereinstimmung gebracht werden. 252<br />
Stellenanfor<strong>der</strong>ungen und tatsächliche Fähigkeiten <strong>der</strong> Mitarbeiter<br />
können durch grafische Gegenüberstellung von Anfor<strong>der</strong>ungen 253<br />
des Arbeitsplatzes und Qualifikationen des Mitarbeiters<br />
durchgeführt. 254 Die zu Grunde liegenden<br />
Anfor<strong>der</strong>ungsdimensionen <strong>der</strong> Stellenbeschreibung 255 sollten dem<br />
im Kapitel 4 beschriebenen Handlungskompetenzmodell<br />
entsprechen.<br />
Im kritischen aber ”angst- und herrschaftsfreien” Dialog 256 , werden<br />
aus <strong>der</strong> Kompetenzanalyse konkrete Qualifizierungsmaßnahmen<br />
als gemeinsame Gesamtsicht abgeleitet 257 , die in einem<br />
Qualifizierungsvorschlag dokumentiert werden. 258 Dabei sollte ein<br />
hoher Grad an Verbindlichkeit erzielt werden. 259 Die benötigten,<br />
aber nicht vorhandenen Qualifikationen bilden die erste, den<br />
Qualifikationsbedarf bestimmende Größe. 260 Absolvierte<br />
250<br />
Pawlowski, P. et al. (1996); S. 47-48<br />
251<br />
Drosten, S. (1999); S. 50<br />
252<br />
vgl. Bötel, C. et al. (1999); S. 19<br />
253<br />
Zur Bedeutung und Gestaltung von Stellenanfor<strong>der</strong>ungsprofilen vgl. Thommen J.-P. (2000); S. 599<br />
254<br />
Drosten , S. (1999); S. 52 und S. 53; vgl. auch Arnold, R. (1991); S. 152, vgl. auch Staudt, E. (1999);<br />
S. 13<br />
255<br />
vgl. Thommen, J.-P. (2000); S. 597<br />
256<br />
Littek, W. et al. (1996); S. 173 ff ; vgl. auch Arnold, R. (1991); S. 151<br />
257<br />
Kolmerer, H. et al. (1998); S. 141<br />
258<br />
Kolmerer, H. et al. (1998); S. 141<br />
259<br />
Kolmerer, H. et al. (1998); S. 142<br />
260<br />
Bullinger, H-J. et al. (1996); S. 18; vgl. auch Arnold, R. (1991); S. 151
Seite 78<br />
Maßnahmen werden später in einem Qualifikationsnachweis<br />
aufgeführt.<br />
Zum nächsten Mitarbeitergespräch dienen dann<br />
Qualifikationsnachweis und Qualifizierungsvorschlag als neue<br />
Gesprächsgrundlagen und können unter an<strong>der</strong>em genutzt werden,<br />
den erfolgreichen Verlauf <strong>der</strong> Maßnahmen unmittelbar zu<br />
reflektieren. 261<br />
Die Qualifizierungsvorschläge stellen den Output des<br />
Mitarbeitergesprächs dar und fließen als Input in den nächsten<br />
Teilprozessschritt, <strong>der</strong> Qualifikationsplanung ein.<br />
4.1.4 Arbeitshypothesen zur Qualifikationsbedarfsanalyse<br />
Im Rahmen <strong>der</strong> Qualifizierungsbedarfsanalyse werden die<br />
inhaltlichen Ziele <strong>der</strong> praktischen <strong>Personalentwicklung</strong>sarbeit<br />
festgelegt. Erst durch die konsequente Umsetzung des<br />
systematischen Prozesses, wie er in Abbildung 6 dargestellt ist,<br />
werden die Aktivitäten <strong>der</strong> <strong>Personalentwicklung</strong> „systematisch“<br />
geordnet und damit betriebswirtschaftlich planbar. Dies bedeutet,<br />
dass jede <strong>Personalentwicklung</strong>smaßnahme, die nicht systematisch<br />
geplant worden ist, ein hohes Fehlinvestitionsrisiko beinhaltet. O<strong>der</strong><br />
an<strong>der</strong>s gesagt, <strong>der</strong> Erfolg einer <strong>Personalentwicklung</strong> hängt weniger<br />
von <strong>der</strong> angewandten Methode, als vielmehr von <strong>der</strong><br />
systematischen Planung ab. Dabei können wie<strong>der</strong>um<br />
verschiedenste Analysemethoden zum Einsatz kommen. Von<br />
elementarer Bedeutung ist jedoch, dass unabhängig von <strong>der</strong><br />
261 Bötel, C. et. al (1999); S. 20<br />
Seite 79<br />
gewählten Bedarfsanalysemethode, auf die Zukunft projektierte<br />
Stellenanfor<strong>der</strong>ungsprofile zur Grundlage genommen werden.<br />
Unstrittig ist dabei, dass <strong>der</strong> Abgleich zwischen <strong>der</strong> Sollanfor<strong>der</strong>ung<br />
<strong>der</strong> Stelle und den Kompetenzen <strong>der</strong> Mitarbeiter optimal in einem<br />
strukturierten Mitarbeitergespräch stattfinden lassen.<br />
Wie auch bereits zum Teilprozessschritt <strong>der</strong> Nachfolgeplanung,<br />
können auch hier Arbeitshypothesen formuliert werden, die als<br />
Grundlage <strong>der</strong> später beschriebenen empirischen Studie<br />
genommen werden sollen.<br />
H5: Grundlage einer systematischen Qualifikationsanalyse sind<br />
Anfor<strong>der</strong>ungsprofile, denen ein Handlungskompetenzmodell<br />
hinterlegt ist.<br />
H6: Die Qualifikationsanalyse findet systematisch-methodisch statt.<br />
In ihr werden unter Einbeziehung aller Mitarbeiter aktuelle und<br />
künftige Fähigkeiten aufgedeckt.<br />
H7: Systematische Mitarbeitergespräche stellen sich als bester<br />
methodischer Ansatz einer umfassenden Analyse dar.<br />
H8: Als Ergebnis <strong>der</strong> systematischen Qualifikationsanalyse ergeben<br />
sich Defizite in den Handlungskompetenzen, die durch geeignete<br />
Methoden <strong>der</strong> <strong>Personalentwicklung</strong><br />
(<strong>Personalentwicklung</strong>smaßnahmen) auszugleichen sind.
Seite 80<br />
4.1.5 Qualifikationsbedarfsplanung<br />
Die Einzelergebnisse <strong>der</strong> Qualifikationsbedarfsanalyse werden im<br />
nächsten Prozessschritt zu einem Qualifikationsgesamtplan des<br />
Unternehmens zusammengestellt. 262 Bei <strong>der</strong> Erstellung des<br />
Qualifikationsgesamtplans müssen die individuellen<br />
Einzelergebnisse <strong>der</strong> Mitarbeitergespräche an <strong>der</strong><br />
Unternehmensstrategie, <strong>der</strong> Unternehmenskultur, den aktuellen<br />
Marktanfor<strong>der</strong>ungen und des verfügbaren Gesamtbudgets<br />
gespiegelt werden. 263 An dieser Stelle wird <strong>der</strong> Bottom-up-Prozess<br />
des Mitarbeitergesprächs um eine möglicherweise regulierende<br />
Top-Down-Komponente ergänzt.<br />
Die Festlegungen im Qualifikationsgesamtplan bestimmen, welche<br />
<strong>Personalentwicklung</strong>smaßnahmen konkret für welchen Mitarbeiter<br />
umgesetzt werden. 264 Hierbei kann es sich sowohl um auf dem<br />
Bildungsmarkt angebotene Maßnahmen handeln, als auch um<br />
<strong>Personalentwicklung</strong>saktivitäten, die firmenintern durchgeführt<br />
werden. 265 Insbeson<strong>der</strong>e ist zu bedenken, dass es sich bei diesen<br />
Maßnahmen nur noch abnehmend um klassische Seminare<br />
handelt. Arbeitsplatznahe Lernformen wie Jobrotation, Workshops<br />
o<strong>der</strong> Mentoring sowie on-line-learning gewinnen an zunehmen<strong>der</strong><br />
Bedeutung. 266<br />
Während <strong>der</strong> gesamten Planung muss erneut sichergestellt werden,<br />
dass die Vorgaben aus <strong>der</strong> strategischen Unternehmensplanung<br />
262 Bötel, C. et al. (1999); S. 18<br />
263 Scholz, C. (1994); S. 254<br />
264 Becker, F.G. (1999); S. 199<br />
265 Scholz, C. (1994); S. 255<br />
266 Staudt, E. et al. (1999); S. 10 Ausführliche Methodendarstellung im Überblick vgl.: Mayerhofer, W.<br />
(1996); S. 469 ff<br />
Seite 81<br />
einfließen und umgesetzt werden. Nur bei einer solchen ständigen<br />
Reflexion können Unternehmens- und individuelle Ziele aufeinan<strong>der</strong><br />
abgestimmt werden. Bei <strong>der</strong> Abstimmung <strong>der</strong> Top-Down-Vorgaben<br />
und <strong>der</strong> Bottom-Up Ergebnisse lassen sich auch Tendenzen zur<br />
Verfestigung segmentiver Beschäftigtenstrukturen erkennen, wenn<br />
bestimmte Qualifizierungsmaßnahmen für ebenso bestimmte<br />
Teilnehmergruppen übergewichtig den Qualifikationsplan<br />
bestimmen. An dieser Stelle kann durch Intervention des<br />
verantwortlichen Managements auf eine sozial ausgewogene<br />
<strong>Personalentwicklung</strong> eingewirkt werden. 267 In Zeiten knapper<br />
werden<strong>der</strong> Personalresourcen liegt in diesem Vorgehen nicht nur<br />
die sozialpolitische Verantwortung <strong>der</strong> Unternehmen.<br />
Zielgruppenspezifische <strong>Personalentwicklung</strong> für bisher<br />
ausgeglie<strong>der</strong>te o<strong>der</strong> benachteiligte Kräftegruppen wird aktuell als<br />
Mittel <strong>der</strong> Personalbedarfsdeckung immer wichtiger. Dies gilt<br />
insbeson<strong>der</strong>e bezüglich <strong>der</strong> Einbeziehung älterer Mitarbeiter und<br />
Frauen. 268<br />
Auf die beson<strong>der</strong>e Bedeutung des Vorhandenseins eines<br />
Qualifikationsgesamtplans, in Hinblick auf eine Prozesszertifizierung<br />
nach ISO 9001, ist hier hinzuweisen. 269 Pawlowski/Bäumer sehen<br />
die Zertifizierung nach ISO-Normen 9001 ff. sogar als maßgebliche<br />
Antriebskraft zur Einführung einer systematischen<br />
Qualifikationsbedarfsplanung. 270<br />
267 vgl. hierzu u.a.: Peters, S. (1994); S. 182 ff.; vgl. auch Fels, G. et al. (2001); S. 3<br />
268 Wun<strong>der</strong>er, R. (2000); S. 92 und 134 - 135<br />
269 Bötel, C. et al. (1999); S. 18<br />
270 Pawlowski, P. et al. (1996); S. 27
Seite 82<br />
Der Qualifikationsgesamtplan als Ergebnis des entsprechenden<br />
Teilprozessschrittes ist <strong>der</strong> Impuls und Input für den nächsten<br />
Prozessschritt: das Maßnahmenmanagement. 271<br />
4.1.6 Arbeitshypothesen zur Qualifikationsbedarfsplanung<br />
Ziele <strong>der</strong> Qualifikationsplanung ist es, die Ergebnisse <strong>der</strong><br />
Qualifikationsanalyse in spezielle<br />
<strong>Personalentwicklung</strong>smaßnahmen zu überführen. Hierbei ist in<br />
starkem Maße <strong>der</strong> methodisch-didaktische Sachverstand des<br />
Personalmanagers gefragt, da die noch offen formulierten<br />
Qualifikationsvorschläge aus <strong>der</strong> Qualifikationsanalyse in konkrete<br />
Weiterbildungsaktionen transformiert werden müssen. An dieser<br />
Stelle setzt aus Sicht des Gesamtprozesses wie<strong>der</strong> eine top-down-<br />
Aktivität ein, um die in <strong>der</strong> Analyse in hohem Grad eingeflossenen<br />
individuellen Aspekten durch die Unternehmenssicht zu regulieren.<br />
Als die folgende empirische Untersuchung leitenden Fragen, lassen<br />
sich hier folgende Arbeitshypothesen festlegen:<br />
H9: Die offenen Qualifizierungsvorschläge aus <strong>der</strong><br />
Qualifikationsbedarfsanalyse müssen im Rahmen <strong>der</strong><br />
Qualifikationsbedarfsplanung methodisch-didaktisch sowie<br />
organisatorisch, in professioneller Form in einem<br />
Qualifikationsgesamtplan dokumentiert werden.<br />
271 Becker, F.G. (1999); S. 199<br />
Seite 83<br />
H10: In <strong>der</strong> Qualifikationsplanung werden die individuell geprägten<br />
Analyseergebnisse „top-down“ gegen die Unternehmensstrategie<br />
gespiegelt und wenn nötig verifiziert.<br />
H11: Der Qualifikationsgesamtplan fixiert für den folgenden<br />
Planungszeitraum, grundsätzlich ein Budgetzyklus, das qualitative<br />
und quantitative Weiterbildungsvolumen des Unternehmens.<br />
H<strong>12</strong>: Aus dem Qualifikationsgesamtplan wird <strong>der</strong> Budgetansatz für<br />
die Weiterbildung ermittelt.<br />
4.1.7 Maßnahmenmanagement<br />
Eine <strong>Personalentwicklung</strong>smaßnahme, die im<br />
Qualifikationsgesamtplan festgelegt worden ist, muss im nächsten<br />
Prozessschritt durch das Personalmanagement aktiv als<br />
Weiterbildungsmaßnahme umgesetzt werden. Das<br />
Maßnahmenmanagement stellt sich als zeitaufwendige<br />
administrative Aufgabe des Personalmanagements dar.<br />
Entsprechend ist dieser Prozess von <strong>der</strong> Softwareindustrie<br />
frühzeitig standardisiert und in entsprechen<strong>der</strong> Standardsoftware 272<br />
abgebildet worden.<br />
Das Maßnahmenmanagement <strong>der</strong> <strong>Personalentwicklung</strong> ist ein<br />
administrativ-organisatorischer Teilprozess, <strong>der</strong> geprägt durch die<br />
272 zum Standardsoftwareeinsatz vgl. Steiner, U. (1998) Steiner, U.; Personalinformationssystme<br />
Einführung und Einsatz in Schweizer Grossunternehmen; Bern 1998; vgl. auch: zu konkreten<br />
Auswahlkriterien für die Unterstützung des Maßnahmenmanagements durch Standardsoftware<br />
Händschke, E. (1997); S. 18 ff
Seite 84<br />
Standardsoftware, grundsätzlich immer dem gleichen<br />
Prozessmuster folgt. Dieser hohe Standardisierungsgrad<br />
ermöglichte bereits frühzeitig den Einsatz von Softwaresystemen,<br />
die wie<strong>der</strong>um in ihrer Ausgestaltung den Standardprozess<br />
festschreiben. Eine Marktanalyse zeigt deutlich, dass alle namhaften<br />
Standardsoftwareprodukte nahezu einen identischen Prozess<br />
abgebildet haben. Deshalb kann hier festgestellt werden, dass es<br />
grundsätzlich einen anerkannten Standardprozess<br />
„Maßnahmenmanagement“ gibt. Die folgende Beschreibung <strong>der</strong><br />
Elementarprozessschritte lässt sich demnach auch in allen<br />
eingeführten Systemen wie<strong>der</strong>finden.<br />
Als Elementaraufgaben werden jeweils die Teilprozesse<br />
Veranstaltungen vorbereiten, Veranstaltungen planen,<br />
Veranstaltungen durchführen und Veranstaltungen nachbereiten<br />
aufgeführt.<br />
Im Teilprozessschritt „Veranstaltungen Vorbereiten“ werden die im<br />
Qualifikationsgesamtplan festgelegten Qualifizierungsmaßnahmen-<br />
und Teilnehmerdaten bestimmten Veranstaltungen und Trägern<br />
zugeordnet. Im nächsten Schritt werden die Veranstaltungen vom<br />
Personalmanagement konkret geplant und organisiert. Aus <strong>der</strong> im<br />
vorhergehenden Prozessschritt festgelegten Zuordnung werden<br />
hierbei die konkreten <strong>Personalentwicklung</strong>smaßnahmen örtlich und<br />
zeitlich festgelegt. Zudem findet in diesem Teilprozessschritt eine<br />
erste Budgetkontrolle gegenüber dem gesetzten Sollbudget aus <strong>der</strong><br />
Qualifikationsbedarfsanalyse statt. Im sich anschließenden<br />
Teilprozessschritt <strong>der</strong> Veranstaltungsdurchführung findet das<br />
organisatorische Tagesgeschäft statt. Hierunter ist die Ab- und<br />
Seite 85<br />
Verrechnung von Kosten, die Teilnehmerbuchung und die<br />
Aufgabenimprovisation bei nicht planmäßig verlaufen<strong>der</strong><br />
Organisation zu verstehen. Im letzten Teilprozessschritt <strong>der</strong><br />
Nachbereitung von Veranstaltungen werden die in den<br />
vorhergehenden Teilprozessen durchgeführten Arbeitsschritte<br />
statistisch erfasst und analysiert 273 .<br />
4.1.8 Arbeitshypothesen zur Maßnahmenplanung<br />
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass kein Prozess <strong>der</strong><br />
<strong>Personalentwicklung</strong> so fachlich detailliert beschrieben und<br />
weitgehend standardisiert ist, wie <strong>der</strong> des<br />
Maßnahmenmanagements. Auf eine tiefergehende Analyse und<br />
Beschreibung kann weitestgehend verzichtet werden, da dieser<br />
Teilprozessschritt in nahezu allen Standardsoftwareprodukten und in<br />
<strong>der</strong> Praxis gleichermaßen abgebildet ist und somit kategorisch als<br />
systematische Vorgabe betrachtet werden kann.<br />
Grundsätzlich lassen sich hier folgende weiterführende<br />
Hypothesen formulieren:<br />
H13: Das Maßnahmenmanagement als hochgradig administrative<br />
und genauso intensiv standardisierbarer Prozess wird<br />
weitestgehend durch den Einsatz von Standardsoftware unterstützt.<br />
H14: Durch das Maßnahmenmanagement wird sichergestellt, dass<br />
grundsätzlich nur Weiterbildungsmaßnahmen aus dem<br />
273 vgl. Schreiber-Tennagels, S., S. 70
Seite 86<br />
Qualifizierungsgesamtplan umgesetzt werden.<br />
H15: Im ersten und letzten Teilprozessabschnitt findet eine<br />
Budgetkontrolle statt.<br />
4.1.9 <strong>Personalentwicklung</strong>s-Evaluation und Transferkontrolle<br />
Die bisher beschriebenen Prozessphasen Bedarfsanalyse, -planung<br />
und Organisation sowie Durchführung <strong>der</strong><br />
Weiterbildungsmaßnahmen sind in den letzen Jahren in <strong>der</strong> <strong>Theorie</strong><br />
stark reflektiert worden. 274 In den aktuellen Zeiten knapper Budgets<br />
und unter erhöhtem Wettbewerbsdruck rücken <strong>der</strong> abschließende<br />
Teilprozess und die Thematik <strong>der</strong> Erfolgskontrolle in<br />
Zusammenhang mit <strong>der</strong> Frage des Bildungscontrollings ebenfalls in<br />
das Interessensfeld von Wissenschaftlern und Praktikern. 275 Der<br />
Bereich <strong>der</strong> Sicherung des Transfers des Erlernten wird hier<br />
meistenteils mit einbezogen. 276<br />
Die Kostensteuerung und Nutzenbetrachtungen in <strong>der</strong><br />
<strong>Personalentwicklung</strong> werden zu einem entscheidenden Faktor des<br />
Managements. 277 So gewinnen die Finanzierung und das<br />
Controlling <strong>der</strong> Investitionen in die <strong>Personalentwicklung</strong> einen<br />
immer höheren Stellenwert. ”Die Akzeptanz <strong>der</strong> Weiterbildung im<br />
Betrieb, d. h. die langfristige Einbindung betrieblicher Weiterbildung<br />
in den Unternehmensentwicklungsprozess, wird nur gelingen<br />
können, wenn die Kosten und die Erträge von Weiterbildung<br />
274 Münch, J. (1995); S. 51 ff<br />
275 vgl. För<strong>der</strong>reuther, R. (1997); Becker, F. G. (1999); Becker, F. G. et al. (1999)<br />
276 vgl. Arnold, R. (1991); S. 158ff<br />
277 Bötel, C. et al. (1999); S. 17<br />
Seite 87<br />
zumindest ansatzweise ermittelt und dokumentiert werden”. 278 Das<br />
Gewicht dieser Festsstellung wird bei einem jährlichen<br />
Investitionsvolumen von 48 Milliarden DM für<br />
Seminarveranstaltungen 279 beson<strong>der</strong>s deutlich. Die Unternehmen<br />
reagieren entsprechend und es kann festgestellt werden, dass eine<br />
Erfassung <strong>der</strong> Weiterbildungskosten aktuell empirisch belegbar in<br />
nahezu allen Unternehmen stattfindet. 280 An<strong>der</strong>erseits zeigt jedoch<br />
eine aktuelle Untersuchung des BIBB, dass in den Unternehmen<br />
Alternativkosten, die infolge nicht rechtzeitig erfolgter o<strong>der</strong><br />
unterlassener Weiterbildung entstehen können, nicht erfasst<br />
werden. 281 Zusammengefasst kann werden, dass eine detaillierte<br />
Quantifizierung o<strong>der</strong> gar eine geldliche Messung des Nutzens von<br />
<strong>Personalentwicklung</strong>smaßnahmen nicht zu beobachten ist. 282 Die<br />
Messbarkeit entsprechen<strong>der</strong> Maßnahmen wird hierbei durch<br />
grundsätzliche methodische Probleme erschwert, da eine<br />
monokausale Zuordnung kaum möglich ist, es in Teilbereichen nur<br />
eingeschränkte Qualifizierungsmöglichkeiten gibt, die Effekte<br />
zeitverzögert auftreten und vielfach nur subjektiv ermittelt werden<br />
können. 283<br />
Entsprechend muss Evaluation somit über die einfache Messung<br />
betriebswirtschaftlicher Ergebnisdaten im Sinne einer Input-Output-<br />
Analyse hinausgehen. <strong>Personalentwicklung</strong>s-Evaluation muss<br />
zusätzlich mittels wissenschaftlicher Verfahrensweisen Aussagen<br />
über die Entwicklung sowie den Zustand <strong>der</strong> Rahmenbedingungen<br />
und die Auswirkungen <strong>der</strong> <strong>Personalentwicklung</strong>s-Maßnahmen<br />
278 Bötel, C. et al. (1999); S. 17<br />
279 Staudt, E. et al. (1999); S.49<br />
280 Bötel, C. et al. (1999); S. 20<br />
281 Bötel, C. et al. (1999); S. 20<br />
282 Bötel, C. et al. (1999); S. 20<br />
283 Staudt, E. et al. (1999); S. 6
Seite 88<br />
sowohl auf die Teilnehmer/innen, als auch auf die Unternehmung<br />
generieren. 284<br />
Ein grundlegendes, vorab zu klärendes methodisches Problem <strong>der</strong><br />
<strong>Personalentwicklung</strong>s-Evaluation liegt auch hier in <strong>der</strong> häufig<br />
anzutreffenden unscharfen Begriffsverwendung und dessen<br />
Abgrenzung zum Bildungscontrolling. 285<br />
Bötel, Herget und Seusing definieren die <strong>Personalentwicklung</strong>s-<br />
Evaluation über den Begriff des Bildungscontrollings als ein<br />
planungsorientiertes Evaluationsinstrument zur ziel- und<br />
ergebnisorientierten Gestaltung und Steuerung betrieblicher<br />
Weiterbildung, um <strong>der</strong>en Nutzung zu optimieren und streben als ein<br />
ganzheitliches Konzept dabei eine integrierte und systematische<br />
Rückkopplung zwischen Planung, Analyse und Kontrolle an. 286<br />
Bildungscontrolling definiert sich so als Teilelement <strong>der</strong> Evaluation<br />
in Form einer spezifische Analyse <strong>der</strong> Ergebnisse <strong>der</strong><br />
<strong>Personalentwicklung</strong>. 287 Das BIBB definiert ebenfalls entsprechend<br />
Bildungscontrolling als ”ein geeignetes Verfahren, um den Nutzen<br />
<strong>der</strong> Weiterbildung zu erfassen und zu bewerten und die für die<br />
Weiterbildung aufzuwendenden finanziellen Mittel möglichste<br />
effizient einzusetzen”. 288<br />
4.1.9.1 Betriebswirtschaftlicher Evaluationsprozess nach<br />
Phillips<br />
284 Becker, F.G. (1999); S. 200<br />
285 Becker, F.G. (1999); 198<br />
286 Bötel, C. et al. (1999); S. 17<br />
287 Becker, F.G. (1999); 200<br />
288 BIBB (1999A); S. 8<br />
Seite 89<br />
Zur betriebswirtschaftlichen Darstellung des Nutzens <strong>der</strong><br />
<strong>Personalentwicklung</strong> konstruiert Phillips einen Evaluationsprozess<br />
zur Messung des Return on Investment von<br />
Weiterbildungsmaßnahmen. Er unterscheidet hierbei die Stufen:<br />
a) Ermittlung <strong>der</strong> vorbereitenden Evaluationsinformationen,<br />
b) Durchführung <strong>der</strong> Datenerhebung,<br />
c) Umwandlung <strong>der</strong> Daten in Geldwerte,<br />
d) die Berechnung <strong>der</strong> Programmkosten und<br />
e) <strong>der</strong> abschließenden Berechnung des Return on Investment. 289<br />
In <strong>der</strong> vorbereitenden Evaluationsinformation werden <strong>der</strong><br />
Evaluationszweck und die Evaluationsinstrumente festgelegt. 290<br />
Zudem ist ein detaillierter Zeitplan für die Evaluation auszustellen.<br />
291 Im Teilprozessschritt <strong>der</strong> Datenerhebung werden möglichst<br />
umfassend geldliche und nicht monetäre Daten gesammelt. 292 Diese<br />
Informationen sind dann in <strong>der</strong> nächsten Teilprozessstufe in<br />
geldwerte Daten zu transferieren. 293 Das Gesamtergebnis <strong>der</strong> in<br />
Geldwerten dargestellten Daten aus <strong>der</strong> Evaluation heraus wird den<br />
Programmkosten gegenübergestellt. Der eigentliche Return on<br />
Investment ergibt sich aus dem Verhältnis von Programmnutzen zu<br />
Programmkosten. 294<br />
Die bisher dargestellten Definitionen und <strong>der</strong> Prozessverlauf nach<br />
Phillip zielen auf betriebswirtschaftliche Kosten-Nutzen-Analysen ab<br />
und vernachlässigen die Erkenntnis, dass eine solche Betrachtung<br />
289 Phillip, J. (2000); S. 11-14<br />
290 Phillip, J. (2000); S. 11<br />
291 Phillip, J. (2000); S. <strong>12</strong><br />
292 Phillip, J. (2000); S. <strong>12</strong><br />
293 Phillip, J. (2000); S. 13<br />
294 Phillip, J. (2000); S. 14
Seite 90<br />
maßgebliche Kosten <strong>der</strong> Planung und vor allem den mittelbaren<br />
Nutzens <strong>der</strong> <strong>Personalentwicklung</strong> außer Acht lassen. 295<br />
4.1.9.2 Sozial-pädagogischer Evaluationsprozess nach Stiefel<br />
Den prozessorientierten Ansatz <strong>der</strong> <strong>Personalentwicklung</strong> und die<br />
oben dargestellte Kritik Staudts an einer rein betriebswirtschaftlichen<br />
Sicht vorwegnehmend, bezieht Stiefel weitere soziale und<br />
pädagogische Rahmenbedingungen mit in den von ihm entworfenen<br />
Evaluationsprozess ein, um damit auch des mittelbaren Nutzen <strong>der</strong><br />
<strong>Personalentwicklung</strong>sarbeit einfließen zu lassen.<br />
Er teilt die Evaluation <strong>der</strong> <strong>Personalentwicklung</strong> in eine Vor-<br />
Schulungsphase, die eigentliche Lehr- und Lernphase und in eine<br />
Nach-Schulungsphase. 296 Entsprechend dieser Systematik ist es<br />
wesentlich, dass das soziale betriebliche Umfeld des Teilnehmers<br />
<strong>der</strong> <strong>Personalentwicklung</strong>smaßnahme bereits nach Möglichkeit vor<br />
Beginn <strong>der</strong> eigentlichen Entwicklungsmaßnahme in die didaktischen<br />
Planungen und damit auch in den Evaluationsprozess mit<br />
einbezogen wird. Nach-Schulungsphasen sind demnach methodisch<br />
didaktisch in <strong>der</strong> Hauptsache durch Follow-up-Aktivitäten<br />
gekennzeichnet, in denen ebenfalls im dialogischen Prinzip mit dem<br />
Maßnahmenteilnehmer <strong>der</strong> tatsächliche Erfolg <strong>der</strong><br />
Bildungsmaßnahme, das heißt <strong>der</strong> Transfer des neuen Wissens,<br />
überprüft und ggf. Verbesserungsmöglichkeiten am eigentlichen<br />
Bildungsprozess und/o<strong>der</strong> Organisationsprozess durch<br />
systematische Evaluation herbeigeführt werden. 297 So wird auch die<br />
295 Staudt, E. et al. (1999); S. 48 u. 49<br />
296 Stiefel, R. T.; 1980; (S. noch ermitteln)<br />
297 Arnold, R. (1991); S. 159<br />
Seite 91<br />
Erörterung <strong>der</strong> Frage mit einbezogen, welche Transferhilfen in<br />
welcher Form bereitgestellt werden müssen, damit eine erfolgreiche<br />
Anwendung des Gelernten im Arbeitsumfeld möglich ist. 298<br />
Nachteilig stellt sich in diesem Verfahren dar, das<br />
betriebswirtschaftlich monitäre Fakten nahezu außer Acht bleiben.<br />
Erst <strong>der</strong> im Folgenden dargestellte Evaluationsprozess nach Becker<br />
führt bei bisher beschrieben Ansätze konstruktiv zusammen.<br />
4.1.9.3 Evaluationsprozess nach Becker<br />
Betriebswirtschaftliche und sozialpädagogische Aspekte, wie sie bei<br />
Philipp und Stiefel noch jeweils getrennt betrachtet werden,<br />
zusammenfassend unterscheidet Becker drei Teilprozessschritte <strong>der</strong><br />
<strong>Personalentwicklung</strong>s-Evalution. 299<br />
Input-Evaluation<br />
Prozess-Evaluation und<br />
Output-Evaluation.<br />
Gegenstände <strong>der</strong> ”Input-Evaluation” sind die Voraussetzungen und<br />
Bedarfe <strong>der</strong> <strong>Personalentwicklung</strong>. Die ”Prozess-Evaluation” zielt auf<br />
die Bewertung <strong>der</strong> <strong>Personalentwicklung</strong>sprozesse als Kernprozess<br />
des Personalmanagements und die ”Output-Evaluation” beurteilt die<br />
Ergebnisse <strong>der</strong> <strong>Personalentwicklung</strong>smaßnahmen.<br />
Der Ansatz Beckers zeigt deutlich, dass die Evaluation von<br />
<strong>Personalentwicklung</strong>smaßnahmen sich nicht nur auf die<br />
Endbeurteilung des Nutzens <strong>der</strong> <strong>Personalentwicklung</strong>smaßnahmen<br />
298 Arnold, R. (1991); S. 159<br />
299 Becker, F.G. (1999); S.201
Seite 92<br />
in Form eines monitären Controllings beschränken darf. Vielmehr ist<br />
<strong>der</strong> Evaluationsprozess systematisch betrachtet weniger als<br />
separater zyklischer Teilprozessschritt <strong>der</strong> <strong>Personalentwicklung</strong> zu<br />
betrachten, als das er vielmehr als Funktionszyklus über alle<br />
Teilprozessschritten <strong>der</strong> <strong>Personalentwicklung</strong> zu sehen ist. 300 Die<br />
Input-Evaluation nach <strong>der</strong> Definition Beckers bezieht sich<br />
hauptsächlich auf den Teilprozessschritt <strong>der</strong><br />
Qualifikationsbedarfsanalyse und –planung. Dazu erstreckt sich die<br />
Prozess-Evaluation auf alle Teilprozessschritte <strong>der</strong><br />
<strong>Personalentwicklung</strong>, während die Output-Evaluation die messbare<br />
Verhaltensän<strong>der</strong>ung bewertet. 301<br />
4.1.9.4 Arbeitshypothese zur Evaluation und Transferkontrolle<br />
Abschließend lassen sich auch hier folgende Hypothesen<br />
formulieren:<br />
H16: Die Qualität des <strong>Personalentwicklung</strong>sprozesses muss ständig<br />
gesichert werden.<br />
H17: Alle in die Teilprozesse einfließenden (Input) und als<br />
Ergebnisse ausfließenden (Output) Daten müssen dokumentiert und<br />
analysiert werden.<br />
H18: Während des gesamten <strong>Personalentwicklung</strong>sprozesses muss<br />
an je<strong>der</strong> Stelle qualitativ und quantitativ darstellbar sein, welchen<br />
wertschöpfenden Beitrag die <strong>Personalentwicklung</strong>sarbeit leistet.<br />
300 Bötel, C. et al. (1999); S. 18<br />
301 Becker, F.G. (1999); S. 202<br />
Seite 93<br />
Becker und Bötel zeigen in ihren Ansätzen jeweils deutlich auf, dass<br />
zum einen betriebswirtschaftliche und sozialpädagogische Aspekte<br />
in die Gestaltung eines Evaluationsprozesses einfließen müssen.<br />
Zum an<strong>der</strong>en wird auch deutlich, dass <strong>der</strong> Evaluationsprozess kein<br />
in sich abgeschlossener Teilprozess <strong>der</strong> <strong>Personalentwicklung</strong> ist.<br />
Vielmehr ist er als Supportprozess des<br />
<strong>Personalentwicklung</strong>sprozesses zu sehen, <strong>der</strong> jeweils spezifische<br />
Schnittstellen zu den an<strong>der</strong>en oben beschriebenen Teilprozessen<br />
hat.<br />
5. Zusammenfassung<br />
Mit dieser <strong>Theorie</strong> <strong>der</strong> <strong>Personalentwicklung</strong> soll dargestellt werden,<br />
wie <strong>Personalentwicklung</strong> auf <strong>der</strong> Basis eines theoretischen<br />
Konzeptes idealtypisch auch im Mittelstand funktionieren kann. Der<br />
entsprechende Standardpersonalentwicklungsprozess arbeitet dabei<br />
mit Grundbegriffen, <strong>der</strong>en konsequente Anwendung<br />
Missverständnisse, Fehlentwicklungen und damit Fehlinvestitionen<br />
verhin<strong>der</strong>n wird.<br />
<strong>Personalentwicklung</strong> wird nur funktionieren, wenn <strong>der</strong><br />
Zusammenhang zwischen Organisationsentwicklung und<br />
<strong>Personalentwicklung</strong> beachtet wird. Als Leitsatz ist aufzustellen,<br />
dass konservative Organisationsmodelle ebenso konservative<br />
<strong>Personalentwicklung</strong> bedingen und auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite mo<strong>der</strong>ne<br />
Organisations-modelle eine proaktive <strong>Personalentwicklung</strong><br />
notwendig machen. Es konnte dargestellt werden, dass eine<br />
Vermischung dieser Bedingungen nicht funktionieren kann.
Seite 94<br />
Mit den Arbeitshypothesen, die zu jedem Teilprozess des<br />
<strong>Personalentwicklung</strong>s-prozesses formuliert wurden, werden dem<br />
Personalentwickler Qualitätsstandards an die Hand gegeben,<br />
anhand <strong>der</strong>er er die Gestaltungsqualität seiner<br />
<strong>Personalentwicklung</strong>s-arbeit kontrollieren und messen kann.<br />
Seite 95<br />
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(Hrsg.); Jahrbuch <strong>der</strong> <strong>Personalentwicklung</strong> und Weiterbildung;<br />
Neuwied, Kriftel 1999<br />
Volz-Holterhus, Edith; (1999) Führungskräfteentwicklung durch<br />
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(Hrsg.); Jahrbuch <strong>der</strong> <strong>Personalentwicklung</strong> und Weiterbildung;<br />
Neuwied, Kriftel 1999<br />
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(Hrsg.); Jahrbuch <strong>der</strong> <strong>Personalentwicklung</strong> und Weiterbildung;<br />
Neuwied, Kriftel 1999<br />
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1999; S. 16 ff<br />
Wun<strong>der</strong>er, Rolf /Dick, Petra; (2000) Personalmanagement – Quo<br />
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Neuwied/Kriftel 2000<br />
Zimmer, Gerhard/Holz, Heinz/Roß, Ernst; (1996) Multimediales<br />
Lernen in <strong>der</strong> Berufsbildung -Multimedia revolutioniert die<br />
Berufsbildung; in BWP 25/1996 Heft 5