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HAND(LUNGS)BUCH - Otelo

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nichts als etwas ausgeben und sich mit etwas anderem messen muss, um auf Anerkennung zu<br />

stoßen. Dort existiert das Neue nicht als eine von einem Absender losgelöste Botschaft, weil wir<br />

darin noch Wirklichkeit sind. Im Sprachspiel sind wir die Gegenwart des Neuen, denn jeder<br />

spielerische Zug verändert unsere Position und unser Perspektive und sie verändert uns auch in der<br />

Wahrnehmung der anderen. Diese Veränderungen werden im Sinn von Kommunikation sowohl auf<br />

der Ebene des Senders als auch des Empfängers wahrgenommen. Das Sprachspiel macht uns sowohl<br />

zu Protagonisten als auch zu Beobachtern, Theorie und Praxis unterliegen darin einer permanenten<br />

Oszillation. Es gibt dabei keine Gewinner und Verlierer, weil es primär darum geht, das Sprachspiel,<br />

den Ort, worin wir zuhause sind, weiter zu entwickeln. Die Kommunikation ist das, was uns Freude<br />

bereitet, weil das Neue nicht über sie auf uns einschlägt, sondern wir selbst die Botschafter des<br />

Neuen sind.<br />

Die Sprachspiele erfordern keine Experten, also keine Menschen, die selbst ein spezielles Wissen<br />

repräsentieren und sich und ihre Rolle über das Erprobt-Sein im Umgang mit diesem Wissen anhand<br />

vorgegebener Problemstellungen legitimieren. Das Sprachspiel bringt vielmehr die Person des<br />

Kenners hervor, der sich über die dauernde Erprobung von Zusammenhängen ein individuelles<br />

Wissen aneignet, das nicht primär lösungsorientiert ist, sondern für sich sein und zur Verwirklichung<br />

des Selbst dienen kann. Im Gegensatz zum Experten, der durch ein Problem auf die Probe gestellt<br />

wird und dabei sein Wissen bzw. seine Problemlösungskompetenz unter Beweis stellt, geht der<br />

Kenner nicht von einem Problem, sondern von sich aus und stellt sein Wissen immer wieder auf die<br />

Probe.<br />

Entstanden ist das Expertentum, so wie wir es heute kennen, im Zuge der Industrialisierung. Dabei<br />

wurden gewisse Aufgaben vermehrt an Spezialisten delegiert. Dies gilt insbesondere für die Kreation<br />

des Neuen bzw. für Innovationsprozesse. In der Geschichte der Menschheit stellt dies an sich etwas<br />

vollkommen Neues und eine Ausnahme dar. In der Regel entstanden Entwicklungen und<br />

Weiterentwicklungen über Jahrtausende hinweg aus kollektiven Prozessen heraus. Erst mit der<br />

Etablierung eines Systems der Fremdversorgung, das heute globale Dimensionen angenommen hat,<br />

änderte sich diese Praxis. Mit der Industrialisierung setzte die Massenproduktion ein, welche nun die<br />

Arbeit von Massenmedien bzw. Kommunikation notwendig machte, um die Menschen von den mit<br />

Hilfe der Experten entstandenen Produkte zu überzeugen und schließlich zu Kaufhandlungen zu<br />

mobilisieren. Denn Produkte, an deren Entstehung wir nicht mehr teilhaben, erscheinen uns als<br />

fragwürdig und ziehen einen Erklärungsbedarf nach sich. Kommunikation in Form von Werbung, PR<br />

und allgemein Marketing waren notwendige Faktoren, um Konsumenten zum Kauf von Produkten zu<br />

bewegen.<br />

Die Form der Kommunikation bzw. der Grad der Interaktion hat sich allerdings in den letzten 50<br />

Jahren gravierend verändert. Handelten Konsumenten zunächst wegen der Medien (Reklame,<br />

Propaganda), dann mit den Medien (Marktforschung, PR, Werbung) und zuletzt quasi für die Medien<br />

(Datamining) so entstehen im Web 2.0 nun solche Formen, in denen Konsumenten immer mehr<br />

selbst zu Botschaftern werden (Blogger). Diese Entwicklung findet nicht losgelöst von der<br />

Produktwelt und daher vom Aspekt der Innovation statt. So hat sich durch die von Lyotard bereits<br />

beschriebenen Prozesse einer Wissensgesellschaft ein Kennertum entwickelt, weshalb spätestens<br />

seit Ende der 90er-Jahre speziell jene Produkte und Dienstleistungen erfolgreich waren, die es dem<br />

Kunden ermöglichten, sich selbst zu verändern. Innovation hat insofern auch etwas mit der<br />

Entwicklung eines persönlichen Lebensstils zu tun.<br />

Neue Technologien der Miniaturisierung werden in einem nächsten Schritt dazu führen, dass sich<br />

dieses Kennertum nun zu einem Könnertum wandelt, da sich gewisse Produkte einfach und<br />

K OTELO im Kontext der Gesellschaft – externe Betrachtungen & Sichtweisen<br />

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