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Heimat-Rundblick 103

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Kaplan Diedrich, Pfaffe des Bremer Erzbischofs,<br />

oder der Propst des Klosters Osterholz – das ist hier<br />

die Frage …<br />

Anita Hagenow, geb. Kück, Schwester von<br />

Käthe Dehlwes, lebt in Lilienthal auf ihrem<br />

Hof, der seit 1667 nachzuweisen ist, in der kleinen<br />

Sackgasse Im Orth. Ihr Ehemann Wiegand<br />

Hagenow, den sie bei ihrer Schwester Käthe<br />

Dehlwes in Borgfeld, Upper Borg, kennengelernt<br />

hatte, war aus Viesecke an der B5 in der<br />

Nähe von Perleberg in Brandenburg in den<br />

Westen geflohen. Er gehörte zu denen, die<br />

dem Regime der DDR den Rücken gekehrt hatten,<br />

weil es keine Zukunft mehr für sich und<br />

den elterlichen Hof gab. Auch dieses Anwesen<br />

und die Familie Hagenow konnte zu dem Zeitpunkt<br />

auf eine lange Vergangenheit zurückblicken.<br />

In einem Regest vom 18. Juni 1395 ist<br />

zu lesen: Unter den Bürgern ist auch her Reimer<br />

Hagenow, riddere. Auch das Wappen wird<br />

beschrieben: Im blauen Felde eine rothe Rose.<br />

Die Eheleute Hagenow führten eine glückliche,<br />

wenn auch arbeitsame Ehe. Doch dann<br />

verstarb Wiegand Hagenow, viel zu früh.<br />

Küchengeräte, an die sich<br />

Ältere kaum noch erinnern<br />

Es dauerte eine Weile, bis Anita sich entschloss,<br />

auf dem großen Hof, der nicht mehr<br />

bewirtschaftet wurde, Platz zu schaffen. Neben<br />

dem Hof gab es eine recht große Scheune, die<br />

Platz genug bot, um Historisches und Erinnerungen<br />

zu bewahren. So sammelten sich bald<br />

kleinere Gerätschaften, die in Zeiten benutzt<br />

wurden, als Pferde die Arbeit verrichteten, als<br />

Kühe noch mit der Hand gemolken wurden, die<br />

Wärme aus dem mit Torf beheizten Ofen kam.<br />

Zum Hof gehörten 6 Morgen Land im Klostermoor,<br />

aus denen der Torf gewonnen wurde.<br />

Die Kinder fuhren auf dem Pferdewagen mit ins<br />

Moor zum Torfstechen, als Tagesration gab es<br />

RUNDBLICK Herbst 2012<br />

lungsweise nur als frühes Sponsorenverhalten<br />

bezeichnen. Denn sein Vorgehen ist aus seinen<br />

Aufzeichnungen deutlich abzulesen.<br />

Mehr als auffällig bei den Spenden ist die<br />

Häufigkeit des Betrages um 23 bis 28 Gulden.<br />

So ist z.B. beim Ritter von Zestersfleth ein<br />

Betrag von 224 Gulden eingetragen. Noch<br />

deutlicher ist es bei der Eintragung der Spende<br />

der erzbischöflichen Amtleute, denn dort ist<br />

eine Aufteilung vorgenommen worden. Dem<br />

ersten Betrag von 300 Mark folgt der Zusatz:<br />

„denselben … 23 Gulden“. Hier sind die Zahlung<br />

für den Bau des Rathauses und die Spende<br />

für die Konsole getrennt aufgeführt.<br />

Rolf Gramatzki sieht in der Figur der Konsole<br />

unter dem Erzbischof von Mainz den Überbringer<br />

der Spende des Bremer Erzbischofs,<br />

den Kaplan Diedrich. Doch die besondere Stellung<br />

der Beträge zwischen 23 und 28 Gulden<br />

spricht eher dafür, dass der Propst des Klosters<br />

Osterholz sich für seine Spende von 25 Gulden<br />

einen Platz an der Rathausfassade erkaufte.<br />

Denn der Überbringer der Spende, Bernd Prindeney,<br />

war Ratmann, wie man hier sieht:<br />

Als Vertreter des Rates waren an diesem<br />

Schiedsspruch beteiligt: Bürgermeister<br />

Muckefuck [aus verschiedenen Getreidesorten<br />

hergestellt, ohne Koffein] und Milchreis.<br />

Küchengeräte sind zu sehen, an die sich<br />

selbst die Älteren kaum noch erinnern, das<br />

wöchentliche Bad in der Zinkwanne. Der Alltag<br />

auf einem Bauernhof vor 70 Jahren ist heute<br />

kaum zu beschreiben, Ein Plätzchen wurde für<br />

den Schwager Wilhelm Dehlwes eingerichtet,<br />

der sich als <strong>Heimat</strong>forscher um die Aufarbeitung<br />

der Geschichte von Borgfeld und Lilienthal<br />

verdient gemacht hatte. Einige Jahre vergingen,<br />

bevor Anita Hagenow ihre geordneten<br />

Schätze der Öffentlichkeit vorstellte. Das einfache<br />

aber doch schöne Leben auf dem Bauernhof<br />

ist in der zum Museum gewordenen<br />

Scheune wiederzufinden.<br />

Wer Lust verspürt, sich hier einmal umzusehen,<br />

Tochter Christiane Grotheer ist unter der<br />

Tel.-Nr.04298-467272 zu erreichen und hilft<br />

gern weiter.<br />

Zum Schluss erzählt Anita Hagenow eine<br />

kleine Episode, die sich am Ende des Zweiten<br />

Johann Vasmer; Bernd Prindeney; … (Die<br />

Landgebietspolitik der Stadt Bremen um<br />

1400 …, Manfred Willmanns, 1973). Dieser<br />

Ratmann hat die für damalige Verhältnisse<br />

anstrengende Tagesreise nach Osterholz<br />

(-Scharmbeck) angetreten, um die Spende<br />

des Propstes dort abzuholen und Hinrich von<br />

der Trupe zu übergeben. Somit wäre ein weiterer<br />

Vertreter eines Klosters außerhalb der<br />

Stadt an der Schauseite des Bremer Rathauses<br />

verewigt! Dass der Bildhauer Meister Johannes<br />

dem Propst des Klosters Osterholz persönlich<br />

begegnet ist, um sein Abbild auf die<br />

Konsole zu übertragen, kann als sicher gelten.<br />

Für mich war das Rechnungsbuch zum Bau<br />

des Bremer Rathauses im gotischen Stil eine<br />

spannende Quelle, die Material zur Lösung<br />

weiterer Rätsel bietet.<br />

Harald Steinmann<br />

Quellen:<br />

Das Rathaus in Bremen, Versuch zu seiner Ikonologie,<br />

Rolf Gramatzki, 1994<br />

Johann Hemelings „Diplomatarium fabricae<br />

ecclesiae Bremensis“ von 1415/20, Lieselotte<br />

Klink, 1988<br />

Klein aber fein, ein Museum in der Scheune<br />

Unser Fotograf Erwin Duwe hat versucht, möglichst viele der alten Geräte im Bild festzuhalten: Torfmühle;<br />

Moorpflug; Strohschneider; Dibbelmaschine; die Egge ist mehr als 2m breit, wurde von nur einem Pferd<br />

gezogen; Staubmühle. Erwin Duwe stellte dabei fest, dass ein Bild mehr aussagt als tausend Worte.<br />

Weltkriegs so abgespielt hat: Auf ihrem Bauernhof<br />

arbeitete ein Kriegsgefangener, ein Franzose.<br />

Da es nicht erlaubt war, dass er während<br />

der Mahlzeiten mit am Familientisch saß, was<br />

auch kontrolliert wurde, hatte man einen kleinen<br />

runden Tisch gegen die Tischecke gestellt.<br />

Ein gutes Miteinander entwickelte sich, ähnlich<br />

bei einem Belgier, der ebenfalls Familienanschluss<br />

auf einem anderen Hof in Moorhausen<br />

gefunden hatte. Doch kurz vor Kriegsschluss<br />

traten bei beiden heftige Zahnschmerzen auf,<br />

sie mussten unbedingt zum Zahnarzt. Damals<br />

gab es kein Auto, das sie zur Behandlung fuhr.<br />

So liehen sie sich bei ihren Bauern zwei Fahrräder,<br />

mit denen sie den Weg zum Zahnarzt<br />

antraten. Einige Tage später fand man bei Meppen<br />

in einem Wald zwei Fahrräder, die dort<br />

abgestellt waren. Am Lenker ein Zettel: „Diese<br />

Räter gehören zwei Bauern aus Moorhausen.“<br />

Das Ehepaar Hagenow hat bedauert, dass ihr<br />

Franzose sich nach dem Krieg nicht wieder<br />

gemeldet hat. Manfred Simmering<br />

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