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Heimat-Rundblick 103

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Die anonymen Gräber. Die ehemalige Lagerküche. In der Nachkriegszeit befand sich hier ein Speisesaal.<br />

anrückenden britischen Truppen in die<br />

Hände zu fallen. Ein noch marschfähiger<br />

Teil der Häftlinge, es wird eine Zahl von<br />

mindestens 800 genannt, wurde wiederum<br />

als Geiseln mitgeführt.<br />

Nun begannen Verhandlungen von<br />

Sprechern der Kriegsgefangenen mit der<br />

deutschen Lagerleitung, welche angesichts<br />

einer bevorstehenden Gefangennahme<br />

und eines ungewissen Schicksals<br />

einen Zugang zum KZ-Bereich gewähren<br />

musste. Doch fehlten noch nahezu alle für<br />

eine Erstversorgung der Kranken und Sterbenden<br />

notwendigen Mittel.<br />

Zustand im Film<br />

festgehalten<br />

Am 29. April übernahmen britische<br />

Truppen kampflos die Kontrolle, die anwesenden<br />

Wachen wurden an Ort und Stelle<br />

entwaffnet und interniert. Am 30. April<br />

inspizierte der britische General Horrox<br />

mit einer Delegation das Areal und ließ<br />

den Zustand in einem Film festhalten. Dieser<br />

kann heute in der Gedenkstätte Lager<br />

Sandbostel angesehen werden. Wir sehen<br />

RUNDBLICK Herbst 2012<br />

Bilder des Schreckens. Es liegen darüber<br />

hinaus Berichte vor, dass eine vom Lager<br />

ausgehende pestartige Geruchswolke sich<br />

über Kilometer auf jede Wahrnehmung<br />

legte. Etwa 20.000 Personen, lebendig<br />

und tot, befanden sich dort auf ungefähr<br />

einem Quadratkilometer eingesperrt.<br />

In den umliegenden Dörfern wurden<br />

sogleich hunderte von jungen Frauen zur<br />

Pflege der Kranken und Sterbenden von<br />

der britischen Militärverwaltung zwangsverpflichtet<br />

und nach Sandbostel<br />

gebracht, dazu Krankenschwestern und<br />

Pflegehelferinnen auch aus weiter entfernten<br />

Orten im Bremer Umland. Alte Männer<br />

aus den Dörfern sieht man in diesen Bildern<br />

Gräber schaufeln. Es liegt nahe, dieses<br />

geschah, um die herumliegenden Leichen<br />

und von allen Seiten herbeigetragenen<br />

Körper zu begraben.<br />

Heute finden wir auf dem gepflegten<br />

Lagerfriedhof in einem Teil die Massengräber<br />

der russischen und serbischen Kriegsgefangenen,<br />

in einem weiteren Teil unter<br />

Rasen die anonyme Ruhestätte der KZ-<br />

Häftlinge. Letztere sind etwa dreitausend.<br />

Tafeln und Gedenksteine weisen auf die<br />

dort Begrabenen hin. Im Frühjahr sollen<br />

auf dem ehemaligen Lagergelände dauerhafte<br />

Ausstellungen eröffnet werden. Zur<br />

Darstellung der Verhältnisse der russischen<br />

Kriegsgefangen wurde im Vorfeld ein<br />

gesonderter Forschungsauftrag erteilt. In<br />

der ehemaligen Lagerküche erhalten diese<br />

Menschen vielfach nun nachträglich<br />

Namenstafeln. Die Schicksale der KZ- Häftlinge<br />

von Sandbostel bleiben unerforscht.<br />

Damit stehen diese in der Sandbosteler<br />

Werteordnung, so scheint es, weiterhin an<br />

letzter Stelle.<br />

Wir können nach den vorliegenden Forschungen<br />

heute davon ausgehen, dass wir<br />

es in Sandbostel mit insgesamt sicher mehr<br />

als zehntausend Todesopfern aus dieser<br />

Lagerzeit zu tun haben.<br />

Text: Kurt Ringen<br />

Fotos: Tim Wöbbeking<br />

Die Namenstafeln der Kriegsgefangenen. Die Baracken im Jahre 2011.<br />

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