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sanu future learning ag<br />

Impressum<br />

Biel-Bienne, April 2012<br />

Autoren<br />

Nadine Gehrig, Alfred Wittwer, Angela Santini<br />

sanu future learning ag<br />

Begleitgruppe<br />

Begleitgruppe zusammengestellt aus folgenden Personen:<br />

Prof. Dr. Joachim Schöffel, HSR Hochschule für Technik Rapperswil / Abteilung Raumplanung<br />

Doris Sfar, Collaboratrice scientifique, Département fédéral de l’économie, OFL Office Fédéral du logement<br />

Laurent Guidetti, tribu’architecture<br />

Markus Steiner, landplan Büro für Landschaftsgestaltung<br />

Marco Hüttenmoser, Forschungs- und Dokumentationsstelle „Kind und Umwelt“<br />

Karin Grütter, Projektleiterin aktion gesundes körpergewicht, Gesundheitsförderung Kanton Basel Landschaft<br />

Petra Hagen Hodgson, lic. phil. Dozentin, Zentrumsleiterin Urbaner Gartenbau, ZHAW Zürcher Hochschule für<br />

Angewandte Wissenschaften, IUNR Institut Umwelt und Natürliche Ressourcen<br />

Finanzielle Unterstützung<br />

Binding Stiftung<br />

Bundesamt für Wohnungswesen BWO<br />

Zitiervorschlag<br />

Gehrig Nadine, Wittwer Alfred, Santini Angela (2010):<br />

Attraktive Wohnumfelder. Studie. sanu future learning ag. Biel 2012<br />

Im Text werden geschlechtsneutrale oder –kombinierte Personenbezeichnungen verwendet. Wo dies nicht möglich ist,<br />

sind immer beide Geschlechter gemeint.<br />

Server | GM12VI_Bericht_20.doc April 2012 2/43


sanu future learning ag<br />

Dank<br />

Für die Erarbeitung der Studie konnten wir auf die fachliche Unterstützung eines interdisziplinären Fachkreises<br />

zurückgreifen. Wir danken der Begleitgruppe ganz herzlich für die Steuerung zu Beginn der Studie und schliesslich die<br />

Feinabstimmung am Schluss.<br />

Ebenso danken wir den Lehrerinnen und Lehrer, welche sich bereit erklärt haben, mit ihren Schülerinnen und Schüler an<br />

der Aktion Visionen von Wohnumfeldern teilzunehmen und in den Schulunterricht zu integrieren. Der Dank geht an Nicole<br />

Güdel, Fabienne Haller, Patrizia Schaub und Nina Flückiger. Ein besonderer Dank geht auch an die Schülerinnen und<br />

Schüler, welche mit grosser Kreativität und Engagement ihre Ansprüche an Wohnumfelder dargelegt haben. Wir danken<br />

auch der Schwester von Nadine Gehrig, Florine Leonie Münger, die die Skizzen als Grundlage für die Aktion vorbereitet<br />

hat.<br />

Zudem danken wir der Binding Stiftung für die finanzielle Unterstützung, damit die Studie überhaupt in diesem Umfang<br />

durchgeführt werden konnte. Nicht zuletzt gilt ein grosses Dankeschön auch dem Bundesamt für Wohnungswesen BWO,<br />

welches uns über mehrere Jahre in diesem Thema sowohl inhaltlich wie auch finanziell unterstützt und begleitet hat.<br />

Server | GM12VI_Bericht_20.doc April 2012 3/43


sanu future learning ag<br />

Zusammenfassung<br />

Das direkte Wohnumfeld beeinflusst die Lebensqualität der Wohnbevölkerung im Bereich der Gesundheit und<br />

Bewegung, als Begegnungs- und Erfahrungsraum und die Umwelt im Bereich Biodiversität im Siedlungsraum. In<br />

Wohnumfeldern, in der Studie fokussiert auf die private, von Besitzern beeinflussbare Parzelle von Mietimmobilien,<br />

schlummert ein grosses, ungenütztes Aufwertungspotenzial. Die Studie macht Wunschvorstellungen von Kindern für ihre<br />

Wohnumfelder sichtbar und illustriert anhand einer Fotodokumentation attraktiver Beispiele, mit welchen Elementen<br />

Wohnumfelder von Mietimmobilien aufgewertet werden können. Diese konkreten Bilder sollen Entscheidungsträger<br />

inspirieren, Wohnumfelder attraktiver zu gestalten.<br />

Die Wunschvorstellungen zur Gestaltung ihres direkten Wohnumfeldes wurden anhand von Zeichnungen von Kindern<br />

und Jugendlichen aus 4 Schulklassen im Alter zwischen 10 und 18 Jahren analysiert. Die dabei dominanten fünf<br />

Elemente sind Wasser, Natur, Bewegung/Sport, Erholung/Begegnung und Konsummöglichkeiten. Wasser in allen<br />

Formen tritt bei allen Altersstufen auf. Der Wunsch nach Bewegung und Sport ist bei den jüngeren Kindern stärker<br />

vorhanden, während mit zunehmendem Alter die Elemente Natur, Erholung/Begegnung und Konsummöglichkeiten<br />

gewünscht werden. Simple Rasenflächen, wie sie der gängigen Praxis entsprechen, werden von den Kindern nicht<br />

gewünscht.<br />

Beispiele attraktiver Wohnumfelder werden mit Fotos anhand verschiedener möglicher Elemente illustriert. Die Elemente<br />

sind nach dem von Schöffel (2009) vorgeschlagenen System geordnet und zusätzlich mit dem Element Wasser ergänzt.<br />

Die Elemente stammen aus 20 verschiedenen Wohnumfeldern aus der deutschen und französischen Schweiz, die<br />

aufgrund von Hinweisen von Fachpersonen ausgelesen wurden. Für hohe Qualität von Wohnumfeldern sind aber<br />

darüber hinaus ein Gesamtkonzept und ein partizipativer Planungsprozess die idealen Voraussetzungen.<br />

Es wird vermutet, dass Angst vor Nutzerkonflikten sowie ein ungenügender, direkter ökonomischer Nutzen die<br />

Entscheidungsträger abschreckt, attraktivere Wohnumfelder zu realisieren. Eine Verbesserung der Situation müsste<br />

daher vermehrt über Bewusstseinsänderung der Entscheidungsträger und über kommunale Entwicklungsplanung<br />

gesucht werden.<br />

Résumé<br />

Les alentours directs des immeubles influencent la qualité de vie des habitants au niveau de la santé et de l’exercice<br />

physique, des zones d’échanges et de l’environnement lié à la biodiversité dans le milieu bâti. C’est sur les alentours<br />

d’immeubles de propriétaires privés, sur lesquels la présente étude se concentre, sommeille un grand potentiel de mise<br />

en valeur. Cette dernière montre des alentours rêvés par des enfants de manière visuelle. Elle illustre à l’aide de<br />

photographies d’aménagements attractifs comment les alentours des logements pourraient êtres valorisés. Ces images<br />

concrètes visent à inspirer les décideurs à rendre les aménagements extérieurs plus attrayants.<br />

Les aménagements de rêve, aux abords de leur immeuble, ont été analysés sur des dessins d’élèves âgés de 10 à 18<br />

ans, de 4 classes. Les cinq éléments prépondérants qui en ressortent sont l’eau, la nature, les espaces pour bouger/faire<br />

du sport, des zones de rencontre et de repos, ainsi que des commerces. Sous toute forme, l’eau est apparue dans toutes<br />

les tranches d’âges. Le souhait de pouvoir se dépenser physiquement est surtout mentionné par les plus jeunes, alors<br />

que plus l’âge augmente, plus se sont les aspects nature, repos, rencontre et les commerces qui sont évoqués. La<br />

simple pelouse, telle qu’actuellement aménagée, n’est pas souhaitée par les enfants.<br />

Des exemples d’alentours d’immeubles attrayants sont illustrés par des photos de différents éléments possibles. Ceux-ci<br />

ont été classés d’après le système proposé par Schöffel (2009) et complétés par l’élément eau. Au total, 20 alentours<br />

d’immeubles différents de Suisse allemande et romande, ont été sélectionnés sur des recommandations d’experts. Audelà<br />

d’un concept global, un processus participatif de planification serait idéalement requis pour concevoir des alentours<br />

d’immeubles de grande qualité.<br />

Il est supposé que la peur des conflits entre utilisateurs, ainsi qu’un profit économique direct insuffisant retient les<br />

décideurs de réaliser des alentours de leurs immeubles attractifs. Une amélioration de la situation devrait plutôt être<br />

cherchée du côté des plans communaux d’aménagement et découler d’une prise de conscience des décideurs.<br />

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sanu future learning ag<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

1 Ausgangslage 6<br />

1.1 Definition: Wohnumfeld 6<br />

1.2 Funktionen von Wohnumfeldern 6<br />

1.3 Potenzial von Wohnumfeldern 7<br />

1.4 Akteure und Entscheidungsträger 7<br />

1.5 Weiterbildungstätigkeit von sanu im Bereich Wohnumfeld 8<br />

2 Fragestellung und Zielsetzung 8<br />

3 Methode und Durchführung 9<br />

3.1 Visionen des idealen Wohnumfeldes von Kinder und Jugendlichen 9<br />

3.2 Literatur- und Fotostudie 9<br />

3.3 Untersuchungskriterien 9<br />

4 Resultate 10<br />

4.1 Wohnumfeldvisionen von Kinder und Jugendlichen 10<br />

4.2 Zusammenfassung der Wohnumfeldvisionen 19<br />

4.3 Beispiele von bestehenden Wohnumfeldern 20<br />

5 Diskussion und Handlungsempfehlungen 34<br />

5.1 Fazit aus den Visionen der Kinder und Jugendlichen 34<br />

5.2 Fazit aus den gefundenen Beispielen 34<br />

5.3 Allgemeine Schlussfolgerungen 36<br />

5.4 Schwierige Umsetzung und Ausblick 37<br />

Literaturliste 39<br />

Anhang 40<br />

Anhang 1: Informationsblatt „Aktion Visionen“ 41<br />

Anhang 2: Arbeitsblatt „Aktion Visionen“ 42<br />

Anhang 3: Skizzen „Aktion Visionen“ 43<br />

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sanu future learning ag<br />

1 Ausgangslage<br />

Wohnen hört nicht an der Wohnungstür auf. Für das Wohlbefinden der Bewohnerschaft einer Siedlung spielt die Qualität<br />

des Wohnumfeldes, also der Räume, die sich unmittelbar an die Wohnung anschliessen, eine wichtige Rolle.<br />

Wohnumgebung wird sogar als wichtigster Faktor für die Lebensqualität genannt (Stadtentwicklung Zürich, 2005). Die<br />

gebaute Wirklichkeit in vielen Siedlungen wird dieser Bedeutung aber nicht gerecht. Die Struktur des Freiraums und die<br />

angebotenen Nutzungsmöglichkeiten sind allzu oft nur die verbliebene «Restgrösse» aus der Optimierung der baulichen<br />

Ausnützung einer Parzelle. Die daraus entstehende Diskrepanz zwischen Ansprüchen und Realität schlägt sich in<br />

schlecht genutzten Wohnumfeldern, langweiliger Gestaltung und einfältiger Begrünung nieder. Trotzdem gibt es einzelne<br />

sehr spannende Projekte in Quartieren und Siedlungen, welche die vielfältigen Aspekte des Wohnumfelds von Anfang an<br />

in die Planung einbezogen haben. Die für ein bestimmtes Projekt gefundenen Lösungen sind aber nicht ohne Weiteres<br />

auf andere Projekte oder bestehende Siedlungen übertragbar. Jedes Wohnumfeld braucht eine eigene Lösung<br />

angepasst an bauliche Gegebenheiten, Umfeld und Nutzenden. Zudem wird meist der Nutzen eines qualitativ guten<br />

Wohnumfeldes verkannt, was dazu beiträgt, dass der einfachste Weg gegangen wird und somit ein Wohnumfeld nach<br />

dem kleinsten gemeinsamen Nenner entsteht. Das entspricht in den meisten Fällen einer monotonen Rasenfläche.<br />

sanu bearbeitet als Weiterbildnerin für Berufsleute die Thematik Wohnumfeld seit mehreren Jahren in fachlichen<br />

Seminaren mit der Bestrebung, Entscheidungsträger für die Thematik Wohnumfeld zu sensibilisieren und zu motivieren,<br />

damit diese zu einer Verbesserung der Attraktivität von Wohnumfeldern beitragen. Somit könnten die wertvollen Grün-<br />

und Freiflächen innerhalb der Siedlungsgebiete im Sinne von Ressourceneffizienz besser genutzt werden. Es entsteht<br />

ein Mehrwert für die Bewohnerschaft und für die Umwelt bei gleichem oder reduziertem Unterhaltsaufwand. Im Rahmen<br />

dieser Kurse zeigte sich allerdings, dass für interessierte Personen zu wenig praktische Arbeitshilfen zur Verfügung<br />

stehen und eine Sammlung guter Vorzeigebeispiele oder konkreter Ideen nützlich wäre.<br />

1.1 Definition: Wohnumfeld<br />

Wohnumfeld wird allgemein beschrieben als «der Lebensbereich, der sich räumlich in Sichtweite und in Fusswegnähe<br />

um die Wohnung gruppiert und der bestimmt wird durch die dem Wohnen zugeordneten Lebensfunktionen». (Schöffel<br />

2009)<br />

In der vorliegenden Studie wird Wohnumfeld etwas enger verstanden. Die Studie begrenzt sich auf das Wohnumfeld von<br />

Mietimmobilien und Siedlungen im engeren Sinne, d.h. auf die im Eigentum des Immobilienbesitzers befindliche Parzelle<br />

und somit die vom ihm direkt beeinflussbare Fläche.<br />

1.2 Funktionen von Wohnumfeldern<br />

Als erweitertes Wohnzimmer und damit alltäglicher Lebensraum kommen dem Wohnumfeld viele wichtige Funktionen zu.<br />

Neben der rein infrastrukturellen Funktion als definierter Raum rund um den Wohnblock kann das Wohnumfeld weitere<br />

für die Gesellschaft wichtige Funktionen übernehmen und zur Förderung von Gesundheit und Lebensqualität beitragen.<br />

Das Wohnumfeld ist ein Raum der Begegnung (schwerpunktmässig für Kinder und ältere Personen mit eingeschränkter<br />

Mobilität). Soziale Kontakte werden geknüpft, Austausch findet statt, gemeinsame Erlebnisse werden geteilt. Für Kinder,<br />

aber auch Erwachsene kann das Wohnumfeld für Bewegung, Spiel und Sport und andere physische Aktivitäten genutzt<br />

werden. Zudem dient das Wohnumfeld als Erfahrungsraum, erschliesst den Kontakt zur Natur und gewährt Erholung und<br />

Stressabbau. Das Wohnumfeld übernimmt damit die Funktionen der drei Ebenen der Gesundheit: physisch, psychisch,<br />

sozial.<br />

Den Zusammenhang zwischen Landschaft und Gesundheit hat die Stiftung Landschaftsschutz Schweiz in<br />

Zusammenarbeit mit den Ärztinnen und Ärzten für Umweltschutz im Projekt „Paysage à votre santé“ in einer<br />

Literaturstudie untersucht. (Abraham 2007) „Natur in der Wohnumgebung beeinflusst die Gesundheit.“ Demnach weisen<br />

Studien darauf hin, „... dass Menschen, die in Wohngegenden leben mit einem hohen Anteil an Grünfläche ihre eigene<br />

Gesundheit besser einschätzen als Menschen in einer Umgebung mit wenig Grünfläche.“ (Abraham 2007)<br />

Zum Thema Bewegung gibt es Studien, welche besagen, dass das Wohnumfeld das Bewegungsverhalten fördert, aber<br />

auch behindern kann (Grob 2009). Dabei kommt es auf die Gestaltung des Freiraums an: “Das Wohnumfeld lässt sich so<br />

verändern und gestalten, dass die Leute mehr und erleichterte Möglichkeiten haben, sich regelmässig zu bewegen. ...<br />

Sind im Wohnumfeld Grünflächen wie Parks oder bewaldete Gebiete vorhanden, steigt die Bereitschaft, sich mehr zu<br />

Server | GM12VI_Bericht_20.doc April 2012 6/43


sanu future learning ag<br />

bewegen. Dies gilt besonders für Kinder und ältere Leute.“ (Grob 2009). Die Studie des Kantons Basel-Landschaft geht<br />

zudem darauf ein, dass es für Kinder und Jugendliche aus entwicklungspsychologischer Sicht wichtig ist, sich ohne<br />

Aufsicht bewegen zu können. Dies ist gerade im Wohnumfeld mit einfachen Massnahmen umsetzbar. Dabei sieht die<br />

Autorenschaft die Partizipation der Kinder und Jugendlichen bei der Gestaltung als Schlüssel zum Erfolg (oekoskop<br />

2009).<br />

Auf der sozialen Ebene trägt das Wohnumfeld dazu bei, soziale Interaktion und Integration zu unterstützen.<br />

„BewohnerInnen verkehrsberuhigter Strassen haben deutlich häufigere und intensivere soziale Beziehungen zu ihren<br />

NachbarInnen ... als BewohnerInnen anderer Strassen.“ (Sauter 2006) Auch Abraham legt dar, dass „natürliche Elemente<br />

wie Bäume gerade in ärmeren Stadtteilen vermehrt Möglichkeiten für soziale Interaktion und für die Beaufsichtigung von<br />

Kindern fördern“. (Abraham 2007) Durch die Verdichtung der Siedlungsflächen wächst das Bedürfnis der Bevölkerung<br />

nach qualitativ hochstehenden Freiräumen, bei denen sie selber mitsprechen und –gestalten können (Grün Stadt Zürich<br />

2006).<br />

Eine weitere Funktion, der im Wohnumfeld Bedeutung zukommt ist die Förderung der Biodiversität. Da in der Regel ein<br />

grosser Gestaltungsspielraum offen ist, kann im Bereich von Wohnumfeldern die Zahl der Pflanzenarten einfach erhöht<br />

werden. Indem mit einheimischen Arten gearbeitet wird, kann auch der ökologische Wert der Vegetation erhöht werden.<br />

Mittels extensiver Flächen, mageren Rasen oder Brach- und Ruderalflächen in Siedlungsgebieten können kleine<br />

Refugien für seltener gewordene Arten geschaffen werden. Diese tragen dazu bei, die Population solcher Arten zu<br />

vergrössern und gleichzeitg auch diejenige der von den Pflanzen abhängenden Tieren. „Im Siedlungsgebiet sind die<br />

unterschiedlichsten Standortbedingungen in einem Mosaik verzahnt und die Artenvielfalt, die Biodiversität, ist<br />

ausserordentlich gross.“ (Tschäppeler 2009). „Grundsätzlich gelten alle unversiegelten Bodenflächen sowie Hohlräume in<br />

Dächern und Mauern als potenzielle Lebensräume für Pflanzen und Tiere.“ (Grün Stadt Zürich 2006). Das grüne<br />

Wohnumfeld ist demnach wichtiger Bestandteil der Stadt- und Quartierökologie und trägt „zur Lebensqualität der<br />

Wohnbevölkerung und der Beschäftigten bei.“ (Grün Stadt Zürich 2006).<br />

Nicht zuletzt erlangt das Wohnumfeld eine ökonomische Bedeutung. „Das Wohn- und Arbeitsplatzumfeld hat für die<br />

Lebensqualität sowie den Wert von Immobilien grosse Bedeutung.“ (Grün Stadt Zürich 2006). So generieren auf der<br />

einen Seite Planung, Bau, Gestaltung sowie Unterhalt von Wohnumfeldern Kosten. Demgegenüber steht allerdings der<br />

gesellschaftliche Wert für die Bewohnerschaft, welcher sich prinzipiell in höheren Mieten abschöpfen lässt. Denn durch<br />

„eine Verbesserung der Umweltqualität kann ein deutlicher Mehrwert für Mieter und Wohneigentümerinnen geschaffen<br />

werden.“ (Banfi S., Filippini M., Horehajova A., Pioro D. 2007) Noch weiter in die Tiefe geht das Forschungsprojekt von Gruehn<br />

und besagt, dass „je nach Funktion und Ausstattungsmerkmalen Freiräume den Bodenrichtwert bis zu ca. 20%<br />

beeinflussen können“. (Gruehn Dietwald 2006)<br />

1.3 Potenzial von Wohnumfeldern<br />

Das Verbesserungspotenzial, das Wohnumfelder zu den oben erwähnten Aspekten aufweisen, ist aus Sicht der<br />

Autorenschaft enorm gross. Ein Blick auf die Realität bestätigt, dass die meisten Wohnumfelder grösstenteils als reine<br />

Abstandsflächen in Form von Rasenflächen ohne weitere Funktion angelegt sind. Zudem haben Umfragen bei den<br />

Teilnehmenden in den sanu-Seminaren immer wieder gezeigt, dass Ansprüche an das Wohnumfeld sehr vielfältig sind, in<br />

der Realität aber kaum je erfüllt werden. Ein verstärktes Bedürfnis nach qualitativ hochstehenden Freiräumen stellt auch<br />

Grün Stadt Zürich fest (Grün Stadt Zürich 2006). Petra Hagen Hodgson spricht von einem Handlungsbedarf bei der<br />

Gestaltung und sozialen Nutzbarkeit der Aussenräume, wenn mehr Wohnlichkeit in die Städte gebracht werden soll<br />

(Hagen Hodgson, 2010).<br />

1.4 Akteure und Entscheidungsträger<br />

Die Verantwortlichkeiten bezüglich des Wohnumfeldes sind auf viele Akteure aufgeteilt. Sie alle können bei der<br />

Verbesserung von Wohnumfeldern eine Rolle spielen:<br />

- Architekten und Architektinnen: Sie planen und zeichnen Häuser und deren Umgebungen.<br />

- Landschaftsarchitektinnen und -architekten: Sie gestalten den Aussenraum.<br />

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sanu future learning ag<br />

- Investorinnen und Investoren: Er hat einen entscheidenden Einfluss auf die Planung, Bau und Gestalt von<br />

Haus und Umfeld.<br />

- Immobilienbesitzerinnen und -besitzer: Er legt Regeln für die Gestaltung des Wohnumfelds fest.<br />

- Immobilienverwalterinnen und -verwalter: Sie vermieten Immobilien und errichten Regeln für Gestaltung und<br />

Nutzung des Wohnumfelds.<br />

- Bauverwalterinnen und -verwalter in Gemeinden: Sie gewähren Baugesuche und -bewilligungen und legen<br />

Richtlinien fest.<br />

- Hauswarte: Sie können die Nutzung beeinflussen.<br />

- Unterhaltsfirmen: Sie können Bepflanzung und Gestaltung beeinflussen.<br />

- Bewohnerschaft: Sie haben unterschiedliche Ansprüche an das Wohnumfeld und können diese kundtun. Die<br />

Aneignung des Wohnumfelds sowie einzelner Elemente durch die Bewohnerschaft wirkt gestaltend (physische<br />

Auswirkungen der Nutzung, Entfremdung durch unvorhergesehene Nutzung, etc.).<br />

Für keine dieser Akteure steht die Qualität des Wohnumfeldes im Mittelpunkt der Aufgaben oder des Interesses.<br />

Demzufolge wird dem Thema auch wenig Aufmerksamkeit zu Teil. Diese Tatsache stellt eines der Haupthindernisse auf<br />

dem Weg zu attraktiveren Wohnumfeldern dar.<br />

1.5 Weiterbildungstätigkeit von sanu im Bereich Wohnumfeld<br />

sanu future learning ag bietet Erwachsenenbildung im Bereich nachhaltiger Entwicklung an. Sie befähigt und begleitet<br />

Berufsleute im Erlangen von Kompetenzen zur Förderung von nachhaltiger Entwicklung in verschiedenen Bereichen. In<br />

diesem Rahmen wurden die erwähnten Seminare zur Thematik der Wohnumfeldverbesserung angeboten.<br />

In den Seminaren konnte festgestellt werden, dass eine Sammlung praktischer Beispiele als Ideengeber, Motivation,<br />

Orientierungshilfe, Zielvorstellungen oder Arbeitshilfe fehlt. sanu hat sich deshalb daran gemacht, positive Beispiele zu<br />

suchen und gleichzeitig herauszufinden, was Kinder und Jugendliche von ihrem Wohnumfeld erwarten. Die Resultate<br />

fliessen in die weiteren Seminare zu diesem Thema ein und tragen dem Vorschlag von Muri Koller Rechnung, in<br />

Weiterbildung zu investieren. (Muri Koller 2010).<br />

2 Fragestellungen und Zielsetzung<br />

Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, eine Reihe gelungener Beispiele von attraktiven Wohnumfeldern sowie<br />

Wunschvorstellungen von Kindern zusammenzustellen, die geeignet sind, Entscheidungsträger zu inspirieren und<br />

motivieren, Wohnumfelder attraktiver zu planen und zu gestalten.<br />

Das Produkt der Studie soll eine handliche Zusammenstellung guter Beispiele und Lösungsansätze für Berufsleute sein,<br />

die als Arbeitsinstrument in Seminaren integriert werden kann. Kursteilnehmende erhalten Ideen und Lösungsvorschläge,<br />

welche sie in ihrer Berufspraxis anwenden können. Diese sind einfach umsetzbar. Zudem inspiriert die Studie mit<br />

Visionen von Kindern und Jugendlichen, welche ihre Ansprüche an Wohnumfeldern kundtun.<br />

Die Resultate der Studie gelangen wiederum in das Kursangebot der sanu und tragen zu einer praxistauglichen<br />

Umsetzbarkeit bei. Es wird versucht, Entscheidungsträger und Einflussnehmende den Bereichen Investition, Architektur,<br />

Landschaftsarchitektur, Bauverwaltungen in Gemeinden) in Kursen/Seminaren zu sensibilisieren und in die<br />

Verantwortung zu ziehen.<br />

Eine breite Verbesserung von Wohnumfeldern trägt schliesslich zu einer Erhöhung der Lebensqualität, der Förderung<br />

von sozialer Integration, der Erhaltung und Förderung der Artenvielfalt und der Verbesserung der Gesundheit der<br />

Bevölkerung bei.<br />

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sanu future learning ag<br />

3 Methode und Durchführung<br />

Die Studie hat zwei methodische Ansätze. Über Zeichnungen anhand vorgegebener Skizzen werden Vorstellungen und<br />

Wünsche Kinder und Jugendlicher an ihr Wohnumfeld eingeholt. Mittels einer Literatur- und Fotostudie werden konkrete<br />

Beispiele und Elemente von qualitativ guten Wohnumfeldern dokumentiert und bildlich dargestellt.<br />

3.1 Visionen des idealen Wohnumfeldes von Kindern und Jugendlichen<br />

Um die Visionen von Kindern und Jugendlichen in Erfahrung zu bringen, liess sanu Schülerinnen und Schüler ihr ideales<br />

Wohnumfeld zeichnen. Vier Schulklassen verschiedenen Alters wurden Skizzen mit leeren Wohnumfeldern zur<br />

Verfügung gestellt, die sie ausfüllen konnten. Zwei Klassen der Wirtschaftsmittelschule verwendeten zusätzlich zu den<br />

Skizzen ein Arbeitsblatt, mit welchem sie zu Aspekten wie Interessenskonflikte und Unterhaltsaufwand befragt wurden.<br />

Bei der Auswahl der vier Schulklassen wurde darauf geachtet, dass je eine Klasse aus der Unter-, Mittel-, Oberstufe und<br />

einer Mittelschulklasse vertreten war. Geografisch liegen drei der ausgewählten Klassen in der Agglomeration der Stadt<br />

Bern und eine in der Stadt Bern selber.<br />

4. Klasse (Nina Flückiger): 10-12 Jahre, Bethlehem bei Bern<br />

7. Klasse (Patrizia Schär-Schaub): 13-14 Jahre, Langenthal<br />

9. Klasse (Fabienne Haller): 15-16 Jahre, Bremgarten b. Bern<br />

10. Klasse Wirtschaftsmittelschule (Nicole Güdel): 17-18 Jahre, Stadt Bern<br />

Den Lehrerinnen wurde freigestellt, wie sie die Aktion in den Unterricht integrieren. Ebenso hatten die Schüler bei der<br />

Gestaltung ihrer Wunschwohnumfelder freie Hand. Sie konnten sowohl zwei- als auch dreidimensional arbeiten. Zwei<br />

Klassen haben das Arbeitsblatt ausgefüllt, mit ihren Gedanken zum Wohnumfeld. Die Skizzen und das Arbeitsblatt sind<br />

im Anhang aufgeführt.<br />

3.2 Literatur- und Fotostudie<br />

Für die Dokumentation wurden 20 Beispiele bestehender Wohnumfelder ausgesucht, die sich durch spezielle Qualität<br />

auszeichnen. Die Auswahl erfolgte empirisch aufgrund einer Recherche, von Hinweisen der Expertinnen und Experten<br />

der Begleitgruppe zu dieser Studie und den Autorinnen und Autoren bekannter Beispiele. Die Sammlung ist nicht<br />

abschliessend und wurde nach subjektivem Empfinden zusammengestellt. Es wurde darauf geachtet, dass die Beispiele<br />

sowohl auf die deutsche wie auch französische Schweiz verteilt waren. Alle Beispiele wurden in der Zeit von Juni bis<br />

August 2010 besucht und deren qualitätsgebenden Elemente fotografisch dokumentiert. Dabei unterstützten die drei<br />

Hauptqualitätskriterien von Schöffel (Schöffel 2009) (vgl. unten) die Auswahl und Beurteilung der Elemente.<br />

Die Strukturierung der Wohnumfelder nach Elementen wurde von Schöffel (Schöffel 2009) übernommen und zu jedem<br />

Element sind ein oder mehrere Beispiele dokumentiert. Ein Element wurde ergänzend hinzugefügt: Wasser. Dies aus<br />

dem Grund, dass Wasser bei den Kinderzeichnungen am häufigsten vorkommt und sich als bedeutendes Element<br />

ergeben hat.<br />

3.3 Untersuchungskriterien<br />

Die Untersuchungskriterien von Schöffel (Schöffel 2009) unterstützen die Beurteilung der einzelnen Elemente. Das<br />

Kriterium ökologische Qualität wurde durch sanu geringfügig erweitert, da der ökologischen Funktion von Wohnumfeldern<br />

ein grosser Wert beigemessen wird. Nachfolgend sind die drei Hauptqualitätskriterien aufgelistet.<br />

Die 3 Hauptqualitätskriterien<br />

1) Nutzungsqualität<br />

Elemente, die:<br />

Server | GM12VI_Bericht_20.doc April 2012 9/43


sanu future learning ag<br />

- zur Lebensqualität beitragen (Angebot an Nutzungsvielfalt, Möglichkeit, sich im Wohnumfeld aufzuhalten und<br />

wohl zu fühlen),<br />

- von der Bewohnerschaft genutzt werden und gut angenommen sind,<br />

- die soziale Integration, Begegnungen und Bewegung fördern.<br />

Der Sicherheitsaspekt, der insbesondere durch die Präsenz von angepassten Lichtquellen bestimmt wird, ist in dieser<br />

Studie nicht direkt behandelt. Dies hauptsächlich aus dem Grund, dass die Verhinderung von Gefahrenpotenzialen nicht<br />

die Lösung für eine agile Gesellschaft sein kann. Für Regeln und Vorschriften gibt die Beratungsstelle für Unfallverhütung<br />

bfu Auskunft.<br />

2) Gestaltqualität<br />

- ästhetische Qualität;<br />

- Wahl der Materialien.<br />

Bemerkenswert dazu ist, dass gemäss Rossi und auch Tessin in Chavanne (2009, S. 18-19) das Geschehen und der<br />

angenehme Aufenthalt für die Benutzenden wichtiger ist als das Gestalterische. Die Nutzung ist also wichtiger als die<br />

Ästhetik (selbst wenn sie von der letzteren nicht ganz unabhängig ist).<br />

3) Ökologische Qualität<br />

- einheimische Pflanzen;<br />

- Artenvielfalt;<br />

- extensive Pflege;<br />

- Unterhalt ohne Einsatz von Pestiziden;<br />

- pflegeleichte und solide Materialien.<br />

4 Resultate<br />

Im Folgenden werden die Resultate der beiden Studienansätze dargelegt. Die Visionen werden nach Klassen – von den<br />

Jüngsten zu den Ältesten – vorgestellt. Am Ende des Kapitels wird eine Übersicht über die Resultate aufgeführt.<br />

Die Fotostudie der guten Beispiele ist in diesem Bericht stark gekürzt, aber mit einer Übersicht über die Resultate am<br />

Ende des Kapitels aufgeführt. Die ausführliche Fotodokumentation ist im zweiten Teil dargelegt. Die Gliederung geht aus<br />

der Studie von Schöffel (Schöffel 2009) hervor und ist demnach nach den Elementen geordnet.<br />

4.1 Wohnumfeldvisionen von Schülern<br />

71 Kinder und Jugendliche von vier Berner Schulklassen haben für die vorliegende Studie im ersten Semester 2010 ihr<br />

Wunschwohnumfeld gezeichnet und/oder gebastelt. Insgesamt kamen so 48 Wunschwohnumfelder zusammen (davon<br />

47 Skizzen, Zeichnungen und Collagen sowie 1 Modell).<br />

Die Kinder und Jugendlichen hatten die Möglichkeit, alleine, zu zweit oder zu dritt ihr eigenes Wohnumfeld darzustellen,<br />

Visionen zu entwickeln oder an vorgegebenen Skizzen weiterzuarbeiten. Auf jeder Zeichnung oder Skizze sollte<br />

mindestens ein Mehrfamilienhaus oder Wohnblock und ein Vorplatz dargestellt werden. Die Kinder und Jugendlichen<br />

hatten freie Hand bezüglich der Gestaltung. Zudem wurden sie dazu aufgefordert, Überlegungen bezüglich Nutzungs-<br />

und Interessenskonflikte, Unterhalt, Machbarkeit und Sinnhaftigkeit anzustellen.<br />

Im Folgenden werden die Zeichnungen der Kinder und Jugendlichen nach Alter aufsteigend aufgeführt und kommentiert.<br />

Es sind Fotos der Arbeiten, welche den Anspruch der Dreidimensionalität nicht genügen können. Die Originale sind bei<br />

sanu einsehbar.<br />

In den eingegangenen Visionen wurden die wiederkehrenden Elemente protokolliert. Ziel ist es, ein Bild der Elemente zu<br />

erstellen, welche sich für die jeweiligen Altersstufen als zentral herausgestellt hatten. Dabei wurden keine speziellen<br />

kinderpsychologischen Kriterien einbezogen.<br />

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sanu future learning ag<br />

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Bewegung, Sport, Abwechslung<br />

für kleinere<br />

und grössere Kinder<br />

wird dank grösseren und<br />

kleineren Installationen<br />

sowie Blumen, Bäumen<br />

und Wasserquellen, sowie<br />

Platz zum Austoben<br />

ermöglicht und prägen<br />

diese Zeichnungen.


sanu future learning ag<br />

2. 16 Jugendliche einer 7. Klasse aus Langenthal (Alter: ungefähr 13-14 Jahre) haben alleine oder zu zweit 9 Zeichnungen, meist mit Elementen in 3-D, sowie 1 Modell ihres Wunschwohnumfelds<br />

gezeichnet und gebastelt.<br />

Die 5 wichtigsten Elemente der farbenfrohen Kreationen dieser Klasse, die grosses Umsetzungspotential haben, sind: Wasser; Natur; Sitz- und Liegegelegenheiten (bei Wasser, Sportanlagen und/oder als<br />

Begegnungszonen); Sportanlagen (Fussball und Tischtennis), Kleinkinder- und Kinderflächen. Die Prädominanz von Wasser und weiteren Naturelementen ist eindrücklich, gerade auch verglichen mit der<br />

jüngeren Klasse, für die diese Elemente weniger zentral sind.<br />

In dieser 7. Klasse kommt die Natur in mindestens in einer Form (zusätzlich zum Rasen) auf allen Zeichnungen und der Collage vor: Als Baum, Blume oder Hecke, sowie in Form von Tieren und Wasser.<br />

Wasser sieht man auf 8 der 9 Zeichnungen, sei es als Swimmingpool oder Planschbecken, als Springbrunnen, als naturnaher Teich, Bach oder als Biotop.<br />

Nebst der Bewegung und der Natur wird in dieser Altersklasse der Entspannung einen grossen Stellenwert eingeräumt. Dies unterstreicht die Präsenz der verschiedenen teilweise von Bäumen beschatteten<br />

und oft am Wasser angesiedelten Sitz- und Liegegelegenheiten, sei es zum Ausruhen oder sich Begegnen. Wenn sich diese Altersklasse im Vergleich zur Vorhergehenden weniger zu bewegen scheint, hat<br />

sie dabei die kleineren Kinder nicht vergessen: Sandkästen, Schaukeln und Rutschbahnen sind in zahlreichen Zeichnungen dieser Klasse vorhanden. Zudem wird in dieser Altersklasse auch das Thema<br />

„Konsum“ aktuell (Kiosks, Eisstand, Club).<br />

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Wasser in den verschiedensten Formen...


sanu future learning ag<br />

3. 21 Jugendliche der neunten Oberstufe (Alter: ungefähr 15-16 Jahre) Bremgarten haben alleine oder zu zweit 16 Zeichnungen (und teilweise Collagen) erstellt (frei gezeichnet, d.h. nicht auf<br />

bestehende, von sanu vorgeschlagene Skizzen abgestützt). Die Jugendlichen haben zudem Begleittexte geliefert, die ihre Zeichnungen illustrieren und kommentieren.<br />

Was im Falle dieser Klasse besonders auffällt ist die mehrmals wiederkehrende Erwähnung von: Dichte, Natur, Wasser, Treffpunkten und Begegnungszonen mit Sitzgelegenheiten, Wegnetz,<br />

Bewegungsmöglichkeiten.<br />

In dieser Klasse nimmt die Gesamtsicht einen wichtigen Stellenwert ein: Grössere Zusammenhänge (z.B. autofreies Wegenetz) werden beschrieben und dargestellt. Die Wichtigkeit der Dichte und, damit<br />

zusammenhängend, der Nähe von Erholungs-, Einkaufs- und Treffpunktsmöglichkeiten, sowie dem ÖV-Anschluss und der Stadtnähe wird mehrmals erwähnt. Dies bedeutet auch, dass man sich wünscht,<br />

nicht in einer Stadt, aber sehr wohl im suburbanen Raum zu wohnen.<br />

Die Natur ist in Form von Bäumen, Wald, Rasen, Blumen und Gärten in 15 der 16 Zeichnungen und Collagen abgebildet. Zudem kommt auch Wasser in sehr vielen Zeichnungen vor und dies meist in Form<br />

eines naturnahen Teichs, aber teilweise auch als Brunnen, als Swimmingpool oder als „Badi“.<br />

Privatfläche wird von dieser Altersklasse als sehr wichtig angesehen und die Grenze zur gemeinschaftlichen Fläche wird klar gezogen. Gleichzeitig nehmen aber auch die gemeinschaftlich genutzten Zonen<br />

(beschattete Sitzgelegenheiten, Cafés und Bars, Grillplätze, Spiel- und Sportplätze, usw.) einen sehr wichtigen Platz ein. Diese sollen Erholung, Begegnung und Bewegung ermöglichen.<br />

Begegnungszonen mit Sitzgelegenheiten und Treffpunkte verschiedenster Art laden zum Feiern, Festen, Grillieren und zur Erholung ein. Sie beinhalten auch den Aspekt „Konsum“, denn es gibt<br />

Restaurants, Bars und Clubs. Dabei kann beobachtet werden, dass auf eine gewisse Selbstversorgung geachtet wird, denn mehrere (Mieter-)Gärten sind auf den Zeichnungen und Collagen dieser Klasse<br />

abgebildet.<br />

Weiter kann festgehalten werden, dass Spiel und Bewegung auch aus der Sicht der Jugendlichen der 9. Klasse noch ein Thema sind, sei es für sie selber oder für jüngere Kinder, selbst wenn Erholung und<br />

Treffpunkte wichtiger zu sein scheinen.<br />

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Suburbanes<br />

Wohnumfeld, mit<br />

ÖV-Anschluss und<br />

gut strukturiertem<br />

Wegenetz sowie<br />

Naturelementen.


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4. 18 Jugendliche und junge Erwachsene der zweiten Klasse der Wirtschaftsmittelschule Bern (Alter: ungefähr 17-18 Jahre) haben einzeln, zu zweit oder zu dritt 9 Skizzen ausgearbeitet, und dies<br />

in 8 der 9 Fällen auf Basis einer der drei von sanu vorgeschlagenen Umriss-Skizzen. Sie haben zudem jeweils einen Fragebogen zu einem attraktiven Wohnumfeld im Rahmen der „Wirtschaftsgeografie –<br />

Raumplanung“ ausgefüllt, indem, nebst einer Zusammenfassung der wichtigsten Punkte des Wohnumfelds, mögliche Interessenskonflikte, die Frage des Unterhalts (aufwändig oder nicht) sowie die<br />

Umsetzbarkeit kommentiert werden sollten. Dabei sind vor allem die angegebenen Prioritäten interessant.<br />

Die meisten Zeichnungen lassen eine Gesamtvision und eine Gesamtstruktur eines Wohnumfelds erkennen. In manchen Fällen ist ein leerer Platz oder eine Kiesfläche gewünscht. Ein solcher Platz wird<br />

einmal als „Erholungsplatz“ bezeichnet. Interessanterweise geben die betreffenden Personen in den Kommentaren an, dass es keine Interessenskonflikte gibt, da es genug Platz für die verschiedenen<br />

Nutzungen hat.<br />

Das Bewusstsein einer Gesamtvision geht auch aus den Kommentaren hervor, die diese Jugendlichen via Fragebögen mitgeliefert haben. Erholung und Lebensqualität (Natur, Bäume, Wasser,<br />

Sportinstallationen) werden in allen beziehungsweise in 8 der 9 Fragebögen als wichtigste Punkte erwähnt. Gefolgt werden diese Prioritäten vom Wunsch nach einem kinderfreundlichen Wohnumfeld. Die<br />

Dichte, ausgedrückt als Nähe von Arbeit, Schule, Restaurants, Gewerbe und Einkaufsmöglichkeiten, aber auch die Nachhaltigkeit (Solarzellen werden erwähnt) und Umweltfreundlichkeit, sowie Ruhe und<br />

Frieden (friedliches Zusammenleben) werden in jeweils vier (die Dichte sogar in sieben) Fragebögen als wichtigste Punkte aufgeführt. In zwei Fällen wurde unterstrichen, dass Kies anstelle von Beton<br />

verwendet werden soll; das Umweltbewusstsein drückt sich hier in einem konkreten Beispiel aus. Schliesslich wurden der Spassfaktor und die Abwechslung in drei respektive zwei Fragebögen als Priorität<br />

angegeben.<br />

6 der 9 Zeichnungen beinhalten das Element „Wasser“, fünf Mal in Form eines Brunnens – davon ein Mal von einem Biotop umgeben und ein Mal als Schwimmbad. In vier der fünf Fälle stellt der Brunnen,<br />

der meist ein Springbrunnen ist, das Zentrum des gezeichneten Wohnumfelds dar. So prägen Wasser und Natur für Erholung sowie ein gewisses Umweltbewusstsein die Zeichnungen dieser Klasse.<br />

Gesamtbild mit Brunnen als Zentrum, Bänke und Biotop. Die Natur und Erholungsmöglichkeiten sind Hauptkomponenten des<br />

Wunschwohnumfelds dieser Wirtschaftsmittelschulklasse.<br />

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Wasser in allen Formen ist das durchwegs häufigste Element in allen Zeichnungen. An zweiter Stelle folgt das Element Natur, meist als Bäume dargestellt. Bewegung spielt vor allem bei den Jüngeren eine<br />

grosse Rolle, während die Älteren mehr an Erholung und Konsum interessiert sind.<br />

Thematisch stehen Bewegung und Begegnung/Treffpunkte im Vordergrund eines idealen Wohnumfelds für Kinder und Jugendliche. Je nach Alter variiert die Ausgestaltung der dazugehörenden Elemente.<br />

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass das Wasser in allen Altersstufen eines der wichtigsten Elemente für attraktive Wohnumfelder ist. Dabei werden sowohl stilles Gewässer (Teich, Schwimmbad)<br />

als auch plätschernde Brunnen oder Bäche gewünscht. Ein weiteres für die Kinder und Jugendlichen wichtiges Element ist naturnahe Vegetation in Form von Pflanzen, Bäumen, Büschen, Hecken oder<br />

Blumen. Teilweise kommt auch einfacher Rasen vor, allerdings verbunden mit einem Fussballplatz oder als Treffpunkt mit Bänken.<br />

4.3 Beispiele von bestehenden Wohnumfeldern<br />

Für die Fotodokumentation von Schweizer Wohnumfeldern wurde die Einteilung nach den Elementen von Schöffel (2009) vorgenommen. Ein Element wurde ergänzend hinzugefügt: Wasser. Dies aus dem<br />

Grund, dass Wasser bei den Kinderzeichnungen in ihren Visionen am häufigsten vorkommt und sich als bedeutendes Element ergeben hat.<br />

Folgende Siedlungen wurden teils oder als Gesamtes fotografisch dokumentiert:<br />

Kanton Bern:<br />

- Siedlung Baumgarten, Stadt Bern<br />

- Muesmattspielplatz, Stadt Bern<br />

- Muesmattstrasse, Stadt Bern<br />

- Neufeldstrasse, Stadt Bern<br />

- Siedlungsweg, Stadt Bern<br />

- Liebefeld, Bern<br />

- Siedlung Mittelhäusern<br />

- Niederwangen Ried<br />

- Schüpfen Richtersmatt<br />

Kanton Basel Landschaft:<br />

- Sissach Allmendespielplatz<br />

- Sissach Haldenweg<br />

Kanton Basel Stadt:<br />

- Blauensteinstrasse<br />

- Im Davidsboden<br />

- Rehhagspielplatz<br />

Kanton Luzern<br />

- Vögeligärtli<br />

- Voltastrasse<br />

Kanton Niedwalden:<br />

- Hergiswil Wylgasse<br />

Kanton Obwalden:<br />

- Sachseln Bachmätteli<br />

- Sachseln Bruderklausenweg<br />

- Sachseln Edisried<br />

- Sachseln Edisriedstrasse<br />

- Sachseln Lärchenweg<br />

- Sachsen Wissibach<br />

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Kanton Waadt:<br />

- Chavanne-près-Renens Les Ramiers<br />

- Chavanne-près-Renens Les Tilleuls<br />

- Lausanne Bourdonnette<br />

- Lausanne Boveresse<br />

- Lausanne Les Jardins de Prélaz<br />

- Lausanne Praz-Séchaud<br />

- Yverdon-les-Bains Pierre-de-Savoie<br />

- Yverdon-les-Bains Plage<br />

- Yverdon-les-Bains Rives du Lac<br />

- Yverdon-les-Bains Rue du Valentin<br />

Aus Literatur:<br />

- Zürich-Seebach Seebrache<br />

- Zürich-Wiedikon Hegianwandweg<br />

- Zürich Widen Schachenfeld<br />

- Riehen Siedlung Vogelbach<br />

- Uster Im Lot


Zu folgenden Elementen wurden nach den Kriterien Nutzungs-, Gestaltungs- und ökologische Qualität möglichst gute, einfache, bestehende Beispiele zusammengetragen, welche sich auch in anderen<br />

Wohnumfeldern meist mit wenig Aufwand umsetzen lassen:<br />

- Terrassen/ebenerdiger Balkon: private, zur Wohnung gehörende Fläche, die vom öffentlichen Raum abgetrennt ist.<br />

- Mietergärten: von der Wohnung abgelöste Gärten, die von einzelnen oder mehreren Mieterinnen und Mieter nach Absprache genutzt werden kann.<br />

- Eingangsbereich: Hauseingang mit der dazugehörigen Fläche, einschliesslich dem Weg zum Hauseingang und allenfalls ergänzenden Aufenthaltsflächen. Wegbreite und Materialität lassen<br />

möglichst auch andere Nutzungen zu.<br />

- Veloabstellplatz: Ort, an dem Velos gesichert abgestellt werden können.<br />

- Kleinkinderflächen: Diese Fläche liegt in Sicht- und Rufweite möglichst vieler Wohnungen, bietet wenige Gefahrenquellen sowie Sitzgelegenheiten für Aufsichtspersonen. Gleichzeitig ist sie partiell<br />

beschattet (Bereich Sandkasten).<br />

- Kinderflächen: Ab 6 Jahren. Diese Fläche liegt in grösserer Entfernung zur Wohnung und ist weniger einsehbar. Sie bietet eine "kalkulierbare" Gefahr, ein vielfältiges Angebot und unterschiedliche<br />

soziale Raumerlebnisse.<br />

- Jugendflächen: Ab 13 Jahren. Dieser Aufenthaltsbereich dient als Treffpunkt und Kommunikationsort. Er ist abgeschirmt vom restlichen Wohnumfeld.<br />

- Rückzugsflächen: Eine geschützte und wenig einsehbare Fläche für den Einzelnen oder kleine Gruppen mit Sitzplatzangebot. Sie kann abgelegen positioniert sein.<br />

- Aufenthaltsbereiche: Flächen, die gut einsehbar und gut erreichbar sind und als Orte der Kommunikation genutzt werden können, unabhängig vom Alter.<br />

- Begegnungszonen/-orte: Diese Flächen sind Orte der Kommunikation und der Begegnung der Siedlungsbewohnerschaft untereinander, aber auch zwischen der Bewohnerschaft der Siedlung und<br />

den Bewohnerschaft der Umgebung.<br />

- Wasser: Das Element „Wasser“ kann in verschiedenen Formen erscheinen und soll der vorgesehenen Nutzung und dem Publikum angepasst sein.<br />

- Wegnetz: durchgehendes, die einzelnen Elemente verbindendes Wegnetz, das auch für Personen mit eingeschränkter Mobilität geeignet ist.<br />

Auf den folgenden Seiten sind die einzelnen Elemente mit Fotos dokumentiert. Dabei handelt es sich um eine Auswahl. Eine ausführliche Sammlung von Beispielen ist in einem separaten Zusatzdokument<br />

zum Bericht zusammen gestellt.<br />

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Aufenthaltsbereiche und Sitzplätze<br />

Dies sind Orte der Begegnung und des Aufenthalts und bieten Möglichkeit zum Ausruhen. Somit sind Bänke und Tische die Hauptelemente. Sie sind für Personen aller Altersstufen geeignet. Solche<br />

Aufenthaltsbereiche befinden sich in einer eher ruhigen Umgebung und sind teilweise beschattet, sei dies von Bäumen, Kletterpflanzen (im Falle einer Pergola) oder weiteren schattenspendenden<br />

Elementen. Lärmimmissionen sind möglichst gering zu halten. Für Personen mit reduzierter Mobilität ist darauf zu achten, dass die Sitzgelegenheiten einfach zugänglich sind und dass das Hinsetzen und<br />

wieder Aufstehen leicht (die Höhe und Schräge der Sitzfläche und der Rückenlehne sowie das Vorhandensein von Armlehnen sind Aspekte, die diesen Punkt beeinflussen) erfolgen kann.<br />

Untenstehend einige Eindrücke, wie Aufenthaltsbereiche mit Sitzplätzen gestaltet und auch mit verschiedenen Aktivitäten kombiniert werden können (Grillieren, Schaukeln, usw). – Quelle: sanu.<br />

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Begegnungszonen/-orte<br />

Diese Flächen sind Orte der Kommunikation und der Begegnung der Siedlungsbewohnerschaft untereinander, aber auch zwischen der Bewohnerschaft der Siedlung und den Bewohnerschaft der<br />

Umgebung. Sie sind einfach zugänglich und befinden sich in den meisten Fällen neben oder entlang einem/r Zugangsweg /-strasse. Begegnung findet auch auf den vom Verkehr beruhigten<br />

Strassenabschnitten statt. Die mehr oder weniger grossen Flächen laden zum Verweilen, Spielen, gemütlichen Beisammensein, Grillieren etc. ein. Begegnung wird durch verschiedene Formen der<br />

Sitzgelegenheiten gefördert: Holzbänke, Steinmauern, Felsbrocken usw. Grillstellen und Platz für Aneignung, sowie Pergolas sind ebenfalls Elemente für Begegnung im Quartier. Kiesuntergrund, Wild- und<br />

Trockenblumen in Erdsäcken und auf Kiesuntergrund wachsend sind natürliche Gestaltungsmaterialien. Haustiere (in einem Aussenkäfig) können auch Teil einer Begegnungszone sein.<br />

Hier einige Beispiele von Begegnungsorten, die verschiedene Hauptakzente setzen. – Quelle: sanu (ausser für die Photo des Boccia-Spiels, Quelle: Siedlung Strassweid).<br />

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Jugendfläche<br />

Jugendflächen sind grosszügig ausgelegt und dürfen teilweise betoniert sein für Spiel, Sport (Basketball, Streethockey, Tischtennis, usw.) und Langsamverkehr (Velo, Kickboard, usw.). Sie können aber<br />

auch Rasenflächen für Fussball und Volleyball oder hügelige Landschaften zum Austoben bieten. Sitzgelegenheiten sollten ebenfalls vorhanden sein. Allgemein fällt auf, dass nur wenige spezifische<br />

Jugendflächen vorhanden sind. Es zeigt sich jedoch, dass nebst dem Sport, vor allem der persönliche künstlerische Ausdruck (z. B. via Zeichnungen – Mosaike, Graffitis) bei dieser Zielgruppe guten<br />

Anklang findet. Partizipation in der Gestaltung ist hier besonders wichtig.<br />

Hier einige Beispiele von Jugendflächen, die von Sport, Kunst und Kommunikation dominiert sind. – Quelle der Photos: sanu.<br />

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Terrassen und ebenerdige Balkone<br />

Attraktive Terrassen weisen einen individuellen Charakter auf. Dies wird dadurch erreicht, dass die Bewohnerschaft ihre Terrasse selber einrichtet und nach ihren Bedürfnissen benutzen kann. Mit der<br />

Bepflanzung oder mit Trockensteinmauern werden Nischen gestaltet und geschützte Bereiche abgegrenzt. Sitzgelegenheiten laden zum Verweilen und Entspannen ein. Barrierefreie Grenzen zum<br />

Nachbarn erhöhen den sozialen Austausch und ein Gefühl der Weite. – Quelle der Photos: sanu.<br />

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Veloabstellplatz<br />

Ein guter Veloabstellplatz befindet sich vorzugsweise direkt vor der Haustür (oder in einem ebenerdigen im Hause integrierten Raum), zeichnet sich durch eine gute Sicherung aus, ist gedeckt, beleuchtet<br />

und gut erreichbar. – Quelle der Photos: sanu.<br />

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5 Diskussion und Handlungsempfehlungen<br />

5.1 Fazit aus den Visionen der Kinder und Jugendlichen<br />

Die dargestellten Visionen der Kinder und Jugendlichen sprechen eine deutliche Sprache: Ihr Anspruch an die<br />

Wohnumfelder ist vielfältig. Die von ihnen hauptsächlich gewünschten Elemente (Wasser, Natur, Sport/Bewegung,<br />

Erholung/Begegnung, Konsum) werden aber nicht genügend aufgenommen. Der allgegenwärtig vorherrschende flache<br />

Rasen wie er bei gewöhnlichen Siedlungen anzutreffen ist, wird von keinem einzigen Schüler in einer Vision gewünscht.<br />

Die Visionen der Kinder und Jugendlichen enthalten jeweils mehrere der genannten Elemente und vereinen diese zu<br />

optimalen, dem entsprechenden Wohnumfeld angepassten Kombinationen. Bestimmt würden die Kinder und<br />

Jugendlichen am liebsten selber mitreden und mitgestalten, damit sie das Wohnumfeld danach auch entsprechend<br />

nutzen können. Wenn das Wohnumfeld Freizeitmöglichkeiten direkt in der Nähe der Wohnung anbietet, erhöht das die<br />

Lebensqualität sowohl für Erwachsene wie auch Kinder und Jugendliche.<br />

Bei Jugendlichen lässt sich erkennen, dass der Nutzungsbereich weitsichtiger angeschaut wird. Der Perimeter wird<br />

erweitert und das Wohnumfeld wird integrierter und in einem grösseren Zusammenhang betrachtet.<br />

Aus den Visionen wird ebenfalls ersichtlich, dass dem Element Wasser eine grosse Bedeutung zugemessen werden<br />

muss. Es kann in verschiedenen Formen relativ einfach im Wohnumfeld integriert werden: als Ziehbrunnen, Quelle, Bach<br />

hervorholen, Brunnen, Wasserhahn etc. Ebenfalls als wichtig angeschaut wird das Element Natur, meist in Form von<br />

Bäumen. Es gilt zu beachten, einheimische Bepflanzung zu gebrauchen, Brachen zur Verfügung zu stellen und grüne<br />

Nischen zu erhalten. Wichtig scheint es uns auch, mit wenigen Elementen zu arbeiten. Denn nicht jeder Raum muss<br />

perfekt gestaltet sein. Vielmehr weisen ungestaltete Räume ein grosses Potenzial für Kreativität auf. Gesamthaft ist es<br />

wichtig, die Gesamtvision der Siedlung, des Quartiers oder des Wohnblocks nicht aus den Augen zu verlieren. Es gibt<br />

nicht ein erfolgsversprechendes Element, sondern es kommt auf das gesamte Umfeld, die Bewohnerschaft und<br />

geografische Anordnung an. Und neben den Jugendlichen soll das Wohnumfeld auch einer erweiterten Bewohnerschaft<br />

Nutzungsmöglichkeiten anbieten.<br />

5.2 Fazit aus den gefundenen Beispielen<br />

Die Elemente wurden einzeln untersucht, müssen aber in der Umsetzung jeweils in den Kontext des gesamten<br />

Wohnumfelds gebracht werden.<br />

Terrassen/ebenerdiger Balkon:<br />

Gemütlich gestaltete Terrassen mit einladenden Elementen zum Verweilen erhöhen die Lebensqualität und tragen zur<br />

Gesundheit der Bewohnerschaft bei. Denn bereits der Umstand, draussen an der frischen Luft zu weilen, ist gesund und<br />

stärkt das Abwehrsystem. Zudem kommen auch psychische Determinanten hinzu: Erholung, Entspannung, Blick ins<br />

Grüne etc. Damit sich die Anwohnenden wohl fühlen und sich mit ihrer Terrasse identifizieren können, ist es<br />

entscheidend, dass der Terrassenbereich von den Nutzenden selber mitgestaltet werden kann. Die individuelle<br />

Aneignung der Fläche ist aus diesen Gründen gesundheitsfördernd.<br />

Einige Faktoren gilt es zu beachten. Terrassen/ebenerdige Balkone brauchen einen Sichtschutz, um privat von halbprivat<br />

trennen zu können. Rückzugsmöglichkeiten hinter dem Sichtschutz fördern die Privatsphäre, halbprivate Räume<br />

ermöglichen Kontaktmöglichkeiten. Beides ist für das Wohlbefinden essentiell und erhöht die Sozialkompetenz im<br />

Umgang miteinander.<br />

Die erwähnten Punkte sprechen alle für einen möglichst niederschwelligen Zugang zur Terrasse/Gartensitzplatz zum<br />

Beispiel durch einen ebenerdigen Balkon. Es empfiehlt sich sehr, den direkten Zugang und damit eine aktive<br />

Parterrenutzung zu fördern. Bei bereits gebauten Immobilien erfordert dies einen baulichen Eingriff, der sich sehr lohnen<br />

kann und einen deutlichen Mehrwert für die Parterrewohnungen und die allgemeine Belebung des Wohnumfelds<br />

darstellt.<br />

Mietergärten:<br />

Was früher aus finanziellem Selbstversorgungsantrieb in vielen Wohnumgebungen zu finden war, verschwand in der<br />

Zwischenzeit und taucht nun erfreulicherweise als Mietergärten wieder auf. Heute haben die Mietergärten aber eine<br />

andere Funktion. Sie ermöglichen es, Erfahrungen mit der Natur zu machen, sind sinnstiftend, fördern die Gesundheit<br />

und erlauben die selbstständige Aneignung des Aussenraums. Es macht deshalb aus unserer Sicht Sinn, der<br />

Bewohnerschaft die Gelegenheit und den Platz zu geben, um Gartenbeete anzulegen. Dadurch kann auf Rasen und<br />

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Mähen verzichtet werden, denn die Bewohnerschaft pflegen ihren Garten selber. Sie lernen dabei den Umgang mit der<br />

Natur, biologische Anbauweisen und kommen mit der Nachbarschaft in Kontakt, um Wissen und Erfahrungen<br />

auszutauschen.<br />

Veloabstellplätze:<br />

Es macht Sinn, gute Veloabstellplätze anzubieten, um das Velofahren zu erleichtern. Velofahren bedeutet nicht nur<br />

weniger Autos auf der Strasse, sondern auch Bewegung und frische Luft und somit einen Beitrag für die persönliche<br />

Gesundheit. Von Seiten Infrastruktur her gibt es verschiedene Veloabstellmodelle. Folgende Kriterien sind dabei im<br />

Vordergrund: gedeckt, gutes Abstellsystem, das weder Speichen noch Rahmen verzieht, gute Sicherungsmöglichkeiten<br />

und Beleuchtung. Zentrales Kriterium, dass der Veloabstellplatz auch benutzt wird, ist die Nähe zum Hauseingang. Ist<br />

der Abstellplatz zu weit entfernt, wird oft wild parkiert oder gar auf das Auto umgestiegen.<br />

Kleinkinder- und Kinderflächen:<br />

Für Kleinkinder eignen sich spiel-, bewegungs- und koordinationsfördernde Elemente. Sie wollen sich bewegen,<br />

herumrennen, balancieren, kriechen, rutschen, rollen, klettern etc. Dabei eignen sich eine dynamische Gestaltung mit<br />

vorfabrizierten Elementen, aber auch spezielle topografische Strukturen, Nischen und Versteckorte. Als spezielles<br />

Element für Spiel und Spass erachten wir das Wasser. Dabei spielt es keine Rolle, in welcher Form. Hauptsache es ist<br />

zugänglich und gefahrenfrei. Wir erachten auch unfertige oder alte Elemente als anregend: Wrack, eingesandetes Schiff,<br />

schiefes Haus etc.<br />

Kleinkinder- und Kinderflächen müssen einsichtig sein. Das bedeutet, dass in der Nähe Sitzgelegenheiten für<br />

Aufsichtspersonen vorhanden sein müssen. Wenn möglich sollten sie beschattet sein, wie auch der Hauptteil der<br />

Spielfläche.<br />

Je älter die Kinder werden, desto weniger Gestaltung ist erforderlich. Ältere Kinder können sich den Raum selber<br />

aneignen und bespielen.<br />

Jugendflächen:<br />

Jugendliche weisen einen grösseren Handlungsradius auf als Kinder. Sie bewegen sich unbeaufsichtigt im Wohnumfeld<br />

und auch ausserhalb. Wie aus den Visionen der Kinder und Jugendlichen herauskommt, haben sie auch andere<br />

Bedürfnisse als die Kleinen. Sie brauchen mehr Platz für Sport (Basket, Fussball, Skaten etc.) und wollen Treffpunkte.<br />

Es gilt daher, ihnen geeignete Plätze zur Verfügung zu stellen. Dazu gehören nebst Sportfeldern auch Nischen,<br />

Sitzgruppen und andere spezifisch zugeteilte Orte für Treffpunkte. Diese sollten unbedingt vandalensicher gebaut<br />

werden. Dafür eignen sich zum Beispiel grosse Steinblöcke. Als Treffpunkte können auch Restflächen unter Brücken,<br />

Rampen oder anderen ungenutzten Ecken dienen. Es ist dann aber wichtig, dass sie als Treffpunkt gestaltet werden,<br />

ansonsten besteht die Gefahr, dass sie für Abstellgeräte oder Abfallcontainer missbraucht werden.<br />

Rückzugsflächen:<br />

Rückzugsflächen dienen Jugendlichen dazu, sich unbeaufsichtigt zu treffen. Sie sind abgeschirmt von den Blickfeldern<br />

der Erwachsenen. Für Erwachsene sind Rückzugsflächen ebenso wichtig und sollen ebenfalls abgeschirmt von den<br />

Blicken der Nachbarn, aber trotzdem im Wohnumfeld platziert werden. Sichtschutz kann durch Büsche, Bäume,<br />

überwachsene Pergolas etc. erreicht werden. Als Rückzugsflächen dienen auch die obengenannten Restflächen, mit<br />

einer nutzungsorientierten Gestaltung.<br />

Aufenthaltsbereiche:<br />

Aufenthaltsbereiche sind im Gegensatz zu den Rückzugsflächen eher einsichtig, allerdings mit abgeschirmten Ecken. Sie<br />

sollen ein lauschiges Ambiente ausstrahlen, zum Verweilen einladen und soziale Kontakte fördern. Dazu sind Bänke und<br />

Tische für Essen und Trinken unabdingbar. Es eignen sich auch Grillplätze und Flächen für Spielmöglichkeiten (zum<br />

Beispiel Kies für Petanque). Damit ein gemütliches Ambiente entstehen kann, ist eine angebrachte Beschattung durch<br />

Bäume, Büsche oder andere Pflanzen zweckmässig, welche sowohl im Frühling, Sommer wie auch im Winter Schatten,<br />

Halbschatten und Sonnplätze zulässt. Vorzugsweise befindet sich der Aufenthaltsbereich in unmittelbarer Nähe zum<br />

Wohnhaus, damit die kurzen Wege die Nutzung nicht beeinträchtigen.<br />

Begegnungszonen/-orte:<br />

Begegnungszonen/-orte sind häufig Erschliessungsräume oder Eingangsbereiche. Durch eine multifunktionale<br />

Gestaltung kann der Raum aber auch für Spiel, Langsamverkehr (Velo, Kickboard, Rollbrett etc.) und Begegnung genutzt<br />

werden. Gestalterisch braucht es keinen all zu grossen Aufwand, damit die Zone auch als Aneignungsfläche dienen<br />

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kann: eine Bank, eine kleine Mauer zum Draufsitzen, unterschiedliche Beläge (Asphalt, Kies, Platten etc.) für<br />

unterschiedliche Aktivitäten: Zeichnen, Langsamverkehr, Boccia etc. Begegnungszonen auf öffentlichen Verkehrsflächen<br />

können auch offiziell beantragt werden und mit Verkehrsschildern als solche deklariert werden.<br />

Wasser:<br />

Wasser hat eine magische Kraft. Nicht nur für Kinder zum Plantschen, Spielen und Trinken, sondern auch für<br />

Erwachsene zum Hinschauen, dem Plätschern zuhören und Entspannen. Es gibt unzählige Möglichkeiten, Wasser im<br />

Wohnumfeld nutzbar zu machen: Ziehbrunnen installieren, Springbrunnen und Wasserspiele bauen, Dachkänel umleiten,<br />

Regenwasser sammeln, eingedohlter Bach hervorholen (Subvention durch Kanton möglich), etc. Wasser ist unserer<br />

Ansicht an ein zentrales Element für ein attraktives Wohnumfeld, es wird allseitig gewünscht und bietet unzählige<br />

Spielformen.<br />

Wegnetz:<br />

Auch das Wegnetz ist Ort der Begegnung und Bewegung. Es soll möglichst bedienerfreundlich ausgelegt sein,<br />

Trampelpfade erlauben, direkte Wege für FussgängerInnen bevorzugen und rollstuhlgängige Zugänge aufweisen.<br />

Unterschiedliche Beläge erlauben auch hier das unterschiedliche Bespielen der Fläche.<br />

5.3 Allgemeine Schlussfolgerungen<br />

Im Folgenden werden drei Elemente übergreifende Themen diskutiert: Siedlungsökologie, soziale Aspekte und Mobilität.<br />

Sie gelten nicht für ein bestimmtes Element, sondern sind bei allen zu beachten und erfordern eine Gesamtsicht des<br />

Wohnumfelds losgelöst von den einzelnen Elementen.<br />

Siedlungsökologische Aspekte:<br />

Wohnumfelder übernehmen eine wichtige ökologische Funktion, da sie zur Förderung der Artenvielfalt beitragen.<br />

Deshalb macht es Sinn, einheimische Pflanzen zu wählen, Spontanvegetation zuzulassen und magere Standorte zu<br />

fördern. Auch bei den Materialien können ökologische Kriterien mitspielen. Es empfiehlt sich, natürliche Materialien zu<br />

verwenden, wie Holz, Trockensteinmauern mit Ritzen für Insekten, Gabionen (Tragkorbmauern) und möglichst viele<br />

unversiegelte Flächen einzusetzen. Der Einsatz von Pflanzen in Wohngebieten ist sogar im Natur- und<br />

Heimatschutzgesetz verankert (NHG 451, Art. 18b). Die Anwesenheit von Pflanzen und Tieren im Wohngebiet hat<br />

schliesslich auch einen sozial-pädagogischen Aspekt, zumal die Bewohnerschaft Gelegenheit erhält, mit der<br />

schweizerischen Artenvielfalt in Kontakt zu kommen. Verschiedene Studien weisen darauf hin, dass dadurch auch der<br />

Unkenntnis von Tier- und Pflanzenarten entgegengewirkt werden kann, was zu einem gesünderen Aufwachsen von<br />

Kindern führt und die Bewohnerschaft glücklicher macht (Lindenmann-Matthies 2009).<br />

Soziale Aspekte:<br />

Indem Wohnumfelder begegnungsfreundlich angelegt werden können, kommt ihnen auch eine soziale Funktion zu. Es<br />

entstehen mehr soziale Kontakte. Dies kann einerseits mehr Konflikte hervorrufen bietet aber auch die Möglichkeit<br />

auszutauschen, Kontakte zu pflegen und potentielle Konflikte im Gespräch zu lösen. Zu einer funktionierenden<br />

Gesellschaft gehören Konflikte, das Aushandeln von Lösungen, Diskutieren und Kompromisse eingehen. Nur wenn es im<br />

Kleinen funktioniert, kann es auch in der komplexen Welt umgesetzt werden. Denn auch dort sind interdisziplinäre<br />

Prozesse notwendig. Das Wohnumfeld bietet dazu das optimale Lernfeld, denn regelmässiger, alltäglicher Kontakt macht<br />

Konfliktlösungen einfacher.<br />

Immer mehr wird auch eine gesundheitliche Komponente an den sozialen Kontakten erkannt. Neueste Forschungen<br />

zeigen, dass gute soziale Kontakte genauso wichtig sind für die Gesundheit wie gute Ernährung und Bewegung. Das<br />

Wohnumfeld kann zur Förderung sozialer Kontakte beitragen und mithelfen, dass die Bewohnerschaft ihr soziales Netz<br />

verdichten mit einem positiven Effekt auf die Gesundheit. Gerade im Zuge des Trends zu allgemeinen Individualität, der<br />

Anteil der Einpersonenhaushalte nimmt seit 30 Jahren in der Schweiz stetig zu (Haushaltstypen, Bundesamt für<br />

Statistik), wird dieser Aspekt um so wichtiger.<br />

Mobilität:<br />

Je attraktiver das Wohnumfeld, desto weniger Mobilität wird produziert. Je wohler sich die Bewohnerschaft in ihrer<br />

Wohnumgebung fühlen desto weniger halten sie es für notwendig, am Wochenende, mit dem Auto weit weg zu fahren.<br />

Sie bleiben tendenziell in der Umgebung und verbringen einen Teil ihrer Freizeit im Wohnumfeld. Ein attraktives<br />

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Wohnumfeld ist also auch raum- und verkehrsplanerisch gesehen ein wichtiges Instrument, um Mobilität einschränken zu<br />

können.<br />

5.4 Schwierige Umsetzung und Ausblick<br />

Die dokumentierten Beispiele machen deutlich, dass die Möglichkeiten zur Aufwertung von Wohnumfeldern grosser<br />

Immobilien mit Mietwohnungen sehr vielfältig sind. Ein in seiner Gesamtheit gut gestaltetes und funktionierendes<br />

Wohnumfeld setzt aber ein Gesamtkonzept und eine umsichtige Planung voraus. Kleinere Aufwertungen bestehender<br />

Flächen lassen sich hingegen bereits mit relativ einfachen Mitteln und tiefen Investitionen erzielen. Das Potenzial an<br />

Aufwertung bestehender Grünflächen im Wohnumfeld ist beträchtlich. Dass dieses Potenzial im Wohnumfeld bisher so<br />

wenig genutzt worden ist, kann daher erstaunen. Als Ursachen kommen verschiedene Aspekte in Frage:<br />

Wohnumfelder entstehen planerisch gesehen als Restprodukt der aufgrund von Baureglementen einzuhaltenden<br />

Grenzabstände. Sie werden in aller Regel nicht als Raum geplant. Geplant wird das Gebäude und dessen Einmittung in<br />

die Parzelle. Dies lässt Flächen entstehen, denen ursprünglich keine Funktion zugedacht wurde und nun Verbote<br />

Aneignung unterbinden, ausser dort, wo es um die Erschliessung und Parkplätzen geht. Gute Wohnumfelder entstehen<br />

dort, wo vom Konzept her der Raum bebaut wird, das Umfeld zur Funktion des Wohnens beiträgt und zur Aneignung<br />

durch die Bewohnerschaft einlädt und mit dem Gebäude in Kommunikation steht. Daher ist es dringend nötig, dass<br />

Entscheidungsträger sich bewusst werden, dass dem Wohnumfeld die entsprechende Funktion und Gewicht zu geben.<br />

Damit Wohnumfeld Lebensraum werden kann und nicht Abstandsfläche bleibt.<br />

Gute Wohnumfelder erkennt man an der Nutzungsintensität. Diese ist umso intensiver, je besser die angebotenen<br />

Strukturen den ästhetischen und funktionalen Bedürfnissen der Bewohnerschaft entsprechen. Um dies auch wirklich zu<br />

gewährleisten, muss die Mieterschaft an Konzeption und Gestaltung partizipieren können. Partizipative<br />

Planungsprozesse sind aber erfahrungsgemäss schwerfällig, aufwändiger und weniger vorhersehbar. Diese<br />

Schwierigkeiten werden gerne umgangen, indem Wohnumfelder konventionell und auf einfache Weise geplant werden.<br />

Zudem muss damit gerechnet werden, dass die Bedürfnisse der Mieterschaft mit der Zeit ändern können und damit auch<br />

die Ansprüche an das Wohnumfeld.<br />

Wo keine Nutzung stattfindet, kann auch kein Nutzungskonflikt entstehen. Das gilt auch für das Wohnumfeld. Das Risiko,<br />

potenzielle Nutzungskonflikte regeln zu müssen, ist mit ein Grund, wieso Eigentümer und Verwaltungen nutzungsfreie<br />

Rasenflächen einem qualitativ guten Wohnumfeld vorziehen. Um dem entgegen zu wirken, braucht es einerseits die<br />

Voraussetzung, dass die Verwaltung überzeugt ist, dass Aufenthaltsqualität im Wohnumfeld gefördert werden muss und<br />

andererseits können Nutzungskonflikte am besten durch partizipative Prozesse und regelmässige<br />

Mieterschaftsversammlungen entschärft werden.<br />

Der Zusatznutzen an erhöhter Lebensqualität, der mit einem Wohnumfeld erzielt werden kann, lässt sich nicht direkt in<br />

höheren Mieten oder Wertvermehrung- oder Erhaltung des Gebäudes ökonomisch aufrechnen. Es gibt zwar Hinweise<br />

darauf, dass die Mieterschaft bereit ist, einen höheren Mietzins für ein aufgewertetes Wohnumfeld zu akzeptieren<br />

(Vuilleumier 2008). Tatsache ist aber, dass der Mietwohnungsmarkt in der Schweiz nachfragegesteuert ist und es<br />

voraussichtlich auch weiterhin noch bleiben wird. So lange der Leerwohnungsbestand auf so tiefem Niveau liegt, lassen<br />

sich Wohnungen problemlos vermieten auch ohne zusätzliche Investition im Wohnumfeld. Allerdings stellen<br />

Branchenkenner eine gute Nachfrage nach attraktiven Wohnstrukturen fest. Es gibt also durchaus eine Mieterschaft, für<br />

die die Qualität des direkten Wohnumfeldes ein wichtiges Entscheidungskriterium darstellt. Die Vorteile, welche für den<br />

Vermieter durch ein gutes Wohnumfeld entstehen können, nämlich tiefere Fluktuationen, wenig Leerstand und weniger<br />

Vandalismus, lassen sich kaum nachweisen und fallen in der Gesamtrechnung vermutlich auch kaum ins Gewicht.<br />

Da für den Immobilienbesitzer ökonomisch kein direkter Nutzen für ein qualitativ gutes Wohnumfeld nachgewiesen<br />

werden kann, wird eine Veränderung in erster Linie über eine Bewusstseinsänderung der Entscheidungsträger (vgl.<br />

Kapitel 1.4) stattfinden müssen. Sie müssen überzeugt sein, dass es sich aus sozialen, gesundheitlichen und<br />

ökologischen Gründen lohnt, die gängige Praxis zu ändern. So gesehen wird ein qualitativ gutes Wohnumfeld Teil einer<br />

nachhaltig ausgerichteten Immobilienbewirtschaftung.<br />

Wenn es um nachhaltige Entwicklung resp. gesamtgesellschaftliche Fragen geht, ist in erster Linie die öffentliche Hand<br />

angesprochen. Daher wäre es wünschenswert, dass auch das private Wohnumfeld Teil der kantonalen und kommunalen<br />

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Entwicklungsplanung wird. Das kann nur geschehen, wenn die Qualität des Wohnumfeldes quantifizierbar oder messbar<br />

gemacht werden kann. Vorstellbar ist ein System, das analog zum Minergie-Standard für Gebäude ein Qualitäts-<br />

Standard für bewegungs- und begegnungsfördernde und ökologische Wohnumfelder definiert.<br />

Bis es allerdings soweit ist, hoffen wir, dass die vorgestellten Beispiele die Entscheidungsträger anregen und motivieren,<br />

Wohnumfelder attraktiver zu gestalten. Der Einbezug der verschiedenen vorgestellten Perspektiven ermöglicht es, in<br />

Zukunft vermehrt solche Bilder in Wohnquartieren anzutreffen.<br />

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Literatur<br />

Abraham Andrea, Sommerhalder Kathrin, Bolliger-Salzmann Heinz, Abel Thomas (2007)<br />

Landschaft und Gesundheit. Das Potential einer Verbindung zweier Konzepte. Institut für Sozial- und Präventivmedizin, Abteilung<br />

Gesundheitsförderung. Bern 2007<br />

Banfi S., Filippini M., Horehajova A., Pioro D. (2007)<br />

Zahlungsbereitschaft für eine verbesserte Umweltqualität am Wohnort, Schätzungen für die Städte Zürich und Lugano für die Bereiche<br />

Luftverschmutzung, Lärmbelastung und Elektrosmog von Mobilfunkantenne. Umwelt-Wissen Nr. 0717. Bundesamt für Umwelt BAFU.<br />

Bern 2007<br />

Chavanne Laura (2009):<br />

Wohnumfeldqualität. Zahlungsbereitschaft und Präferenzen der Mieter. Eine Anwendung des Choice-Experiments. HSR Hochschule für<br />

Technik Rapperswil, Rapperswil.<br />

Collage (2010)<br />

Die familienfreundliche und kindergerechte Stadt. FSU, Zeitschrift für Planung, Umwelt und Städtebau.<br />

Grob Daniel, Biedermann Andy, Martin-Diener Eva (2009)<br />

Strukturelle Bewegungsförderung in der Gemeinde: Synthese des aktuellen Wissenstandes, Grundlage für Handlungsempfehlungen,<br />

Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz, Herzogenbuchsee 2009<br />

Gruehn Dietwald (2006)<br />

Bedeutung von Freiräumen und Grünflächen für den Wert von Grundstücken und Immobilien. Forschungsprojekt. Endbericht. Austrian<br />

Research Centers – systems research GmbH. Wien 2006<br />

Grün Stadt Zürich (2006)<br />

Das Grünbuch der Stadt Züric. Weber, C.; Tschannen, E.; Winkler, R.; Graf, S.; Bähni, I.; Zürich 2006<br />

Hagen Hodgson Petra (2010)<br />

Verdichtete Grünsräume im urbanen Raum: Plädoyer für mehr Intimität und Individualisierung im urbanen Wohnumfeld; werk, bauen +<br />

wohnen, 9/2010<br />

Lindenmann-Matthies Petra (2009)<br />

Ästhetische Aspekte: Mehr Biodiversität ist schöner als wenig Biodiversität. Vortrag Institute of Environmental Sciences, Universität<br />

Zürich. Zürich 2009<br />

Marty Thomas (2009):<br />

Does natural gardening increase the ecological and aesthetic value of a garden? Institute of Environmental Sciences, University of<br />

Zurich.<br />

Muri Koller Gabriela (2010)<br />

Kinder und ihre Lebensräume. Synthesebericht. Paul Schiller Stiftung, Zürich 2010<br />

oekoskop (2009)<br />

Bewegungsförderung im Wohnumfeld für Kinder und Jugendliche . Literaturrecherche mit Empfehlungen zur Umsetzung.<br />

Schlussbericht. Volkswirtschafts- und Gesundheitsdirektion Kanton Basel-Landschaft, Basel 2009<br />

Sauter Daniel, Hüttenmoser Marco (2006)<br />

Integrationspotenziale im öffenlichen Raum urbaner Wohnquartiere. Zusammenfassung der Ergebnisse. Forschungsprojekt. Bundesamt<br />

für Sport BASPO. Zürich, 2006<br />

Schöffel Joachim (2009):<br />

Wohnumfeldqualität und -planung. Arbeitsgrundlagen für Wohnumfeldverbesserungen. HSR Hochschule für Technik Rapperswil,<br />

Rapperswil.<br />

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Stadtentwicklung Zürich (Hrsg.) (2005):<br />

Bevölkerungsbefragung Stadt Zürich. Zürich 2005<br />

Tschäppeler Sabine, Gresch Sabine, Beutler Martin (2009)<br />

Brachland. Urbane Freiräume neu entdecken, Haupt Bern 2009<br />

Vuilleumier Benedict (2008):<br />

Zahlungsbereitschaft für Wohnumfeldqualität. Eine Anwendung der Contingent Valuation Methode. Masterarbeit im Rahmen des<br />

Studiums der Volkswirtschaftslehre, Universität Bern. 82 pp.<br />

Links:<br />

http://www.vauban.de/<br />

Anhang<br />

Anhang 1: Informationsblatt „Aktion Visionen“ 29<br />

Anhang 2: Arbeitsblatt „Aktion Visionen“ 30<br />

Anhang 3: Skizzen „Aktion Visionen“ 33<br />

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Anhang 1: Informationsblatt „Aktion Visionen“<br />

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Anhang 2: Arbeitsblatt „Aktion Visionen“<br />

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sanu future learning ag<br />

Anhang 3: Skizzen „Aktion Visionen“<br />

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®<br />

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