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Die Last mit dem Ballast GLOBAL<br />

Ballastwasser ist aus der modernen Schifffahrt nicht mehr<br />

wegzudenken. Es dient der Stabilisierung der Schiffe, wenn<br />

sie leer oder nur zum Teil beladen sind, und sorgt für die<br />

sichere Lage im Wasser. Früher nutzten Seeleute massiven<br />

Ballast wie Sand oder Steine. Heutzutage hat Wasser diese<br />

Rolle übernommen. Es ist weitaus leichter zu handhaben.<br />

An Rumpf und Seiten moderner Frachter sind große Tanks<br />

in die Schiffswand eingebaut, die je nach Bedarf für den<br />

optimalen Gewichtsausgleich befüllt oder entleert werden.<br />

Reise mit Folgen<br />

Gerade das Wasser küstennaher Gewässer ist aber reich<br />

belebt. So gelangen mit dem Ballastwasser viele Organismen,<br />

ja sogar ganze Organismengesellschaften an Bord<br />

und gehen mit auf die Reise um den Erdball. Die Ozeanriesen<br />

kommen derart schnell voran, dass viele der unfreiwilligen<br />

Mitreisenden die stressreiche Fahrt sogar überstehen.<br />

Wird das Ballastwasser im fernen Hafen dann wieder<br />

abgelassen, werden die Überlebenden in einem fremden<br />

Ökosystem wieder ausgesetzt – und richten dort unter<br />

Umständen erheblichen Schaden an.<br />

„Potenziell können alle Arten von Organismen gefährlich<br />

werden“, erklärt Ralf-Norbert Hülsmann von der Freien Universität<br />

Berlin, der sich seit Jahren mit der Ballastwasser-<br />

Problematik beschäftigt. „Das hängt von den Bedingungen<br />

in den Zielgebieten ab.“ Grundsätzlich sind vor allem<br />

Generalisten kritisch; denn sie sind häufig außerordentlich<br />

anpassungsfähig und nicht sonderlich wählerisch, was<br />

ihren Speiseplan angeht. Hat der Einwanderer dann auch<br />

noch keine natürlichen Feinde, kann er sich nahezu unkontrolliert<br />

vermehren.<br />

Von Muscheln und Quallen, Seesternen und Einzellern<br />

So in etwa ist dies geschehen bei der Zebramuschel<br />

Dreissena polymorpha: Die Süßwassermuschel ist<br />

ursprünglich beheimatet im ponto-kaspischen Raum. Auch<br />

in hiesige Gewässer ist die bis zu vier Zentimeter große<br />

Muschel schon vorgedrungen. „Hier bei uns bereitet sie<br />

kaum Probleme“, sagt Hülsmann. In Nordamerika sieht das<br />

dagegen völlig anders aus. Dort gehört sie zu den gefährlichsten<br />

Invasoren überhaupt. Die Muschel überrannte<br />

förmlich beinahe sämtliche Konkurrenten und trat ihren<br />

Siegeszug durch die nordamerikanischen Seen an. „Sie<br />

wandert in Kühlsysteme und in die Wasserversorgung ein“,<br />

schildert der Biologe. „Die Muscheln siedeln aufeinander<br />

und bilden dadurch ganze Cluster, welche die Anlagen verstopfen.“<br />

Dass die Zebramuschel tatsächlich mit<br />

Ballastwasser in die nordamerikanischen Seen gelangte,<br />

muss zwar noch nachgewiesen werden, es ist aber überaus<br />

wahrscheinlich. „Aus eigener Kraft kann sie diese Reise<br />

unmöglich bewerkstelligt haben“, sagt Hülsmann.<br />

Die Zebramuschel ist kein Einzelfall. So gelangte zum<br />

Beispiel umgekehrt die Meerwalnuss Mnemiopsis leidyi von<br />

der nordamerikanischen Küste ins Kaspische Meer – vermutlich<br />

in Ballastwassertanks. Diese Rippenqualle ver-<br />

mehrte sich prächtig unter den neuen Lebensbedingungen<br />

und brachte das dortige ökologische Gleichgewicht völlig<br />

durcheinander. Oder der aus asiatischen Gewässern stammende<br />

Nordpazifische Seestern Asterias amurensis: In<br />

Australien ebenso wie in Nordamerika bedroht er ganze<br />

Muschelpopulationen – nachdem er wahrscheinlich im<br />

Ballastwasser vor Ort gelangte.<br />

Als sehr bedenklich einzustufen sind auch auf den ersten<br />

Blick weit unscheinbarere Lebewesen: Einzeller, die mit bloßem<br />

Auge kaum wahrzunehmen sind. Sie dienen größeren<br />

Mitreisenden als Nahrung und halten sie während der Reise<br />

am Leben. Jedoch können sie auch selbst zur Gefahr werden.<br />

So produzieren einige Dinoflagellaten und Diatomeen<br />

Toxine, welche Muscheln aufnehmen, die wiederum vom<br />

Menschen verzehrt werden.<br />

Was hilft?<br />

Um die Gefahr einzudämmen, die potenziell von mit<br />

Ballastwasser verschleppten Lebewesen ausgeht, gibt es<br />

eine Reihe von Ansätzen, die auch von der International<br />

Maritime Organization (IMO) vorgeschlagen oder vorgeschrieben<br />

werden: zum Beispiel, das Ballastwasser nicht in<br />

der Nacht aufzunehmen, weil viele Organismen dann<br />

besonders aktiv sind, und nicht bei so genannten Roten<br />

Tiden, in denen toxische Einzeller in Massen auftreten.<br />

Dagegen wird die Wasseraufnahme bei Flut empfohlen,<br />

weil dann der Abstand zum Boden wächst und damit die<br />

Wahrscheinlichkeit sinkt, am Meeresgrund lebende<br />

Organismen mit einzutragen.<br />

„Eine weitere Methode ist das Auswechseln des<br />

Ballastwassers auf hoher See“, erklärt Hülsmann. Dies stelle<br />

aber eine starke Belastung für den Schiffsrumpf dar.<br />

Darüber hinaus werden so genannte Hydrozyklonmechanismen<br />

erforscht, die das eingesogene Wasser in<br />

Rotation versetzen, so dass sämtliche Teilchen an den<br />

Rand geschleudert werden und in der Mitte ein sauberer<br />

Wasserstrahl entsteht. „Parallel laufen überall auf der Welt<br />

Versuche, die Organismen gezielt zu töten: Man arbeitet mit<br />

UV-Licht, Ultraschall und Ozonisierung des Wassers und<br />

erzielt damit bereits recht zufriedenstellende Ergebnisse“,<br />

so der Biologe. Gelänge es noch, die Fördermengen des<br />

Wassers entsprechend zu erhöhen, würde das künftig das<br />

Ende für die blinden Passagiere bedeuten.<br />

<strong>explore</strong>: INFOBOX<br />

BUCHTIPP:<br />

Bernhard Kegel: Die Ameise als Tramp – Von biologischen Invasionen,<br />

München 2001, ISBN 3453184394, (vergriffen)<br />

LINKS:<br />

Seite des Global Ballast Water Management Programme der IMO (englisch):<br />

http://globallast.imo.org/<br />

<strong>explore</strong>: 1/2007 - 15

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