Die Wirtschaft Nr. 43 vom 28. Oktober 2011
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
INDUSTRIE<br />
Vorarlberger Industriekonjunktur:<br />
Klare Anzeichen für Abstieg <strong>vom</strong><br />
Konjunkturgipfel 2010<br />
„<strong>Die</strong> Ergebnisse der aktuellen Konjunkturumfrage sind zwar noch auf einem hohem Niveau,<br />
allerdings bewerten die Vorarlberger Industrieunternehmen die Zukunftswerte durchaus<br />
skeptisch“, deuten IV-Geschäftsführer MMag. Mathias Burtscher und Mag. Michael Amann,<br />
Spartengeschäftsführer Industrie in der <strong>Wirtschaft</strong>skammer, die Konjunkturumfrage im dritten<br />
Quartal <strong>2011</strong>. <strong>Die</strong>s zeige sich besonders klar beim Geschäftsklimaindex, dessen Abwärtstrend<br />
seit Beginn des Jahres sich deutlich verstärkt hat.<br />
Der Vorarlberger Industrie<br />
geht es aktuell gut. Trotzdem<br />
werden deutliche Sig -<br />
nale einer Abschwächung sichtbar“,<br />
so IV-Geschäftsführer Burtscher.<br />
Der Geschäftsklimaindex,<br />
der sowohl die derzeitige als auch<br />
die zu erwartende Geschäftslage in<br />
sechs Monaten berücksichtigt,<br />
weist seit Jahresbeginn einen Abwärtstrend<br />
auf, der sich nun noch<br />
verstärkt hat. Er hat sich im dritten<br />
Quartal dieses Jahres um ganze<br />
22,5% auf einen Wert von 16,50<br />
verschlechtert.<br />
Senkung der Lohnnebenkosten<br />
„Es ist daher größte Vorsicht geboten.<br />
Um als Unternehmen nachhaltig<br />
erfolgreich zu sein, muss<br />
immer wieder der Blick in die Zukunft<br />
gerichtet und dann die richtige<br />
Entscheidung getroffen werden.<br />
Wenn nun die Unternehmen<br />
zu einem überzogenen Lohnabschluss<br />
gezwungen werden, verliert<br />
der Betrieb seinen Entscheidungsspielraum,<br />
der Rationalisierungsdruck<br />
steigt und es kommt zu<br />
negativen Auswirkungen für das<br />
Unternehmen und für die Beschäftigung.<br />
Viel wichtiger wäre eine<br />
Senkung der Lohnnebenkosten,<br />
damit dem Mitarbeiter mehr bleibt<br />
und nicht für die Unternehmen<br />
derartig große Bürden entstehen“,<br />
so der IV-Geschäftsführer.<br />
Auch die Verhandlungskultur<br />
sieht Burtscher sehr kritisch: „Bei<br />
allem Verständnis für den Wunsch<br />
nach höheren Löhnen gerade im<br />
unteren Bereich, scheint es doch<br />
sehr unverhältnismäßig und standortschädlich,<br />
wenn man zu Beginn<br />
4 DIE WIRTSCHAFT Freitag, <strong>28.</strong> <strong>Oktober</strong> <strong>2011</strong><br />
<strong>Die</strong> aktuelle Geschäftslage zeigt sich<br />
noch positiv und wird von 59% der Unternehmen<br />
als gut und nur von 3% als<br />
schlecht bezeichnet. <strong>Die</strong> Geschäftslage in<br />
sechs Monaten wird hingegen von der<br />
Vorarlberger Industrie wesentlich skeptischer<br />
eingeschätzt: Nur 3% erwarten eine<br />
günstigere Geschäftslage im nächsten halben<br />
Jahr, 70% eine etwa gleich bleibende<br />
und 26% eine ungünstigere.<br />
Auf relativ hohem Niveau bewegen sich die<br />
derzeitigen Auftragsbestände sowie die<br />
Auslandsaufträge: Der Auftragsbestand<br />
wird von 61% als gut und nur von 5% als<br />
schlecht bezeichnet. <strong>Die</strong> Auslandsaufträge<br />
werden von 61% als gut und nur von 4%<br />
als schlecht bewertet. Der Saldo aus „gut“<br />
und „schlecht“ hat sich allerdings bei den<br />
Auftragsbeständen gegenüber dem letzten<br />
Quartal von 79 auf 56%, bei den Auslandsaufträgen<br />
von 79 auf 57%, reduziert.<br />
Positiv, allerdings mit absteigender Tendenz,<br />
fällt auch die Beurteilung der derzeitigen<br />
Ertragssituation aus: 42% der Be-<br />
triebe sprechen von einer aktuell guten,<br />
42% von einer durchschnittlichen und 16%<br />
von einer schlechten Ertragssituation (Verschlechterung<br />
des Saldowertes von +55%<br />
auf +27% gegenüber dem Vorquartal). <strong>Die</strong><br />
Ertragssituation in einem halben Jahr wird<br />
von 91% der Betriebe als etwa gleich bleibend<br />
und von nur 3% als besser erwartet.<br />
Erfreulich bleibt, dass ein Drittel der befragten<br />
Unternehmen in den nächsten drei Monaten<br />
ihren Beschäftigtenstand ausbauen<br />
wollen (34%). <strong>Die</strong> aktuellen Entwicklungen<br />
lassen erahnen, dass sie vor allem<br />
nach Fachkräften auf dem Arbeitsmarkt suchen.<br />
Allerdings gehen auch bereits 12%<br />
von geringeren Mitarbeiterzahlen in drei<br />
Monaten aus (im Vorquartal waren es noch<br />
3%).<br />
Quer durch die Branchen wird mit leicht fallenden<br />
Verkaufspreisen in drei Monaten<br />
im Vergleich zum letzten Quartal gerechnet:<br />
30% glauben dennoch, dass sie steigen<br />
werden, 9% rechnen damit, dass sie<br />
schlechtere Verkaufspreise erzielen werden.<br />
der Verhandlungen mutwillig<br />
Streiks <strong>vom</strong> Zaun bricht. Vorarlberg<br />
wurde zwar bei den Streiks relativ<br />
verschont, aber am Ende schlagen<br />
sich die Auswirkungen auf Bundesebene<br />
bei KV-Verhandlungen<br />
auch voll auf Vorarlberg durch und<br />
hier gilt es sich dagegen zu wehren.“<br />
<strong>Die</strong> Politik hat einen Auftrag<br />
Um die negative Tendenz wieder<br />
umzukehren, müssen sich<br />
nicht nur die Industriebetriebe anstrengen,<br />
sondern vor allem muss<br />
auch die Politik ihren Beitrag leis -<br />
ten und die Rahmenbedingungen<br />
entsprechend gestalten. „Der Auftrag<br />
an die Bundespolitik – und an<br />
die Landespolitik sich gegenüber<br />
dem Bund dafür einzusetzen – ist<br />
klar: Durch das Verschieben oder<br />
Unterlassen der notwendigen Reformen<br />
oder durch das Erfinden<br />
neuer Einnahmequellen wird der<br />
<strong>Wirtschaft</strong>s- und Arbeitsstandort<br />
Österreich zunehmend gefährdet.<br />
Was spricht beispielsweise dagegen,<br />
dass sich die Entscheidungsträger<br />
auf eine Bildungsreform mit<br />
mehr Schulautonomie, einem einheitlichen<br />
Lehrerdienstrecht, mehr<br />
Spielraum für Ganztagesbetreuung,<br />
einem Ausbau der Frühförderung<br />
und einer effizienten Schulverwaltung<br />
einigen?“, fragt Burtscher.<br />
An der Konjunkturumfrage der Sparte<br />
Industrie der <strong>Wirtschaft</strong>skammer Vorarlberg<br />
und der Industriellenvereinigung<br />
Vorarlberg haben sich 45 Unternehmen<br />
mit insgesamt 20.926 Beschäftigten<br />
beteiligt.