UNISONO - Schweizer Blasmusikverband
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Paul Strässle, wie kann ein so zartbesaiteter<br />
Mensch und Musiker zu einem professionellen<br />
«Schläger» avancieren?<br />
Indem man seinen inneren Regungen und<br />
Impulsen nachgeht, auf sich selber hört und<br />
diesem Ruf folgt, daraus den Beruf werden<br />
lässt! Zudem ist es für mich ein sehr lebendiges<br />
Gefühl, meine vitalen Grundkräfte zu<br />
gebrauchen beziehungsweise zu verbinden:<br />
ein zartbesaiteter Zu-Schlager!<br />
Wenn man Sie beim Musizieren beobachtet,<br />
sieht man mitunter Arme über Arme,<br />
Hände dutzendweise. Sind Sie Hämmerchen-<br />
und/oder Schlägel-Artist?<br />
Wahrscheinlich so etwas wie ein begabter<br />
Handwerker, der mit Fellen und Schlägeln<br />
balancierend umgeht! Man kann durchs Leben<br />
wirbeln oder es ertragen ...<br />
Wieso musizieren Sie im Smoking und<br />
haben nicht den Weg mit den schweissdurchtränkten<br />
T-Shirts gewählt?<br />
Nach einem Konzertabend ist auch mein<br />
T-Shirt unter dem Frack schweissdurchtränkt.<br />
Der smarte Ostschweizer Musiker disloziert<br />
als Perkussionist gen Osten nach Berlin ...<br />
Um weiter zu lernen und rauszukommen.<br />
... und kehrt anschliessend nach Konstanz<br />
zurück.<br />
Um wiederzufinden, was man einmal verlassen<br />
hat.<br />
Welches «Rauskommen» meinten Sie vorhin?<br />
Aus mir heraus zu kommen, um zu werden,<br />
wie ich vom Leben «gemeint» bin! Die eigene<br />
Persönlichkeit zu suchen und zu entwickeln.<br />
Wie möchten Sie schlussendlich «rauskommen»?<br />
Natürlich heil!<br />
Durchbrechen wir das Fragespiel. Erzählen<br />
Sie uns doch vom Wahlprozedere!<br />
Das habe ich zum Glück in der Südwestdeutschen<br />
Philharmonie Konstanz erfolgreich<br />
hinter mir! Wenn Sie es aber genau<br />
wissen wollen: Es war ein langer und intensiver<br />
Prozess in der Zeitspanne von zwei<br />
Jahren. Probespiel über drei Runden vor<br />
dem gesamten Orchester. Anschliessend<br />
wurden drei Kandidaten ausgewählt, um in<br />
einer Arbeitsphase und in Konzerten näher<br />
erlebt zu werden. Wenn man die Stelle<br />
dann bekommt, bleibt einem noch, das Probejahr<br />
zu bestehen ... Schön daran zu sehen<br />
ist im Nachhinein eine starke Entwicklung<br />
dieser Geschichte: Die gegenseitige<br />
Akzeptanz wie auch das Vertrauen gegenüber<br />
meiner Position eines Solo-Paukers im<br />
Orchester haben stetig zugenommen! Für<br />
mich sind das ideale Bedingungen, um entstehen<br />
zu lassen, was man will: Musik als<br />
Lebensbegeisterung und in Resonanz gehen<br />
können mit sich und anderen.<br />
Sie halten Rückschau. Wie denken Sie als<br />
«ausländischer» Orchester-Profi über Ihre<br />
Maestro Nr. 1/2006<br />
Gefragte Musiker – kurz befragt Paul Strässle, Konstanz (D), Pauker/Schlagzeuger<br />
blasmusikalischen Jugendjahre in der<br />
Schweiz?<br />
Erste Erfahrungen sammeln und vor allem<br />
Chancen erhöhen, in Musik einsteigen zu<br />
können!<br />
Was verbindet Sie heute noch mit der Blasmusik?<br />
Meine Erinnerungen und die Freude, wie<br />
wichtig Musik ist und wie vielfältig sie in<br />
Vereinen gelebt und erlebt wird!<br />
Ab und zu will es ja der Zufall, dass aus<br />
dem «Profi-Solo-Pauker» auch wieder der<br />
Perkussionist in der hintersten Reihe der<br />
Blasmusik wird: Zum Beispiel an einem verregneten<br />
Sommerhafenfest am Bodensee mit<br />
Y.M.C.A. ...<br />
Dirigenten proben. Arbeiten mit den Streichern<br />
und den Bläsern. Lassen wiederholen.<br />
Belehren. Lassen abermals wiederholen.<br />
Korrigieren. Erteilen Tipps. Repetieren<br />
als erfolgreiche Musikpädagogen gleich<br />
nochmals übers Plansoll. – Wie denken die<br />
arbeitslosen «Hintergrund-Akteure»?<br />
Man wartet gespannt auf die Momente,<br />
wo`s nach dem anstrengenden Arbeiten der<br />
Dirigenten möglich wird, einfach spielen zu<br />
können! Man lernt im richtigen Moment<br />
«Fehler» sein zu lassen und sie beide (Fehler<br />
und Dirigenten) zu akzeptieren. Meist findet<br />
man in solchen Momenten das uns noch<br />
Fehlende oder – anders gesagt – das, was<br />
uns gemeinsam weiterbringt!<br />
Sie sitzen an den 5 Timpani. Im Takt 167<br />
treten Sie auf Schlag 2 erstmals in Aktion.<br />
Takt 214, nun auf 1, hört man Sie sogar<br />
mit einem kurzen Wirbel ... Wie rechtfertigen<br />
Sie die anderen Noten, Ihre Gage?<br />
Unser Los ist es, bei einem verpassten oder<br />
an der unrichtigen Stelle gesetzten Schlag<br />
gleich hundertprozentig verloren zu haben.<br />
Über Geld sprechen wir hier nicht ...<br />
Mein erster grosser Musiklehrer definierte:<br />
«Rhythmus heisst warten können». Wie<br />
sehen Sie es mit dem Warten?<br />
Warten auf den richtigen Moment – und<br />
dann aber loslegen! Beides im Leben zu<br />
haben macht mich glücklich!<br />
Der Dirigent ist Pacemaker, erlauchter<br />
Metrumgeber. Sein verlängerter Arm kann<br />
nur sein die Person am Drum ...<br />
...-Set oder an den Pauken – ihm genau<br />
gegenüber, in Opposition.<br />
Time-out! – Wer von den absolut grossen<br />
Meistern hat für Ihr Register am Interessantesten<br />
geschrieben?<br />
Mozart, Beethoven, Brahms, Dvorak, Schumann,<br />
Tschaikowsky und Mahler für Pauken.<br />
Bartok, Orff, Rimski-Korsakow, Prokofjew,<br />
Strawinsky und Schostakowitsch für<br />
Schlagzeug.<br />
Ein grosser Unterschied zu den zeitgenössischen<br />
Komponisten sind die ungeraden<br />
Taktarten mit äusserst komplizierten, sich<br />
rasch folgenden Wechseln ...<br />
Ganz schön herausfordernd für Musiker und<br />
Zuhörer! Die komplexen Rhythmen und aus<br />
der Norm fallenden Takte trotzdem zu verbinden<br />
und mitzugehen, das macht im<br />
Ganzen dann Sinn und Spass ...<br />
Zum Üben genügen im trauten Heim den<br />
meisten Musikern vier Quadratmeter Wohnfläche.<br />
Wie steht es mit Ihrem Glockenspiel?<br />
Wo platzieren Sie die Timpani, Xylo-,<br />
Vibra-, Marimba- und weiteren -phone?<br />
Draussen auf einem grossen Feld – und<br />
dann wird «ge-(r)ackert»!<br />
Die meisten Bläser können relativ problemlos<br />
bei sich zu Hause eine Instrumentensammlung<br />
anlegen. Wie sieht das bei<br />
Ihnen – beispielsweise mit antiken grünen<br />
Trommeln – aus?<br />
Hab ich erst kürzlich ersteigert und bin selber<br />
gespannt, was daraus werden kann.<br />
Soll ich einen kleinen «Blumentopf» mit Basilikum<br />
machen oder lieber eine «antike»<br />
Rührtrommel fürs Sinfonieorchester?<br />
Vorschlag, Zuschlag, Nachschlag: Ihre<br />
(Ver-)Führung?<br />
Als Vor-Schlag einen würzigen Trommelwirbel.<br />
Zum Haupt-Schlag den Zuschlag aus<br />
der Sinfonie mit dem Paukenschlag von<br />
Haydn. Und als Nach-Schlag das Tüpfelchen<br />
auf dem i: Ein silbern und hochglänzender<br />
Triangel-Pling ...<br />
Pauker musizieren manchmal jenseits von<br />
Eden. Was machen Sie im nächsten Leben?<br />
Weiter...<br />
Aha, alles klar! – Nun, fertig mit dem formellen<br />
«Zeugs»: Ich muss dich endlich wieder<br />
duzen! Ganz herzlich danke ich dir, lieber<br />
Paul, meinem ehemals besten Perkussionisten,<br />
für dieses erfrischende Gespräch.<br />
Du bist derselbe Mensch, der schwierig<br />
ergründbare Philosoph geblieben. Als<br />
Musiker kannst du weiterhin auf philharmonischer<br />
Ebene professionell auf die Pauke<br />
hauen. Mach weiter so!<br />
René Messmer