30.09.2012 Aufrufe

UNISONO - Schweizer Blasmusikverband

UNISONO - Schweizer Blasmusikverband

UNISONO - Schweizer Blasmusikverband

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

16<br />

Paul Strässle, wie kann ein so zartbesaiteter<br />

Mensch und Musiker zu einem professionellen<br />

«Schläger» avancieren?<br />

Indem man seinen inneren Regungen und<br />

Impulsen nachgeht, auf sich selber hört und<br />

diesem Ruf folgt, daraus den Beruf werden<br />

lässt! Zudem ist es für mich ein sehr lebendiges<br />

Gefühl, meine vitalen Grundkräfte zu<br />

gebrauchen beziehungsweise zu verbinden:<br />

ein zartbesaiteter Zu-Schlager!<br />

Wenn man Sie beim Musizieren beobachtet,<br />

sieht man mitunter Arme über Arme,<br />

Hände dutzendweise. Sind Sie Hämmerchen-<br />

und/oder Schlägel-Artist?<br />

Wahrscheinlich so etwas wie ein begabter<br />

Handwerker, der mit Fellen und Schlägeln<br />

balancierend umgeht! Man kann durchs Leben<br />

wirbeln oder es ertragen ...<br />

Wieso musizieren Sie im Smoking und<br />

haben nicht den Weg mit den schweissdurchtränkten<br />

T-Shirts gewählt?<br />

Nach einem Konzertabend ist auch mein<br />

T-Shirt unter dem Frack schweissdurchtränkt.<br />

Der smarte Ostschweizer Musiker disloziert<br />

als Perkussionist gen Osten nach Berlin ...<br />

Um weiter zu lernen und rauszukommen.<br />

... und kehrt anschliessend nach Konstanz<br />

zurück.<br />

Um wiederzufinden, was man einmal verlassen<br />

hat.<br />

Welches «Rauskommen» meinten Sie vorhin?<br />

Aus mir heraus zu kommen, um zu werden,<br />

wie ich vom Leben «gemeint» bin! Die eigene<br />

Persönlichkeit zu suchen und zu entwickeln.<br />

Wie möchten Sie schlussendlich «rauskommen»?<br />

Natürlich heil!<br />

Durchbrechen wir das Fragespiel. Erzählen<br />

Sie uns doch vom Wahlprozedere!<br />

Das habe ich zum Glück in der Südwestdeutschen<br />

Philharmonie Konstanz erfolgreich<br />

hinter mir! Wenn Sie es aber genau<br />

wissen wollen: Es war ein langer und intensiver<br />

Prozess in der Zeitspanne von zwei<br />

Jahren. Probespiel über drei Runden vor<br />

dem gesamten Orchester. Anschliessend<br />

wurden drei Kandidaten ausgewählt, um in<br />

einer Arbeitsphase und in Konzerten näher<br />

erlebt zu werden. Wenn man die Stelle<br />

dann bekommt, bleibt einem noch, das Probejahr<br />

zu bestehen ... Schön daran zu sehen<br />

ist im Nachhinein eine starke Entwicklung<br />

dieser Geschichte: Die gegenseitige<br />

Akzeptanz wie auch das Vertrauen gegenüber<br />

meiner Position eines Solo-Paukers im<br />

Orchester haben stetig zugenommen! Für<br />

mich sind das ideale Bedingungen, um entstehen<br />

zu lassen, was man will: Musik als<br />

Lebensbegeisterung und in Resonanz gehen<br />

können mit sich und anderen.<br />

Sie halten Rückschau. Wie denken Sie als<br />

«ausländischer» Orchester-Profi über Ihre<br />

Maestro Nr. 1/2006<br />

Gefragte Musiker – kurz befragt Paul Strässle, Konstanz (D), Pauker/Schlagzeuger<br />

blasmusikalischen Jugendjahre in der<br />

Schweiz?<br />

Erste Erfahrungen sammeln und vor allem<br />

Chancen erhöhen, in Musik einsteigen zu<br />

können!<br />

Was verbindet Sie heute noch mit der Blasmusik?<br />

Meine Erinnerungen und die Freude, wie<br />

wichtig Musik ist und wie vielfältig sie in<br />

Vereinen gelebt und erlebt wird!<br />

Ab und zu will es ja der Zufall, dass aus<br />

dem «Profi-Solo-Pauker» auch wieder der<br />

Perkussionist in der hintersten Reihe der<br />

Blasmusik wird: Zum Beispiel an einem verregneten<br />

Sommerhafenfest am Bodensee mit<br />

Y.M.C.A. ...<br />

Dirigenten proben. Arbeiten mit den Streichern<br />

und den Bläsern. Lassen wiederholen.<br />

Belehren. Lassen abermals wiederholen.<br />

Korrigieren. Erteilen Tipps. Repetieren<br />

als erfolgreiche Musikpädagogen gleich<br />

nochmals übers Plansoll. – Wie denken die<br />

arbeitslosen «Hintergrund-Akteure»?<br />

Man wartet gespannt auf die Momente,<br />

wo`s nach dem anstrengenden Arbeiten der<br />

Dirigenten möglich wird, einfach spielen zu<br />

können! Man lernt im richtigen Moment<br />

«Fehler» sein zu lassen und sie beide (Fehler<br />

und Dirigenten) zu akzeptieren. Meist findet<br />

man in solchen Momenten das uns noch<br />

Fehlende oder – anders gesagt – das, was<br />

uns gemeinsam weiterbringt!<br />

Sie sitzen an den 5 Timpani. Im Takt 167<br />

treten Sie auf Schlag 2 erstmals in Aktion.<br />

Takt 214, nun auf 1, hört man Sie sogar<br />

mit einem kurzen Wirbel ... Wie rechtfertigen<br />

Sie die anderen Noten, Ihre Gage?<br />

Unser Los ist es, bei einem verpassten oder<br />

an der unrichtigen Stelle gesetzten Schlag<br />

gleich hundertprozentig verloren zu haben.<br />

Über Geld sprechen wir hier nicht ...<br />

Mein erster grosser Musiklehrer definierte:<br />

«Rhythmus heisst warten können». Wie<br />

sehen Sie es mit dem Warten?<br />

Warten auf den richtigen Moment – und<br />

dann aber loslegen! Beides im Leben zu<br />

haben macht mich glücklich!<br />

Der Dirigent ist Pacemaker, erlauchter<br />

Metrumgeber. Sein verlängerter Arm kann<br />

nur sein die Person am Drum ...<br />

...-Set oder an den Pauken – ihm genau<br />

gegenüber, in Opposition.<br />

Time-out! – Wer von den absolut grossen<br />

Meistern hat für Ihr Register am Interessantesten<br />

geschrieben?<br />

Mozart, Beethoven, Brahms, Dvorak, Schumann,<br />

Tschaikowsky und Mahler für Pauken.<br />

Bartok, Orff, Rimski-Korsakow, Prokofjew,<br />

Strawinsky und Schostakowitsch für<br />

Schlagzeug.<br />

Ein grosser Unterschied zu den zeitgenössischen<br />

Komponisten sind die ungeraden<br />

Taktarten mit äusserst komplizierten, sich<br />

rasch folgenden Wechseln ...<br />

Ganz schön herausfordernd für Musiker und<br />

Zuhörer! Die komplexen Rhythmen und aus<br />

der Norm fallenden Takte trotzdem zu verbinden<br />

und mitzugehen, das macht im<br />

Ganzen dann Sinn und Spass ...<br />

Zum Üben genügen im trauten Heim den<br />

meisten Musikern vier Quadratmeter Wohnfläche.<br />

Wie steht es mit Ihrem Glockenspiel?<br />

Wo platzieren Sie die Timpani, Xylo-,<br />

Vibra-, Marimba- und weiteren -phone?<br />

Draussen auf einem grossen Feld – und<br />

dann wird «ge-(r)ackert»!<br />

Die meisten Bläser können relativ problemlos<br />

bei sich zu Hause eine Instrumentensammlung<br />

anlegen. Wie sieht das bei<br />

Ihnen – beispielsweise mit antiken grünen<br />

Trommeln – aus?<br />

Hab ich erst kürzlich ersteigert und bin selber<br />

gespannt, was daraus werden kann.<br />

Soll ich einen kleinen «Blumentopf» mit Basilikum<br />

machen oder lieber eine «antike»<br />

Rührtrommel fürs Sinfonieorchester?<br />

Vorschlag, Zuschlag, Nachschlag: Ihre<br />

(Ver-)Führung?<br />

Als Vor-Schlag einen würzigen Trommelwirbel.<br />

Zum Haupt-Schlag den Zuschlag aus<br />

der Sinfonie mit dem Paukenschlag von<br />

Haydn. Und als Nach-Schlag das Tüpfelchen<br />

auf dem i: Ein silbern und hochglänzender<br />

Triangel-Pling ...<br />

Pauker musizieren manchmal jenseits von<br />

Eden. Was machen Sie im nächsten Leben?<br />

Weiter...<br />

Aha, alles klar! – Nun, fertig mit dem formellen<br />

«Zeugs»: Ich muss dich endlich wieder<br />

duzen! Ganz herzlich danke ich dir, lieber<br />

Paul, meinem ehemals besten Perkussionisten,<br />

für dieses erfrischende Gespräch.<br />

Du bist derselbe Mensch, der schwierig<br />

ergründbare Philosoph geblieben. Als<br />

Musiker kannst du weiterhin auf philharmonischer<br />

Ebene professionell auf die Pauke<br />

hauen. Mach weiter so!<br />

René Messmer

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!