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Dr. Böhm & von Teubern GbR - Grenzen-los eV

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Martin BÄhm<br />

Erfolgsmessung mit dem IBRP<br />

Voraussetzungen, Realisierung, Erfahrungen<br />

am Beispiel <strong>von</strong> <strong>Grenzen</strong>-<strong>los</strong> e.V.


Inhaltsverzeichnis<br />

[ grenzen<strong>los</strong> ] -<br />

eingetragener Verein<br />

EinfÅhrung 4<br />

1.0 Çber <strong>Grenzen</strong>-<strong>los</strong> e.V. 6<br />

1.1 Konzeptionelle Grundlagen 6<br />

1.2 Angebote und Arbeitsansatz 11<br />

2.0 Die Einrichtung des Instrumentariums zur perso-<br />

nenzentrierten Hilfeplanung<br />

2.1 Zum Umgang mit dem Instrumentarium der personen-<br />

zentrierten Hilfeplanung<br />

2.1.1 Zur Anwendung des IBRP 15<br />

2.1.2 MaÅnahmeplÇne zur Differenzierung der personen-<br />

zentrierten Hilfeplanung<br />

2.1.3 Entwicklungsberichte zur Bilanzierung und Reflexion<br />

personenzentrierter UnterstÉtzungsleistungen<br />

2.1.4 Zur Dokumentation der UnterstÉtzungsleistungen 20<br />

2.2 Zur technischen Umsetzung 21<br />

2.3 Personenzentrierter und einrichtungsbezogener Er-<br />

kenntnisgewinn<br />

2.3.1 IBRP, MaÅnahmeplan und Entwicklungsbericht als<br />

Reflexions- und Aushandlungsanlass<br />

2.3.2 Transparenz, KonzeptionsprÉfung, ProfessionalitÇt 28<br />

2.4 Erfahrungen 30<br />

3.0 Vorarbeiten zur Erfolgsmessung 33<br />

3.1 EinfÉhrung 33<br />

3.2 FÇhigkeitsstÄrungen 34<br />

3.2.1 FÇhigkeitsstÄrungen und Diagnosen 34<br />

3.2.2 Zur Feststellung <strong>von</strong> FÇhigkeiten und FÇhigkeitsstÄ-<br />

rungen<br />

3.2.3 FÇhigkeitsstÄrungen und UnterstÉtzungsbedarf 38<br />

3.2.4 FÇhigkeitsstÄrungen und die Definition <strong>von</strong> Betreu-<br />

ungszielen<br />

3.3 Zur Untersuchung des Bereichs FÇhigkeiten/ FÇhig- 40<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 2 <strong>von</strong> 101<br />

15<br />

15<br />

17<br />

18<br />

25<br />

25<br />

35<br />

39


keitsstÄrungen<br />

[ grenzen<strong>los</strong> ] -<br />

eingetragener Verein<br />

3.3.1 Zum Zusammenhang zwischen FÇhigkeitsstÄrungen<br />

und UnterstÉtzungsleistungen<br />

3.3.2 Zum Zusammenhang zwischen FÇhigkeitsstÄrungen<br />

und Zielsetzungen bzw. BetreuungsintensitÇt<br />

3.4 Zusammenfassung 52<br />

3.5 Berechnung der Betreuungskonsistenz 53<br />

4.0 Erfolgsmessung mit dem IBRP 55<br />

4.1 GrundsÇtzliche Fragen der Erfolgsmessung mit dem<br />

IBRP<br />

4.1.1 Was macht den Erfolg sozialpsychiatrischer Arbeit<br />

aus?<br />

4.1.2 Zur Frage der Messbarkeit <strong>von</strong> Erfolg 72<br />

4.2 Verfahren zur erfolgsorientierten Hilfeplanung 79<br />

4.2.1 Grundlegende Parameter einer erfolgsorientierten Hil-<br />

feplanung<br />

4.2.2 Institutionelles Ablaufmuster einer erfolgsorientierten<br />

Hilfeplanung<br />

4.3 Zusammenfassung 92<br />

5.0 Literatur 94<br />

Zum Verfasser 94<br />

Kontakt 94<br />

Anhang 95<br />

A.1 IBRP-Vorgabe zur EinschÇtzung <strong>von</strong> FÇhigkeitsstÄrun-<br />

gen, nicht-psychiatrischem und psychiatrischem Hilfe-<br />

bedarf<br />

A.2 MaÅnahmeplan 96<br />

A.3 Entwicklungsbericht - Datenteil (Basisversion) 97<br />

A.3 Entwicklungsbericht - Datenteil (Basisversion) 98<br />

A.4 Entwicklungsbericht - Datenteil (Weiterentwicklung) 99<br />

A.6 Kontaktdokumentation 100<br />

A.7 Aufbau des Excel-basierten Dateisystems 101<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 3 <strong>von</strong> 101<br />

42<br />

47<br />

55<br />

55<br />

80<br />

82<br />

95


EinfÅhrung<br />

[ grenzen<strong>los</strong> ] -<br />

eingetragener Verein<br />

Die Frage der Erfolgsmessung in der Sozialpsychiatrie ist eine Thema-<br />

tik, die sowohl auf Seiten der LeistungstrÇger als auch auf Seiten der<br />

Leistungsanbieter BefÉrchtungen, Unsicherheit und ZurÉckhaltung aus-<br />

lÄst. In dieser Thematik treffen WÉnsche der LeistungstrÇger nach ei-<br />

nem transparenten Nachweis fÉr die Verwendung der Äffentlichen Gel-<br />

der auf Unsicherheiten der Leistungsanbieter, was den Erfolg sozial-<br />

psychiatrischer Arbeit ausmacht und wie er nachgewiesen werden<br />

kann.<br />

Dies war auch die Ausgangssituation, als wir im Mai 2005 mit unserem<br />

Verein <strong>Grenzen</strong>-<strong>los</strong> e.V. die Arbeit in drei Sozialtherapeutischen Wohn-<br />

gruppen und im Ambulant Betreuten Wohnen aufnahmen. FÉr unsere<br />

Angebote hatten wir eine Leistungs- und QualitÇtsvereinbarung mit den<br />

zustÇndigen LeistungstrÇgern (Ärtliche und ÉberÄrtlicher SozialhilfetrÇ-<br />

ger) abgesch<strong>los</strong>sen. Dadurch erhielt unsere Arbeit eine erste Rahmen-<br />

struktur, die durch den verpflichtenden Einsatz allgemeiner (Integrierter<br />

Behandlungs- und Rehabilitationsplan (IBRP)) und spezieller HilfeplÇne<br />

(MaÅnahmeplan) und einer aussagefÇhigen Dokumentation gekenn-<br />

zeichnet war.<br />

Unser eigenes Interesse war es, die durch die Anwendung der drei E-<br />

lemente IBRP, MaÅnahmeplan, Dokumentation anfallenden Daten sys-<br />

tematisch zu erfassen und so aufzubereiten, dass sie sowohl fÉr die<br />

Betreuung der einzelnen Nutzer/in unserer Angebote als auch fÉr die<br />

konzeptionelle und fachliche Ausgestaltung des Angebots insgesamt<br />

produktiv werden. Dieses Interesse resultierte daher, dass wir wissen<br />

wollten, ob sich der konzeptionelle Ansatz, den wir fÉr unsere Angebote<br />

entwickelt hatten und den wir im ersten Abschnitt darstellen werden, als<br />

tragfÇhig erwies oder ob wir ihn modifizieren mÉssten.<br />

Nach einigen VorÉberlegungen und Versuchen entwickelten wir dann<br />

ein relativ komplexes EDV-gestÉtztes System zur Erfassung und Aus-<br />

wertung der anfallenden Betreuungsdaten auf Excel-Basis, das wir im<br />

zweiten Abschnitt beschreiben.<br />

Das Dateisystem war zu diesem frÉhen Zeitpunkt aber noch in keiner<br />

Weise auf Erfolgsmessung ausgerichtet, sondern daran orientiert, ei-<br />

nen qualifizierten Nachweis im Hinblick auf die mit dem KostentrÇger<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 4 <strong>von</strong> 101


[ grenzen<strong>los</strong> ]<br />

vereinbarten Leistungen zu erbringen und gleichzeitig einen Ñberblick<br />

zu erhalten, welche Nutzer/innen unsere Angebote nutzen.<br />

Die EinfÉhrung des Excel-gestÉtzten Dateisystems hat einige Anforde-<br />

rungen an unsere Mitarbeiter/innen gestellt, da die systematische Da-<br />

tenerfassung eine deutliche VerÇnderung in den ArbeitsablÇufen nach<br />

sich zog. Deshalb haben wir einige interne Schulungen durchgefÉhrt,<br />

durch die die Mitarbeiter/innen mit der Anwendung des Excel-gestÉtzen<br />

Dateisystems vertraut wurden.<br />

Nachdem das System ein halbes Jahr in Anwendung war, haben wir<br />

eine erste Zwischenauswertung unter der Perspektive vorgenommen,<br />

welche Aussagen sich ganz allgemein anhand der erhobenen Daten<br />

treffen lassen, aber auch unter der Fragestellung, in welchem Zusam-<br />

menhang die einzelnen Parameter zu einander stehen. Die Vorge-<br />

hensweise und die Ergebnisse dieser Untersuchung stellen wir im drit-<br />

ten Abschnitt dar.<br />

Parallel zu unserer internen Entwicklung strukturierte der zustÇndige<br />

KostentrÇger mit Beteiligung der Leistungsanbieter das Hilfeplanverfah-<br />

ren in dem Sinne neu, dass die Aufgaben und Funktionen der beteilig-<br />

ten Akteure klar geregelt wurden. Als entscheidende Neuerung projek-<br />

tierte der KostentrÇger, die MaÅnahmebewilligung zukÉnftig an das<br />

Erreichen <strong>von</strong> Betreuungszielen zu knÉpfen. Damit war das Thema<br />

Erfolgsmessung auf der Tagesordnung. Insofern sind die Ñberlegun-<br />

gen zur Definition und Messung <strong>von</strong> Betreuungserfolgen, die wir im<br />

vierten Abschnitt ausfÉhren, auch ein aktueller Beitrag zu einem kon-<br />

kreten Diskurs, in dem wir uns derzeit mit dem zustÇndigen KostentrÇ-<br />

ger, dem Landkreis Parchim, befinden.<br />

In diesem Zusammenhang ist es uns wichtig, darauf hinzuweisen, dass<br />

dieser Diskurs <strong>von</strong> LeistungstrÇger und Leistungsanbietern ÇuÅerst<br />

partnerschaftlich verlÇuft und <strong>von</strong> der gemeinsamen Zielsetzung ge-<br />

prÇgt ist, die fÉr die Nutzer/innen am besten geeigneten MaÅnahmen<br />

bei gleichzeitig effektivem Mitteleinsatz bereit zu stellen.<br />

Mit den folgenden AusfÉhrungen zeichnen wir ganz bewusst die einzel-<br />

nen Entwicklungsschritte nach, die zu unserem Modell der Erfolgsmes-<br />

sung in der Sozialpsychiatrie gefÉhrt haben. Wir hoffen, dem Leser auf<br />

diese Weise unser Modell plausibel und nachvollziehbar machen zu<br />

kÄnnen.<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 5 <strong>von</strong> 101<br />

- eingetragener Verein


1.0 Çber <strong>Grenzen</strong>-<strong>los</strong> e.V.<br />

[ grenzen<strong>los</strong> ] -<br />

eingetragener Verein<br />

Der Verein <strong>Grenzen</strong>-<strong>los</strong> e.V. wurde im Jahr 2004 mit Sitz in Schwerin<br />

gegrÉndet und ist seit dem 01.05.2005 TrÇger <strong>von</strong> drei Sozialtherapeu-<br />

tischen Wohngruppen fÉr psychisch und/oder abhÇngigkeitskranke<br />

Menschen mit je acht PlÇtzen an den Standorten Hagenow (Landkreis<br />

Ludwigslust) und Sternberg (Landkreis Parchim). Das Leistungsspekt-<br />

rum <strong>von</strong> <strong>Grenzen</strong>-<strong>los</strong> e.V. haben wir durch das seit dem Herbst 2005<br />

bestehende Angebot Ambulant Betreuten Wohnens in den Landkreisen<br />

Ludwigslust und Parchim erweitert.<br />

Die Ausgestaltung unserer UnterstÉtzungsleistungen ist darauf abge-<br />

stellt, den Nutzer/innen unserer Angebote die Stabilisierung und Besse-<br />

rung ihres Gesundheitszustandes zu ermÄglichen. Deshalb fÄrdern wir<br />

die Ressourcen und das Selbsthilfepotenzial der Nutzer/innen unserer<br />

Angebote, um ihnen die (Wieder-) Erlangung eines HÄchstmaÅes an<br />

Autonomie zu ermÄglichen. Die hierfÉr notwendigen UnterstÉtzungsleis-<br />

tungen handeln wir gemeinsam mit den Nutzer/innen aus. Das heiÅt wir<br />

verfolgen einen personenzentrierten Ansatz, der die Nutzer/innen in<br />

ihrer biografischen GeschÄpftheit respektiert und sie dabei unterstÉtzt,<br />

ein mÄglichst hohes MaÅ an Biografiehoheit (wieder) zu erlangen.<br />

Das zu Grunde liegende Aushandlungsprinzip folgt dem selbst gestell-<br />

ten Anspruch, dass nicht nur die Nutzer/innen eine Anpassungsleistung<br />

an die Einrichtung, sondern auch die Einrichtung und ihre Mitarbei-<br />

ter/innen Anpassungsleistungen an die Nutzer/innen und ihre Bedarfe<br />

und BedÉrfnisse zu leisten haben.<br />

1.1 Konzeptionelle Grundlagen<br />

Menschenbild<br />

Den AktivitÇten <strong>von</strong> <strong>Grenzen</strong>-<strong>los</strong> e.V. liegt das humanistische Ver-<br />

stÇndnis zu Grunde, dass der Mensch eine Einheit <strong>von</strong> KÄrper, Seele<br />

und Geist im Sinne des biopsychosozialen Ansatzes (z.B. Feuerlein<br />

1984) ist. Nach diesem GrundverstÇndnis ist jeder Mensch ein Indivi-<br />

duum im Sinne eines unteilbaren, unverwechselbaren und einmaligen<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 6 <strong>von</strong> 101


[ grenzen<strong>los</strong> ]<br />

Wesens, das seine individuelle IdentitÇt (Goffman 1992) in der Interak-<br />

tion mit sich und seinem jeweils besonderen Umfeld entwickelt (Mead<br />

1990). Gleichzeitig ist er mit Fremddefinitionen konfrontiert, die seine<br />

soziale IdentitÇt (Goffman 1992) bestimmen. Das VerhÇltnis zwischen<br />

individueller und sozialer IdentitÇt zeichnet sich in diesem Zusammen-<br />

hang dadurch aus, dass beide IdentitÇten - auf den einzelnen Men-<br />

schen bezogen - in der Regel in einem gewissen SpannungsverhÇltnis<br />

zu einander stehen, da sie nicht zur GÇnze deckungsgleich sind. Die-<br />

ses SpannungsverhÇltnis ist in besonderer Weise bei Menschen aus-<br />

geprÇgt, die als psychisch krank und/oder behindert und/oder sucht-<br />

krank diagnostiziert sind.<br />

Der Mensch ist nach dieser Sichtweise in seiner biographischen und<br />

sozialen GeschÄpftheit stÇndigen An- und Herausforderungen ausge-<br />

setzt, die er mehr oder weniger erfolgreich mit den jeweils zur VerfÉ-<br />

gung stehenden, individuellen Ressourcen in dem ihm gesetzten Rah-<br />

men bewÇltigen kann.<br />

Diesem GrundverstÇndnis folgend, besteht die Zielsetzung <strong>von</strong> Gren-<br />

zen-<strong>los</strong> e.V. darin, das Individuum zu unterstÉtzen, die ihm zur VerfÉ-<br />

gung stehenden Ressourcen zu erweitern, damit der einzelne Mensch<br />

zu grÄÅeren Handlungs- und EntscheidungsspielrÇumen gelangen<br />

kann bzw. die Handlungs- und EntscheidungsspielrÇume, die ihm zur<br />

VerfÉgung stehen, erhalten kann. Das Ziel des Vereins besteht deshalb<br />

darin, Menschen mit psychischer Erkrankung und/oder Behinderung,<br />

Suchtkranken und Menschen mit altersbedingten Ausfallerscheinungen<br />

darin zu unterstÉtzen, ein grÄÅtmÄgliches MaÅ an Autonomie, also<br />

Selbstbestimmtheit und Selbstverantwortung fÉr ihren Biographiever-<br />

lauf, zu erhalten und/oder (wieder) zu erlangen.<br />

Krankheits- und PsychiatrieverstÉndnis<br />

a) Zum Krankheitsbegriff<br />

Die Weltgesundheitsorganisation(WHO) hat den Begriff „Gesundheit“<br />

definiert als einen „Zustand vÄlligen kÄrperlichen, geistigen und sozia-<br />

len Wohlbefindens und nicht nur des Freiseins <strong>von</strong> Krankheiten und<br />

Gebrechen“. Diese Definition bedeutet, dass nicht jede Abweichung<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 7 <strong>von</strong> 101<br />

- eingetragener Verein


[ grenzen<strong>los</strong> ]<br />

des kÄrperlichen und/ oder seelischen Gleichgewichts mit Krankheit<br />

gleichzusetzen ist.<br />

Wir betrachten „Krankheit“ als eine Form der Auseinandersetzung des<br />

Individuums mit sich und seiner Umwelt. Dabei spielen genetische Be-<br />

dingungen, persÄnliche Erfahrungen und gesellschaftlich vorgegebene<br />

Normen bei der IntensitÇt und AusprÇgung sowie den BewÇltigungs-<br />

strategien in der Umgehensweise mit den Symptomen der Krankheit<br />

eine entscheidende Rolle. Deshalb ist unserer Auffassung nach Krank-<br />

heit auch kein festgefÉgter Zustand, sondern ein Entwicklungsprozess,<br />

der dem aller Menschen vergleichbar ist, mit der EinschrÇnkung, dass<br />

dieser unter besonders ungÉnstigen Bedingungen stattfindet. Innere<br />

und ÇuÅere Faktoren, wie z.B. StÄrungen der Physiologie oder Proble-<br />

me mit der sozialen Umwelt, werden dabei gleichberechtigt in ihrer<br />

Wechselwirkung angesehen.<br />

Die Symptome einer Krankheit verstehen wir als den aktiven Versuch<br />

des Individuums, sein Gleichgewicht zu erhalten bzw. Disharmonie aus-<br />

haltbar zu machen. Eine seelische Erkrankung ist ein den Menschen in<br />

seiner Ganzheitlichkeit betreffender Prozess. Diese Sichtweise macht<br />

die <strong>Dr</strong>amatik seelischer StÄrungen deutlich, bietet andererseits die<br />

Chance, physiologische, psychologische und soziologische TriebkrÇfte<br />

in primÇre und sekundÇre Faktoren zu untergliedern und dementspre-<br />

chend Ressourcen transparent zu machen. Die aktuelle Symptomatik<br />

ist grundsÇtzlich als BewÇltigungsstrategie anzusehen, die es <strong>von</strong> au-<br />

Åen betrachtet manchmal an der Erkenntnis des Sinnhaften fehlen<br />

lÇsst, fÉr den Betreffenden aber ein gewisses MaÅ an Entlastung<br />

bringt. Unsere sozialpsychiatrischen UnterstÉtzungsleistungen orientie-<br />

ren sich deshalb nicht ausschlieÅlich am Symptom, sondern an der<br />

gesamten individuellen Entwicklung des Menschen.<br />

Die <strong>von</strong> der WHO vorgenommene Klassifizierung <strong>von</strong> Krankheiten im<br />

Rahmen der International Classification of Diseases in der aktuellen 10.<br />

Version (ICD 10) macht im diagnostischen und stationÇren Bereich<br />

Sinn. Sie birgt aber gleichzeitig eine latente Gefahr der Stigmatisierung<br />

psychisch Kranker. Die Klassifizierung einer psychiatrischen Krankheit<br />

besitzt fÉr uns orientierenden Charakter, sowohl im Hinblick auf die<br />

mÄgliche Ausgestaltung <strong>von</strong> UnterstÉtzungsleistungen als auch im Hin-<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 8 <strong>von</strong> 101<br />

- eingetragener Verein


[ grenzen<strong>los</strong> ]<br />

blick auf die sozialrechtliche Anspruchsberechtigung der Nutzer/innen<br />

unserer Angebote. DarÉber hinaus achten wir bei der Ausgestaltung<br />

unserer Angebote darauf, dass sie die Entwicklungsprozesse der Nut-<br />

zer/innen und ihre daraus resultierenden BedÉrfnisse, ein mÄglichst<br />

autonomes Leben zu fÉhren, unterstÉtzen. Wir betrachten die Nut-<br />

zer/innen zwischen den mÄglicherweise wiederkehrenden Krankheits-<br />

schÉben nicht als krank, sondern als Menschen, die in einem oder<br />

mehreren Bereichen UnterstÉtzung und Anregung benÄtigen. Wir un-<br />

terstÉtzen sie, ihre eigenen Ressourcen zur Stabilisierung ihres seeli-<br />

schen und kÄrperlichen Gleichgewichtes zu aktivieren.<br />

b) Zum PsychiatrieverstÇndnis<br />

Nach der oben genannten Definition der WHO ist Gesundheit „ein Zu-<br />

stand vÄlligen kÄrperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und<br />

nicht nur des Freiseins <strong>von</strong> Krankheiten und Gebrechen.“ In dieser De-<br />

finition ist der subjektive Faktor des Erlebens der persÄnlichen Situation<br />

enthalten (Wohlbefinden), der sich im Grundsatz einer allgemeinen<br />

Kategorisierung verschlieÅt. Trotzdem wird auch seitens der WHO die<br />

Politik betrieben, Krankheiten zu klassifizieren und damit zu normieren.<br />

Diese Politik findet ihren materiellen Niederschlag innerhalb des ICD<br />

10. Der ICD 10 hebt dabei auf das <strong>von</strong> auÅen beobachtbare Verhalten<br />

oder den <strong>von</strong> auÅen feststellbaren KÄrperzustand ab. Mag diese Vor-<br />

gehensweise im Bereich der somatischen Erkrankungen eine gewisse<br />

Berechtigung haben, so ist doch fÉr den Bereich der seelischen Seins-<br />

zustÇnde mit dieser Vorgehensweise ein Konflikt zwischen beobachtba-<br />

rem Verhalten und dem subjektiven Erleben vorprogrammiert. Die<br />

(scheinbar) eindeutige psychiatrische Diagnose erleichtert zweifel<strong>los</strong><br />

die Einordnung des einzelnen Menschen, die diesem (scheinbar) da-<br />

durch zum Vorteil gereichen kann, dass sie AnsprÉche auf medizini-<br />

sche oder soziale Versorgung begrÉndet. Dieser Vorteil wird aber<br />

gleichzeitig relativiert, da der diagnostizierte Mensch durch die Diagno-<br />

se seine Biographiehoheit mindestens zu einem erheblichen Anteil,<br />

wenn nicht sogar in EinzelfÇllen umfassend verliert. Der diagnostizierte<br />

Mensch gerÇt durch die Anspruch begrÉndende Klassifikation in die<br />

strukturell paradoxe Situation zwischen Beurteilung seines Verhaltens<br />

<strong>von</strong> auÅen und dem subjektiven Erleben seines inneren Seinszustands.<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 9 <strong>von</strong> 101<br />

- eingetragener Verein


[ grenzen<strong>los</strong> ] -<br />

eingetragener Verein<br />

Innerhalb <strong>von</strong> <strong>Grenzen</strong>-<strong>los</strong> e.V. sind wir uns bewusst, dass wir mit und<br />

durch unsere Angebote - wie alle anderen Anbieter innerhalb der (So-<br />

zial-) Psychiatrie auch - ein Bestandteil dieser strukturellen Paradoxie<br />

sind, die wir unsererseits nicht Éberwinden kÄnnen und wollen. Wir er-<br />

leben aber seit einiger Zeit einen Paradigmenwechsel in der gesell-<br />

schaftlichen Funktion der Psychiatrie, weg <strong>von</strong> der Psychiatrie mit<br />

Ausgrenzungs- und Absonderungscharakter und hin zu einer Psychiat-<br />

rie mit Integrationseffekt, den wir mit unserem Ansatz unterstÉtzen.<br />

Hierzu gehÄrt zweifel<strong>los</strong> die Abkehr <strong>von</strong> stationÇren Hilfeformen und die<br />

Hinwendung zu bzw. der Ausbau <strong>von</strong> ambulanten und teilstationÇren<br />

UnterstÉtzungsformen. Diese schlieÅen nach unserem VerstÇndnis<br />

aber auch die MÄglichkeit ein, mindestens optional zu Arbeitsgelegen-<br />

heiten zu kommen, die mittel- und langfristig zu einer eigenstÇndigen<br />

Sicherung des Lebensunterhaltes beitragen. <strong>Grenzen</strong>-<strong>los</strong> e.V. begreift<br />

sich in diesem Zusammenhang als Bestandteil regionaler oder kommu-<br />

naler gemeindepsychiatrischer VerbÉnde, als Teil eines vernetzten<br />

Angebots fÉr psychisch kranke und/oder behinderte Menschen, inner-<br />

halb dessen <strong>Grenzen</strong>-<strong>los</strong> e.V. den Anspruch hat, durch qualitativ hoch-<br />

wertige UnterstÉtzungsleistungen dem Wohl seiner Nutzer/innen zu<br />

dienen.<br />

Die Hinwendung zu ambulanten Angeboten stellt aber per se noch kei-<br />

ne Garantie fÉr angemessene UnterstÉtzungsleistungen dar. Bisher ist<br />

in der Fachdiskussion die Gefahr eher weniger im Blick, dass auch am-<br />

bulante Betreuungsformen tendenziell hospitalisierenden Charakter<br />

bekommen kÄnnen oder zur Bildung sogenannter „ambulanter Ghettos“<br />

fÉhren. Dieses PhÇnomen resultiert vornehmlich aus der rÇumlichen<br />

Ballung <strong>von</strong> Nutzer/innen ambulanter Angebote, oftmals in Kleinkom-<br />

munen oder in Wohnvierteln mit eher problembehafteter BevÄlkerung<br />

und zeigt sich daran, dass die Nutzer/innen des ambulanten Angebots<br />

<strong>von</strong> der BevÄlkerung ihres Wohnumfeldes sehr schnell als bestenfalls<br />

„anders“ identifiziert, aber auch stigmatisiert werden. Deshalb achten<br />

wir bei der Ausgestaltung unserer ambulanten Angebote darauf, dass<br />

wir die Ziele der Integration und der Autonomie schon bei der Auswahl<br />

<strong>von</strong> WohnmÄglichkeiten berÉcksichtigen.<br />

Insgesamt sind wir uns bewusst, dass es keinen „KÄnigsweg“ zur adÇ-<br />

quaten UnterstÉtzung der Nutzer/innen unserer Angebote gibt. Sozial-<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 10 <strong>von</strong> 101


[ grenzen<strong>los</strong> ]<br />

psychiatrie und damit auch <strong>Grenzen</strong>-<strong>los</strong> e.V. haben hier die Aufgabe,<br />

das Erreichte immer wieder neu zu ÉberprÉfen und neue Wege und<br />

MÄglichkeiten der UnterstÉtzung psychisch kranker und/ oder behinder-<br />

ter Menschen zu wagen.<br />

1.2 Angebote und Arbeitsansatz<br />

Die Angebote <strong>von</strong> <strong>Grenzen</strong>-<strong>los</strong> e.V. richten sich an Menschen mit psy-<br />

chischer und/oder AbhÇngigkeitserkrankung oder -behinderung. Sie<br />

werden in diesem Rahmen nur im Ñberblick dargestellt. Die konkrete<br />

Ausgestaltung der einzelnen Angebote ist in den jeweiligen Konzeptio-<br />

nen niedergelegt.<br />

Im Einzelnen halten wir folgende Angebote vor bzw. sind im Aufbau<br />

derselben:<br />

a) Ambulant Betreutes Wohnen<br />

Das Ambulant Betreute Wohnen ist das Kernangebot <strong>von</strong> <strong>Grenzen</strong>-<strong>los</strong><br />

e.V. Es richtet sich vorrangig an psychisch kranke und/oder behinderte<br />

Menschen jeglichen Alters und an Menschen mit Suchterkrankungen.<br />

Das Ziel des Ambulant Betreuten Wohnens besteht im Erhalt des ge-<br />

wohnten Wohnumfeldes bzw. fÉr Menschen, die sich in (lÇngerer) stati-<br />

onÇrer Betreuung befanden, in der Wiedergewinnung <strong>von</strong> Ressourcen,<br />

die eine (mÄglichst weitgehende) selbstÇndige LebensfÉhrung ermÄgli-<br />

chen.<br />

Die Angebote des Ambulant Betreuten Wohnens kÄnnen bei Bedarf mit<br />

teilstationÇren Angeboten (z.B. TagesstÇtte) kombiniert werden.<br />

b) Sozialtherapeutische Wohngruppen<br />

Dieses Angebot verstehen wir als Ñbergangsangebot fÉr Menschen,<br />

die lÇngere Zeit in einer stationÇren Einrichtung (Wohn- oder Pflege-<br />

heim) verbracht haben und tendenziell den Wunsch haben, selbstÇndig<br />

zu leben. Die Sozialtherapeutische Wohngruppe besitzt fÉr diese Ziel-<br />

setzung Trainingscharakter, da hier eine im Vergleich zur ambulanten<br />

Betreuung deutlich hÄhere UnterstÉtzungsintensitÇt mÄglich ist. Dabei<br />

konzedieren wir, dass es im Grundsatz auch einen Personenkreis gibt,<br />

der mindestens lÇngere Zeit, wenn nicht sogar dauerhaft dieses Ange-<br />

bot nutzen will oder fÉr den dieses Angebot eine UnterstÉtzung vor ei-<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 11 <strong>von</strong> 101<br />

- eingetragener Verein


[ grenzen<strong>los</strong> ]<br />

ner dauerhaften Unterbringung in einem Wohn- oder Pflegeheim dar-<br />

stellt. Im Grundsatz steht das Wohnangebot allen Mitgliedern der oben<br />

genannten Zielgruppe offen.<br />

c) Arbeitsangebote<br />

Unsere Arbeitsangebote sind primÇr als flankierende MaÅnahmen fÉr<br />

die Nutzer/innen der ambulanten und teilstationÇren Angebote konzi-<br />

piert. Sie dienen zur Arbeitserprobung, aber auch im gesetzlich be-<br />

grenzten Umfang zur Verbesserung der finanziellen Situation der Nut-<br />

zer/innen. Nicht zu unterschÇtzen ist bei den Arbeitsangeboten der se-<br />

kundÇre therapeutische Effekt. Das Erlebnis des direkten Zusammen-<br />

hangs <strong>von</strong> geleisteter Arbeit zu Entlohnung stellt ganz allgemein fÉr<br />

viele Nutzer/innen <strong>von</strong> Arbeitsangeboten einen erheblichen „Schub“ zur<br />

Weiterentwicklung der eigenen IdentitÇt und des eigenen Selbstbe-<br />

wusstseins dar. Dieser Schub besitzt dann seinerseits positive RÉck-<br />

wirkungen auf die FÇhigkeit und das Zutrauen in die eigenen Kompe-<br />

tenzen zur Alltagsgestaltung, so dass im besten Falle hier eine nach<br />

oben gehende, positiv besetzte Entwicklungsspirale entsteht.<br />

d) Beratungsangebot<br />

Neben den konkreten, vornehmlich nutzerorientierten Angeboten halten<br />

wir ein Beratungsangebot vor, dass sich auch an die oben genannte<br />

Zielgruppe richtet, darÉber hinaus aber auch zur PrÇvention und Infor-<br />

mation Éber psychische und Suchterkrankungen dient. Ein Schwer-<br />

punkt dieses Angebots ist die UnterstÉtzung <strong>von</strong> AngehÄrigen psy-<br />

chisch kranker oder suchtkranker Menschen. Ihnen soll im Rahmen der<br />

Beratung Orientierung Éber geeignete UnterstÉtzungsmÄglichkeiten<br />

gegeben werden, ohne die persÄnliche UnterstÉtzung auszuschlieÅen.<br />

Fachlicher Ansatz <strong>von</strong> <strong>Grenzen</strong>-<strong>los</strong> e.V.<br />

Das AutonomieverstÇndnis <strong>von</strong> <strong>Grenzen</strong>-<strong>los</strong> e.V. korrespondiert mit<br />

einem KundenverstÇndnis, in dessen Zentrum nicht die bedingungs<strong>los</strong>e<br />

ErfÉllung <strong>von</strong> KundenwÉnschen steht. Unser VerstÇndnis zielt vielmehr<br />

darauf ab, Aushandlungsprozesse zwischen den Nutzern unserer An-<br />

gebote und den sie anbietenden Mitarbeiter/innen zur FÄrderung der<br />

individuellen VerantwortungsÉbernahme in Gang zu setzen. Im Rah-<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 12 <strong>von</strong> 101<br />

- eingetragener Verein


[ grenzen<strong>los</strong> ]<br />

men der Aushandlungsprozesse wird der Umgang mit <strong>Grenzen</strong> des<br />

Machbaren und WÉnschbaren erprobt. Dabei geht es primÇr um die<br />

Ñberwindung selbst gezogener oder erlernter <strong>Grenzen</strong> zu Gunsten er-<br />

probter HandlungsspielrÇume mit der Zielsetzung die individuellen<br />

Handlungsinventare der Nutzer zu erweitern bzw. zu konsolidieren.<br />

Deshalb befÉrworten wir, dass Begleitung, Rehabilitation und (Wieder-)<br />

Eingliederung dort stattfinden, wo ihre Ergebnisse langfristig einen Nut-<br />

zen fÉr den Menschen bringen, also in seinem sozialen Kontext. Die<br />

strukturelle Voraussetzung dafÉr besteht in der Trennung der RÇume<br />

zum Leben <strong>von</strong> den RÇumen fÉr professionelle Hilfen. Darunter verste-<br />

hen wir, Hilfen nicht um jeden Preis in einer nach diagnostischen Ge-<br />

sichtspunkten ausgerichteten Institution anzubieten. Unser Ziel ist es,<br />

das eigene Lebensumfeld der Nutzer/innen zum Bezugspunkt fÉr indi-<br />

viduell abgestimmte UnterstÉtzungsleistungen zu machen. Durch eine<br />

stabilisierende Integration ins Lebens(um)feld wollen wir mit dazu bei-<br />

tragen, dass Institutionalisierungen und die hÇufig mit ihnen einherge-<br />

henden Hospitalisierungserscheinungen vermieden werden kÄnnen.<br />

Unsere UnterstÉtzungsleistungen werden so flexibel organisiert, dass<br />

eine kontinuierliche Begleitung sichergestellt wird. So kÄnnen wir - un-<br />

ter Aufrechterhaltung gewachsener sozialer Beziehungen - angemes-<br />

sen auf VerÇnderungen in der Lebenssituation der Nutzer/innen einge-<br />

hen.<br />

Die Grundlage unserer UnterstÉtzungsleistungen besteht in der Be-<br />

dÉrfnislage der Nutzer/innen unserer Angebote. Dabei geht es nicht<br />

darum, bedingungs<strong>los</strong> WÉnsche zu erfÉllen, sondern gemeinsam aus-<br />

zuhandeln, welche psychiatrischen und nichtpsychiatrischen Hilfen er-<br />

forderlich sind, um vorhandene Ressourcen zu aktivieren und persÄnli-<br />

che Ziele zu erreichen. Mit Hilfe des IBRP (Integrierter Behandlungs-<br />

und Rehabilitationsplan) ermitteln wir gemeinsam mit den Nutzer/innen<br />

ihren konkreten Hilfe- und UnterstÉtzungsbedarf. Die Aushandlung der<br />

Ziele und die Vorgehensweise der Umsetzung werden in Hilfeplange-<br />

sprÇchen oder Hilfeplankonferenzen gemeinsam mit den Nutzer/innen<br />

und dem zustÇndigen KostentrÇger verbindlich vereinbart. Dem Pro-<br />

zesscharakter der UnterstÉtzungsleistung entsprechend sind die Ziele<br />

in der Regel fÉr den Zeitraum eines halben Jahres im IBRP fixiert. Dies<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 13 <strong>von</strong> 101<br />

- eingetragener Verein


[ grenzen<strong>los</strong> ]<br />

schlieÅt jedoch nicht aus, dass aktuelle Entwicklungen in die Zielset-<br />

zung mit aufgenommen werden kÄnnen.<br />

Ganz allgemein ist die Ausgestaltung der UnterstÉtzungsleistungen<br />

darauf abgestellt, den Nutzer/innen unserer Angebote die Stabilisierung<br />

ihres Gesundheitszustandes zu ermÄglichen und - so weit mÄglich -<br />

stationÇre Krankenhausaufenthalte zu vermeiden. Deshalb fÄrdern wir<br />

die Ressourcen und das Selbsthilfepotential der Nutzer/innen unserer<br />

Angebote, um ihnen die (Wieder-) Erlangung eines HÄchstmaÅes an<br />

Autonomie zu ermÄglichen. In der konkreten Ausgestaltung unserer<br />

Angebote findet diese Zielsetzung ihren Niederschlag in der UnterstÉt-<br />

zung der Nutzer/innen in ihren alltÇglichen, lebenspraktischen VollzÉ-<br />

gen. Die UnterstÉtzung erfolgt begleitend, anleitend oder in der Form<br />

der modellhaften HandlungsÉbernahme, verbunden mit kontinuierlicher<br />

Reflexion auftretender EinschrÇnkungen oder <strong>Grenzen</strong> vor dem Hinter-<br />

grund der individuellen Biographie der Nutzer/innen. Diese „personen-<br />

zentrierte Biografiearbeit“ ist unser methodischer Ansatz zur vertieften<br />

Krankheitseinsicht und -bewÇltigung, mit dem wir einerseits ganz all-<br />

gemein die Compliance der Nutzer/innen unserer Angebote fÄrdern und<br />

andererseits den oben genannten Zielen, unserem Menschenbild, un-<br />

serem KrankheitsverstÇndnis und unserem PsychiatrieverstÇndnis<br />

Rechnung tragen.<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 14 <strong>von</strong> 101<br />

- eingetragener Verein


[ grenzen<strong>los</strong> ]<br />

2.0 Die Einrichtung des Instrumentariums zur personenzentrierten<br />

Hilfeplanung<br />

Die folgende Darstellung zur Anwendung <strong>von</strong> IBRP, MaÅnahmeplÇnen,<br />

Entwicklungsberichten und Dokumentation beruht auf den Erfahrungen,<br />

die wir mit dem Einsatz dieser Instrumente bei <strong>Grenzen</strong>-<strong>los</strong> e.V. seit<br />

September 2005 gesammelt haben.<br />

Im Folgenden beschreiben wir den Einsatz, die Funktion und die mÄgli-<br />

chen Erkenntnisgewinne aus der Anwendung <strong>von</strong> IBRP, MaÅnahme-<br />

plÇnen, Entwicklungsberichten und Dokumentation.<br />

2.1 Zum Umgang mit dem Instrumentarium der personenzentrierten<br />

Hilfeplanung<br />

2.1.1 Zur Anwendung des IBRP<br />

Der Ausgangspunkt unserer Ñberlegungen war, die Chance unseres<br />

Neubeginns dahingehend zu nutzen, dass wir <strong>von</strong> Anfang an anhand<br />

einer eindeutigen und transparenten Struktur arbeiten. Zu diesem<br />

Zweck haben wir ein QualitÇtsmanagementsystem (QM) eingerichtet,<br />

dass sich in seinen Kernprozessen an den Leistungsmerkmalen orien-<br />

tiert, die wir im Rahmen der Leistungs- und QualitÇtsvereinbarung<br />

(LQV) mit dem Kommunalen Sozialverband Mecklenburg-Vorpommern<br />

vereinbart haben.<br />

Den vereinbarten Leistungskatalog haben wir intern dergestalt ausdiffe-<br />

renziert, dass wir eine eindeutige Zuordnung der vereinbarten Leistun-<br />

gen mit den einzelnen Punkten des IBRP hergestellt haben. Auf diese<br />

Weise war es uns mÄglich, drei unterschiedliche Systeme (QM, LQV,<br />

IBRP) zur Klassifizierung <strong>von</strong> Leistungen mit je eigener RationalitÇt so<br />

zu harmonisieren, dass sie systemÉbergreifend kompatibel und damit<br />

fÉr die tÇgliche Betreuungspraxis operationalisierbar wurden. Dies<br />

schlieÅt die Aushandlung und Erfassung sowohl <strong>von</strong> individuellen FÇ-<br />

higkeiten und FÇhigkeitsstÄrungen als auch den entsprechenden Un-<br />

terstÉtzungsbedarfen und -bedÉrfnissen ein.<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 15 <strong>von</strong> 101<br />

- eingetragener Verein


[ grenzen<strong>los</strong> ]<br />

Der Ausgangspunkt der individuellen Hilfeplanung ist die Erarbeitung<br />

der IBRP-BÄgen A1 und D1. Die Erarbeitung der BÄgen erfolgt vorran-<br />

gig zwischen der/m vorlÇufigen Bezugsbetreuer/in und der/m neu auf-<br />

genommenen Nutzer/in. In den Prozess der IBRP-Erarbeitung werden<br />

gesetzliche/r Betreuer/in und AngehÄrige der/s Nutzer/in so weit wie<br />

mÄglich einbezogen. Das Kernelement in der IBRP-Erarbeitung ist die<br />

gemeinsame EinschÇtzung <strong>von</strong> FÇhigkeiten und FÇhigkeitsstÄrungen<br />

der/s Nutzer/in und des entsprechenden nicht-psychiatrischen und psy-<br />

chiatrischen Hilfebedarfs. Auf dieser Basis werden Zielsetzungen der<br />

Betreuung ausgehandelt, es wird die Frage geklÇrt, was will die/der<br />

Nutzer/in im Rahmen der ambulanten Betreuung bzw. im Rahmen des<br />

Aufenthalts in der Sozialtherapeutischen Wohngruppe erreichen. In<br />

diesen Aushandlungsprozess flieÅen als externe Orientierung auch<br />

Zielfestlegungen durch zustÇndige Hilfeplankonferenzen ein. Die aus-<br />

gehandelten und festgelegten Ziele sind vom Charakter her in der Re-<br />

gel mittel- und/oder langfristig angelegt. Im Rahmen der gemeinsamen<br />

Zielaushandlung <strong>von</strong> Nutzer/in und vorlÇufiger/m Bezugsbetreuer/in<br />

werden auch die Vorgehensweisen vereinbart, die die/den Nutzer/in<br />

unterstÉtzen sollen, die ausgehandelten Ziele zu erreichen.<br />

Durch die Aushandlung des IBRP entsteht ein Rahmenplan, der Orien-<br />

tierungsfunktion sowohl fÉr die Nutzer/innen als auch die Mitarbei-<br />

ter/innen besitzt. Gleichzeitig ermÄglicht die Erarbeitung des IBRP auch<br />

einen ersten Einstieg in die therapeutische Arbeit mit der/m Nutzer/in,<br />

da anhand der beiden ErhebungsbÄgen eine Vielzahl <strong>von</strong> biografischen<br />

Daten abgefragt wird. Wir betrachten diese Phase als eine Vorstufe zur<br />

systematischen Biografiearbeit; Vorstufe deshalb, da vorrangig das<br />

erhoben wird, was bisher geschehen ist, aber weniger Schwergewicht<br />

darauf gelegt werden kann, wie die/der Nutzer/in die einzelnen Ereig-<br />

nisse und Phasen ihrer Biografie erlebt und erlitten hat und wie sie/er<br />

sie bewertet.<br />

FÉr die Erarbeitung des IBRP setzen wir intern einen Zeitraum <strong>von</strong> drei<br />

Wochen nach Aufnahme in die Sozialtherapeutische Wohngruppe bzw.<br />

nach Beginn der ambulanten Betreuung an.<br />

Flankiert wird diese Phase durch einen vorlÇufigen MaÅnahmeplan, in<br />

dem mit der/dem neuen Nutzer/in konkrete AktivitÇten, wie z.B. die Teil-<br />

nahme an den unterschiedlichen Angeboten innerhalb der Wohngrup-<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 16 <strong>von</strong> 101<br />

- eingetragener Verein


[ grenzen<strong>los</strong> ]<br />

pe, die amtliche Anmeldung oder die Vorstellung bei einem Facharzt<br />

vor Ort vereinbart werden.<br />

Nach Ablauf der drei Wochen erfolgt die endgÉltige Zuordnung einer/s<br />

Mitarbeiter/in als Bezugsbetreuer/in fÉr die/den neuen Nutzer/in.<br />

Die/der Nutzer/in hat die MÄglichkeit, eigene VorschlÇge zu unterbrei-<br />

ten. So weit die PersonalkapazitÇt es zulÇsst und auch die/der Mitarbei-<br />

ter/in sich auf die Zusammenarbeit einlassen kann, folgen wir diesem<br />

Vorschlag. Ansonsten wird dieser Aushandlungsprozess bis zu einer<br />

mÄglichst einvernehmlichen Regelung fortgesetzt.<br />

Jeder IBRP wird fÉr sechs Monate vereinbart, es sei denn, dass der<br />

zustÇndige KostentrÇger eine kÉrzere Frist gesetzt hat. <strong>Dr</strong>ei Wochen<br />

vor Ablauf der Geltungsdauer wird der IBRP <strong>von</strong> Nutzer/in und Bezugs-<br />

betreuer/in gemeinsam ausgewertet. Die Auswertung bezieht sich<br />

schwerpunktmÇÅig auf die gemeinsame EinschÇtzung, ob die benann-<br />

ten Ziele erreicht worden sind. An die Auswertung schlieÅt sich die<br />

Vereinbarung des nÇchsten IBRP mit den Schwerpunkten „neue Ziele“,<br />

„EinschÇtzung der aktuellen FÇhigkeitsstÄrungen“ und „EinschÇtzung<br />

des aktuellen bzw. zukÉnftigen UnterstÉtzungsbedarfs“ sowie einer<br />

Aktualisierung der soziodemographischen Daten an.<br />

2.1.2 MaÑnahmeplÉne zur Differenzierung der personenzentrierten<br />

Hilfeplanung<br />

Wenn der IBRP erarbeitet ist, dient er als Grundlage fÉr die folgende<br />

Betreuung. Auf der Basis der vereinbarten Zielsetzungen und Vorge-<br />

hensweisen wird nun der MaÅnahmeplan (vgl. Anhang A2.) zwischen<br />

Nutzer/in und Bezugsbetreuer/in ausgehandelt. Die im IBRP ausge-<br />

handelten Ziele werden <strong>von</strong> Nutzer/in und Bezugsbetreuer/in dahinge-<br />

hend differenziert, dass konkret ausfÉhrbare AktivitÇten vereinbart wer-<br />

den, die die/den Nutzer/in auf ihrem/seinen Weg zur Zielerreichung<br />

unterstÉtzen sollen. Im Rahmen der MaÅnahmeplanung wird deshalb<br />

auch immer der professionelle UnterstÉtzungsanteil fÉr die konkrete<br />

AktivitÇt mit vereinbart. Die kategoriale Bestimmung des UnterstÉt-<br />

zungsanteils selbst orientiert sich an IBRP und LQV. Deshalb reicht die<br />

Spannweite der UnterstÉtzungsmÄglichkeiten <strong>von</strong> Beratung und Infor-<br />

mation Éber Anleitung und (teilweise) Ñbernahme bis hin zur Pflege.<br />

Die UnterstÉtzungsintensitÇt wird in der Regel auf einem Niveau veran-<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 17 <strong>von</strong> 101<br />

- eingetragener Verein


[ grenzen<strong>los</strong> ]<br />

kert, dass die Umsetzung der vereinbarten konkreten AktivitÇt einen<br />

erkennbaren Anforderungscharakter fÉr die/den Nutzer/in beinhaltet.<br />

Die einzelnen AktivitÇten beziehen sich auf die Angebote innerhalb der<br />

Sozialtherapeutischen Wohngruppen, wie z.B. kognitives Training, kre-<br />

atives Gestalten, BeschÇftigung, Entspannung, Sport, Arbeitserpro-<br />

bung, sie beinhalten aber auch therapeutische Arbeit, die vorwiegend<br />

im Einzel- und GruppengesprÇch durchgefÉhrt wird. Zu den AktivitÇten<br />

gehÄren auÅerdem die (mÄglichst) selbstÇndige Versorgung mit Nah-<br />

rungsmitteln, die Wahrnehmung <strong>von</strong> Arztterminen, sowie individuell<br />

abgestimmte AuÅenkontakte oder AuÅenaktivitÇten.<br />

Jeder ausgehandelte MaÅnahmeplan hat eine regulÇre Geltungsdauer<br />

<strong>von</strong> vier Wochen. Kurz vor Ablauf der Geltungsdauer setzen sich Nut-<br />

zer/in und Bezugsbetreuer/in zusammen, um den MaÅnahmeplan aus-<br />

zuwerten. Beide Seiten schÇtzen ein, ob und wenn ja, in welcher Weise<br />

die vereinbarten MaÅnahmen regelmÇÅig durchgefÉhrt werden konn-<br />

ten, ob sie fÉr die/den Nutzer/in eine Unter- oder Ñberforderung dar-<br />

stellten, ob die vereinbarten MaÅnahmen wiederholt werden sollen oder<br />

ob andere MaÅnahmen notwendig sind. Die gemeinsame Auswertung<br />

des MaÅnahmeplans mÉndet in die Vereinbarung des nÇchsten MaÅ-<br />

nahmeplans.<br />

2.1.3 Entwicklungsberichte zur Bilanzierung und Reflexion perso-<br />

nenzentrierter UnterstÅtzungsleistungen<br />

Mit dem Ablauf der Geltungsdauer eines IBRP wird <strong>von</strong> der/dem Be-<br />

zugsbetreuer/in ein Entwicklungsbericht erstellt, in dem das zurÉcklie-<br />

gende Halbjahr bilanziert wird. Der Entwicklungsbericht wird auch dann<br />

in dem genannten Turnus erstellt, wenn keine Berichtsanforderung ei-<br />

nes KostentrÇgers vorliegt. Diese Regelung haben wir getroffen, um<br />

der/dem Bezugsbetreuer/in zwei weitere hervorgehobene Fixpunkte zur<br />

Reflexion der nutzer/innenbezogenen Entwicklung und der einrich-<br />

tungsseitigen Betreuungsleistung neben der monatlichen Auswertung<br />

der MaÅnahmeplÇne zu bieten.<br />

Als Orientierungsrahmen zur Einordnung des bisherigen Betreuungs-<br />

verlaufs dienen die im letzten IBRP vereinbarten Ziele, die durchschnitt-<br />

lichen FÇhigkeiten und FÇhigkeitsstÄrungen, die prognostizierte durch-<br />

schnittliche UnterstÉtzungsintensitÇt und die Anzahl der erreichten Zie-<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 18 <strong>von</strong> 101<br />

- eingetragener Verein


[ grenzen<strong>los</strong> ]<br />

le. Der Orientierungsrahmen wird durch Angaben Éber die Anzahl und<br />

Dauer der erbrachten AktivitÇten vervollstÇndigt. Alle diese Angaben<br />

werden automatisiert im Datenteil des Entwicklungsberichts (vgl. An-<br />

hang A3.) zusammengefasst.<br />

Im Textteil (vgl. Anhang A5.) schildert die/der Bezugsbetreuer/in in ei-<br />

nem ersten Arbeitsschritt den bisherigen Betreuungsverlauf. der vor-<br />

hergehende Datenteil wird um eine inhaltliche Darstellung erweitert.<br />

Im Anschluss an Datenteil und Darstellung nimmt die/der Bezugsbe-<br />

treuer/in in einem zweiten Arbeitsschritt eine Bewertung der bisherigen<br />

Betreuung vor.<br />

Mit dieser Form des Entwicklungsberichts wollen wir sicherstellen, dass<br />

die Reflexion und Bewertung des Betreuungsverlaufs faktengestÉtzt<br />

und damit auf sachlicher Grundlage vorgenommen wird. AuÅerdem<br />

erhÇlt der Leser des Entwicklungsberichts damit die MÄglichkeit, den<br />

Betreuungsverlauf und seine Rahmenbedingungen nachzuvollziehen<br />

und sich ein eigenes Bild der Betreuung zu machen.<br />

Gleichzeitig verhindern wir mit dieser Form des Entwicklungsberichts<br />

eine intuitive Darstellung in der darstellende und bewertende Elemente<br />

mit einander verknÉpft werden. die/der Bezugsbetreuer/in steht vor der<br />

Notwendigkeit, in seinen Reflexionsprozess die Zahlen, Daten und Fak-<br />

ten der Betreuung einzubeziehen. Damit besteht nach unserer Ein-<br />

schÇtzung eine grÄÅere Wahrscheinlichkeit, dass der Reflexionspro-<br />

zess und die Bewertung der Betreuung fachorientiert durchgefÉhrt wer-<br />

den.<br />

Der Textteil des Entwicklungsberichts wird ergÇnzt durch eine eigen-<br />

stÇndige Stellungnahme der/des Nutzer/in zum bisherigen Betreuungs-<br />

verlauf.<br />

Auf diese Weise kommen wir im Entwicklungsbericht zu einer Triangu-<br />

lation <strong>von</strong> Datenlage, Sichtweise der/des Bezugsbetreuer/in und Sicht-<br />

weise der/des Nutzer/in. Mit unserer Vorgehensweise erreichen wir<br />

mehrere Aspekte, die unseres Erachtens bei der ernsthaften Anwen-<br />

dung des personenzentrierten Ansatzes unverzichtbar sind:<br />

Die sprachliche Darstellung des Entwicklungsberichts ist so gehal-<br />

ten, dass sie die/der Nutzer/in verstehen und nachvollziehen kann.<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 19 <strong>von</strong> 101<br />

- eingetragener Verein


[ grenzen<strong>los</strong> ]<br />

Der Formulierungszwang der schriftlichen Darstellung fÄrdert die<br />

fachliche Weiterentwicklung der Mitarbeiter/innen durch die imma-<br />

nente Notwendigkeit zur PerspektivenÉbernahme.<br />

Wir nehmen den Mitarbeiter/innen die VerfÉhrung, im Entwicklungs-<br />

bericht eine „Generalabrechnung“ mit der/dem Nutzer/in hinter de-<br />

ren RÉcken vorzunehmen.<br />

Die/der Nutzer/in erhÇlt klare Kenntnis da<strong>von</strong>, wie die/der Bezugs-<br />

betreuer/in ihre/seine Entwicklung einschÇtzt.<br />

Die GegenÉberstellung <strong>von</strong> Daten zu FÇhigkeitsstÄrungen und Un-<br />

terstÉtzungsbedarf mit Daten zur Zielerreichung und zu Anzahl und<br />

Dauer der UnterstÉtzungsaktivitÇten fÄrdert tendenziell die Progno-<br />

sefÇhigkeit der Mitarbeiter/innen, bewirkt aber auch mindestens po-<br />

tentiell eine realistischere SelbsteinschÇtzung der Nutzer/innen im<br />

Hinblick auf ihren tatsÇchlichen Hilfe- und UnterstÉtzungsbedarf.<br />

2.1.4 Zur Dokumentation der UnterstÅtzungsleistungen<br />

Die Dokumentation erbrachter UnterstÉtzungsleistungen ist ein wieder-<br />

kehrend umstrittenes Thema, da sie <strong>von</strong> den zustÇndigen Mitarbei-<br />

ter/innen hÇufig als unergiebig oder als zu aufwendig empfunden wird.<br />

Andererseits steht der Anbieter Äffentlich finanzierter Leistungen mehr<br />

als je zuvor in der Verpflichtung, den Einsatz der aufgewendeten Mittel<br />

nachzuweisen. Wir haben versucht, dieses Dilemma dadurch zu lÄsen,<br />

dass wir eine Dokumentation entwickelt haben, die mit einem Minimum<br />

an Aufwand zu einem Maximum an Informationen zur Erbringung der<br />

UnterstÉtzungsleistungen fÉhrt. AuÅerdem galt bei uns <strong>von</strong> Anfang an<br />

die Grundregel, dass nur die Leistungen stattgefunden haben, die do-<br />

kumentiert wurden. Vor diesem Hintergrund haben wir zwischenzeitlich<br />

- gemessen an der zur VerfÉgung stehenden Arbeitszeit - einen hohen<br />

Dokumentationsgrad erreicht.<br />

Konkret verwenden wir in unseren Sozialtherapeutischen Wohngrup-<br />

pen und im Ambulant Betreuten Wohnen eine modifizierte Form des<br />

IBRP-H-Bogens (vgl. Anhang A6.) zur Dokumentation der erbrachten<br />

UnterstÉtzungsleistungen. In diesen Bogen werden Datum, Dauer, Ort,<br />

Zeitraum und Art (Gruppe oder Einzeln) der AktivitÇt eingetragen. Diese<br />

Grunddaten werden ergÇnzt durch eine Zuordnung der AktivitÇt zu ei-<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 20 <strong>von</strong> 101<br />

- eingetragener Verein


[ grenzen<strong>los</strong> ]<br />

nem QM-Prozess (Eingabe der Prozessnummer) und durch die Zuord-<br />

nung der AktivitÇt zu einer in der Leistungs- und QualitÇtsvereinbarung<br />

verzeichneten Leistung (LV-Nummer). Jede Eingabe kennzeichnet<br />

die/der Mitarbeiter/in, die/der die AktivitÇt ausgefÉhrt hat mit seiner Co-<br />

de-Nummer (MA-Nr.) und bestÇtigt die Angaben durch Handzeichen.<br />

Mit diesen Angaben ist die statistische Erfassung der einzelnen AktivitÇt<br />

abgesch<strong>los</strong>sen. Im Feld Bemerkungen werden die Inhalte der AktivitÇt<br />

angegeben, so dass auch ein spÇterer Nachvollzug der AktivitÇten<br />

mÄglich ist.<br />

Die Dokumentation der AktivitÇten erfolgt nutzer/innenbezogen, in ei-<br />

nem Bogen der Kontaktdokumentation werden ausschlieÅlich die Aktivi-<br />

tÇten dokumentiert, die mit oder durch diese/n Nutzer/in stattgefunden<br />

haben.<br />

Ist ein einzelner Bogen der Kontaktdokumentation ausgefÉllt, werden<br />

die statistischen Daten in die entsprechende Excel-basierte Datei Éber-<br />

tragen.<br />

2.2 Zur technischen Umsetzung<br />

Durch die regelmÇÅige Dokumentation entsteht eine FÉlle <strong>von</strong> Betreu-<br />

ungsdaten, die - sorgfÇltig aufbereitet - zu einer Erweiterung des ein-<br />

richtungsinternen Betreuungswissens, aber auch zur Identifizierung <strong>von</strong><br />

angebotsspezifischen Verbesserungspotenzialen fÉhren kann.<br />

Zur Aufbereitung der anfallenden Daten haben wir ein Excel-basiertes<br />

Dateisystem entwickelt. Die Hauptanforderung an das Dateisystem be-<br />

stand darin, die Eingabeseite mÄglichst gering zu halten, aber trotzdem<br />

zu Auswertungen zu gelangen, die die Transparenz <strong>von</strong> Betreuungs-<br />

verlÇufen garantieren. (Vgl. Anhang A7.)<br />

Vor diesem Hintergrund haben wir die Eingabeseite auf drei Aspekte<br />

beschrÇnkt:<br />

die tÇgliche Dokumentation der Nutzer/innenanwesenheit<br />

die tÇgliche Dokumentation der Dienstzeiten der Mitarbeiter/innen<br />

die tÇgliche Dokumentation der nutzer/innenbezogenen AktivitÇten<br />

Die Datendokumentation und -eingabe erfolgt im Rahmen eines Hyb-<br />

ridsystems, die tÇgliche Dokumentation erfolgt in Papierversionen<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 21 <strong>von</strong> 101<br />

- eingetragener Verein


[ grenzen<strong>los</strong> ]<br />

(Dienstplan und Kontaktdokumentation) bzw. direkt in den PC (Anwe-<br />

senheitsdokumentation).<br />

Die Papierversionen werden im Block auf EDV Ébertragen, die Ñber-<br />

tragung der DienstplÇne erfolgt nach Abschluss des Monats und die<br />

Ñbertragung der nutzer/innenbezogenen Dokumentation wird mit jedem<br />

ausgefÉllten Kontaktbogen vorgenommen. Der Kontaktbogen wird zu-<br />

sÇtzlich gescannt, so dass er als AktivitÇtsnachweis dauerhaft archiviert<br />

werden kann.<br />

Der Ñbertrag des Dienstplans und das FÉhren des Belegungsnachwei-<br />

ses gehÄrt zu den Aufgaben der Angebotsleitungen an den Standorten<br />

Hagenow und Sternberg, der Ñbertrag der Papierversion der nut-<br />

zer/innenbezogenen Kontaktdokumentation auf EDV ist Aufgabe der<br />

jeweiligen Bezugsbetreuer/innen.<br />

Mit dieser Regelung haben wir den tÇglichen Dokumentationsaufwand<br />

fÉr die Mitarbeiter/innen ÇuÅerst gering gehalten (5 - 6 Minuten pro Mit-<br />

arbeiter/in pro Arbeitstag).<br />

Als grÄÅere Herausforderungen werden <strong>von</strong> den Mitarbeiter/innen die<br />

Eingabe <strong>von</strong> IBRP und die Erstellung <strong>von</strong> Entwicklungsberichten ange-<br />

sehen. Nach anfÇnglichen Schwierigkeiten mit Vorversionen haben wir<br />

das Dateisystem so weiter entwickelt, dass die IBRP-BÄgen D1 und A1<br />

im Rechner 1:1 abgebildet werden. wir haben die Items der beiden<br />

BÄgen in eine Excel-basierte Datei Ébertragen. Als zusÇtzliche Hilfestel-<br />

lung fÉr die Mitarbeiter/innen haben wir fÉr jedes Item des D1- und A1-<br />

Bogens ein rot hinterlegtes KontrollkÇstchen eingerichtet, das erst dann<br />

nicht mehr sichtbar ist, wenn innerhalb des Items eine korrekte Eingabe<br />

erfolgt ist. Auf diese Weise erhalten die Mitarbeiter/innen eine MÄglich-<br />

keit zur Selbstkontrolle, ob die Angaben innerhalb des IBRP vollstÇndig<br />

und korrekt erfolgt sind.<br />

Jeder IBRP wird nutzer/innenbezogen abgespeichert. Die einzelnen<br />

Versionen der nutzer/innenbezogenen IBRP-Dateien werden auÅerdem<br />

alphabetisch aufsteigend nummeriert, so dass immer ein automatisier-<br />

ter Abgleich zwischen dem ersten und dem aktuellen IBRP einer/s Nut-<br />

zer/in stattfinden kann. Die VerÇnderungen werden automatisch ausge-<br />

lesen und im Datenteil des Entwicklungsberichts entsprechend ausge-<br />

wiesen. FÉr die erste Eingabe der IBRP-BÄgen D1 und A1 in den<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 22 <strong>von</strong> 101<br />

- eingetragener Verein


[ grenzen<strong>los</strong> ]<br />

Rechner gehen wir <strong>von</strong> einem durchschnittlichen Zeitaufwand <strong>von</strong> ca.<br />

60 Minuten aus.<br />

Die Daten der Kontaktdokumentation und des IBRP werden automati-<br />

siert in den Datenteil des nutzer/innenbezogenen Entwicklungsberich-<br />

tes Ébertragen (vgl. Anhang A3.). Die Mitarbeiter/innen erhalten nach<br />

dem áffnen der Datei und der damit verbundenen Aktualisierung den<br />

kompletten Datensatz, der Datenteil des Entwicklungsberichtes ist voll-<br />

stÇndig ausgefÉllt und steht nach dem Ausdruck als Basis zur Reflexion<br />

des nutzer/innenbezogenen Betreuungsverlaufs zur VerfÉgung.<br />

Zur Operationalisierung und Ébersichtlicheren Darstellung des umfang-<br />

reichen Datenmaterials haben wir die Vorgehensweise gewÇhlt, die<br />

einzelnen Bereiche der FÇhigkeitsstÄrungen nach IBRP-A1 zu Clustern<br />

zusammenzufassen. Dadurch ergibt sich folgende Einteilung:<br />

Bereich I. BeeintrÇchtigungen durch die psychische Erkrankung<br />

Bereich II. BeeintrÇchtigungen in der Beziehungsgestaltung<br />

Bereich III. BeeintrÇchtigung in den Lebensfeldern Selbstsorge,<br />

Wohnen, Arbeit, Tagesgestaltung, Freizeit, Teilnahme am gesell-<br />

schaftlichen Leben<br />

Durch die Clusterbildung kommen wir zu Durchschnittswerten im Hin-<br />

blick auf die Felder „FÇhigkeiten/FÇhigkeitsstÄrungen“, „aktivierbare<br />

nicht-psychiatrische Hilfen“ und „psychiatrische Hilfen“, die in ihrer Ge-<br />

samtheit Auskunft geben Éber den nutzer/innenspezifischen Status <strong>von</strong><br />

FÇhigkeiten bzw. BeeintrÇchtigungen und dem damit verbundenen<br />

nicht-psychiatrischen und psychiatrischen UnterstÉtzungsbedarf.<br />

Den drei Bereichen werden auÅerdem die vereinbarten und erreichten<br />

Ziele und die Daten aus der Kontaktdokumentation zugeordnet. Letzte-<br />

re sind aufgeschlÉsselt nach Anzahl, Dauer und durchschnittlichem<br />

Zeitaufwand <strong>von</strong> Einzel- und GruppenaktivitÇten, sowie der durch-<br />

schnittlichen Anzahl <strong>von</strong> AktivitÇten pro Woche und dem durchschnittli-<br />

chen Zeitaufwand pro Woche.<br />

Durch diese Form der Auswertung wird der Betreuungsverlauf transpa-<br />

rent dargestellt, dies sowohl im Hinblick auf den Umfang und die<br />

Schwerpunktsetzungen der UnterstÉtzungsleistungen, als auch im Hin-<br />

blick auf das erzielte Ergebnis der Betreuung (erreichte Ziele). Dieses<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 23 <strong>von</strong> 101<br />

- eingetragener Verein


[ grenzen<strong>los</strong> ]<br />

Datenfundament flieÅt dann in die Bewertung der MaÅnahme durch die<br />

Bezugsbetreuer/innen ein.<br />

Die Eingabe des Textteils des nutzer/innenbezogenen Entwicklungsbe-<br />

richtes erfolgt in einer gesonderten (Word-) Datei. Die Erstellung der<br />

Darstellung und Bewertung des Betreuungsverlaufs ist damit nach Kon-<br />

taktdokumentation und IBRP die dritte und letzte Eingabeverpflichtung<br />

der Mitarbeiter/innen. Den Zeitaufwand fÉr die Erstellung des Textteils<br />

veranschlagen wir nach unseren bisherigen Erfahrungen mit 90 bis 120<br />

Minuten.<br />

Nach dem Ausdruck wird der vollstÇndige Entwicklungsbericht gescannt<br />

und archiviert.<br />

Das <strong>von</strong> uns entwickelte Excel-basierte Dateisystem bietet neben der<br />

automatisierten Erstellung des Datenteils des Entwicklungsberichts die<br />

MÄglichkeit, der Erstellung <strong>von</strong> angebotsspezifischen Auswertungen, so<br />

dass wir einen quasi tagesaktuellen Ñberblick Éber den Gesamtstand<br />

einer Wohngruppe bzw. des jeweiligen Ambulant Betreuten Wohnens<br />

innerhalb eines Landkreises haben. Die Daten werden weiterhin zu<br />

einer Gesamtstatistik aller Angebote zusammengefasst, so dass auch<br />

ein interner Quervergleich zum Status der einzelnen Angebote mÄglich<br />

ist.<br />

Ñber Ergebnisse und Erfahrungen berichten wir weiter unten geson-<br />

dert. Insgesamt kÄnnen wir aber festhalten, dass wir durch das <strong>von</strong> uns<br />

entwickelte Dateisystem in die Lage versetzt werden, sowohl den Ver-<br />

lauf <strong>von</strong> Betreuungen, als auch Entwicklungsprozesse der Nutzer/innen<br />

detailliert darstellen zu kÄnnen, so dass wir den Anforderungen unseres<br />

QM-Systems an die Messbarkeit <strong>von</strong> Prozess- und ErgebnisqualitÇt<br />

schon sehr nahe gekommen sind. Das wir hierfÉr zu einem wesentli-<br />

chen Anteil EinschÇtzungsdaten, also so genannte weiche Daten ver-<br />

wenden, die wir pragmatisch zu Clustern zusammengezogen haben, ist<br />

uns bewusst. Nach unserer EinschÇtzung wird die dahinter stehende<br />

Gefahr der DatenverfÇlschung aber dadurch relativiert, dass die Gene-<br />

rierung der EinschÇtzungsdaten nicht allein <strong>von</strong> der/dem jeweils zu-<br />

stÇndigen Bezugsbetreuer/in geleistet wird, sondern in den EinschÇt-<br />

zungsprozess in jedem Fall die/der Nutzer/in und - so weit mÄglich -<br />

auch ihre/seine AngehÄrigen bzw. gesetzlichen Betreuer/innen einbe-<br />

zogen sind.<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 24 <strong>von</strong> 101<br />

- eingetragener Verein


[ grenzen<strong>los</strong> ] -<br />

eingetragener Verein<br />

2.3 Personenzentrierter und einrichtungsbezogener Erkenntnisge-<br />

winn<br />

2.3.1 IBRP, MaÑnahmeplan und Entwicklungsbericht als Reflexi-<br />

ons- und Aushandlungsanlass<br />

Die Arbeit im Ambulant Betreuten Wohnen und in den Sozialtherapeu-<br />

tischen Wohngruppen findet in einem Kontext statt, der durch Freiwil-<br />

ligkeit in der Inanspruchnahme <strong>von</strong> UnterstÉtzungsleistungen durch die<br />

Nutzer/innen gekennzeichnet ist. Der letztendlich einzige verbindliche<br />

Rahmen der MaÅnahme ist die Anforderung des KostentrÇgers an den<br />

HilfeempfÇnger, seinen Beitrag zum Erfolg der MaÅnahme zu leisten.<br />

Diese Konstellation fÉhrt in der Konsequenz zu der Situation, dass der<br />

Abschluss eines sowohl informellen als auch expliziten ArbeitsbÉndnis-<br />

ses zwischen Nutzer/innen und Mitarbeiter/innen am Anfang jeder<br />

BetreuungsmaÅnahme stehen. Ein wesentlicher Bestandteil des Ar-<br />

beitsbÉndnisses ist die HeranfÉhrung der Nutzer/innen zu der Erkennt-<br />

nis, dass ihnen im Rahmen der Ambulanten Betreuung bzw. im Rah-<br />

men der Sozialtherapeutischen Wohngruppen differenzierte MÄglichkei-<br />

ten zur persÄnlichen Festigung und Weiterentwicklung angeboten wer-<br />

den, dass es aber in ihrer persÄnlichen Verantwortung liegt, diese Un-<br />

terstÉtzung zu nutzen oder abzulehnen. Ein weiteres Element dieses<br />

Aushandlungsprozesses besteht darin, dass wir den Nutzer/innen ver-<br />

mitteln, dass sie in unseren Angeboten nicht mit StandardmaÅnahmen<br />

konfrontiert werden, bei denen sie angehalten sind, sich zu zuordnen<br />

und damit eine Anpassungsleistung an die Einrichtung zu erbringen,<br />

sondern dass die UnterstÉtzungsleistungen der Mitarbeiter/innen im<br />

Rahmen der gegebenen MÄglichkeiten an der BedÉrfnis- und Bedarfs-<br />

lage der Nutzer/innen ausgerichtet werden.<br />

Ein weiteres wichtiges Element der Aushandlung <strong>von</strong> tragfÇhigen Ar-<br />

beitsbÉndnissen zwischen Mitarbeiter/innen und Nutzer/innen stellt die<br />

Definition und Formulierung <strong>von</strong> Zielen der Betreuung dar. Dieser Be-<br />

reich des ArbeitsbÉndnisses birgt den grÄÅten Konfliktstoff, da der Beg-<br />

riff „Zielsetzung“ in diesem Zusammenhang ÇuÅerst diffus ist. So be-<br />

nennen z.B. die meist jungen Nutzer/innen unserer Wohngruppen in<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 25 <strong>von</strong> 101


[ grenzen<strong>los</strong> ]<br />

der Regel eine eigene Wohnung und einen Arbeitsplatz als Ziel. Diese<br />

Zielsetzung ist fÉr sich genommen in der Regel durchaus konsensfÇhig<br />

zwischen Nutzer/innen und Mitarbeiter/innen, die unterschiedlichen<br />

Positionen werden nicht in der Zielbestimmung, sondern im Weg zum<br />

Erreichen des Ziels deutlich. Dass zur Umsetzung der Ziele Arbeit und<br />

eigene Wohnung eine Reihe individueller Faktoren wie z.B. eine gewis-<br />

se kÄrperliche Belastbarkeit, ein gewisses MaÅ an Merk- und Konzent-<br />

rationsfÇhigkeit, FÇhigkeiten in der Beziehungsgestaltung und die Ñ-<br />

berwindung <strong>von</strong> AntriebsschwÇchen oder àngsten gehÄren, wird bei<br />

der Zielbestimmung nutzer/innenseitig gelegentlich auÅer Acht gelas-<br />

sen. Gleiches gilt auch fÉr die BerÉcksichtigung <strong>von</strong> Rahmenbedingun-<br />

gen. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt oder berufs- und arbeitsspezifi-<br />

sche Qualifikationsanforderungen werden wiederholt in nicht ausrei-<br />

chendem MaÅe bei der Zielplanung gewÉrdigt.<br />

Gerade bei den Zielen Arbeit und eigene Wohnung ist die Aushandlung<br />

tendenziell konflikthaft, da in den mitarbeiter/innenseitigen Aushand-<br />

lungsbeitrÇgen die Entwicklung und das Training <strong>von</strong> Basiskompeten-<br />

zen auf dem Weg zum Ziel im Vordergrund steht. Diese BeitrÇge der<br />

Mitarbeiter/innen werden vor dem Hintergrund einer oft umfassenden<br />

Kompetenzunterstellung nutzer/innenseitig als Hinhalten, VerzÄgerung<br />

oder als Eingriff in die eigene, autonome Lebensplanung gedeutet.<br />

Der entscheidende Aspekt in diesem Aushandlungsprozess besteht<br />

darin, dass Nutzer/innen und Mitarbeiter/innen die Zielsetzung und die<br />

Vorgehensweise zum Erreichen der Ziele aushandeln. Es findet somit<br />

ein stÇndiger Diskurs Éber das Warum und das Wie der MaÅnahme<br />

statt, in den sowohl die Nutzer/innen als auch die Mitarbeiter/innen<br />

gleichberechtigt einbezogen sind. Die Nutzer/innen erleben und lernen<br />

in diesem stÇndigen Aushandlungsprozess, dass sie Verantwortung fÉr<br />

sich und ihre Lebensplanung Ébernehmen mÉssen, und dass diese<br />

VerantwortungsÉbernahme auch immer wieder die MÄglichkeit punktu-<br />

ellen Scheiterns oder die Erfahrung wiederkehrender Misserfolge bein-<br />

halten kann. In diesem Zusammenhang bilden IBRP, MaÅnahmeplÇne<br />

und Entwicklungsberichte ein im Hintergrund wirksames Strukturge-<br />

flecht, durch das die oftmals gerade am Betreuungsanfang zu beo-<br />

bachtende, nutzer/innenseitige Verwechslung <strong>von</strong> Freiwilligkeit und<br />

individueller Vorgehensweise mit Beliebigkeit und Unverbindlichkeit<br />

relativiert wird.<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 26 <strong>von</strong> 101<br />

- eingetragener Verein


[ grenzen<strong>los</strong> ]<br />

Die Nutzer/innen insbesondere in unseren Sozialtherapeutischen<br />

Wohngruppen erkennen nach und nach, dass die Mitarbeiter/innen<br />

bereit sind, z.B. im Rahmen der Vereinbarung <strong>von</strong> MaÅnahmeplÇnen<br />

auf ihre spezielle BedÉrfnis- und Bedarfslage einzugehen, dass auftre-<br />

tende Probleme oder Konflikte nicht nach einem einheitlichen Schema<br />

angegangen werden, sondern die jeweilige individuelle Situation Be-<br />

rÉcksichtigung findet. Auf diese Art und Weise entsteht nut-<br />

zer/innenseitig auch ein GefÉhl dafÉr, dass sie fÉr ihre eigenen Verhal-<br />

tensweisen, Handlungen und Planungen verantwortlich sind und damit<br />

auch zu einem wesentlichen Teil selbst Éber Sinn, Erfolg und Nutzen<br />

der MaÅnahme entscheiden. Gleichzeitig wird durch die Entwicklungs-<br />

berichte auch deutlich, dass die MaÅnahme nicht in einer time-out-<br />

Situation stattfindet, sondern dass diese in einen ÇuÅeren Rahmen<br />

eingebettet ist. Die Berichtspflicht gegenÉber dem KostentrÇger wirkt<br />

somit durchaus auch realitÇtsfÄrdernd.<br />

In diesem Zusammenhang ist noch ein weiterer, wichtiger Aspekt anzu-<br />

sprechen. Die Abfolge <strong>von</strong> IBRP, MaÅnahmeplÇnen und Entwicklungs-<br />

bericht legt ein lineares, fast schon technokratisches Krankheits- und<br />

GesundungsverstÇndnis nahe. Es werden Ziele bestimmt, die in opera-<br />

tionalisierbare Teilziele differenziert werden. Den Zielen werden be-<br />

stimmte AktivitÇten zugeordnet und nach einem bestimmten Zeitraum<br />

wird das Ergebnis bilanziert. Die Praxis der Betreuung lehrt dem ge-<br />

genÉber, dass wir es in der Entwicklung der Nutzer/innen und im Aus-<br />

handlungsprozess zwischen Nutzer/innen und Mitarbeiter/innen nicht<br />

mit einem linearen, sondern einem spiralfÄrmig-zyklischen Verlauf zu<br />

tun haben. Die Zielbestimmung der Nutzer/innen kann z.B. am Morgen<br />

eine andere als die am Nachmittag, oder die <strong>von</strong> letzter Woche kann<br />

eine andere als die <strong>von</strong> heute sein. Eine Weiterentwicklung <strong>von</strong> z.B.<br />

sozialen Kompetenzen kann wochen- oder auch monatelang Éberhaupt<br />

nicht erkennbar sein und dann eruptiv zum Vorschein drÇngen. Erwor-<br />

bene kognitive FÇhigkeiten wie z.B. MerkfÇhigkeit kÄnnen sich schlag-<br />

artig verflÉchtigen und nach Wochen intensiver Arbeit wiederkehren.<br />

Der Beispiele lieÅen sich an dieser Stelle noch viele auffÉhren. Wir wol-<br />

len mit diesen Beispielen darauf hinweisen, dass die Arbeit mit den<br />

Strukturelementen IBRP, MaÅnahmeplan und Entwicklungsbericht nicht<br />

nach dem Motto „Ziel erkannt, Problem gebannt“ funktioniert. Unserer<br />

Auffassung nach lassen sich diese Strukturelemente dann sinnhaft im<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 27 <strong>von</strong> 101<br />

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[ grenzen<strong>los</strong> ]<br />

Betreuungskontext nutzen, wenn sie als permanentes Arbeitsmittel und<br />

das bedeutet in diesem Zusammenhang, als Anlass zu stÇndiger Re-<br />

flexion und Aushandlung der notwendigen UnterstÉtzungsleistungen<br />

genutzt werden und sie so flexibel gehandhabt werden, dass auch ver-<br />

Çnderten Zielbestimmungen bzw. verÇnderten Vorgehensweisen zur<br />

Zielerreichung permanent Rechnung getragen wird. Dann ergibt ihr<br />

Einsatz und die Arbeit mit ihnen nicht nur einen Erkenntnisgewinn fÉr<br />

die Mitarbeiter/innen, sondern auch fÉr die Nutzer/innen selbst. Auf<br />

Seiten der Mitarbeiter/innen besteht der Erkenntnisgewinn originÇr in<br />

einer fortlaufenden Erweiterung des professionellen Handlungsinven-<br />

tars durch das reflektierte Wissen, welche Ereignisse im Rahmen einer<br />

Betreuung auftreten kÄnnen und welche Umgangsweisen mit den Er-<br />

eignissen tragfÇhig sein kÄnnen.<br />

Auf Seiten der Nutzer/innen besteht der Erkenntnisgewinn darin, sich<br />

als entscheidungsfÇhige und Verantwortung Ébernehmende Person<br />

wahrgenommen zu wissen. Hinzu kommt die MÄglichkeit, im Rahmen<br />

der MaÅnahme verschiedene Wege zur LÄsung auftretender Probleme<br />

oder zur BewÇltigung anspruchsvoller Situationen kennen lernen und<br />

ausprobieren zu kÄnnen.<br />

2.3.2 Transparenz, KonzeptionsprÅfung, ProfessionalitÉt<br />

Mit der systematischen Erfassung und Aufbereitung der im Rahmen<br />

<strong>von</strong> IBRP-Erstellung, Kontaktdokumentation und Entwicklungsberichten<br />

anfallenden Daten erfÉllen wir primÇr den Anspruch des ÉberÄrtlichen<br />

KostentrÇgers auf Transparenz und den Nachweis <strong>von</strong> Prozess- und<br />

ErgebnisqualitÇt. Mit Hilfe unseres Excel-basierten Dateisystems sind<br />

wir in der Lage, quasi tagesaktuell nachweisen zu kÄnnen, welche/r<br />

Nutzer/in wie viele AktivitÇten mit welcher Dauer in Zusammenarbeit mit<br />

welcher/m Mitarbeiter/in und mit welchem Ergebnis durchgefÉhrt hat.<br />

Als Nebeneffekt nutzen wir das System auch zur Selbstkontrolle fÉr die<br />

Mitarbeiter/innen, in dem wir Arbeitszeit und dokumentierte Zeit gegen-<br />

Éber stellen und damit die jeweilige Dokumentationsquote ausweisen<br />

kÄnnen. Wir nutzen also das Excel-basierte Dateisystem auch zur Pro-<br />

zessmessung im Rahmen unseres QualitÇtsmanagementsystems und<br />

zur Erstellung interner QualitÇtsberichte. Dass die Ergebnisse auch in<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 28 <strong>von</strong> 101<br />

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[ grenzen<strong>los</strong> ]<br />

Verhandlungen mit den KostentrÇgern einflieÅen werden, ist letztlich<br />

systemimmanent.<br />

Neben den qualitÇtsorientierten Ausgaben sind fÉr uns die angebots-<br />

spezifischen und angebotsÉbergreifenden Auswertungen der IBRPs<br />

und der Kontaktdokumentationen <strong>von</strong> hervorragender Bedeutung.<br />

Durch diese Auswertungen konnten wir feststellen, dass die einzelnen<br />

Sozialtherapeutischen Wohngruppen schon in den ersten acht Mona-<br />

ten ihres Bestehens ein je eigenes Profil entwickelt haben im Hinblick<br />

auf die soziodemografische Struktur der Nutzer/innen und den Grad an<br />

FÇhigkeitsstÄrungen und psychiatrischem UnterstÉtzungsbedarf. An-<br />

hand der vorliegenden Daten wird deutlich, dass die den Wohngruppen<br />

zu Grunde liegenden Konzeptionen gegriffen haben. AuffÇllig ist in die-<br />

sem Zusammenhang, dass die Ñbergangswohngruppe in Sternberg,<br />

deren primÇre Aufgabenstellung in der Orientierung der Nutzer/innen im<br />

Hinblick auf geeignete weiterfÉhrende MaÅnahmen besteht, zu einem<br />

wesentlichen Anlaufpunkt fÉr junge Menschen mit AbhÇngigkeitsprob-<br />

lemen und psychischer Krankheit geworden ist, so dass wir mittlerweile<br />

ein ausgewiesenes Fachprofil in der Betreuung so genannter doppeldi-<br />

agnostizierter Menschen an beiden Standorten in Hagenow und Stern-<br />

berg entwickeln konnten. (Die Sozialtherapeutische Wohngruppe in<br />

Hagenow ist als Spezialeinrichtung fÉr doppeldiagnostizierte Menschen<br />

konzipiert.)<br />

FÉr unsere interne, fachliche Weiterentwicklung besitzt das Dateisys-<br />

tem eine nicht hoch genug einzuschÇtzende Bedeutung. Die Vielzahl<br />

unterschiedlichster Daten und Datenquellen, ihre Auswertung und Auf-<br />

bereitung haben zu ersten AnsÇtzen eines Wissenspools gefÉhrt, an-<br />

hand dessen wir Praxiserfahrungen systematisieren und abstrahieren<br />

kÄnnen, so dass wir zumindest die Basis hergestellt haben, um zu Vor-<br />

formen <strong>von</strong> praxisorientierter Handlungstheorie in der Sozialpsychiatrie<br />

zu kommen. Es ist uns dabei sehr bewusst, dass wir nicht zu letzt auf<br />

Grund der relativ geringen Fallzahlen keinen Anspruch auf Allgemein-<br />

gÉltigkeit erheben kÄnnen. Andererseits haben wir in den zurÉckliegen-<br />

den Monaten nutzer/inbezogen durch die Triangulation der Datenquel-<br />

len mit konkreten BetreuungsverlÇufen und ihrer Reflexion und Abstrak-<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 29 <strong>von</strong> 101<br />

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[ grenzen<strong>los</strong> ]<br />

tion Éberraschende Erkenntnisse gewinnen kÄnnen, die dann wiederum<br />

handlungsleitend in die Praxis rÉckgekoppelt werden konnten.<br />

Wir erwarten, dass wir auf diesem Wege zu einer mehr oder weniger<br />

kontinuierlichen (auch hier gilt eher das weiter oben angesprochene<br />

zyklische Modell) Weiterentwicklung unserer Fachlichkeit und Professi-<br />

onalitÇt gelangen kÄnnen.<br />

2.4 Erfahrungen<br />

Die Arbeit mit IBRP, MaÅnahmeplÇnen und Entwicklungsberichten als<br />

Instrumenten personenzentrierter UnterstÉtzungsleistungen und die<br />

dahinter liegende Technik der Datenerfassung und -aufbereitung haben<br />

fÉr uns bisher - wie oben dargestellt - eine FÉlle positiver Aspekte im<br />

Hinblick auf unsere fachliche und einrichtungsbezogene Weiterentwick-<br />

lung erbracht.<br />

Die Verankerung der Arbeit mit den Instrumenten personenzentrierter<br />

UnterstÉtzung war jedoch mit einigen Schwierigkeiten verbunden, die<br />

ihre Ursache zum einen in der Aufbauphase der Sozialtherapeutischen<br />

Wohngruppen und zum anderen in dem Instrumentarium selbst hatten.<br />

FÉr unsere Mitarbeiter/innen stellte die regelhafte und regelmÇÅige Ar-<br />

beit mit Excel-basierten Dateien eine erste Schwelle dar, da sie zwar<br />

Éber Vorerfahrungen im Umgang mit Word verfÉgten, Excel dagegen<br />

eher verunsichernd wirkte. Durch interne Beratung und Anleitung konn-<br />

ten wir diese grundsÇtzliche Schwelle ziemlich schnell Éberwinden, so<br />

dass insbesondere die Kontaktdokumentation regelmÇÅig gefÉhrt wur-<br />

de.<br />

Dagegen bereitete die Erstellung des IBRP (Bogen D1 und A1) und das<br />

Abfassen <strong>von</strong> Entwicklungsberichten grÄÅere MÉhen. Die kategoriale<br />

Unterscheidung zwischen Zielen, Vorgehensweisen und Beschreibung<br />

<strong>von</strong> FÇhigkeitsstÄrungen, sowie die zahlenmÇÅige EinschÇtzung <strong>von</strong><br />

FÇhigkeitsstÄrungen und Hilfebedarf waren Bereiche, die wiederholt zu<br />

Fragen und Beratungsbedarf der Mitarbeiter/innen fÉhrten. Parallel da-<br />

zu hatte das Dateisystem seinen Praxistest zu bestehen. Schon nach<br />

relativ kurzer Zeit konnten wir feststellen, dass auf beiden Seiten Ver-<br />

besserungsbedarf bestand, der so Hand in Hand gehen musste, dass<br />

die technische LÄsung den BedÉrfnissen der Mitarbeiter/innen nach<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 30 <strong>von</strong> 101<br />

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[ grenzen<strong>los</strong> ]<br />

VerstÇndlichkeit und Handhabbarkeit des Systems Rechnung zu tragen<br />

hatte.<br />

Deshalb haben wir seit Herbst 2005 eine Doppelstrategie verfolgt. Zum<br />

einen begannen wir eine intensive interne Fortbildung fÉr alle Mitarbei-<br />

ter/innen, in deren Rahmen wir auch den Einsatz und den Umgang mit<br />

den Instrumenten personenzentrierter UnterstÉtzung vermittelt und ge-<br />

Ébt haben, zum anderen entwickelten wir das Dateisystem unter dem<br />

Aspekt der grÄÅtmÄglichen Vermeidung <strong>von</strong> Eingabefehlern weiter. Die<br />

Anwendung des Dateisystems war ebenfalls Gegenstand der internen<br />

Fortbildung. Als zusÇtzliches Problem erwies sich das ursprÉngliche<br />

Verfahren, dass jeder Standort seinen eigenen Rechner hatte und die<br />

Daten in der GeschÇftsstelle zusammengefÉhrt wurden. Auf diese Art<br />

und Weise entstand eine gewisse Verunsicherung, wer welche Version<br />

welcher Datei gerade bearbeitete. Wir haben dieses Problem dadurch<br />

gelÄst, dass wir uns entsch<strong>los</strong>sen haben, ein Intranet einzurichten, so<br />

dass jede Datei nur noch als Unikat (selbstverstÇndlich zuzÉglich Siche-<br />

rungskopien) vorliegt und bearbeitet werden kann. Auf diese Weise<br />

kÄnnen wir aber auch sicherstellen, dass ànderungen im Dateisystem<br />

immer zum selben Zeitpunkt fÉr alle Beteiligten wirksam werden kÄn-<br />

nen. Das Intranet haben wir ab Februar 2006 in Betrieb genommen.<br />

Mittlerweile kÄnnen wir feststellen, dass der Einsatz des Instrumentari-<br />

ums zur personenzentrierten UnterstÉtzung <strong>von</strong> den Mitarbeiter/innen<br />

akzeptiert und offensiv mitgetragen wird. Die Akzeptanz wurde deutlich<br />

erhÄht, als wir im Rahmen der internen Fortbildung die ersten IBRP und<br />

Entwicklungsberichte gemeinsam ausgewertet haben und die Mitarbei-<br />

ter/innen teilweise eklatante Unterschiede zwischen den dokumentier-<br />

ten BetreuungsverlÇufen und dem gefÉhlten Betreuungsverlauf fest-<br />

stellten.<br />

GegenwÇrtig sind wir im Prozess der Verbesserung der sprachlichen<br />

und analytischen QualitÇt insbesondere der Entwicklungsberichte. Un-<br />

terstÉtzt wird dieser Prozess durch die grundsÇtzliche Ausrichtung der<br />

internen Fortbildung, die neben dem pragmatischen Umgang mit dem<br />

Instrumentarium personenzentrierter UnterstÉtzung vorrangig auf die<br />

Vermittlung (sozial-) therapeutischer Kompetenzen ausgerichtet ist. Der<br />

methodische Ansatz der biografieanalytisch orientierten Personenzent-<br />

rierten Biografiearbeit ist eine Eigenentwicklung, die wir deshalb forcie-<br />

ren, weil wir erwarten, dass durch den diesem Ansatz immanenten eth-<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 31 <strong>von</strong> 101<br />

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[ grenzen<strong>los</strong> ]<br />

nografischen Zugang zur Lebenswirklichkeit der Nutzer/innen die per-<br />

sonenzentrierte UnterstÉtzung, die sich bisher im wesentlichen auf das<br />

oben beschriebene Instrumentarium stÉtzt, vertieft wird. Wir erwarten,<br />

dass wir mit dem Ineinandergreifen <strong>von</strong> sozialtherapeutischer Kompe-<br />

tenz und pragmatisch-technischem Instrumentarium die QualitÇt unse-<br />

rer Arbeit steigern und den BedÉrfnissen und Bedarfen der Nut-<br />

zer/innen intensiver gerecht werden kÄnnen.<br />

Zusammenfassend lÇsst sich sagen, dass wir auf dem Wege zu einer<br />

professionellen personenzentrierten UnterstÉtzung der Nutzer/innen<br />

schon einige Schritte vorangekommen sind. Wir wissen aber auch,<br />

dass wir uns innerhalb eines lÇngeren Prozesses bewegen.<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 32 <strong>von</strong> 101<br />

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3.0 Vorarbeiten zur Erfolgsmessung<br />

3.1 EinfÅhrung<br />

[ grenzen<strong>los</strong> ] -<br />

eingetragener Verein<br />

Im Rahmen der oben beschriebenen Auswertung der Ergebnisse unse-<br />

res Excel-basierten Dateisystems haben wir uns entschieden, eine ge-<br />

sonderte Untersuchung zum Bereich „EinschÇtzung <strong>von</strong> FÇhigkeiten<br />

bzw. FÇhigkeitsstÄrungen der Nutzer/innen“ durchzufÉhren. Der Unter-<br />

suchung lag die Auffassung zugrunde, dass die EinschÇtzung <strong>von</strong> FÇ-<br />

higkeiten und FÇhigkeitsstÄrungen der Nutzer/innen sozialpsychiatri-<br />

scher Angebote und ihres jeweiligen UnterstÉtzungsbedarfs ein zentra-<br />

ler, wenn nicht gar der zentrale Bereich des Integrierten Behandlungs-<br />

und Rehabilitationsplans (IBRP) ist.<br />

In der EinschÇtzung <strong>von</strong> FÇhigkeitsstÄrungen und UnterstÉtzungsbe-<br />

darf flieÅen die Ansichten der Nutzer/innen und der Bezugsbetreu-<br />

er/innen, die den IBRP erheben, zusammen. Die im IBRP erfassten<br />

Werte bilden somit das Ergebnis <strong>von</strong> Aushandlungsprozessen ab und<br />

stellen <strong>von</strong> Nutzer/innen und Bezugsbetreuer/innen gemeinsam ratifi-<br />

zierte EinschÇtzungswerte dar.<br />

Aber auch wenn es sich bei diesen Werten nicht um objektive Messda-<br />

ten handelt, sind wir der Ansicht, dass ihnen eine erhebliche Aussage-<br />

kraft zukommt, da die erhobenen Werte handlungsleitend sind. Dies gilt<br />

sowohl fÉr den Bereich der FÇhigkeitsstÄrungen, als auch fÉr die Ein-<br />

schÇtzung des nicht-psychiatrischen und psychiatrischen UnterstÉt-<br />

zungsbedarfs, wenn auch auf unterschiedliche Art und Weise.<br />

Die FÇhigkeitsstÄrungen werden im IBRP auf einer Skala <strong>von</strong> 0 bis 3<br />

eingeschÇtzt, die fÉr folgende Items stehen:<br />

0 keine BeeintrÇchtigung<br />

1 leichte BeeintrÇchtigung<br />

2 ausgeprÇgte BeeintrÇchtigung<br />

3 stark ausgeprÇgte BeeintrÇchtigung<br />

Zur EinschÇtzung des UnterstÉtzungsbedarfs sind die Skalen „Aktivier-<br />

bare nicht-psychiatrische Hilfen“ und „Art der erforderlichen psychiatri-<br />

schen Hilfen“ vorgesehen. Diese setzen sich im Einzelnen folgender-<br />

maÅen zusammen:<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 33 <strong>von</strong> 101


Aktivierbare nicht-psychiatrische Hilfen<br />

0 keine Ressourcen<br />

1 geringe Ressourcen<br />

2 wesentliche entlastende Hilfen<br />

Art der erforderlichen psychiatrischen Hilfen<br />

0 keine Hilfe<br />

1 Information und Beratung<br />

2 ErschlieÅung <strong>von</strong> Hilfen im Umfeld<br />

3 individuelle Planung, Beobachtung, RÉckmeldung<br />

4 begleitende, Ébende UnterstÉtzung<br />

5 regelmÇÅiges intensives individuelles Angebot<br />

3.2 FÉhigkeitsstÄrungen<br />

3.2.1 FÉhigkeitsstÄrungen und Diagnosen<br />

[ grenzen<strong>los</strong> ] -<br />

eingetragener Verein<br />

Die EinschÇtzung <strong>von</strong> FÇhigkeitsstÄrungen erfolgt Éber insgesamt 31<br />

unterschiedliche Items innerhalb des IBRP hinweg. Sie ergibt ein diffe-<br />

renziertes StÇrken-/SchwÇchen-Profil der Nutzer/innen, das in seinem<br />

Detaillierungs- und Konkretionsgrad ungleich individuell genauer ist als<br />

eine Diagnose nach ICD-10. Die Diagnose an sich besitzt im Zusam-<br />

menhang mit der Inanspruchnahme <strong>von</strong> UnterstÉtzungsleistungen<br />

durch die Nutzer/innen die grundlegende Funktion der BegrÉndung<br />

eines Leistungsanspruchs. Im Rahmen des sozialpsychiatrischen Hilfe-<br />

systems erhÇlt nur derjenige Leistungen, der auch psychisch krank ist<br />

und dies durch eine fach- oder amtsÇrztlich erhobene Diagnose bele-<br />

gen kann.<br />

FÉr die konkreten UnterstÉtzungsleistungen innerhalb komplementÇrer<br />

Einrichtungen besitzt die Diagnose jedoch eher informierenden, als<br />

handlungsleitenden Charakter. Eine Diagnose nach ICD-10 spannt ge-<br />

wissermaÅen einen Bezugsrahmen auf, innerhalb dessen sich die Nut-<br />

zer/innen mutmaÅlich bewegen. Sie enthÇlt jedoch nur begrenzte Aus-<br />

sagen darÉber, Éber welche Kompetenzen die Nutzer/innen zur BewÇl-<br />

tigung ihres Lebens und ihrer alltÇglichen HandlungsvollzÉge verfÉgen.<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 34 <strong>von</strong> 101


[ grenzen<strong>los</strong> ]<br />

Vor diesem Hintergrund bekommt das gemeinsam ausgehandelte StÇr-<br />

ken-/SchwÇchen-Profil seinen hohen Stellenwert fÉr die praktische Ar-<br />

beit. Die EinschÇtzung <strong>von</strong> FÇhigkeiten und FÇhigkeitsstÄrungen stellt<br />

gewissermaÅen eine Operationalisierung der Diagnose dar, der eher<br />

theoretisch-verallgemeinernde Bezugsrahmen wird durch das StÇrken-<br />

/SchwÇchen-Profil auf den konkreten Einzelfall hin ausdifferenziert und<br />

konkretisiert.<br />

Gleichzeitig stellt die EinschÇtzung <strong>von</strong> FÇhigkeiten und FÇhigkeitsstÄ-<br />

rungen eine Momentaufnahme dar, die in einen Ébergreifenden Pro-<br />

zess eingebunden ist. SpÇtestens nach einem halben Jahr wird der<br />

gesamte IBRP und damit auch die EinschÇtzung <strong>von</strong> FÇhigkeitsstÄrun-<br />

gen und nicht-psychiatrischem und psychiatrischen UnterstÉtzungsbe-<br />

darf einer Neubewertung durch Nutzer/innen und Bezugsbetreuer/innen<br />

unterzogen, so dass Fort- und RÉckschritte der Nutzer/innen in ihrer<br />

Kompetenzentwicklung wiederkehrend ihren handlungsleitenden Nie-<br />

derschlag finden.<br />

DemgegenÉber erscheint die Diagnose eher als fest und unverrÉckbar.<br />

Wenn jemandem z.B. eine Schizophrenie diagnostiziert wird, muss er<br />

da<strong>von</strong> ausgehen, dass ihn diese Diagnose sein weiteres Leben lang<br />

begleiten (und prÇgen) wird.<br />

Die Erhebung <strong>von</strong> FÇhigkeiten und FÇhigkeitsstÄrungen ist dagegen<br />

auf einen Éberschaubaren Zeitraum und explizit auf die Erbringung <strong>von</strong><br />

UnterstÉtzungsleistungen ausgerichtet, die zur StÇrkung der FÇhigkei-<br />

ten und zur Verminderung der FÇhigkeitsstÄrungen der Nutzer/innen<br />

fÉhren sollen.<br />

3.2.2 Zur Feststellung <strong>von</strong> FÉhigkeiten und FÉhigkeitsstÄrungen<br />

Bei der Feststellung <strong>von</strong> FÇhigkeiten und FÇhigkeitsstÄrungen im Rah-<br />

men des IBRP geht es ganz allgemein um die gemeinsame EinschÇt-<br />

zung <strong>von</strong> Nutzer/innen und Bezugsbetreuer/innen, Éber welche Kompe-<br />

tenzen die Nutzer/innen in den folgenden Bereichen verfÉgen:<br />

I. BeeintrÇchtigungen/GefÇhrdungen durch die psychische Erkrankung<br />

und FÇhigkeiten zu deren BewÇltigung (kurz: KrankheitsbewÇltigung;<br />

insgesamt 12 Items)<br />

a) Antrieb<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 35 <strong>von</strong> 101<br />

- eingetragener Verein


) KÄrpererleben<br />

c)Angstsyndrome<br />

d) RealitÇtsbezug (Halluzinationen, Wahn)<br />

e) AbhÇngigkeit (Suchtverhalten)<br />

f) emotionale InstabilitÇt<br />

g) GedÇchtnis/Orientierung<br />

h) Auffassung/Intelligenz<br />

i) Sinnorientierung des Lebens<br />

k) bei kÄrperlicher Erkrankung/Behinderung<br />

l) selbstgefÇhrdendes Verhalten<br />

m) stÄrendes/fremdgefÇhrdendes Verhalten<br />

[ grenzen<strong>los</strong> ] -<br />

eingetragener Verein<br />

II. FÇhigkeiten, FÇhigkeitsstÄrungen und BeeintrÇchtigungen bei der<br />

Aufnahme und Gestaltung persÄnlicher/sozialer Beziehungen (kurz:<br />

Beziehungsgestaltung; 5 Items)<br />

a) im engeren Wohn-/Lebensbereich<br />

b) in Partnerschaft/Ehe<br />

c) in sonstigen familiÇren Beziehungen<br />

d) im AuÅenbereich<br />

e) im Bereich Ausbildung/Arbeit<br />

III. FÇhigkeiten, FÇhigkeitsstÄrungen und BeeintrÇchtigungen in den<br />

Lebensfeldern<br />

- Selbstsorge/Wohnen<br />

- Arbeit/arbeitsÇhnliche TÇtigkeiten/Ausbildung<br />

- Tagesgestaltung/Freizeit/Teilhabe am gesellschaftlichen Leben<br />

(kurz: Tagesstrukturierung/alltagspraktische Kompetenzen, 14 Items)<br />

a) ErnÇhrung<br />

b) KÄrperpflege/Kleidung<br />

c) Umgang mit Geld<br />

d) Wohnraumreinigung und -gestaltung<br />

e) MobilitÇt<br />

f) kÄrperliche AktivitÇten<br />

g) sprachliche AusdrucksfÇhigkeit<br />

h) Tag-Nacht-Rhythmus<br />

i) Inanspruchnahme psychiatrischer Hilfen<br />

k) Inanspruchnahme medizinischer/soz. Hilfen<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 36 <strong>von</strong> 101


[ grenzen<strong>los</strong> ] -<br />

eingetragener Verein<br />

l) Aufnahme einer BeschÇftigung/Arbeit/Ausb.<br />

m) ErfÉllung der Arbeits-/Ausbildungsanforderungen<br />

n) Gestaltung frei verfÉgbarer Zeit<br />

o) Teilnahme am gesellschaftlichen Leben<br />

(Vgl. hierzu auch die Ñbersicht unter A1. im Anhang)<br />

Der Aushandlungsprozess zur EinschÇtzung <strong>von</strong> FÇhigkeiten und FÇ-<br />

higkeitsstÄrungen unterliegt insbesondere bei der Erhebung des ersten<br />

IBRP einer essentiellen Vagheit. Die Nutzer/innen kommen in einen<br />

neuen, fÉr sie fremden Betreuungskontext in dem sie sich orientieren<br />

mÉssen und die Bezugsbetreuer/innen stehen vor der Aufgabe, die<br />

neuen Nutzer/innen erst einmal kennen lernen zu mÉssen, in dem Sin-<br />

ne, dass die Herstellung einer gemeinsamen Vertrauens- und Arbeits-<br />

basis im Vordergrund steht. Im Rahmen dieser Kontraktarbeit (Strauss<br />

1991; Strauss et al. 1985) kann die Erhebung des IBRP ein unterstÉt-<br />

zendes Instrument darstellen, sie kann die Nutzer/innen aber auch É-<br />

berfordern. Von daher flieÅen hÇufig auch vorgÇngige Epikrisen und<br />

Entwicklungs- bzw. Sozialberichte vorbehandelnder oder vorbetreuen-<br />

der Institutionen in die Entscheidungsfindung mit ein.<br />

Vor diesem Hintergrund betrachten wir die Erhebung eines IBRP nicht<br />

als ein einmaliges, in sich abgesch<strong>los</strong>senes Ereignis, sondern als einen<br />

Prozess, innerhalb dessen der IBRP den Anfangspunkt der Betreu-<br />

ungsplanung darstellt, der aber durch eine kontinuierliche Feindifferen-<br />

zierung durch individuelle MaÅnahmeplÇne ergÇnzt und fortgeschrieben<br />

wird.<br />

Auf einen anderen Aspekt, der gerade die Ersterhebung eines IBRP<br />

beeinflusst, wollen wir in diesem Zusammenhang noch hinweisen. Ge-<br />

rade auf Grund der oben angedeuteten essentiellen Vagheit der Erst-<br />

erhebung ist immer wieder zu beobachten, dass sich die Bezugsbe-<br />

treuer/innen in der EinschÇtzung <strong>von</strong> FÇhigkeiten und FÇhigkeitsstÄ-<br />

rungen auf die Bereiche zurÉckziehen, in denen sie sich kompetent und<br />

sicher fÉhlen. Je nach Mitarbeiter/innenstruktur einer Einrichtung kann<br />

dies zur Betonung <strong>von</strong> FÇhigkeitsstÄrungen im Bereich I. BeeintrÇchti-<br />

gungen/GefÇhrdungen durch die psychische Erkrankung und FÇhigkei-<br />

ten zu deren BewÇltigung oder im Bereich III. FÇhigkeiten, FÇhigkeits-<br />

stÄrungen und BeeintrÇchtigungen in den Lebensfeldern Selbstsor-<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 37 <strong>von</strong> 101


[ grenzen<strong>los</strong> ]<br />

ge/Wohnen, Arbeit/arbeitsÇhnliche TÇtigkeiten/Ausbildung, Tagesges-<br />

taltung/Freizeit/Teilhabe am gesellschaftlichen Leben fÉhren. Insbe-<br />

sondere der Bereich III. ist dabei <strong>von</strong> besonderer VerfÉhrungskraft, da<br />

die Mitarbeiter/innen unabhÇngig <strong>von</strong> ihrer Ausbildung und fachlichen<br />

Qualifikation eigene Kompetenzen im lebenspraktischen Bereich regu-<br />

lÇr unterstellen. Unter dem Aspekt des personenzentrierten Ansatzes,<br />

auf dem der IBRP aufbaut, liegt in diesem Bereich sicherlich auch im-<br />

mer eine besondere Verantwortung der TrÇger, auf eine nut-<br />

zer/innenadÇquate EinschÇtzung und Aushandlung <strong>von</strong> FÇhigkeiten<br />

und FÇhigkeitsstÄrungen zu achten.<br />

3.2.3 FÉhigkeitsstÄrungen und UnterstÅtzungsbedarf<br />

FÉr die EinschÇtzung der IntensitÇt notwendiger UnterstÉtzungsleistun-<br />

gen gilt das gleiche wie fÉr die EinschÇtzung <strong>von</strong> FÇhigkeiten und FÇ-<br />

higkeitsstÄrungen. Auch diese EinschÇtzung wird im Grundsatz ge-<br />

meinsam zwischen Nutzer/innen und Bezugsbetreuer/innen ausgehan-<br />

delt. Allerdings zeigt sich in der Praxis, dass das Aushandlungsprinzip,<br />

in dem die BeitrÇge der an der Aushandlung Beteiligten gleichberech-<br />

tigt sind, in diesem Bereich einigen EinschrÇnkungen unterliegt.<br />

Die Auswahl nicht-psychiatrischer Hilfen ist wesentlich an die Ärtlich<br />

zuhandene Infrastruktur geknÉpft. Es ist da<strong>von</strong> auszugehen, dass in<br />

stÇdtischen BallungsrÇumen sehr viel mehr und ausdifferenziertere<br />

MÄglichkeiten zur VerfÉgung stehen als im lÇndlich-dÄrflichen Raum. Im<br />

lÇndlichen Raum ist die Inanspruchnahme nicht-psychiatrischer Hilfen<br />

deshalb z.B. hÇufig an ausgeprÇgte Ressourcen in den Bereichen Mo-<br />

bilitÇt und rÇumliche Orientierung geknÉpft, die damit ihrerseits zu ten-<br />

denziell einschrÇnkenden Mechanismen fÉr diese Form der UnterstÉt-<br />

zungsleistungen werden kÄnnen.<br />

Bei der Auswahl psychiatrischer Hilfen befinden wir uns in dem Bereich<br />

der Erbringung professioneller UnterstÉtzungsleistungen. Hier sind die<br />

professionellen Helfer gegenÉber den Nutzer/innen in einer stÇrkeren<br />

Position, da sie den Ñberblick Éber die einrichtungsspezifischen und<br />

einrichtungsÉbergreifenden UnterstÉtzungsmÄglichkeiten haben (soll-<br />

ten), die fÉr die einzelnen Nutzer/innen aktiviert werden kÄnnen. Wir<br />

gehen da<strong>von</strong> aus, dass dieses professionelle Hintergrundwissen den<br />

Aushandlungsprozess Éber die IntensitÇt der psychiatrischen UnterstÉt-<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 38 <strong>von</strong> 101<br />

- eingetragener Verein


[ grenzen<strong>los</strong> ]<br />

zungsleistungen dergestalt beeinflusst und ggf. steuert, dass seitens<br />

der professionellen Helfer schon eine (stillschweigende und nicht un-<br />

bedingt bewusste) Vorauswahl „machbarer“ UnterstÉtzungsleistungen<br />

getroffen und den Nutzer/innen als adÇquate MaÅnahmen vermittelt<br />

wird. (Vgl. in diesem Zusammenhang die <strong>von</strong> SchÉtze 1992 herausge-<br />

arbeiteten Paradoxien professionellen Handelns.)<br />

Trotz dieser potenziell den Aushandlungsprozess einschrÇnkenden<br />

Aspekte gehen wir da<strong>von</strong> aus, dass die Bezugsbetreuer/innen in der<br />

Regel ihrer professionellen Verpflichtung nachkommen und gegenÉber<br />

den Nutzer/innen eine auf Partizipation ausgelegte Anwaltsfunktion<br />

Ébernehmen. Diese sollte sich in der adÇquaten EinschÇtzung der not-<br />

wendigen IntensitÇt der zu erbringenden UnterstÉtzungsleistungen<br />

ausdrÉcken.<br />

3.2.4 FÉhigkeitsstÄrungen und die Definition <strong>von</strong> Betreuungszielen<br />

Neben der EinschÇtzung und der Aushandlung <strong>von</strong> FÇhigkeiten bzw.<br />

FÇhigkeitsstÄrungen und dem zugehÄrigen Hilfebedarf stellt die Aus-<br />

handlung <strong>von</strong> Betreuungszielen einen weiteren wichtigen Aspekt der<br />

IBRP-Erhebung dar. Zum einen geht es um die Frage, was wollen die<br />

Nutzer/innen im Rahmen der Betreuung fÉr sich erreichen, zum ande-<br />

ren spielen in diesem Bereich auch die berechtigten AnsprÉche der<br />

KostentrÇger eine wichtige Rolle, die wissen wollen, mit welcher Ziel-<br />

setzung das fÉr die MaÅnahme zu bezahlende Geld verwendet wird.<br />

Mit der Definition <strong>von</strong> Zielen erfolgt zum einen eine Kursbestimmung im<br />

BinnenverhÇltnis <strong>von</strong> Nutzer/innen und Bezugsbetreuer/innen bzw. Ein-<br />

richtung und zum anderen eine Legitimation und ÑberprÉfbarkeit der<br />

MaÅnahme im AuÅenverhÇltnis. Unterliegt die Zieldefinition damit<br />

schon einer doppelten Erwartungshaltung, so wird das Verfahren zu-<br />

sÇtzlich dadurch erschwert, dass die Kriterien zur Zielbestimmung und<br />

vor allem zur ZielÉberprÉfung gegenwÇrtig reichlich unscharf sind. So<br />

kann die Zielbestimmung unter dem Aspekt des WÉnschenswerten<br />

erfolgen und damit in der Regel langfristig ausgerichtet werden. Sie<br />

kann sich aber auch an operationalisierbaren Einzelschritten orientie-<br />

ren, die kurz- oder mittelfristig erreichbar sind und Fortschritte der Nut-<br />

zer/innen in Teilbereichen erkennen lassen. UnabhÇngig da<strong>von</strong>, fÉr<br />

welche Vorgehensweise man sich entscheidet, bleibt die Frage, in wel-<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 39 <strong>von</strong> 101<br />

- eingetragener Verein


[ grenzen<strong>los</strong> ]<br />

cher Weise ÉberprÉft werden kann, ob ein Ziel erreicht wurde oder<br />

nicht. Es wird mutmaÅlich eher selten sein, dass ein Ziel vollstÇndig<br />

erreicht wird. Der hÇufigere Fall dÉrfte die teilweise Zielerreichung sein.<br />

Es ist in diesem Zusammenhang sicherlich mÄglich, eine Verbesserung<br />

der Nutzer/innen im Bereich der EinschÇtzung <strong>von</strong> FÇhigkeiten und<br />

FÇhigkeitsstÄrungen als Kriterium heranzuziehen. Trotzdem bleibt das<br />

Problem der Messbarkeit bzw. der Frage, wer entscheidet unter wel-<br />

chem Blickwinkel, ob Betreuungsziele erreicht wurden oder nicht. Ist<br />

dies das Privileg der Nutzer/innen, haben die betreuenden Mitarbei-<br />

ter/innen ein ergÇnzendes Recht zur Stellungnahme oder entscheidet<br />

der KostentrÇger nach amtsÇrztlichen Gutachten?<br />

Wie auch immer die Entscheidung Éber die Kriterien zur Zieldefinition<br />

und zur Zielerreichung aussehen mag (vgl. hierzu ausfÉhrlich 4.1.1), so<br />

ist doch zu unterstellen, dass die generelle Erwartungshaltung aller<br />

Beteiligten darin besteht, dass die Anzahl und die IntensitÇt der FÇhig-<br />

keitsstÄrungen der Nutzer/innen im Rahmen der Betreuung gemindert<br />

werden sollten. Dies ist letztendlich der Auftrag sozialpsychiatrischer<br />

Einrichtungen, ohne dass hierbei verkannt werden soll, dass es fÉr vie-<br />

le Nutzer/innen auch einen groÅen Erfolg bedeutet, ein bestimmtes<br />

Kompetenzniveau so stabilisieren zu kÄnnen, dass es nicht zu einer<br />

Zunahme <strong>von</strong> FÇhigkeitsstÄrungen kommt.<br />

3.3 Zur Untersuchung des Bereichs FÉhigkeiten/ FÉhigkeitsstÄrun-<br />

gen<br />

Aus dem bisher Gesagten haben wir folgende, fÉr uns grundlegende<br />

Untersuchungsfragen abgeleitet:<br />

Bestehen direkte ZusammenhÇnge zwischen der IntensitÇt der FÇhig-<br />

keitsstÄrungen der Nutzer/innen und<br />

1. der professionellen BetreuungsintensitÇt<br />

2. der Aktivierung nicht-psychiatrischer Hilfen<br />

3. der Definition <strong>von</strong> Betreuungszielen<br />

4. der IntensitÇt der Betreuung<br />

und wenn ja, in welcher Weise zeigen sich diese?<br />

Diese Untersuchungsfragen waren fÉr uns unter dem Aspekt grundle-<br />

gend, dass wir einen statistisch fundierten Orientierungsgewinn erwar-<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 40 <strong>von</strong> 101<br />

- eingetragener Verein


[ grenzen<strong>los</strong> ]<br />

teten, um die personenzentrierte Arbeit weiter individualisieren und den<br />

BedÉrfnissen der Nutzer/innen noch weiter anpassen zu kÄnnen.<br />

In die Untersuchung f<strong>los</strong>sen die Betreuungsdaten aller <strong>von</strong> uns bisher<br />

in den letzten neun Monaten betreuten Nutzer/innen ein. Die Grundge-<br />

samtheit betrug n=23.<br />

FÉr die Untersuchung nutzten wir das Datenmaterial unseres Dokumen-<br />

tationswesens, innerhalb dessen fortlaufend die Anzahl und die Dauer<br />

<strong>von</strong> BetreuungsaktivitÇten erfasst werden. Die BetreuungsaktivitÇten<br />

werden <strong>von</strong> den Mitarbeiter/innen den einzelnen Items zugeordnet, die<br />

wir im Rahmen unserer Leistungs- und QualitÇtsvereinbarung (LQV) mit<br />

dem KostentrÇger vereinbart haben. Die einzelnen Items der LQV ent-<br />

sprechen in der Regel den Items des IBRP, so dass wir hier eine mehr<br />

oder weniger direkte Zuordnung zwischen den im IBRP erfassten Daten<br />

zu FÇhigkeitsstÄrungen, nicht-psychiatrischen bzw. psychiatrischen<br />

Hilfen und den vereinbarten Betreuungszielen vornehmen kÄnnen. Dies<br />

gilt mit der Ausnahme, dass die AktivitÇten im Bereich I. des IBRP<br />

(KrankheitsbewÇltigung) im Rahmen der Dokumentation nur summa-<br />

risch und nicht Item fÉr Item erfasst werden. Dies hat spezifische Aus-<br />

wirkungen auf die Ergebnisstruktur, auf die wir bei der Darstellung der<br />

Untersuchungsergebnisse gesondert eingehen werden.<br />

Hinzu kamen die IBRP-Daten aller Nutzer/innen in den Bereichen FÇ-<br />

higkeiten/FÇhigkeitsstÄrungen, nicht-psychiatrische Hilfen, psychiatri-<br />

sche Hilfen und Zieldefinitionen, die wir item-spezifisch aufbereitet ha-<br />

ben.<br />

3.3.1 Zum Zusammenhang zwischen FÉhigkeitsstÄrungen und Un-<br />

terstÅtzungsleistungen<br />

Unser Interesse war es, im Rahmen der Untersuchung zu Werten zu<br />

gelangen, die auf den Einzelfall als Orientierungshorizont anwendbar<br />

sind. Deshalb haben wir die aggregierten Daten durch die Grundge-<br />

samtheit dividiert, so dass wir ein durchschnittliches Nutzer/innenprofil<br />

erhielten. Auf diese Art und Weise entstand die folgende Ergebnista-<br />

belle:<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 41 <strong>von</strong> 101<br />

- eingetragener Verein


[ grenzen<strong>los</strong> ]<br />

I. BeeintrÇchtigungen/GefÇhrdungen durch die psychische Erkrankung<br />

und FÇhigkeiten zu deren BewÇltigung<br />

n=23 IBRP-Item FS npH pH<br />

I.a) Antrieb 2,17 0,57 3,76<br />

I.b) KÄrpererleben 1,50 0,66 2,26<br />

I.c) Angstsyndrome 1,59 0,49 2,30<br />

I.d) RealitÇtsbezug 1,37 0,49 2,26<br />

I.e) AbhÇngigkeit 2,08 0,75 3,32<br />

I.f) Emotionale InstabilitÇt 2,17 0,62 3,23<br />

I.g) GedÇchtnis/Orientierung 1,59 0,57 3,05<br />

I.h) Auffassung/Intelligenz 1,55 0,62 2,83<br />

I.i) Sinnorientierung des Lebens 1,86 0,62 2,48<br />

I.k) bei kÄrperlicher Erkrankung 1,15 0,57 1,99<br />

I.l) selbstgefÇhrdendes Verhalten 1,37 0,66 2,26<br />

I.m) stÄrendes/fremdgefÇhrdendes Verhalten 1,02 0,66 2,17<br />

II. FÇhigkeiten, FÇhigkeitsstÄrungen und BeeintrÇchtigungen bei der Auf-<br />

nahme und Gestaltung persÄnlicher/sozialer Beziehungen<br />

n=23 IBRP-Item FS npH pH<br />

II.a) im engeren Wohn-/Lebensbereich 1,59 0,53 2,96<br />

II.b) in Partnerschaft/Ehe 2,30 0,18 2,83<br />

II.c) in sonstigen familiÇren Beziehungen 1,90 0,75 2,48<br />

II.d) im AuÅenbereich 1,86 0,40 2,56<br />

II.e) im Bereich Ausbildung/Arbeit 2,21 0,31 2,56<br />

III. FÇhigkeiten, FÇhigkeitsstÄrungen und BeeintrÇchtigungen in den Le-<br />

bensfeldern Selbstsorge/Wohnen, Arbeit/arbeitsÇhnliche TÇtigkei-<br />

ten/Ausbildung, Tagesgestaltung/Freizeit/Teilhabe am gesellschaftlichen<br />

Leben<br />

n=23 IBRP-Item FS npH pH<br />

III.a) ErnÇhrung 1,59 0,75 2,96<br />

III.b) KÄrperpflege/Kleidung 1,19 0,62 1,90<br />

III.c) Umgang mit Geld 2,17 0,35 3,23<br />

III.d) Wohnraumreinigung/-gestaltung 1,24 0,80 2,26<br />

III.e) MobilitÇt 0,84 0,80 1,33<br />

III.f) kÄrperliche AktivitÇten 1,37 0,62 2,52<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 42 <strong>von</strong> 101<br />

- eingetragener Verein


[ grenzen<strong>los</strong> ]<br />

III.g) sprachliche AusdrucksfÇhigkeit 0,93 0,62 1,77<br />

III.h) Tag-/Nacht-Rhythmus 1,81 0,57 3,45<br />

III.i) Inanspruchnahme psychiatrischer Hilfen 1,55 0,57 2,65<br />

III.k) Inanspruchnahme soz./med. Hilfen 1,46 0,62 2,52<br />

III.l) Aufnahme einer BeschÇftigung 1,90 0,35 3,18<br />

III.m) ErfÉllung der Arbeitsanforderungen 1,81 0,53 3,10<br />

III.n) Gestaltung frei verfÉgbarer Zeit 1,86 0,71 3,41<br />

III.o) Teilnahme am gesell. Leben 1,86 0,66 2,56<br />

Legende: FS = FÇhigkeitsstÄrungen; npH = nichtpsychiatrische Hilfen; pH = psychiatrische Hilfen<br />

(Durchschnittswerte nach IBRP-IntensitÇtsgrad)<br />

In der Spalte „FS“ wird je IBRP-Item die durchschnittliche IntensitÇt der<br />

FÇhigkeitsstÉrungen aller Nutzer/innen, die an der Erhebung beteiligt<br />

waren (n=23) angegeben bei einem Minimalwert <strong>von</strong> 0,84, einem Ma-<br />

ximalwert <strong>von</strong> 2,30 und einem Mittelwert <strong>von</strong> 1,64. Mit diesem Mittelwert<br />

liegen die FÇhigkeitsstÉrungen der Nutzer/innen unserer Angebote<br />

durchschnittlich knapp unter dem Wert „ausgeprÇgte BeeintrÇchtigung“<br />

(=2). Bedauerlicherweise kÉnnen wir derzeit nicht einschÇtzen, ob diese<br />

Durchschnittswerte auf besonders leichte oder besonders schwere Be-<br />

eintrÇchtigungen der Nutzer/innen unserer Angebote verweisen, da uns<br />

hierfÑr keine Vergleichsdaten anderer Anbieter zur VerfÑgung stehen.<br />

Im Bereich der nicht-psychiatrischen Hilfen (Spalte „npH“) zeigt sich ein<br />

Minimalwert <strong>von</strong> 0,18, ein Maximalwert <strong>von</strong> 0,80 und ein Mittelwert <strong>von</strong><br />

0,58. Die insgesamt niedrigen Werte weisen daraufhin, dass die Akti-<br />

vierung nicht-psychiatrischer Hilfen in der Betreuung eine eher unter-<br />

geordnete Rolle in unseren Angeboten spielt. Der Mittelwert zeigt in<br />

diesem Zusammenhang an, dass es lediglich „keine“ bis „geringe Res-<br />

sourcen“ gibt, diese Hilfeart zu aktivieren.<br />

In der Spalte „pH“ wird die durchschnittliche IntensitÇt psychiatrischer<br />

Hilfen je IBRP-Item angegeben. In diesem Bereich zeigt sich ein Mini-<br />

malwert <strong>von</strong> 1,33, ein Maximalwert <strong>von</strong> 3,76, bei einem Mittelwert <strong>von</strong><br />

2,65. Mit diesem Wert liegt der Bereich erforderlicher psychiatrischer<br />

Hilfen zwischen „ErschlieÖung <strong>von</strong> Hilfen im Umfeld“ und „individueller<br />

Planung, Beobachtung, RÑckmeldung“ mit Tendenz zu letzterem.<br />

Da unser Ausgangspunkt der Bereich FÇhigkeiten/FÇhigkeitsstÉrungen<br />

war, hat dieser Bereich Strukturfunktion fÑr die weitere Auswertung der<br />

Tabelle 1 bekommen, so dass wir die Werte dieses Bereichs aufstei-<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 43 <strong>von</strong> 101<br />

- eingetragener Verein


[ grenzen<strong>los</strong> ]<br />

gend nach Schweregrad sortiert und die entsprechenden Werte aus<br />

den Bereichen nicht-psychiatrische Hilfen, psychiatrische Hilfen zuge-<br />

ordnet und mit den Daten zur Zieldefinition unterlegt haben. Das Er-<br />

gebnis dieser Zuordnung ist in der folgenden Grafik 1 wiedergegeben.<br />

In der Grafik zeigt sich, dass sich die Werte der FÇhigkeitsstÄrungen,<br />

der psychiatrischen und der nicht-psychiatrischen Hilfen jeweils um eine<br />

Trendlinie gruppieren.<br />

Als zweites Ergebnis ist erkennbar, dass dem Anstieg im Bereich FÇ-<br />

higkeitsstÄrungen ein Anstieg im Bereich psychiatrischer Hilfen ent-<br />

spricht. DemgegenÉber sinken die Werte im Bereich der nicht-<br />

psychiatrischen Hilfen mit zunehmendem Anstieg des Bereichs FÇhig-<br />

keitsstÄrungen.<br />

Wir interpretieren die Ergebnisse in die Richtung, dass der Grad der<br />

FÇhigkeitsstÄrungen mit der IntensitÇt psychiatrischer Hilfen korreliert.<br />

FÉr den Zusammenhang zwischen dem Grad der FÇhigkeitsstÄrungen<br />

und den aktivierbaren nicht-psychiatrischen Hilfen gehen wir <strong>von</strong> einem<br />

umgekehrt proportionalen VerhÇltnis aus, je grÄÅer die BeeintrÇchti-<br />

gung ist, desto weniger MÄglichkeiten gibt es zur Aktivierung nicht-<br />

psychiatrischer Hilfen.<br />

Diese Interpretation wird nach unserer Auffassung insbesondere durch<br />

das VerhÇltnis der jeweiligen Trendlinien zu einander gestÉtzt.<br />

Bemerkenswert sind in diesem Zusammenhang die relativ groÅen Aus-<br />

schlÇge der Ergebniskurve im VerhÇltnis zur Trendlinie im Bereich der<br />

psychiatrischen Hilfen. Diese AusschlÇge weisen daraufhin, dass die<br />

Nutzer/innen unserer Angebote im VerhÇltnis zum Grad der BeeintrÇch-<br />

tigung teilweise unter- und teilweise Éberversorgt werden. Der Auftrag,<br />

den wir fÉr uns aus diesem Ergebnis ableiten, besteht darin, die Intensi-<br />

tÇt der UnterstÉtzungsleistungen deutlicher an den entsprechenden<br />

Grad der BeeintrÇchtigung anzugleichen. Dabei gehen wir durchaus<br />

da<strong>von</strong> aus, dass es nicht gelingen wird, hier ein absolut deckungsglei-<br />

ches VerhÇltnis herzustellen. Das Ziel besteht aber darin, die GrÄÅe der<br />

AusschlÇge zu minimieren.<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 44 <strong>von</strong> 101<br />

- eingetragener Verein


Anzahl/IntensitÉt<br />

4,000<br />

3,500<br />

3,000<br />

2,500<br />

2,000<br />

1,500<br />

1,000<br />

0,500<br />

0,000<br />

[ grenzen<strong>los</strong> ] -<br />

eingetragener Verein<br />

Grafik 1: FÉhigkeitsstÄrungen im VerhÉltnis zu (nicht-) psychiatrischen Hilfen<br />

III.e)<br />

III.g)<br />

I.m)<br />

I.k)<br />

III.b)<br />

III.d)<br />

I.d)<br />

I.l)<br />

III.f)<br />

III.k)<br />

I.b)<br />

I.h)<br />

III.i)<br />

I.c)<br />

I.g)<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 45 <strong>von</strong> 101<br />

II.a)<br />

IBRP-Items<br />

III.a)<br />

III.h)<br />

III.m)<br />

I.i)<br />

II.d)<br />

III.n)<br />

III.o)<br />

II.c)<br />

III.l)<br />

I.e)<br />

I.a)<br />

I.f)<br />

III.c)<br />

II.e)<br />

II.b)<br />

FS<br />

npH<br />

pH<br />

Linear (pH)<br />

Linear (FS)<br />

Linear (npH)


[ grenzen<strong>los</strong> ] -<br />

eingetragener Verein<br />

3.3.2 Zum Zusammenhang zwischen FÉhigkeitsstÄrungen und Ziel-<br />

setzungen bzw. BetreuungsintensitÉt<br />

Zur Untersuchung der Fragestellung, ob es einen Zusammenhang zwi-<br />

schen FÇhigkeitsstÄrungen und Zielsetzungen bzw. zwischen FÇhig-<br />

keitsstÄrungen und BetreuungsintensitÇt gibt, haben wir den methodi-<br />

schen Weg gewÇhlt, die Basisdaten unserer Dokumentation dergestalt<br />

aufzubereiten, dass wir Cluster gebildet haben, die sich an den drei<br />

Erhebungsbereichen des IBRP orientieren. Wir haben <strong>von</strong> unseren<br />

Grunddaten in einem ersten Auswertungsschritt Durchschnittswerte je<br />

IBRP-Item gebildet, diese dann bereichsspezifisch summiert und dann<br />

den Durchschnittswert je IBRP-Bereich mittels Division durch die An-<br />

zahl der IBRP-Items gebildet.<br />

Dieses Verfahren haben wir sowohl auf die Anzahl der verabredeten<br />

Betreuungsziele, als auch auf die Anzahl und die Dauer der AktivitÇten<br />

angewandt. FÉr den Bereich „FÇhigkeitsstÄrungen“ haben wir eine Be-<br />

schrÇnkung auf die Anzahl der Nennungen mit der IntensitÇt „beglei-<br />

tende, Ébende UnterstÉtzung“ (IntenisitÇtsniveau 4) und „regelmÇÅiges<br />

intensives individuelles Angebot“ (IntenisitÇtsniveau 5) vorgenommen,<br />

da wir in unseren Angeboten die Regel haben, dass Ziele insbesondere<br />

zu den Items verabredet werden, die die genannten IntensitÇtsniveaus<br />

ausweisen. In der Summe haben wir in den IntensitÇtsniveaus 4 und 5<br />

insgesamt 250 Nennungen, das sind im Durchschnitt 11 Nennungen<br />

pro Nutzer/in. DemgegenÉber wurden insgesamt 113 Betreuungsziele<br />

zwischen den Nutzer/innen und den Mitarbeiter/innen vereinbart. Das<br />

entspricht einem Durchschnitt <strong>von</strong> 4,7 Zielen pro Nutzer/in. Vor dem<br />

Hintergrund, dass der IBRP in unseren Angeboten nach 6 Monaten<br />

einer Revision unterzogen wird, bedeutet dieses Ergebnis, dass die<br />

Ziele mit einer Laufzeit <strong>von</strong> einem halben Jahr vereinbart wurden.<br />

Anders ausgedrÉckt bedeutet das, dass zwar 11 Ziele pro Nutzer/in<br />

wÉnschenswert gewesen wÇren, da bei 11 IBRP-Items pro Nutzer/in<br />

eine erhebliche BeeintrÇchtigung eingeschÇtzt wurde, dass aber nur 45<br />

% der BeeintrÇchtigungen im Bezugszeitraum eines halben Jahres ge-<br />

zielt angegangen wurden bzw. angegangen werden konnten.<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 46 <strong>von</strong> 101


[ grenzen<strong>los</strong> ] -<br />

eingetragener Verein<br />

Dieses Zwischenergebnis hat uns zu der oben beschriebenen Cluster-<br />

bildung veranlasst, um eine Vergleichbarkeit der Werte herstellen zu<br />

kÄnnen. Das Resultat des Verfahrens ist in der Grafik 2 abgebildet.<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 47 <strong>von</strong> 101


Anzahl/Stunden<br />

12,0<br />

10,0<br />

8,0<br />

6,0<br />

4,0<br />

2,0<br />

0,0<br />

[ grenzen<strong>los</strong> ] -<br />

eingetragener Verein<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 48 <strong>von</strong> 101<br />

Grafik 2: IBRP-Bereiche im Vergleich<br />

Mittelwert I. - Ber. II. - Ber. III. - Ber.<br />

IBRP-Bereiche<br />

Ziele<br />

FS (4 - 5)<br />

AktivitÇten<br />

Dauer AktivitÇten<br />

Dauer/AktivitÇt


[ grenzen<strong>los</strong> ] -<br />

eingetragener Verein<br />

An der Grafik 2 ist augenfÇllig, dass die Graphen der FÇhigkeitsstÄrun-<br />

gen (IntensitÇtsniveau 4 und 5), der Ziele und der durchschnittlichen<br />

Dauer/AktivitÇt/IBRP-Item nur geringfÉgig <strong>von</strong> ihrem Mittelwert abwei-<br />

chen und Éber alle drei IBRP-Bereiche nahezu parallel verlaufen.<br />

In Zahlen ausgedrÉckt bedeutet das, dass wir im Bereich der FÇhig-<br />

keitsstÄrungen ein mittleres Niveau <strong>von</strong> 8,1 Nennungen in den Intensi-<br />

tÇtsniveaus 4 und 5 je IBRP-Item haben, wÇhrend das mittlere Niveau<br />

der Zielsetzungen bei 3,6 Nennungen liegt. Ñber alle drei IBRP-<br />

Bereiche ist eine durchschnittliche Dauer je AktivitÇt je IBRP-Item pro<br />

Woche <strong>von</strong> 24 Minuten zu verzeichnen.<br />

Dieses Ergebnis bewerten wir positiv, da in ihm zum Ausdruck kommt,<br />

dass sich die Ansteuerung der BeeintrÇchtigungen bzw. FÇhigkeitsstÄ-<br />

rungen durch Betreuungsziele Éber alle drei Bereiche des IBRP gleich-<br />

mÇÅig erstreckt und keine bereichsspezifischen Konzentrationen fest-<br />

zustellen sind. Mit diesem Ergebnis deutet sich an, dass die Mitarbei-<br />

ter/innen die Nutzer/innen in ihrer gesamten KomplexitÇt der individuel-<br />

len Problemlage sehen und dieser in der Aushandlung <strong>von</strong> Betreu-<br />

ungszielen Rechnung tragen.<br />

Dem gegenÉber zeigen die Graphen der Anzahl der AktivitÇten je<br />

IBRP-Item und der Dauer der AktivitÇten je IBRP-Item deutliche Aus-<br />

schlÇge Éber die einzelnen Bereiche des IBRP. In diesem Ergebnis<br />

macht sich zum einen die Umstellung unserer einrichtungsinternen Do-<br />

kumentation bemerkbar, in der in den ersten ca. drei Erhebungsmona-<br />

ten keine AktivitÇten im Bereich I. (KrankheitsbewÇltigung) zugeordnet<br />

wurden. Trotzdem gehen wir da<strong>von</strong> aus, dass die in den Graphen deut-<br />

lich werdende Schwerpunktsetzung der AktivitÇten im Bereich II., also<br />

im Bereich der Beziehungsgestaltung, ein durchaus dauerhaftes und<br />

<strong>von</strong> der Tendenz her wiederholbares Ergebnis ist, da sich in diesem<br />

Bereich der konzeptionelle Schwerpunkt der Bezugsbetreuung be-<br />

merkbar macht. Wir verfolgen mit der Bezugsbetreuung den konzeptio-<br />

nellen Ansatz, die Beziehung zwischen der/m bezugsbetreuten Nut-<br />

zer/in und der/m bezugsbetreuenden Mitarbeiter/in als eine Art Muster-<br />

beziehung zu definieren, das heiÅt wir gehen da<strong>von</strong> aus, dass das Be-<br />

ziehungs- und Interaktionsverhalten der/s Nutzer/in, wie es im Umgang<br />

mit der/m Mitarbeiter/in deutlich wird, <strong>von</strong> dieser/m auch in anderen,<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 49 <strong>von</strong> 101


[ grenzen<strong>los</strong> ] -<br />

eingetragener Verein<br />

vergleichbaren Situationen praktiziert wird, so dass Entwicklungen im<br />

Hinblick auf situations- und adressatenadÇquates Verhalten auch im-<br />

mer Wirkungen im AuÅenbereich der Nutzer/innen haben werden. In<br />

regelmÇÅigen EinzelgesprÇchen zwischen Nutzer/innen und Bezugsbe-<br />

treuer/innen werden dann spezifische Ereignisse oder Situationen re-<br />

flektiert und tentativ Strategien fÉr den nÇchsten Zeitabschnitt verabre-<br />

det. Dass diese GesprÇche, wie auch wiederkehrende Kurzkontakte im<br />

Angebotsalltag, nicht ausschlieÅlich der Beziehungsgestaltung im rein<br />

formalistischen Sinne dienen, sondern gerade im Bereich der Bezie-<br />

hungsgestaltung auch immer die dahinter liegenden BeeintrÇchtigun-<br />

gen durch die Krankheit in den Fokus geraten, ist selbstredend.<br />

Durch diese quasi-therapeutische Vorgehensweise ist der Bereich der<br />

Beziehungsgestaltung - genauer gefasst, der Bereich der Beziehungs-<br />

gestaltung im engeren Wohn-/Lebensbereich - <strong>von</strong> anderen Formen<br />

der Beziehungsgestaltung und vom Bereich der tagesstrukturierenden<br />

und alltagsunterstÉtzenden AktivitÇten scharf abgegrenzt. in den zuletzt<br />

genannten Bereichen sind die AktivitÇten <strong>von</strong> Nutzer/innen und Mitar-<br />

beiter/innen in der Regel auf einen konkreten Zweck hin ausgerichtet:<br />

Die Kontaktaufnahme zur Herkunftsfamilie erfolgt beispielsweise durch<br />

UnterstÉtzung <strong>von</strong> Telefonaten oder Briefen, die UnterstÉtzung zur<br />

Wohnraumreinigung durch konkrete Ñbungen etc. Diese zweckbe-<br />

stimmten, Ébenden AktivitÇten sind nicht zwangslÇufig an die Bezie-<br />

hung zwischen Nutzer/in und Bezugsbetreuer/in gebunden, sondern<br />

kÄnnen auch <strong>von</strong> anderen Mitarbeiter/innen mit den Nutzer/innen<br />

durchgefÉhrt werden und werden auch <strong>von</strong> anderen Mitarbeiter/innen in<br />

unseren Angeboten durchgefÉhrt. Die AktivitÇten selbst haben den<br />

Charakter eines handlungsorientierten Kompetenztrainings.<br />

Insofern enthÇlt die Dokumentation <strong>von</strong> AktivitÇten im Bereich Bezie-<br />

hungsgestaltung zu einem wesentlichen Teil auch immer AktivitÇten zur<br />

KrankheitsbewÇltigung, das heiÅt sie kÄnnten auch im Bereich I. doku-<br />

mentiert werden. Wir haben intern die Absprache getroffen, dass der<br />

Fokus bei dieser Kategorie AktivitÇten trotzdem auf Beziehungsgestal-<br />

tung gelegt wird. Mit dieser Regelung wollen wir dem Umstand Rech-<br />

nung tragen, dass unsere Angebote nicht originÇr psychotherapeutisch<br />

sondern sozialtherapeutisch ausgerichtet sind. Wir versuchen mit unse-<br />

ren Angeboten, die Nutzer/innen umfassend durch das Zusammenwir-<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 50 <strong>von</strong> 101


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eingetragener Verein<br />

ken <strong>von</strong> Ñbungen zur alltagspraktischen Kompetenz und durch ge-<br />

sprÇchstherapeutische AktivitÇten zur Beziehungsgestaltung und zur<br />

KrankheitsbewÇltigung zu unterstÉtzen.<br />

Die herausgehobene Bedeutung der Beziehungsgestaltung im engeren<br />

Wohn-/ Lebensumfeld kommt in der statistischen Auswertung unserer<br />

Dokumentation auch dadurch zum Ausdruck, dass dieser Bereich rund<br />

76% aller AktivitÇten und 78% des Zeitaufwands des Bereichs Bezie-<br />

hungsgestaltung umfasst und immerhin noch 24% der GesamtaktivitÇ-<br />

ten pro Nutzer/in und 20% des Zeitaufwands je Nutzer/in beinhaltet.<br />

Aus den in der Grafik 2 dargestellten Ergebnissen erschlieÅt sich aber<br />

nach unserer Auffassung auch, dass man nicht <strong>von</strong> einem direkten<br />

Zusammenhang zwischen FÇhigkeitsstÄrungen und Zielsetzungen der<br />

Betreuung bzw. zwischen FÇhigkeitsstÄrungen und den damit verbun-<br />

denen AktivitÇten und ihrem Zeitaufwand ausgehen sollte. Vielmehr<br />

befinden wir uns hier nach unserer EinschÇtzung in einem Bereich, in<br />

dem die konzeptionelle Ausrichtung der datenerhebenden Einrichtun-<br />

gen erhebliche Auswirkungen auf die Ergebnisgestaltung und -<br />

interpretation bekommt. Positiv bewerten wir daran, dass sich die kon-<br />

zeptionelle Ausrichtung auch in den dokumentierten Daten bemerkbar<br />

macht, so dass <strong>von</strong> einer gewissen Kongruenz zwischen „Anspruch<br />

und Wirklichkeit“, das heiÅt zwischen Konzeption und Praxis ausge-<br />

gangen werden kann.<br />

3.4 Zusammenfassung<br />

Mit der hier dargestellten internen Untersuchung und ihren Ergebnissen<br />

haben wir die Arbeitsweise prÇsentiert, wie sie fÉr die Angebote <strong>von</strong><br />

<strong>Grenzen</strong>-<strong>los</strong> e.V. kennzeichnend ist. FÉr den Rahmen unserer Angebo-<br />

te betrachten wir die Ergebnisse als konsistent und als wichtige Rich-<br />

tungsweiser sowohl fÉr unsere praktische Arbeit als auch fÉr den weite-<br />

ren Fortgang unserer internen Datenerhebung.<br />

Als neuen konsistenten Wissensbestand leiten wir aus den Ergebnis-<br />

sen der Untersuchung ab, dass es einen direkten Zusammenhang zwi-<br />

schen den Bereichen FÇhigkeitsstÄrungen und psychiatrischen bzw.<br />

nicht- psychiatrischen Hilfen gibt. Dieser Zusammenhang ist zwischen<br />

den Bereichen FÇhigkeitsstÄrungen und psychiatrischer Hilfebedarf<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 51 <strong>von</strong> 101


[ grenzen<strong>los</strong> ] -<br />

eingetragener Verein<br />

durch eine direkte ProportionalitÇt gekennzeichnet. Zwischen den Be-<br />

reichen FÇhigkeitsstÄrungen und nicht-psychiatrischen Hilfen ist dieser<br />

Zusammenhang durch eine umgekehrte ProportionalitÇt gekennzeich-<br />

net.<br />

Als praxisrelevante Erkenntnis leiten wir aus diesen ProportionalitÇten<br />

die Notwendigkeit der sorgfÇltigeren und genaueren EinschÇtzung ins-<br />

besondere des psychiatrischen Hilfebedarfs ab, um - zumindest ten-<br />

denziell - Aspekte <strong>von</strong> Unter- bzw. Ñberversorgung der Nutzer/innen in<br />

einzelnen IBRP-Bereichen zu vermindern. Wir gehen zum gegenwÇrti-<br />

gen Zeitpunkt nicht da<strong>von</strong> aus, dass wir diese ganz vermeiden kÄnnen.<br />

Genauso wichtig ist fÉr uns das Ergebnis, dass FÇhigkeitsstÄrungen<br />

und vereinbarte Zielsetzungen eine nahezu parallele Entsprechung<br />

Éber alle drei IBRP-Bereiche hinweg haben.<br />

Im Hinblick auf eine praxisorientierte Versorgungsforschung und ggf.<br />

auch im Hinblick auf die Entwicklung <strong>von</strong> Prognosekriterien wÉrden wir<br />

gerne unsere Ergebnisse mit denen anderer Anbieter vergleichen. Wir<br />

erwarten, dass durch die Kontrastierung mit anderen Ergebnissen ein<br />

zusÇtzlicher Erkenntnisgewinn entstehen kÄnnte. Dieser kÄnnte sich<br />

auf folgende Aspekte beziehen:<br />

EinschÇtzung des Spektrums und des Durchschnittswerts der In-<br />

tensitÇt der FÇhigkeitsstÄrungen im trÇgerÉbergreifenden Vergleich<br />

EinschÇtzungsgenauigkeit im VerhÇltnis zu den zu Grunde liegen-<br />

den FÇhigkeitsstÄrungen<br />

EinschÇtzung des UnterstÉtzungsbedarfs fÉr spezifische Konstella-<br />

tionen an FÇhigkeitsstÄrungen (Anzahl und Dauer <strong>von</strong> UnterstÉt-<br />

zungsleistungen)<br />

Verifizierung/Falsifizierung der These <strong>von</strong> der ProportionalitÇt zwi-<br />

schen FÇhigkeitsstÄrungen und nicht-psychiatrischen bzw. psychiat-<br />

rischen Hilfen<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 52 <strong>von</strong> 101


3.5 Berechnung der Betreuungskonsistenz<br />

[ grenzen<strong>los</strong> ] -<br />

eingetragener Verein<br />

Ausgehend <strong>von</strong> den Ergebnissen der oben dargestellten Untersuchung<br />

zum Bereich FÇhigkeitsstÄrungen haben wir die Zielsetzung entwickelt,<br />

zu einer Kennziffer zu kommen, die den Betreuungsverlauf einer/s ein-<br />

zelnen Nutzer/in aussagefÇhig zusammenfasst. DafÉr haben wir die<br />

festgestellten Korrelationen zwischen den Bereichen FÇhigkeitsstÄrun-<br />

gen und (nicht-) psychiatrischem Hilfebedarf zu Grunde gelegt. Dieses<br />

Ergebnis haben wir durch die Normalformerwartung ergÇnzt, dass in<br />

den Bereichen, in denen die grÄÅten FÇhigkeitsstÄrungen zu verzeich-<br />

nen sind, auch Ziele vereinbart werden und diese Ziele im Rahmen <strong>von</strong><br />

MaÅnahmeplÇnen und durch die entsprechenden BetreuungsaktivitÇten<br />

angesteuert werden. Wir haben die festgestellten Korrelationen ver-<br />

suchsweise auf zusÇtzliche Bereiche ausgeweitet, so dass wir <strong>von</strong> den<br />

folgenden fÉnf Korrelationsbereichen ausgehen:<br />

1. FÇhigkeitsstÄrungen zu nicht-psychiatrischem Hilfebedarf<br />

2. FÇhigkeitsstÄrungen zu psychiatrischem Hilfebedarf<br />

3. FÇhigkeitsstÄrungen zur Anzahl vereinbarter Ziele<br />

4. FÇhigkeitsstÄrungen zur Anzahl der im MaÅnahmeplan vereinbarten<br />

AktivitÇten<br />

5. FÇhigkeitsstÄrungen zur Anzahl der durchgefÉhrten Betreuungsak-<br />

tivitÇten<br />

FÉr den ersten Korrelationsbereich gehen wir <strong>von</strong> einer negativen Kor-<br />

relation im Sinne einer umgekehrten ProportionalitÇt aus, so dass der in<br />

diesem Bereich zu erreichende Maximalwert bei -1,00 liegt.<br />

FÉr die Ébrigen Korrelationen gehen wir <strong>von</strong> einer positiven Korrelation,<br />

also einer direkten ProportionalitÇt, mit einem jeweiligen Maximalwert<br />

<strong>von</strong> 1,00 aus.<br />

Aus den fÉnf Einzelwerten bilden wir den Mittelwert, anhand dessen<br />

deutlich wird, ob die EinschÇtzung <strong>von</strong> FÇhigkeitsstÄrungen und Hilfe-<br />

bedarf, die vereinbarten Ziele und MaÅnahmen und die durchgefÉhrten<br />

AktivitÇten in Anzahl und IntensitÇt Ébereinstimmen. Auf diese Weise<br />

wird der Mittelwert zum Konsistenzkoeffizienten, der anhand einer Zahl<br />

Auskunft Éber die BetreuungsqualitÇt gibt.<br />

Mit der Entwicklung des Koeffizienten zur Betreuungskonsistenz haben<br />

wir unser Datenerfassungs- und auswertungssystem komplettiert, ohne<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 53 <strong>von</strong> 101


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eingetragener Verein<br />

dass fÉr unsere Mitarbeiter/innen ein zusÇtzlicher Dokumentationsauf-<br />

wand entstanden ist. Mit relativ wenigen regelmÇÅigen (Belegungs-<br />

nachweis, Dienstzeit, AktivitÇtendokumentation) und situationsspezifi-<br />

schen (IBRP, MaÅnahmeplan) Eingaben kÄnnen wir eine ganze Reihe<br />

<strong>von</strong> nutzer/Innen- und einrichtungsspezifischen Nachweisen fÉhren, auf<br />

die wir unter 4.1.2 detailliert eingehen.<br />

4.0 Erfolgsmessung mit dem IBRP<br />

4.1 GrundsÉtzliche Fragen der Erfolgsmessung mit dem IBRP<br />

4.1.1 Was macht den Erfolg sozialpsychiatrischer Arbeit aus?<br />

Die Beantwortung der Frage, was den Erfolg sozialpsychiatrischer Ar-<br />

beit ausmacht, scheint eigentlich ganz einfach zu sein. Wenn sich die<br />

Nutzer/innen im Verlauf einer BetreuungsmaÅnahme bzw. nach Ab-<br />

schluss einer BetreuungsmaÅnahme subjektiv besser fÉhlen und sich in<br />

einem erhÄhten MaÅ LebensbewÇltigung zu trauen, muss die MaÅ-<br />

nahme wohl erfolgreich gewesen sein. Diese Erfolgsdefinition bezieht<br />

sich auf die ganz persÄnliche EinschÇtzung der Nutzer/innen. Sie gibt<br />

noch keine Auskunft darÉber, ob die Nutzer/innen die Zielsetzungen,<br />

mit denen sie ursprÉnglich einen Antrag auf Hilfeleistungen gestellt<br />

haben, weiter verfolgt und erreicht haben. Sie ist im Grunde genommen<br />

eine Momentaufnahme mit einer unspezifischen prospektiven Perspek-<br />

tive, die nichts Éber die Nachhaltigkeit des erreichten Entwicklungs-<br />

standes aussagt.<br />

Wir stehen mit der unspezifischen, subjektiven Erfolgsdefinition schon<br />

vor dem ersten Problem, nÇmlich der Frage, wer die Definitionshoheit<br />

Éber den Begriff Erfolg hat. Liegt diese bei den Nutzer/innen, liegt diese<br />

beim KostentrÇger, liegt diese bei den Mitarbeiter/innen der betreuen-<br />

den Einrichtung(en)? In der Praxis kÄnnen wir da<strong>von</strong> ausgehen, dass<br />

alle drei Gruppen, die Nutzer/innen, die Mitarbeiter/innen und der Kos-<br />

tentrÇger, an der Erfolgsdefinition beteiligt sind und dabei durchaus<br />

nicht zu gleichen Ergebnissen kommen mÉssen. Wenn die/der Nut-<br />

zer/in sagt, es gehe ihr/m gut, sie/er wolle jetzt ohne weitere Betreuung<br />

in einer eigenen Wohnung leben, kann die EinschÇtzung der Mitarbei-<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 54 <strong>von</strong> 101


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ter/innen darin bestehen, dass die/der Nutzer/in noch Éber eine Reihe<br />

<strong>von</strong> BeeintrÇchtigungen verfÉgt, die eine FortfÉhrung der Betreuungs-<br />

maÅnahme notwendig machen und der KostentrÇger kann zu der Ein-<br />

schÇtzung kommen, dass bestimmte Ziele in der bisherigen Betreuung<br />

nicht erreicht wurden und die/der Nutzer/in deshalb in einer anderen<br />

Einrichtung weiter zu betreuen sei. Dass solche divergierenden Ein-<br />

schÇtzungen ein erhebliches Konfliktpotenzial fÉr die beteiligten Akteu-<br />

re bergen, liegt auf der Hand. Auch aus diesem Grunde sind klar defi-<br />

nierte und fÉr alle Beteiligten transparente Kriterien zur Erfolgsmessung<br />

notwendig und sinnvoll. Und diese Kriterien sollten die Perspektiven der<br />

am Betreuungsprozess Beteiligten in jeweils angemessener Weise be-<br />

rÉcksichtigen.<br />

Zufriedenheit der Nutzer/innen<br />

Die Zufriedenheit der Nutzer/innen mit ihrer MaÅnahme ist der <strong>Dr</strong>eh-<br />

und Angelpunkt der Betreuung. Wenn sie der Ansicht sind, dass sie<br />

lange genug in einer bestimmten BetreuungsmaÅnahme waren, dann<br />

werden sie diese MaÅnahme beenden, und zwar unabhÇngig da<strong>von</strong>,<br />

ob alle AuÅenstehenden einen weitergehenden Hilfebedarf sehen oder<br />

nicht. Es ist die Aufgabe der Nutzer/innen, ihr Leben zu bewÇltigen, mit<br />

der psychischen Erkrankung zu leben und die ihnen angemessenen<br />

UnterstÉtzungsmaÅnahmen in Anspruch zu nehmen. Ohne die Bereit-<br />

schaft der Nutzer/innen zur Mitarbeit wird jede noch so gut gemeinte<br />

oder „objektiv“ notwendige BetreuungsmaÅnahme in letzter Konse-<br />

quenz scheitern. Vor diesem Hintergrund plÇdieren wir fÉr eine starke<br />

Stellung der Nutzer/innen bei der Erfolgsdefinition.<br />

Auf der anderen Seite muss man aber auch berÉcksichtigen, dass die<br />

Nutzer/innen mit ihrer Antragstellung z.B. auf MaÅnahmen der Einglie-<br />

derungshilfe persÄnliche Verpflichtungen eingehen. Diese Verpflichtun-<br />

gen bestehen primÇr gegenÉber dem LeistungstrÇger, gegenÉber<br />

demjenigen, der die MaÅnahme bezahlt. Der LeistungstrÇger hat die<br />

begrÉndete Erwartungshaltung, dass der Mitteleinsatz zu einem Ergeb-<br />

nis in dem Sinne fÉhrt, dass zu einem bestimmten (mÄglichst definier-<br />

ten) Zeitpunkt keine weitere MaÅnahmen und damit auch kein weiterer<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 55 <strong>von</strong> 101


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eingetragener Verein<br />

Mitteleinsatz notwendig ist, oder dass zumindest ein erhÄhter Mittelein-<br />

satz zukÉnftig ausgesch<strong>los</strong>sen werden kann.<br />

Diese Verpflichtung der Nutzer/innen gegenÉber dem LeistungstrÇger<br />

fÉhrt in einem weiteren Schritt auch zu einer Verpflichtung der Nut-<br />

zer/innen gegenÉber dem Leistungserbringer. Diese Verpflichtung Çu-<br />

Åert sich als Mindestanforderung in der aktiven Beteiligung an der maÅ-<br />

nahmebezogenen Hilfeplanung und in der Beteiligung an den verein-<br />

barten MaÅnahmen im Rahmen ihrer MÄglichkeiten.<br />

Schwierigkeiten aus dieser Anforderung zur Mitwirkung ergeben sich<br />

insbesondere fÉr den Personenkreis, der trotz gegenteiliger Diagnosen<br />

und EinschÇtzungen seines familiÇren und sozialen Umfelds fÉr sich in<br />

Anspruch nimmt, nicht krank zu sein oder anders ausgedrÉckt, der sein<br />

aktuelles Scheitern in seinen sozialen und in seinen SelbstbezÉgen<br />

nicht erkennen kann. Seine Zufriedenheit ist tendenziell darauf ausge-<br />

richtet, mÄglichst bald die MaÅnahme zu beenden und den als unbe-<br />

quem und unangemessen empfundenen Anforderungen zu entgehen.<br />

Bei dieser Personengruppe wird die Zufriedenheit mit der MaÅnahme<br />

eher in ihrer Beendigung liegen.<br />

Mit dieser EinschrÇnkung wollen wir daraufhin weisen, dass es inner-<br />

halb des sozialpsychiatrischen Versorgungssystems immer auch Nut-<br />

zer/innen gibt, die vom Modell des selbstbestimmten BÉrgers, der sich<br />

seine UnterstÉtzungsmaÅnahmen gezielt sucht, wie es in der derzeiti-<br />

gen Sozialgesetzgebung verankert ist, abweichen. Von daher plÇdieren<br />

wir dafÉr, auch immer mit zu berÉcksichtigen, zu welchem Zeitpunkt der<br />

Betreuung die Zufriedenheit der Nutzer/innen erfragt wird. Ein hohes<br />

MaÅ an Zufriedenheit kann auch bedeuten, dass die ÇuÅere Lebenssi-<br />

tuation z.B. durch eine teilstationÇre oder stationÇre MaÅnahme so weit<br />

stabilisiert ist, dass sie fÉr den Nutzer zwar EinschrÇnkungen in der<br />

Selbstbestimmung beinhaltet, aber trotzdem subjektiv komfortabel er-<br />

scheint, da die BasisgrundbedÉrfnisse (Essen, Trinken, Schlafen, me-<br />

dizinische Versorgung) einrichtungsseitig abgedeckt werden (Hotelef-<br />

fekt). DemgegenÉber kann eine verringerte Zufriedenheit auch darauf<br />

hinweisen, dass der Nutzer im Rahmen seiner MaÅnahme mit Anforde-<br />

rungen zur Weiterentwicklung konfrontiert ist, die als unangenehm, weil<br />

potenziell schmerzhaft, empfunden werden.<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 56 <strong>von</strong> 101


[ grenzen<strong>los</strong> ] -<br />

eingetragener Verein<br />

Vor diesem Hintergrund schlagen wir vor, die Zufriedenheit der Nut-<br />

zer/innen zumindest nicht ausschlieÅlich Éber standardisierte Skalen<br />

abzufragen, sondern den Nutzer/innen in regelmÇÅig wiederkehrenden<br />

AbstÇnden Gelegenheit zu geben, den Stand ihrer Zufriedenheit in ei-<br />

ner persÄnlichen Stellungnahme zu dokumentieren. Wir haben die Er-<br />

fahrung gemacht, dass bei dieser Vorgehensweise der bisherige MaÅ-<br />

nahmeverlauf nutzer/innenseitig einer differenzierten Betrachtung un-<br />

terliegt, die produktiv fÉr die weitere Hilfeplanung umzusetzen ist.<br />

Erreichen <strong>von</strong> Zielen<br />

Ein sinnvolles Kriterium zur Erfolgsmessung besteht auch in der Kon-<br />

trolle, ob vorgÇngige Betreuungsziele erreicht wurden. Die Schwierig-<br />

keiten in diesem Bereich liegen weniger im Bereich der EinschÇtzung,<br />

ob und in welchem MaÅe Ziele erreicht wurden, sondern in der vorgÇn-<br />

gigen Zieldefinition. Wir gehen in diesem Zusammenhang <strong>von</strong> der<br />

PrÇmisse aus, dass eine Zielformulierung ohne Beteiligung der Nut-<br />

zer/in im besten Falle einen gewissen Rahmen fÉr eine MaÅnahme<br />

setzen kann, im Hinblick auf die Sinnhaftigkeit und ProduktivitÇt der<br />

MaÅnahme fÉr die Nutzer/in aber in der Regel fragmentarisch bleibt<br />

(bleiben muss). Bei der Zieldefinition ohne Nutzer/inbeteiligung haben<br />

wir einen ausgeprÇgten Fall <strong>von</strong> Prozessierung der Nutzer/in, der in<br />

bestimmten Bereichen und zu bestimmten Gelegenheiten wie z.B. bei<br />

akuter und ausgeprÇgter Selbst- und/oder FremdgefÇhrdung vorÉber-<br />

gehend unabwendbar erscheinen kann, als regelmÇÅige Vorgehens-<br />

weise aber zumindest das Risiko beinhaltet, alle negativen Formen der<br />

Prozessierung wie z.B. Hospitalisierung der Nutzer/innen oder Redukti-<br />

on ihrer Biografiehoheit und -gestaltungsfÇhigkeit hervorzurufen. Die<br />

Zielformulierung fÉr die Nutzer/innen sollte beim heutigen Entwick-<br />

lungsstand der Sozialpsychiatrie eher die Ausnahme sein und fÉr den<br />

Fall, dass dieses Verfahren zur Anwendung kommt, an klar umrissene<br />

Indikationsstellungen und zeitliche Limitierung geknÉpft sein.<br />

Wir gehen also da<strong>von</strong> aus, dass die Nutzer/innen an der Zieldefinition<br />

zu beteiligen sind. Nun stellt sich die Frage, wer ist auÅerdem noch am<br />

Prozess der Zieldefinition beteiligt? Zur Beantwortung dieser Frage<br />

mÉssen wir uns die ModalitÇten der Zielfestlegung nach dem IBRP ge-<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 57 <strong>von</strong> 101


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nauer ansehen. Die Erhebung des IBRP (gemeint sind hier die BÄgen<br />

D1 und A1) findet in der Regel prozesshaft, im Rahmen <strong>von</strong> mehreren<br />

GesprÇchskontakten mit der Nutzer/in statt. Diese Vorgehensweise ist<br />

vorteilhaft, da sich durch diesen Prozess gleichzeitig ein wechselseiti-<br />

ges VertrauensverhÇltnis herausbilden kann, das fÉr den weiteren<br />

Betreuungsverlauf und sein Gelingen <strong>von</strong> fundamentaler Bedeutung ist.<br />

Die/Der Nutzer/in erhÇlt auf diese Weise die MÄglichkeit sich zumindest<br />

ein wenig zu Äffnen, so dass das im IBRP dokumentierte biografische<br />

und soziostrukturelle Gesamtbild der/s Nutzer/in ein hÄheres MaÅ an<br />

KomplexitÇt und Differenziertheit gewinnt, als dies bei einer IBRP-<br />

Einzelsitzung jemals mÄglich wÇre. Die Erhebung des IBRP in einer<br />

einzelnen (gutachterlichen) Sitzung kann insbesondere dann, wenn es<br />

um die Kernbereiche „EinschÇtzung <strong>von</strong> FÇhigkeitsstÄrungen und Un-<br />

terstÉtzungsbedarf“ und „Festlegung <strong>von</strong> Zielen und Vorgehensweisen<br />

zur Zielerreichung“ geht, nur oberflÇchliche Ergebnisse bringen, die<br />

sich dergestalt ÇuÅern, dass Ziele entweder nicht sachgerecht oder so<br />

allgemein formuliert werden, so dass sie kaum operationalisierbar sind.<br />

Von daher sprechen wir uns dafÉr aus, dass die IBRP-Erhebung und<br />

hier insbesondere die Festlegung <strong>von</strong> Zielen der Betreuung zwischen<br />

der Nutzer/in und einer Person ausgehandelt werden, die die Nutzer/in<br />

im Betreuungsverlauf auch weiter begleiten kann. Damit haben wir die<br />

beiden Kernakteure des Aushandlungsprozesses benannt. Dieser<br />

Kernbereich kann in Absprache mit der Nutzer/in um ihre nÇchsten Be-<br />

zugspersonen erweitert werden, so weit dies fÉr die Nutzer/in relevant<br />

ist. Das heiÅt an der Aushandlung <strong>von</strong> Betreuungszielen kÄnnen auch<br />

Mitglieder der Aktual- und/oder Herkunftsfamilie oder gesetzliche Be-<br />

treuer/innen beteiligt sein.<br />

Die Betreuungsziele sollten unserer Auffassung nach in den Bereichen<br />

vorgenommen werden, die ausschlaggebend fÉr die Beantragung der<br />

MaÅnahme durch die Nutzer/in waren. Hinter diesem Vorschlag steckt<br />

das Konzept, dass die BetreuungsmaÅnahme dazu dienen soll, Beein-<br />

trÇchtigungen zu vermindern. Es wÇre zwar auch ein bedenkenswerter<br />

Ansatz, die Betreuungsziele in Bereichen zu definieren, in denen<br />

die/der Nutzer/in Éber StÇrken oder geringe BeeintrÇchtigungen verfÉgt,<br />

um quasi peripher die grÄÅeren BeeintrÇchtigungen zu kompensieren.<br />

Dieser Ansatz beinhaltet aber nach unserer Auffassung die Problema-<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 58 <strong>von</strong> 101


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eingetragener Verein<br />

tik, dass auf diese Art und Weise TeilleistungsstÇrken entwickelt wer-<br />

den kÄnnen, die dem biografischen Gesamtbild der Nutzer/innen nicht<br />

gerecht werden. Hinzu kommt, dass dem Ansatz der StÇrkung <strong>von</strong><br />

StÇrken ein einrichtungsbezogenes VerfÉhrungspotenzial immanent ist.<br />

Hierunter verstehen wir die Gefahr, dass Nutzer/innen insbesondere in<br />

stationÇren Einrichtungen mit besonderen Aufgaben betraut werden,<br />

die ihren TeilleistungsstÇrken entsprechen und so zu einem Bestandteil<br />

der Einrichtungsroutine werden kÄnnen. Gleichzeitig kann bei dieser<br />

Vorgehensweise die Notwendigkeit, mÉhsame und anspruchsvolle<br />

Aushandlungsprozesse mit den Nutzer/innen zu fÉhren, aus dem Blick<br />

und damit aus der Betreuungszielsetzung geraten. Es ist nun einmal<br />

beispielsweise einfacher, einen kÉnstlerisch begabten Nutzer fÉr seine<br />

Bilder zu loben und ihn in diesem Bereich zu bestÇrken, als mit ihm<br />

Éber die Notwendigkeit, morgens aufzustehen und sich zu waschen, zu<br />

verhandeln.<br />

DemgegenÉber steht das Konzept, mit der/m Nutzer/in gemeinsam an<br />

der Verminderung bzw. BewÇltigung ihrer/seiner BeeintrÇchtigungen zu<br />

arbeiten und dies auch als gemeinsame Zielsetzung zu vereinbaren, fÉr<br />

die Option auf eine transparente und fÉr alle Beteiligten (einschlieÅlich<br />

des LeistungstrÇgers) nachvollziehbare Betreuung. Dieser Ansatz trÇgt<br />

auch der sozialrechtlichen Verpflichtung betreuender Einrichtungen<br />

Rechnung, ihre Betreuungsleistungen mÄglichst wirtschaftlich und ef-<br />

fektiv zu erbringen und das bedeutet in diesem Zusammenhang, die<br />

Betreuungsleistungen so zu gestalten, dass der MaÅnahmegrund redu-<br />

ziert wird oder entfÇllt.<br />

Die nÇchste Schwierigkeit, die auf dem Wege der Zielfestlegung zu<br />

Éberwinden ist, ist das scheinbar banale Problem der Formulierung der<br />

Ziele. Es ist sicherlich wÉnschenswert, wenn die Nutzer/innen selbst-<br />

bewusster werden, eine Sinnorientierung im Leben entwickeln, eine<br />

BeschÇftigung oder Arbeit aufnehmen oder zu einem nÇheren oder<br />

ferneren Zeitpunkt einen eigenen Haushalt begrÉnden. Das Problem ist<br />

nur, dass derartige Globalziele fÉr die Éberwiegende Mehrzahl aller<br />

Nutzer/innen sozialpsychiatrischer Angebote zutreffend formuliert wer-<br />

den kÄnnten. Als Orientierungslinie fÉr eine konkrete BetreuungsmaÅ-<br />

nahme sind derartige Globalziele <strong>von</strong> eher untergeordneter Bedeutung.<br />

BetreuungsmaÅnahmen werden vom LeistungstrÇger fÉr einen be-<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 59 <strong>von</strong> 101


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stimmten Zeitraum bewilligt und unterliegen zwischenzeitlich der Ñber-<br />

prÉfung auf ihre EffektivitÇt und Sinnhaftigkeit. FÉr die Nutzer/innen<br />

beinhalten diese Rahmenbedingungen ebenfalls eine gewisse Ver-<br />

pflichtung, Entwicklungsschritte nachzuweisen.<br />

Auf der anderen Seite ist es natÉrlich nicht sinnvoll, Ziele als ganz kon-<br />

krete Aufgabenstellungen (z.B. „tÇglich vor 10:00 Uhr aufstehen“, oder<br />

„tÇgliche KÄrperreinigung mit WÇschewechsel“) zu formulieren. Ziele<br />

besitzen grundsÇtzlich Orientierungsfunktion und dieser mÉssen auch<br />

die beteiligten Akteure gerecht werden. Sie haben, ganz allgemein ge-<br />

sprochen, die Aufgabe Ergebnisse wie z.B. einen Zustand, eine Fertig-<br />

keit usw. zu definieren, die zum Zeitpunkt der Definition noch nicht vor-<br />

handen sind und <strong>von</strong> denen sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen<br />

(kÄnnen), ob sie diese Ergebnisse erreichen werden. Der Prozess der<br />

Zieldefinition ist damit immer auch <strong>von</strong> einer essentiellen Vagheit ge-<br />

prÇgt, die dadurch noch vergrÄÅert wird, dass die beteiligten Akteure<br />

(Nutzer/in und z.B. Mitarbeiter/in in der Funktion der/s Bezugsbetreu-<br />

er/in) Éber unterschiedliche WissensbestÇnde bezÉglich der Ressour-<br />

cen der Nutzer/innen verfÉgen. Auf Seiten der Nutzer/innen sind diese<br />

WissensbestÇnde primÇr erfahrungsgeleitet, sie wissen was sie erlebt<br />

und erfahren haben, sie wissen welche EinbrÉche es in ihrem Biogra-<br />

fieverlauf gegeben hat, sie wissen, ob und in welcher Weise es ihnen in<br />

der Vergangenheit gelungen ist, diese EinbrÉche zu bewÇltigen. Dem-<br />

gegenÉber verfÉgen die Bezugsbetreuer/innen zum Zeitpunkt der Ziel-<br />

festlegung lediglich Éber fragmentarische Kenntnisse des Biografiever-<br />

laufs der Nutzer/innen und wÇhlen in der Regel den Weg, die Fragmen-<br />

tarisierung durch theorie- und erfahrungsdeduziertes Wissen zu kom-<br />

pensieren.<br />

An dieser Konstellation zeigt sich, dass der Prozess der Zielformulie-<br />

rung ÇuÅerst fragil und gleichzeitig ÇuÅerst anspruchsvoll ist. Von den<br />

beteiligten Akteuren wird fÉr einen bestimmten Zeitraum eine sinnvolle<br />

Festlegung zu den Schwerpunkten des zukÉnftigen Betreuungsverlaufs<br />

erwartet. Vor diesem Hintergrund halten wir es fÉr notwendig, dass sich<br />

die beteiligten Akteure die Zeit fÉr eine echte Aushandlung der Ziele<br />

nehmen und die Aufgabenstellung nicht pragmatisch lÄsen. Aufgabe<br />

der Bezugsbetreuer/innen sollte es in diesem Zusammenhang sein,<br />

den Nutzer/innen gegebenenfalls, soweit nÄtig, Formulierungshilfe zu<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 60 <strong>von</strong> 101


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leisten. Ihre Hauptaufgabe besteht aber in diesem Zusammenhang<br />

vorrangig darin, gegenÉber den Nutzer/innen AushandlungsbeitrÇge<br />

dahingehend zu leisten,<br />

in wie weit ihre Zielsetzungen unter den gegebenen Bedingungen<br />

erreichbar sind,<br />

welche Voraussetzungen ihrer Meinung nach hierfÉr zu erfÉllen sind<br />

und den Nutzer/innen zur Bewertung zu stellen und<br />

ob die Nutzer/innen nach Ansicht der Bezugsbetreuer/innen Éber<br />

die FÇhigkeiten verfÉgen, um ihre eigenen Zielsetzungen zu errei-<br />

chen.<br />

Die hier skizzierte Form der Aushandlung <strong>von</strong> Betreuungszielen kann<br />

durchaus einige Zeit in Anspruch nehmen und auch durchaus kon-<br />

flikthaft verlaufen. Durch diese Form des Aushandlungsprozesses er-<br />

halten die Nutzer/innen aber auch einen ersten wichtigen Hinweis dar-<br />

auf, was personenzentrierte Arbeit bedeutet. Sie werden in ihren WÉn-<br />

schen, Aussagen und Planungen ernst genommen, sie sind aktiv in die<br />

Betreuung eingebunden, sie sind mitverantwortlich fÉr das Gelingen<br />

oder Scheitern der MaÅnahme, sie begegnen den (Bezugs-) Betreu-<br />

er/innen auf gleicher AugenhÄhe und, vor allen Dingen, sie sind ver-<br />

antwortlich fÉr ihren weiteren Biografieverlauf und fÉr die (Wieder-) Er-<br />

langung der Deutungs- und Gestaltungshoheit ihrer Biografie. Dass<br />

dieser Prozess je nach Schwere der zu Grunde liegenden Erkrankung<br />

eher rudimentÇr oder ausgeprÇgt elaboriert ablaufen kann, Çndert<br />

nichts an seiner strukturfunktionellen Bedeutung.<br />

AbschlieÅend zu dieser Thematik sei noch auf einen Aspekt hingewie-<br />

sen, der bei der Definition <strong>von</strong> Betreuungszielen mit zu berÉcksichtigen<br />

ist. Es ist nach unserer Erfahrung nicht ungewÄhnlich, dass Nut-<br />

zer/innen in einer Vielzahl <strong>von</strong> Bereichen, die nach dem IBRP erhoben<br />

werden, Éber stark ausgeprÇgte BeeintrÇchtigungen verfÉgen. So sinn-<br />

voll es ist, die Zieldefinition an diesen Bereichen zu orientieren, so kÄn-<br />

nen sich aber ganz praktisch die zuhandene KapazitÇt der Einrichtung,<br />

aber auch die gegebenen Ressourcen der Nutzer/innen als ÇuÅere<br />

Begrenzung darstellen. Wenn ein/e Nutzer/in beispielsweise in neun bis<br />

zehn (<strong>von</strong> insgesamt 31 erhobenen) Bereichen Éber stark ausgeprÇgte<br />

BeeintrÇchtigungen verfÉgt, so dÉrfte es sich in einem gegebenen Be-<br />

willigungszeitraum <strong>von</strong> z.B. 9 Monaten ÇuÅerst schwierig gestalten, alle<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 61 <strong>von</strong> 101


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neun bis zehn Bereiche mit Zieldefinitionen zu versehen und diese Zie-<br />

le konstruktiv zu erarbeiten. FÉr die/den Nutzer/in kann es in diesem<br />

Zusammenhang deutlich produktiver und wirksamer sein, sich auf z.B.<br />

auf fÉnf oder sechs Bereiche zu beschrÇnken, die sie/er dann im fol-<br />

genden Betreuungsverlauf konzentriert in Angriff nehmen kann. Die<br />

Auswahl <strong>von</strong> Zielen sollte, wie schon die Zieldefinition selbst, vorrangig<br />

durch die Nutzer/innen erfolgen. Den Bezugsbetreuer/innen kommt<br />

auch in diesem Prozess auch eine Reflexionsfunktion zu.<br />

Fassen wir das bisher ErÄrterte kurz zusammen.<br />

1. Die Nutzer/innen sind an der Zielfestlegung aktiv zu beteiligen.<br />

2. Die Festlegung <strong>von</strong> Zielen der Betreuung sollte zwischen der/m<br />

Nutzer/in und einer Person ausgehandelt werden, die die/den Nut-<br />

zer/in im Betreuungsverlauf auch weiter begleiten kann (Bezugsbe-<br />

treuer/in)<br />

3. Die Zielfestlegung ist an den gegebenen FÇhigkeitsstÄrungen der<br />

Nutzer/innen zu orientieren.<br />

4. Die Betreuungsziele werden originÇr durch die Nutzer/innen formu-<br />

liert. Den Bezugsbetreuer/innen kommt die Aufgabe zu, die Nut-<br />

zer/innen bei der Reflexion der Betreuungsziele zu unterstÉtzen.<br />

5. Die Anzahl der ausgehandelten Betreuungsziele ist durch die Res-<br />

sourcen der Nutzer/innen und der betreuenden Einrichtung be-<br />

grenzt.<br />

Auf der Basis des oben skizzierten Verfahrens zur Zieldefinition gehen<br />

wir da<strong>von</strong> aus, dass die formulierten Ziele eine gewisse Konsistenz fÉr<br />

die beiden Kernakteure (Nutzer/in und Bezugsbetreuer/in) besitzen.<br />

Weiterhin gehen wir da<strong>von</strong> aus, dass die Ziele so gefasst sind, dass sie<br />

in einem gegebenen Zeitraum ÉberprÉfbar sind.<br />

Die ÑberprÉfung der Ziele sollte sinnvollerweise so ausgestaltet sein,<br />

dass sie zwischenzeitlich verÇnderte Zielsetzungen der Nutzer/innen,<br />

die durch eine Umorientierung, aber auch durch den Krankheitsverlauf<br />

bedingt sein kÄnnen, angemessen berÉcksichtigt. Dadurch wird eine<br />

starre, lineare Ausrichtung <strong>von</strong> BetreuungsmaÅnahmen vermieden, die<br />

den tatsÇchlichen BetreuungsverlÇufen in der Regel nicht gerecht wird.<br />

Die Entwicklung der Nutzer/innen verlÇuft nicht linear <strong>von</strong> A nach B,<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 62 <strong>von</strong> 101


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sondern beinhaltet Fortschritte, aber auch RÉckschlÇge, die ihrerseits<br />

zu verÇnderten Zielsetzungen fÉhren kÄnnen.<br />

In der ÑberprÉfung <strong>von</strong> Zielen muss <strong>von</strong> daher gekennzeichnet wer-<br />

den, ob die ursprÉnglich definierten Ziele noch fÉr die Nutzer/innen gÉl-<br />

tig sind, ob sie in ihrer (biografischen oder alltagspragmatischen) Be-<br />

deutung weiterverfolgt oder herabgestuft worden sind, oder ob die ur-<br />

sprÉnglichen Zielsetzungen in der Zwischenzeit durch neue Ziele er-<br />

gÇnzt worden sind. HierfÉr wÇre folgende Kennzeichnung mÄglich:<br />

Aktueller Stand der Zielerreichung:<br />

1 Ziel wird weiterverfolgt<br />

2 Zielerreichung in Bedeutung abgestuft<br />

3 Zielerreichung beendet - keine weiteren MaÅnahmen vereinbart<br />

4 Neues Ziel<br />

Nach dem ersten Schritt der RelevanzprÉfung kann dann in einem<br />

zweiten Schritt ÉberprÉft werden, in welchem MaÅe die angestrebten<br />

Ziele erreicht wurden.<br />

HierfÉr schlagen wir eine EinschÇtzung nach definierten Prozentwerten<br />

vor, die anzeigen, ob es im Hinblick auf die den Zielsetzungen zu Grun-<br />

de liegenden BeeintrÇchtigungen nach Ansicht der beteiligten Kernak-<br />

teure noch weiteren Betreuungsbedarf gibt oder nicht.<br />

Die ÑberprÉfung der Ziele, und zwar sowohl die RelevanzprÉfung als<br />

auch die EinschÇtzung des Zielerreichungsgrads, sollte, wie die Zielde-<br />

finition, in einem Aushandlungsprozess <strong>von</strong> Nutzer/in und Bezugsbe-<br />

treuer/in stattfinden.<br />

Zur EinschÇtzung des Zielerreichungsgrads favorisieren wir die folgen-<br />

de, pragmatisch orientierte Skala:<br />

Kriterien zur Zielerreichung Zielerreichung<br />

Keine Bereitschaft zur Zielerreichung 0%<br />

GrundsÇtzliche theoretische Bereitschaft zur Zieler-<br />

reichung 10%<br />

Gemeinsame Vereinbarung <strong>von</strong> MaÅnahmen zur<br />

Zielerreichung 20%<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 63 <strong>von</strong> 101


Gelegentliche Teilnahme an MaÅnahmen zur Zieler-<br />

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reichung 30%<br />

RegelmÇÅige Teilnahme an MaÅnahmen zur Zieler-<br />

reichung 40%<br />

Verbesserung zum Ausgangsstatus erkennbar 50%<br />

Stabilisierung auf Zwischenschritt zur Zielerreichung 60%<br />

Weiterentwicklung 70%<br />

Ziel erreicht mit wiederkehrendem UnterstÉtzungs-<br />

bedarf (wÄchentlich) 80%<br />

Ziel erreicht mit seltenem UnterstÉtzungsbedarf (mo-<br />

natlich) 90%<br />

Ziel vollstÇndig erreicht (kein UnterstÉtzungsbedarf) 100%<br />

Mit Hilfe dieser Skala ist eine erste EinschÇtzung des Erfolgs der zu-<br />

rÉckliegenden BetreuungsmaÅnahme mÄglich, der allerdings immer<br />

auch einen Interpretationsbedarf insbesondere fÉr die Frage beinhaltet,<br />

ob die MaÅnahme in der bisherigen Form weitergefÉhrt werden soll, ob<br />

es und wenn ja, welchen VerÇnderungsbedarf gibt oder ob die MaÅ-<br />

nahme beendet oder durch eine andersartige MaÅnahme (z.B. stationÇr<br />

durch ambulant oder umgekehrt) ersetzt werden soll. Diese Interpretati-<br />

on kÄnnte z.B. im Rahmen eines Entwicklungsberichts an den Leis-<br />

tungstrÇger gegen Ende des Bewilligungszeitraums erfolgen. Der Ent-<br />

wicklungsbericht sollte der Nutzer/in zur Kenntnis gebracht werden und<br />

um ihre eigene EinschÇtzung ergÇnzt werden (vgl. im Anhang A3, A4,<br />

A5).<br />

Reduktion <strong>von</strong> BeeintrÉchtigungen und psychiatrischem Hilfebe-<br />

darf<br />

Neben der Zufriedenheit der Nutzer/innen mit ihrer BetreuungsmaÅ-<br />

nahme und der Erhebung des Zielerreichungsgrades betrachten wir die<br />

EinschÇtzung <strong>von</strong> BeeintrÇchtigungen bzw. FÇhigkeitsstÄrungen nach<br />

IBRP und des psychiatrischen Hilfebedarfs sowie die ÑberprÉfung der<br />

beiden Faktoren auf VerÇnderungen als drittes und unverzichtbares<br />

Kriterium zur Erfolgsmessung.<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 64 <strong>von</strong> 101


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Die Entscheidung fÉr den Bereich der EinschÇtzungen <strong>von</strong> FÇhigkeits-<br />

stÄrungen impliziert eine ganz bestimmte Herangehensweise in der<br />

Betreuung, ohne die dieser Bereich nicht aussagefÇhig zur Erfolgsmes-<br />

sung herangezogen werden kann. Dies beginnt schon bei der Frage<br />

des Zeitpunktes der ErsteinschÇtzung. Nach unserer Erfahrung bein-<br />

haltet eine EinschÇtzung, die zu einem frÉhen Zeitpunkt der Betreuung<br />

oder im Rahmen eines Einmalkontaktes erfolgt, das Risiko, dass die<br />

Streuung im Hinblick auf die lebenspraktischen und alltagsrelevanten<br />

BeeintrÇchtigungen relativ hoch ist. Von daher erscheint es uns sinn-<br />

voll, wenn die EinschÇtzung <strong>von</strong> BeeintrÇchtigungen im Rahmen einer<br />

Beratungs- oder Betreuungsbeziehung vorgenommen wird und hier<br />

insbesondere durch die oben genannten Kernakteure, die Nutzer/in<br />

und die Bezugsbetreuer/in. Letztere muss in diesem Kontext nicht un-<br />

bedingt eine Mitarbeiter/in einer Einrichtung sein. Zu denken wÇre z.B.<br />

auch an Mitarbeiter/innen Sozialpsychiatrischer Dienste, die die Nut-<br />

zer/innen oftmals Éber Jahre begleiten und <strong>von</strong> daher einen begrÉnde-<br />

ten Eindruck <strong>von</strong> der bisherigen Entwicklung und den aktuellen Beein-<br />

trÇchtigungen und FÇhigkeitsstÄrungen der Nutzer/innen haben.<br />

Unter dem Aspekt der Erfolgsmessung ist es in jedem Fall natÉrlich<br />

wÉnschenswert, wenn die anfÇngliche EinschÇtzung <strong>von</strong> BeeintrÇchti-<br />

gungen oder FÇhigkeitsstÄrungen der Nutzer/innen durch die selbe<br />

Person vorgenommen wird, die auch nach einem bestimmten Zeitraum<br />

(z.B. nach 6 Monaten bei Erstellung eines Folge-IBRP) eine erneute<br />

EinschÇtzung des StÇrken-SchwÇchen-Profils mit der Nutzer/in erarbei-<br />

tet. Bei dieser Vorgehensweise ist eher sichergestellt, dass die imma-<br />

nente Bewertung, ob im konkreten Fall keine, eine leichte, eine ausge-<br />

prÇgte oder eine stark ausgeprÇgte FÇhigkeitsstÄrung vorliegt, auf ein<br />

und derselben Basis vorgenommen wird. Unsere Anregung zur Vorge-<br />

hensweise erfolgt vor dem Hintergrund, dass die EinschÇtzung <strong>von</strong><br />

FÇhigkeitsstÄrungen trotz des entsprechenden Manuals der Aktion Psy-<br />

chisch Kranke e.V. immer mit einer Art Ñbersetzungsprozess verbun-<br />

den ist. Sowohl die Nutzer/innen als auch die Mitarbeiter/innen stehen<br />

vor der Aufgabe, eine konkrete und komplexe Lebenssituation und die<br />

FÇhigkeiten, die nutzer/innenseitig zu ihrer BewÇltigung gegeben sind,<br />

in einem ersten Schritt einzuschÇtzen, diese dann auf insgesamt 31<br />

Bereiche aufzufÇchern, um sie dann abschlieÅend jeweils einer Skala<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 65 <strong>von</strong> 101


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<strong>von</strong> 0 bis 3 zuzuordnen. Dieser, schon fÉr sich genommen anspruchs-<br />

volle Prozess wird durch den angestrebten Konsens <strong>von</strong> Nutzer/innen<br />

und Betreuer/innen bei der EinschÇtzung der nutzer/innenseitigen Be-<br />

eintrÇchtigungen weiter erschwert.<br />

Trotz aller Manuale, Anleitungen und Schulungen zum Umgang mit<br />

dem IBRP bleibt ein auf die Person der Mitarbeiter/innen bezogener<br />

subjektiver Faktor in diesem EinschÇtzungsprozess, der umso intensi-<br />

ver wirksam wird, je geringer der Zeitraum ist, der fÉr die Aushandlung<br />

der EinschÇtzung der BeeintrÇchtigungen der Nutzer/innen zur VerfÉ-<br />

gung steht. Gerade dann ist die Gefahr sehr groÅ, dass mitarbei-<br />

ter/innenseitig SekundÇrkriterien in die EinschÇtzung mit einflieÅen.<br />

Hierzu gehÄren z.B. der Zustand der Wohnung bzw. der <strong>von</strong> den Nut-<br />

zer/innen bewohnten RÇume oder auch das ÇuÅere Erscheinungsbild<br />

der Nutzer/innen, die (meistens unausgesprochen) entsprechend eige-<br />

ner Kriterien der Mitarbeiter/innen <strong>von</strong> Ordnung, Sauberkeit oder auch<br />

geschmackvoller Einrichtung bewertet werden. Deshalb plÇdieren wir<br />

dafÉr, dass die EinschÇtzung der FÇhigkeitsstÄrungen in einem Setting<br />

stattfinden kann, in dem genÉgend Zeit fÉr eine Feststellung der fakti-<br />

schen Gegebenheiten zur VerfÉgung steht.<br />

Neben der EinschÇtzung <strong>von</strong> FÇhigkeitsstÄrungen wird im IBRP auch<br />

immer eine EinschÇtzung des nicht-psychiatrischen und des psychiatri-<br />

schen Hilfebedarfs vorgenommen. Insbesondere die EinschÇtzung des<br />

psychiatrischen Hilfebedarfs und der im Verlaufe der Betreuung ggf.<br />

sichtbar werdenden VerÇnderungen betrachten wir als weiteres Er-<br />

folgskriterium. Auch auf dieses Kriterium wenden wir das zur EinschÇt-<br />

zung <strong>von</strong> FÇhigkeitsstÄrungen Gesagte an, wir plÇdieren auch bei die-<br />

sem Erfolgskriterium fÉr eine Beziehungskonstanz zwischen den Kern-<br />

akteuren Nutzer/in und Bezugsbetreuer/in.<br />

Als erstes Zwischenergebnis halten wir fest, dass die EinschÇtzung <strong>von</strong><br />

FÇhigkeitsstÄrungen und des entsprechenden Hilfebedarfs durch die<br />

Nutzer/in und eine Mitarbeiter/in vorgenommen werden soll, die die<br />

Nutzer/in im anschlieÅenden Betreuungsverlauf auch begleiten kann.<br />

Dabei setzen wir voraus, dass es sich um eine Mitarbeiter/in handelt,<br />

die entsprechend geschult und mit der Anwendung des IBRP vertraut<br />

ist.<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 66 <strong>von</strong> 101


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Zum tatsÇchlichen Erfolgskriterium werden die Bereiche „FÇhigkeitsstÉ-<br />

rungen“ und „(nicht-) psychiatrischer Hilfebedarf“ erst dadurch, dass<br />

einer EinschÇtzung dieser Parameter zu Beginn der Betreuung mindes-<br />

tens eine weitere EinschÇtzung nach einer bestimmten Zeit folgt. Der<br />

Vergleich der EinschÇtzungswerte <strong>von</strong> Erst- und FolgeeinschÇtzung<br />

wird anzeigen, in welchen Bereichen des IBRP es zu einer Verringe-<br />

rung <strong>von</strong> BeeintrÇchtigungen und psychiatrischem Hilfebedarf bzw. zur<br />

Zunahme aktivierbarer nicht-psychiatrischer Hilfen gekommen ist, in<br />

welchen Bereichen ein gegenteiliges Ergebnis sichtbar wird und in wel-<br />

chen Bereichen es keine VerÇnderungen gegeben hat.<br />

Mit dieser Form der Erfolgsmessung sind allerdings noch keine Aussa-<br />

gen Ñber den tatsÇchlich hinter den Ergebniswerten liegenden Betreu-<br />

ungsverlauf zu treffen. Die VerfÑhrung, die im Vergleich <strong>von</strong> Erst- und<br />

FolgeeinschÇtzungen liegt, besteht darin, die Idee <strong>von</strong> einer linearen<br />

Betreuung psychisch kranker Menschen hervorzurufen. Das heiÖt man<br />

geht <strong>von</strong> einem Anfangszustand aus und dann wird in einem kontinuier-<br />

lichen Betreuungsprozess sichergestellt, dass die BeeintrÇchtigungen<br />

und der entsprechenden psychiatrische Hilfebedarf kontinuierlich redu-<br />

ziert werden. Die Praxis zeigt dagegen, dass BetreuungsverlÇufe in der<br />

Sozialpsychiatrie eher zyklisch verlaufen. So gibt es beispielsweise<br />

Fortschritte in einzelnen FÇhigkeitsbereichen, die dann durch akute<br />

Krisensituationen auch wieder verschÑttet werden kÉnnen und neu er-<br />

arbeitet werden mÑssen. Vor diesem Hintergrund plÇdieren wir dafÑr,<br />

dass die Erhebungszeitpunkte nicht zu kurzfristig auf einander folgen.<br />

Im Rahmen unserer eigenen Erfolgsmessung hat sich hier ein Zeitraum<br />

<strong>von</strong> mindestens sechs Monaten bewÇhrt.<br />

Ein weiterer Aspekt im Zusammenhang mit der tatsÇchlichen Betreuung<br />

zwischen zwei Erhebungszeitpunkten, besteht in der Frage, ob die<br />

Betreuung gezielt auf die spezifische Behandlung <strong>von</strong> BeeintrÇchtigun-<br />

gen ausgelegt ist oder ob sie eher unspezifisch erfolgt und deshalb<br />

tendenziell periphere Wirkungen erzielt.<br />

Diese Frage zielt darauf ab, ob die Betreuung tatsÇchlich personen-<br />

zentriert ausgerichtet ist oder ob sie eher einrichtungszentriert erfolgt.<br />

Diese Frage mag als ketzerisch empfunden werden, da heute sicherlich<br />

nahezu alle komplementÇren Einrichtungen der Sozialpsychiatrie fÑr<br />

sich in Anspruch nehmen werden, personenzentriert zu arbeiten. Trotz-<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 67 <strong>von</strong> 101


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dem beharren wir auf dieser Frage. Es ist nun einmal Fakt, dass jede<br />

noch so personenzentriert ausgerichtete Betreuung in einem gegebe-<br />

nen institutionellen Kontext stattfindet und dies schlieÅt auch Formen<br />

<strong>von</strong> Betreuung mit geringerer Betreuungsdichte wie Ambulant Betreu-<br />

tes oder Begleitetes Wohnen mit ein. Aus der Organisationssoziologie<br />

wissen wir, dass mit jedem institutionellen Kontext auch immer eine<br />

ganz eigene und spezifische Organisationslogik einhergeht, die natur-<br />

gemÇÅ nicht personen- sondern einrichtungszentriert ist. (Goffmann<br />

1973) Letztendlich befinden wir uns in dieser Frage immer in einem<br />

strukturellen Dilemma oder positiv gewendet, haben wir es an dieser<br />

Stelle mit einer Paradoxie professionellen Handelns zu tun, die sich<br />

dadurch auszeichnet, dass personenzentriertes (Betreuungs-) Handeln<br />

im Rahmen einer einrichtungszentrierten OrganisationsrationalitÇt statt-<br />

findet.<br />

Bevor wir uns jetzt den Vorwurf einhandeln, diese Frage zu abgehoben<br />

zu behandeln, stellen wir ein kleines Ergebnis unserer internen Ver-<br />

laufsmessung vor. Nach der ersten Auswertung, die wir in diesem Zu-<br />

sammenhang vorgenommen haben, mussten wir feststellen, dass ca.<br />

75% aller BetreuungsaktivitÇten nicht an der Ausgangssituation der<br />

Nutzer/innen, sondern an der konzeptionellen Rahmung der Einrich-<br />

tung (Wohngemeinschaft) orientiert waren. Bei einer genaueren Analy-<br />

se ist deutlich geworden, dass in dieses Ergebnis auch eine groÅe Feh-<br />

lerstreuung im Bereich der Datenerhebung eingef<strong>los</strong>sen ist. Bereinigt<br />

man das oben genannte Ergebnis um diesen Streuungsbereich ver-<br />

bleibt immer noch ein Sockel <strong>von</strong> ca. 33 % aller BetreuungsaktivitÇten,<br />

der der konzeptionellen Ausrichtung unserer Sozialtherapeutischen<br />

Wohngemeinschaften geschuldet ist. Hierzu gehÄren z.B. die regelmÇ-<br />

Åige Auszahlung <strong>von</strong> Verpflegungsgeld oder die Anleitung und Unter-<br />

stÉtzung zur Medikationseinnahme oder die Anleitung und UnterstÉt-<br />

zung zur Inanspruchnahme fachÇrztlicher Termine usw. Also eine gan-<br />

ze Reihe <strong>von</strong> AktivitÇten, die primÇr deshalb durchgefÉhrt werden, weil<br />

die Einrichtung in Absprache mit dem zustÇndigen KostentrÇger zu ih-<br />

rer Erbringung verpflichtet ist bzw. sich in Absprache mit den gesetzli-<br />

chen Betreuer/innen dazu bereit erklÇrt hat und die erst einmal vÄllig<br />

unabhÇngig <strong>von</strong> den zugrunde liegenden BeeintrÇchtigungen der Nut-<br />

zer/innen durchgefÉhrt werden. Wir unterstellen, dass die Existenz ei-<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 68 <strong>von</strong> 101


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nes einrichtungsbezogenen AktivitÇtssockels nicht unser alleiniges<br />

Problem ist, sondern sich dieses PhÇnomen auch in anderen Einrich-<br />

tungen in mehr oder weniger starker AusprÇgung zeigen wird. Vor die-<br />

sem Hintergrund betrachtet, erhÇlt die Beantwortung der Frage, ob die<br />

Betreuung gezielt auf die spezifische Behandlung <strong>von</strong> BeeintrÇchtigun-<br />

gen ausgelegt ist oder ob sie eher unspezifisch erfolgt und deshalb<br />

tendenziell periphere Wirkungen erzielt, eine ganz neue QualitÇt. Wir<br />

gehen da<strong>von</strong> aus, dass trotz allen Engagements und trotz aller BemÉ-<br />

hungen um Personenzentrierung unter den gegenwÇrtigen sozialrecht-<br />

lichen Rahmenbedingungen der komplementÇren Einrichtungen der<br />

Sozialpsychiatrie ein nicht zu unterschÇtzender Anteil an einrichtungs-<br />

zentrierten BetreuungsaktivitÇten als gegeben zu beachten ist. Damit<br />

haben wir die Situation, dass es einen Anteil an BetreuungsaktivitÇten<br />

gibt, der an den FÇhigkeitsstÄrungen der Nutzer/innen ausgerichtet ist<br />

und auf Reduktion der BeeintrÇchtigungen abzielt, dass es aber<br />

daneben auch einen Anteil unspezifischer BetreuungsaktivitÇten gibt,<br />

der seine BegrÉndung in der OrganisationsrationalitÇt bzw. der dahinter<br />

liegenden sozialrechtlichen Verankerung der Einrichtung hat. Die pri-<br />

mÇre Aufgabe, vor der wir angesichts dieser Situation stehen, besteht<br />

darin, den Anteil der personenzentrierten BetreuungsaktivitÇten mÄg-<br />

lichst extensiv zu gestalten, in dem Wissen, dass zumindest derzeit der<br />

einrichtungszentrierte Anteil nicht auf Null zu setzen ist.<br />

Diese Situation hat aber auch gravierende Folgen fÉr die Konsistenz<br />

<strong>von</strong> BetreuungsverlÇufen. Die Normalformerwartung, die wir an einen<br />

Betreuungsverlauf stellen, geht da<strong>von</strong> aus, dass fÉr die Nutzer/innen in<br />

dem Bereich, in dem sie die grÄÅten BeeintrÇchtigungen aufweisen, der<br />

grÄÅte Hilfebedarf eingeschÇtzt wird und in diesen Bereichen auch<br />

Betreuungsziele definiert werden, die sich dann in einem entsprechen-<br />

den AktivitÇtenprofil niederschlagen. in den Bereichen mit den grÄÅten<br />

FÇhigkeitsstÄrungen sollten - nach dieser Normalformerwartung - auch<br />

die meisten BetreuungsaktivitÇten zu verzeichnen sein.<br />

Diese, nach unserer Auffassung an sich plausible Normalformerwar-<br />

tung, mÉssen wir angesichts der oben geschilderten Situation dahinge-<br />

hend relativieren, dass wir zuerst den Sockel einrichtungszentrierter<br />

AktivitÇten ermitteln und dann die verbleibenden nut-<br />

zer/innenbezogenen AktivitÇten den zugrunde liegenden BeeintrÇchti-<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 69 <strong>von</strong> 101


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gungen zuordnen. Dann haben wir die MÄglichkeit einzuschÇtzen, ob<br />

die BetreuungsverlÇufe zumindest tendenziell konsistent, personen-<br />

zentriert sind, oder ob sie schwerpunktmÇÅig unspezifisch und damit<br />

eher einrichtungszentriert gestaltet werden.<br />

Die Frage der Konsistenz <strong>von</strong> BetreuungsverlÇufen hat entsprechende<br />

Auswirkungen auch auf das oben vorgestellte Verfahren der Erfolgs-<br />

messung durch den Vergleich der Erst- und FolgeeinschÇtzungen <strong>von</strong><br />

FÇhigkeitsstÄrungen und notwendigem (nicht-) psychiatrischen Hilfebe-<br />

darf. Dieser Vergleich legt primÇr eine nutzer/innenspezifische Interpre-<br />

tation in dem Sinne nahe, dass die Bereitschaft zur Weiterentwicklung<br />

der Nutzer/innen umso grÄÅer gewesen sein muss, je weniger FÇhig-<br />

keitsstÄrungen und je weniger Hilfebedarf sie bei den FolgeeinschÇt-<br />

zungen aufweisen. Das heiÅt der Vergleich per se beinhaltet die Ver-<br />

fÉhrung, die Ergebnis- und Erfolgsdiskussion zu Lasten der Nut-<br />

zer/innen nach dem Motto zu fÉhren, „wenn sich keine VerÇnderung<br />

zeigt, waren die Nutzer/innen nicht zur Mitarbeit bereit“. Dieser fÉr die<br />

Nutzer/innen gefÇhrlichen (und gleichzeitig die Einrichtung entlasten-<br />

den) VerfÉhrungstendenz kann durch die Messung der Betreuungskon-<br />

sistenz entgegengewirkt werden. Eine qualifizierte, nut-<br />

zer/innenbezogene Interpretation <strong>von</strong> Erst- und FolgeeinschÇtzungen<br />

ist nach unserer Auffassung erst dann legitim, wenn geklÇrt ist, ob der<br />

zwischen den EinschÇtzungen liegende Betreuungsverlauf tatsÇchlich<br />

personenzentriert, und das bedeutet in diesem Zusammenhang auf die<br />

BeeintrÇchtigungen der Nutzer/innen ausgerichtet war, oder ob der<br />

Betreuungsverlauf zu einem wesentlichen oder Éberwiegenden Anteil<br />

einrichtungszentriert erfolgte. Bei der Interpretation der Ergebnisse<br />

muss also immer eingeschÇtzt werden, in wie weit die Nutzer/innen sich<br />

tatsÇchlich weiterentwickelt haben und ob sie Éberhaupt und wenn ja,<br />

in welchem MaÅe die Chance hatten, sich ihren BedÉrfnissen entspre-<br />

chend weiter zu entwickeln. Diese Form der Ergebnisinterpretation setzt<br />

naturgemÇÅ die Bereitschaft und die FÇhigkeit zur kritischen einrich-<br />

tungsbezogenen Reflexion voraus. Nach unserer Erfahrung ist es Çu-<br />

Åerst hilfreich, diesen selbstkritischen Reflexionsprozess auf der Basis<br />

harter Betreuungsdaten durchzufÉhren. Aggregierte Verlaufsdaten sind<br />

immer auch Fakten, die vorschnellen Exkulpationsmechanismen so-<br />

wohl <strong>von</strong> Einrichtungen insgesamt als auch <strong>von</strong> ihren Mitarbeiter/innen<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 70 <strong>von</strong> 101


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entgegenwirken und - zumindest im Grundsatz - das Potenzial zur per-<br />

sonenzentrierten Weiterentwicklung der Arbeit einer Einrichtung bein-<br />

halten.<br />

Fassen wir das bisher Gesagte abschlieÅend zusammen:<br />

1. Die EinschÇtzung <strong>von</strong> BeeintrÇchtigungen bzw. FÇhigkeitsstÄrun-<br />

gen nach IBRP und des (nicht-) psychiatrischen Hilfebedarfs sowie<br />

die ÑberprÉfung der beiden Faktoren auf VerÇnderungen zwischen<br />

Erst- und Folgeerhebung ist ein wichtiges Kriterium zur Erfolgsmes-<br />

sung.<br />

2. Die EinschÇtzung der FÇhigkeitsstÄrungen und des korrespondie-<br />

renden Hilfebedarfs sollte durch die Kernakteure (Nutzer/in und Be-<br />

zugsbetreuer/in) erfolgen.<br />

3. Insbesondere fÉr die ErsteinschÇtzung muss ein ausreichend langer<br />

Zeitraum zur VerfÉgung stehen, in dem die Kernakteure eine Ver-<br />

trauens- und Arbeitsbeziehung entwickeln kÄnnen.<br />

4. Zwischen der Erst- und den Folgeerhebungen muss ein ausrei-<br />

chend langer Betreuungszeitraum liegen, der begrÉndete EinschÇt-<br />

zungen zur Entwicklung ermÄglicht (mindestens 6 Monate).<br />

5. Die Vergleichsdaten aus Erst- und Folgeerhebung sind immer inter-<br />

pretationsbedÉrftig.<br />

6. In die Interpretation der Ergebnisdaten sind die Nutzer/innen mit<br />

einzubeziehen.<br />

7. Die Interpretation der Vergleichsdaten muss immer die Konsistenz<br />

des tatsÇchlich gemessenen Betreuungsverlaufs berÉcksichtigen.<br />

8. In den BetreuungsaktivitÇten sind personenzentrierte und einrich-<br />

tungszentrierte Anteile enthalten.<br />

9. Ihr MischungsverhÇltnis entscheidet darÉber, in welchem MaÅe die<br />

Nutzer/innen die MÄglichkeit zur Weiterentwicklung hatten.<br />

10. Ihr MischungsverhÇltnis gibt Auskunft Éber den personenzentrierten<br />

Entwicklungsbedarf einer Einrichtung.<br />

4.1.2 Zur Frage der Messbarkeit <strong>von</strong> Erfolg<br />

In den AusfÉhrungen zum Erreichen <strong>von</strong> Zielen und zur Reduktion <strong>von</strong><br />

FÇhigkeitsstÄrungen und Hilfebedarf haben wir schon anklingen lassen,<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 71 <strong>von</strong> 101


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dass unserer Auffassung nach der Erfolg <strong>von</strong> BetreuungsmaÅnahmen<br />

in komplementÇren Einrichtungen der Sozialpsychiatrie im Grundsatz<br />

messbar ist. Dieser Grundsatz bezieht sich darauf, dass sinnvollerweise<br />

die Bedingungen zum Umgang mit Zielen und zur Interpretation <strong>von</strong><br />

VerÇnderungen in den Bereichen FÇhigkeitsstÄrungen und Hilfebedarf,<br />

wie wir sie bisher dargestellt haben, erfÉllt sein sollten. Nach den Erfah-<br />

rungen, die wir mit unserer internen Erfolgsmessung gesammelt haben,<br />

zu urteilen, wird eine Erfolgsmessung immer zu Ergebnissen fÉhren,<br />

die vor dem Hintergrund eines ganz konkreten Betreuungsverlaufs der<br />

Interpretation bedÉrfen. Wir gehen nicht da<strong>von</strong> aus, dass eine Erfolgs-<br />

messung ausschlieÅlich datenorientiert sein kann und auch nicht zu<br />

einer einzigen konkreten Ergebniszahl fÉhrt, die Auskunft Éber den Er-<br />

folg oder Misserfolg eines Betreuungsverlaufs gibt. Andererseits haben<br />

wir auch die Erfahrung gemacht, dass eine datengestÉtzte EinschÇt-<br />

zung <strong>von</strong> BetreuungsverlÇufen einen sehr positiven Aspekte auf die<br />

Bewertung der durchgefÉhrten MaÅnahmen in dem Sinne besitzt, dass<br />

die subjektive EinschÇtzung der Bezugsbetreuer/innen durch die Hin-<br />

zuziehung <strong>von</strong> Betreuungsdaten eine gewisse Objektivierung erfÇhrt.<br />

AuÅerdem haben wir feststellen kÄnnen, dass die systematische Erhe-<br />

bung und Auswertung <strong>von</strong> Verlaufs- und Ergebnisdaten zur Betreuung<br />

frÉhzeitig Hinweise zur Verbesserung der Betreuungsarbeit und ihrer<br />

konzeptionellen Struktur gibt. Dadurch haben wir die MÄglichkeit erhal-<br />

ten, unsere Arbeit kontinuierlich zu professionalisieren und im Rahmen<br />

der gegebenen MÄglichkeiten so personenzentriert wie mÄglich zu ges-<br />

talten. Bevor wir das System vorstellen, das wir zur Erfolgsmessung<br />

nutzen, um daran anschlieÅend auf die aus dem Messsystem resultie-<br />

renden Erkenntnisgewinne einzugehen, noch ein wichtiger Hinweis:<br />

Wenn Sie in Ihrer Einrichtung ein differenziertes System zur Erfolgs-<br />

messung einfÉhren, mÉssen Sie damit rechnen, dass Ihre Arbeit und<br />

die StÇrken und SchwÇchen Ihrer Arbeit sehr transparent und damit<br />

sowohl fÉr Ihre Mitarbeiter/innen als auch fÉr AuÅenstehende (Kosten-<br />

trÇger) nachvollziehbar und ÉberprÉfbar werden. Sie mÉssen entschei-<br />

den, ob Sie diese umfassende Transparenz wollen oder nicht. Wir kÄn-<br />

nen Sie an dieser Stelle nur ermutigen, da wir sowohl im InnenverhÇlt-<br />

nis als auch nach auÅen bisher nur positive Erfahrungen mit der trans-<br />

parenten Darstellung unserer Arbeit gesammelt haben.<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 72 <strong>von</strong> 101


Zur Erfassung <strong>von</strong> Nutzer/innen- und Betreuungsdaten<br />

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Unser System zur Verlaufs- und Erfolgsmessung basiert, wie weiter<br />

oben schon dargestellt, auf dem Tabellenkalkulationsprogramm Micro-<br />

soft Excel. Wir gehen an dieser Stelle noch einmal auf das System ein,<br />

um seine Funktion fÉr unsere interne Erfolgsmessung deutlich zu ma-<br />

chen.<br />

Bei der Einrichtung unseres Messsystems hatten wir den Anspruch, es<br />

so zu gestalten, dass es mÄglichst bedienungsfreundlich ist. AuÅerdem<br />

sollte es so angelegt sein, dass mit einem Minimum an Eingaben ein<br />

Maximum an Ergebnissen erzielt werden kann. Vor dem Hintergrund<br />

haben wir uns entschieden, die Formulare, mit denen die Mitarbei-<br />

ter/innen als Papierversionen arbeiten (IBRP Bogen A1 und D1, sowie<br />

IBRP Bogen H modifiziert) in Excel-Dateien zu Ébertragen, so dass bei<br />

der Eingabe keine zusÇtzlichen Orientierungsprobleme auftreten. Die-<br />

ses Vorgehen hat sich zwischenzeitlich bewÇhrt, da allein schon das<br />

Arbeiten mit Excel eine (psychologische) Hemmschwelle fÉr einige Mit-<br />

arbeiter/innen bedeutete.<br />

Eine entscheidende HÉrde bei der Einrichtung unserer Verlaufs- und<br />

Erfolgsmessung bestand in der Identifizierbarkeit <strong>von</strong> AktivitÇten in Be-<br />

zug auf die 31 IBRP-Items fÉr FÇhigkeitsstÄrungen bzw. Hilfebedarf.<br />

Diese HÉrde wurde intern noch dadurch erhÄht, dass wir den Anspruch<br />

hatten, mit Hilfe eines Messsystems auch Ergebnisdaten sowohl fÉr<br />

unser QualitÇtsmanagementsystem (QMS) als auch zum Nachweis fÉr<br />

die mit dem KostentrÇger in einer Leistungs- und QualitÇtsvereinbarung<br />

(LQV) verabredeten Leistungen zu gewinnen. In einem ersten Schritt<br />

haben wir eine Konkordanz erarbeitet, eine Zuordnung welches IBRP-<br />

Item entspricht welchem Punkt der LQV und welchem (Dienstleistungs-)<br />

Prozess des QMS. Dabei wurde deutlich, dass durch diese Zuordnung<br />

alle KernaktivitÇten der Betreuung erfasst wurden, aber noch zusÇtzli-<br />

che AktivitÇten fÉr Hintergrundarbeiten (z.B. Dokumentation, Instand-<br />

setzung, Verwaltung, Prozesskoordination) Ébrig blieben.<br />

Die KernaktivitÇten kÄnnen wir deshalb simultan sowohl anhand der<br />

LQV-Nummer als auch anhand der Nummer der IBRP-Items identifizie-<br />

ren. Zur Erfassung der HintergrundtÇtigkeiten haben wir uns dann ent-<br />

schieden, die jeweilige Nummer des unterstÉtzenden QM-Prozesses<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 73 <strong>von</strong> 101


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zur Identifizierung der AktivitÇten zu verwenden. Auf diese Weise kÄn-<br />

nen wir jede dokumentierte AktivitÇt eindeutig einem IBRP-Item bzw.<br />

einem Hintergrundsbereich zuordnen.<br />

Insgesamt ist es uns gelungen, den Bereich der Dateneingaben auf<br />

einige wesentliche Bereiche zu beschrÇnken:<br />

tÇgliche Dateneingaben: Kontaktdokumentation (IBRP Bogen H<br />

modifiziert), Belegungsnachweis und Dienstzeiten im Dienstplan<br />

Dateneingaben nach Bedarf: IBRP Bogen A1 und D1, MaÅnahme-<br />

plÇne<br />

Hinzu kommt die Erstellung <strong>von</strong> Entwicklungsberichten, die wir regulÇr<br />

alle 6 Monate (zur internen Zwischenbilanz) und nach Bedarf (Anforde-<br />

rung des KostentrÇgers) erstellen. Auf diese Weise ist es uns gelungen<br />

den durchschnittlichen Zeitaufwand auf 5 Minuten pro Tag pro Mitarbei-<br />

ter/in zu beschrÇnken.<br />

Im Einzelnen ist das Messsystem folgendermaÅen ausgestaltet:<br />

Mit jedem IBRP werden eine FÉlle <strong>von</strong> nutzer/innenbezogenen Daten<br />

erhoben. Um diese Daten fÉr die Weiterentwicklung unserer Arbeit und<br />

unserer Angebote nutzen zu kÄnnen, war der Arbeitsschritt notwendig,<br />

den IBRP Excel-kompatibel zu gestalten. Wir haben dieses Problem in<br />

der Form gelÄst, dass wir die BÄgen A1 und D1 jeweils in eine Excel-<br />

Tabelle Ébertragen haben. Nachdem unsere Mitarbeiter/innen den<br />

IBRP mit den Nutzer/innen erhoben haben, Ébertragen sie die Daten<br />

der Papierversion in die Excel-Version. Durch diesen Ñbertragungspro-<br />

zess werden die erhobenen Daten berechnungs- und damit auch viel-<br />

fÇltig auswertungsfÇhig. Von besonderer Bedeutung sind in diesem<br />

Zusammenhang die Erfassung der FÇhigkeitsstÄrungen und des nicht-<br />

psychiatrischen und des psychiatrischen Hilfebedarfs sowie die Erfas-<br />

sung der vereinbarten und erreichten Ziele (bzw. des Grades der Zieler-<br />

reichung und der Relevanzstatus eines Ziels).<br />

Mit der datentechnischen Erfassung des ersten IBRP ist die Grundlage<br />

fÉr die spÇtere Verlaufs- und Erfolgsmessung gelegt. Die Daten des<br />

ersten erhobenen IBRP (den Fall, dass ein/e Nutzer/in schon einen<br />

IBRP mitbringt, hatten wir bisher noch nicht) bilden die AusgangsgrÄÅe<br />

fÉr die Daten aus spÇteren IBRP-Erhebungen, die in automatisierten<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 74 <strong>von</strong> 101


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Form mit den Daten des ersten IBRP abgeglichen und auf VerÇnderun-<br />

gen hin ausgewertet werden.<br />

Die im IBRP vereinbarten Ziele werden im Rahmen <strong>von</strong> MaÅnahmeplÇ-<br />

nen angesteuert. In der Regel wird alle 30 Tage mit der Nutzer/in ein<br />

neuer MaÅnahmeplan vereinbart und der vorhergehende ausgewertet.<br />

Unser Formular fÉr den MaÅnahmeplan ist so gestaltet, dass jede ver-<br />

einbarte MaÅnahme einen Bezug zum jeweils gÉltigen IBRP besitzt<br />

(vgl. Anhang A2.). wenn ein/e Nutzer/in zum Beispiel stark ausgeprÇg-<br />

te BeeintrÇchtigungen im Bereich I.a) Antrieb besitzt, werden MaÅnah-<br />

men zur AntriebsfÄrderung vereinbart und im MaÅnahmeplan mit „I.a)“<br />

gekennzeichnet. Auf diese Weise erzielen wir den Effekt, dass Nut-<br />

zer/in und Bezugsbetreuer/in relativ zeitnah darÉber orientiert sind, ob<br />

die im IBRP vereinbarte Ziele noch relevant sind, ob sie gegebenenfalls<br />

zwischenzeitlich erreicht wurden oder ob die Nutzer/in mittlerweile an-<br />

dere Ziele fÉr wichtiger erachtet und diese verfolgt.<br />

Die Daten des MaÅnahmeplans werden in eine gesonderte Excel-Datei<br />

eingegeben und <strong>von</strong> dort datentechnisch automatisiert mit den IBRP-<br />

Daten in Beziehung gesetzt.<br />

Zur Dokumentation der BetreuungsaktivitÇten verwenden wir eine modi-<br />

fizierte Form des IBRP Bogen H, mit Hilfe dessen wir nut-<br />

zer/innenbezogen Anzahl und Dauer der BetreuungsaktivitÇten den<br />

einzelnen Bereichen des IBRP (FÇhigkeitsstÄrungen) zuordnen (vgl.<br />

Anhang A6.). AuÅerdem erfassen wir mit diesem Bogen, welche/r Mit-<br />

arbeiter/in welche AktivitÇten durchgefÉhrt hat. In diesem Bogen wer-<br />

den gleichfalls alle nicht nutzer/innenbezogenen HintergrundtÇtigkeiten<br />

erfasst.<br />

Die Daten der AktivitÇtendokumentation werden ebenfalls in eine ent-<br />

sprechende Excel-Datei Ébertragen.<br />

Flankiert wird unser System zur Verlaufs- und Erfolgsmessung durch<br />

die Auswertung der tatsÇchliche geleisteten Dienstzeiten, die mitarbei-<br />

ter/innenbezogen in Beziehung gesetzt werden zur Dauer der doku-<br />

mentierten BetreuungsaktivitÇten.<br />

Zur Datenerhebung haben wir intern folgende Verabredungen getrof-<br />

fen:<br />

Das, was dokumentiert ist, hat stattgefunden, das was nicht doku-<br />

mentiert wird, hat nicht stattgefunden.<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 75 <strong>von</strong> 101


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Der erste IBRP soll bis 21 Tage nach Betreuungsbeginn erstellt und<br />

auf EDV Ébertragen werden. Die Folge-IBRP werden im Abstand<br />

<strong>von</strong> 6 Monaten erhoben.<br />

Der erste MaÅnahmeplan soll am zweiten Tag nach Beginn der<br />

Betreuung erstellt werden. Die FolgemaÅnahmeplÇne werden dann<br />

spÇtestens alle 30 Tage ausgewertet und neu vereinbart.<br />

Die AktivitÇtendokumentation wird tÇglich gefÉhrt.<br />

Diese internen Verabredungen waren notwendig, um einerseits eine<br />

zeitnahe Datenerfassung zu gewÇhrleisten und andererseits eine Ver-<br />

gleichbarkeit der Daten untereinander dadurch zu gewÇhrleisten, dass<br />

sie zum in etwa gleichen Zeitpunkt einer Betreuung erhoben werden.<br />

Der Aufbau unseres Messsystems ist im Anhang (A7.) im schemati-<br />

schen Ñberblick dargestellt.<br />

Erkenntnisgewinne aus der Erfassung <strong>von</strong> Betreuungsdaten<br />

Aus unserem System zur Verlaufs- und Ergebnismessung erhalten wir<br />

tagesaktuell sowohl nutzer/innen- als auch angebotsbezogen eine FÉlle<br />

<strong>von</strong> aufbereiteten Daten. Diese lassen sich folgendermaÅen differen-<br />

zieren:<br />

a) Nutzer/innenbezogene Erkenntnisse<br />

Anwesenheit der Nutzer/innen<br />

Nutzer/innenprofil nach IBRP Bogen A1 und D1<br />

Anzahl und Dauer der AktivitÇten der Nutzer/innen (bzw. der Mitar-<br />

beiter/innen mit und fÉr die Nutzer/innen) aufgegliedert nach IBRP-<br />

Items und Einzel- oder GruppenaktivitÇten<br />

Anzahl der mit den Nutzer/innen vereinbarten MaÅnahmeplÇne<br />

Anzahl und Art der vereinbarten MaÅnahmen<br />

Bewertungen der durchgefÉhrten MaÅnahmeplÇne durch die Nut-<br />

zer/innen<br />

Bewertungen der durchgefÉhrten MaÅnahmeplÇne durch die Mitar-<br />

beiter/innen<br />

Konsistenz der Betreuung der Nutzer/innen (Ñbereinstimmung <strong>von</strong><br />

FÇhigkeitsstÄrungen, Hilfebedarf, Zielsetzung, Zielerreichung und<br />

Anzahl bzw. Dauer der AktivitÇten)<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 76 <strong>von</strong> 101


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VerÇnderungen in den Bereichen FÇhigkeitsstÄrungen und Hilfebe-<br />

darf<br />

Grad der Zielerreichung<br />

b) Angebotsbezogene Erkenntnisse<br />

Die nutzer/innenbezogenen Erkenntnisse fassen wir zu angebotsspezi-<br />

fischen Profilen mit folgender Differenzierung zusammen:<br />

Angebotsstatistik (Anzahl, Zusammensetzung und Struktur der Nut-<br />

zer/innen eines Angebots auf der Basis aller IBRP der Nutzer/innen<br />

eines Angebots)<br />

Belegungsquoten<br />

Ermittlung des Arbeitsaufwandes fÉr Kern- und HintergrundaktivitÇ-<br />

ten<br />

Dokumentationsquoten je Mitarbeiter/in und je Angebot (Dauer der<br />

dokumentierten AktivitÇten im VerhÇltnis zur geleisteten Arbeitszeit)<br />

Anzahl und Dauer der AktivitÇten je vereinbarter Leistung (LQV-<br />

Nachweis)<br />

Durchschnittliche Kosten einer AktivitÇtsminute<br />

Konsistenz der Betreuung innerhalb eines Angebots (Ñbereinstim-<br />

mung <strong>von</strong> FÇhigkeitsstÄrungen, Hilfebedarf, Zielsetzung, Zielerrei-<br />

chung und Anzahl bzw. Dauer der AktivitÇten)<br />

Durchschnittliche VerÇnderungen in den Bereichen FÇhigkeitsstÄ-<br />

rungen und Hilfebedarf<br />

Durchschnittlicher Grad der Zielerreichung<br />

In der Summe erhalten wir Éber unser System zur Verlaufs- und Ergeb-<br />

nismessung einen differenzierten und transparenten Einblick in den<br />

Betreuungsverlauf und das Betreuungsergebnis jeder/s einzelnen Nut-<br />

zer/in. Wir sind damit auch in der Situation, dass wir sich anbahnende<br />

Unstimmigkeiten in der Betreuung, die sich zu manifesten Betreuungs-<br />

fehlern auswachsen kÄnnten, frÉhzeitig erkennen und korrigieren kÄn-<br />

nen.<br />

Dabei handhaben wir den Umgang mit den Betreuungsergebnissen in<br />

der Form, dass die Nutzer/innen anlÇsslich der Erstellung <strong>von</strong> Entwick-<br />

lungsberichten volle Kenntnis Éber diese Daten erhalten. Wir haben die<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 77 <strong>von</strong> 101


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Erfahrung gemacht, dass durch den offenen Umgang mit den Ergeb-<br />

nissen subjektive EindrÉcke sowohl der Nutzer/innen als auch der Mit-<br />

arbeiter/innen Éber das, „was war und wie es gelaufen ist“, substantiiert<br />

und teilweise auch korrigiert werden.<br />

Auch im Hinblick auf die angebotsspezifischen Ergebnisse lassen sich<br />

frÉhzeitig Fehlerpotenziale identifizieren und durch entsprechende Aus-<br />

wertungen mit den Mitarbeiter/innen korrigieren. AuÅerdem erhalten wir<br />

einen detaillierten Ñberblick Éber die angebotsspezifische Profilentwick-<br />

lung, die sich z.B. in verschiedenen AktivitÇtsschwerpunkten und in der<br />

spezifischen Zusammensetzung der Nutzer/innen eines Angebots aus-<br />

drÉcken.<br />

Gerade der transparente und offene Umgang mit den Daten gegenÉber<br />

Nutzer/innen und Mitarbeiter/innen hat wesentlich mit dazu beigetra-<br />

gen, dass sich in jedem Angebot, das heiÅt in jeder Sozialtherapeuti-<br />

schen Wohngruppe und im Ambulant Betreuten Wohnen eigene Spezi-<br />

fika herausbilden konnten, so dass wir dadurch ein hohes MaÅ an Bin-<br />

nendifferenzierung in den Angeboten erreicht haben. Dadurch haben<br />

wir zusÇtzliche ZugangsmÄglichkeiten fÉr die Nutzer/innen schaffen<br />

kÄnnen.<br />

Im VerhÇltnis zu den zustÇndigen KostentrÇgern wirkt sich die transpa-<br />

rente Handhabung unseres Systems zur Verlaufs- und Erfolgsmessung<br />

vertrauensbildend aus. Die KostentrÇger finanzieren die Betreuungs-<br />

maÅnahmen und haben <strong>von</strong> daher ein groÅes Interesse daran, zu er-<br />

fahren, wofÉr sie die Äffentlichen Gelder mit welchem Erfolg ausgege-<br />

ben haben. Diesem BedÉrfnis kommen wir mit unseren Nachweisen<br />

Éber die Anzahl und Dauer der erbrachten AktivitÇten je vereinbarter<br />

Leistung (nach LQV) nach. Daneben stellen wir den KostentrÇgern<br />

auch Verlaufs- und Ergebnisdaten der Betreuung der einzelnen Nut-<br />

zer/innen im Rahmen der Entwicklungsberichte zur VerfÉgung. Im Da-<br />

tenteil unserer Entwicklungsberichte sind die VerÇnderungen in den<br />

Bereichen FÇhigkeitsstÄrungen und Hilfebedarf sowie der Zielerrei-<br />

chungsgrad nutzer/innenbezogen detailliert aufgefÉhrt, so dass der<br />

KostentrÇger in den Stand versetzt wird, zu einer eigenen EinschÇtzung<br />

des jeweiligen Betreuungsverlaufs zu kommen (vgl. im Anhang A3.,<br />

A4., A5.). Damit hat er eine fundierte Grundlage fÉr die Entscheidung,<br />

ob und wenn ja, welche MaÅnahmen mit welcher Dauer zukÉnftig not-<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 78 <strong>von</strong> 101


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wendig sind. Durch diese Vorgehensweise entziehen wir zumindest<br />

teilweise der Aushandlung Éber Beendigung oder FortfÉhrung <strong>von</strong><br />

MaÅnahmen die Vagheit subjektiver EindrÉcke und leisten einen Bei-<br />

trag dazu, den Erfolg oder auch Misserfolg einer MaÅnahme zu be-<br />

grÉnden.<br />

4.2 Verfahren zur erfolgsorientierten Hilfeplanung<br />

Nachdem wir im ersten Abschnitt zentrale Parameter zur Erfolgsmes-<br />

sung in der Sozialpsychiatrie erÄrtert haben, wenden wir uns im Fol-<br />

genden der Frage zu, wie erfolgsorientierte Hilfeplanung in der Praxis<br />

aussehen kÄnnten, an welche Vorbedingungen sie geknÉpft ist und wie<br />

ein entsprechendes Ablaufverfahren erfolgsorientierter Hilfeplanung<br />

ausgestaltet werden kÄnnte. Diese Fragen wollen wir nicht unter dem<br />

Aspekt des WÉnschenswerten, sondern unter dem Aspekt des Reali-<br />

sierbaren angehen. Wir gehen jedoch da<strong>von</strong> aus, dass gerade der Be-<br />

reich der Hilfeplanung mittlerweile vielfÇltige AusprÇgungen in den ein-<br />

zelnen Regionen gefunden hat, die wesentlich an die jeweils vor Ort<br />

gegebenen Bedingungen (und die dort handelnden Personen) geknÉpft<br />

sind, so dass man eigentlich nicht <strong>von</strong> der Hilfeplanung sprechen kann.<br />

Insofern wollen wir einen Beitrag dazu leisten, einige Bedingungen auf-<br />

zuzeigen, die nach unserer EinschÇtzung dazu beitragen kÄnnen, den<br />

Aspekt der Erfolgsmessung und -bewertung in der Hilfeplanung zu ver-<br />

ankern. Als empirischen Hintergrund unserer AusfÉhrungen beziehen<br />

wir uns auf zentrale Elemente des Hilfeplanverfahrens, wie es derzeit<br />

im Landkreis Parchim praktiziert wird.<br />

4.2.1 Grundlegende Parameter einer erfolgsorientierten Hilfepla-<br />

nung<br />

In der Hilfeplanung sollen alle wesentlichen Aspekte des individuellen<br />

Hilfebedarfs berÉcksichtigt werden. Wenn innerhalb einer Einrichtung<br />

nicht allen Aspekten des gegebenen Hilfebedarfs Rechnung getragen<br />

werden kann, so ist die Hilfeplanung einrichtungs- bzw. trÇgerÉbergrei-<br />

fend zu gestalten. MaÅstab fÉr die zu erbringenden Hilfen ist nicht das<br />

Leistungsspektrum einer Einrichtung oder eines TrÇgers, sondern der<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 79 <strong>von</strong> 101


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eingetragener Verein<br />

konkrete Hilfebedarf des psychisch kranken Menschen. Zu diesem<br />

Zweck werden im Rahmen der Hilfeplanung die Zusammenarbeit der<br />

verschiedenen Einrichtungen und Fachdienste innerhalb eines gege-<br />

benen regionalen Einzugsgebiets (Gemeindepsychiatrischer Verbund)<br />

verpflichtend koordiniert.<br />

Im Rahmen der Hilfeplanung werden die zu erreichenden Ziele der Hil-<br />

femaÅnahmen festgelegt. Dabei ist darauf zu achten, dass die Ziele mit<br />

dem psychisch kranken Menschen gemeinsam ausgehandelt werden<br />

und so konkret formuliert werden, dass sie in einem Éberschaubaren<br />

Zeitraum angesteuert und erreicht werden kÄnnen. Allgemeine und<br />

unspezifischen Zielformulierungen sind zu vermeiden (operationalisier-<br />

bare Ziele vs. Globalziele).<br />

Die Hilfeplanung ist die Grundlage des Anspruchs auf Leistungen der<br />

Eingliederungshilfe nach â 53 SGB XII. Diese sozialrechtliche Rah-<br />

mung schlieÅt jedoch zumindest nicht grundsÇtzlich die Einbeziehung<br />

weiterer LeistungstrÇger in die Hilfeplanung aus. Auch hier gilt der<br />

Grundsatz, dass die zu erbringenden Leistungen am Hilfebedarf des<br />

psychisch kranken Menschen zu orientieren sind. Wichtig ist in diesem<br />

Zusammenhang, dass vor Einsetzen der Hilfeplanung die Anspruchs-<br />

voraussetzungen geklÇrt sein mÉssen. in der Regel wird ein Antrag auf<br />

MaÅnahmen der Eingliederungshilfe durch den psychisch kranken Men-<br />

schen oder seinen gesetzlichen Vertreter zu stellen sein, der durch die<br />

Éblichen Nachweise (Antrag auf Sozialhilfe, Einkommens- und VermÄ-<br />

gensnachweise, Nachweis Éber Unterkunftskosten, Kopie Personal-<br />

ausweis, Kopie Betreuerausweis (wenn vorhanden), Schweigepflicht-<br />

entbindung, Nachweis der Behinderung, BestÇtigung der seelischen<br />

Erkrankung oder Behinderung durch den behandelnden Facharzt) er-<br />

gÇnzt wird.<br />

Die Hilfeplanung sollte immer in Abstimmung mit dem HilfebedÉrftigen<br />

und - wenn vorhanden - mit seinem gesetzlichen Vertreter erfolgen. Der<br />

Einbezug weiterer, fÉr den psychisch kranken Menschen wichtiger Be-<br />

zugspersonen ist anzustreben. Die Hilfeplanung setzt flexibel am jewei-<br />

ligen Hilfebedarf an, wird zeitlich befristet vereinbart und auf die Errei-<br />

chung der formulierten Ziele hin ÉberprÉft.<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 80 <strong>von</strong> 101


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eingetragener Verein<br />

Zur systematischen Hilfeplanung wird derzeit flÇchendeckend der Integ-<br />

rierte Behandlungs- und Rehabilitationsplan (IBRP) und hier in der Re-<br />

gel Bogen A1 und Bogen D1 benutzt. Sinnvollerweise sollte die Hilfe-<br />

planung aber zusÇtzlich auf das den Hilfebedarf detaillierende und dif-<br />

ferenzierende Instrument des MaÅnahmeplans gestÉtzt werden. Da-<br />

durch erhÇlt die Hilfeplanung auch fÉr den HilfeempfÇnger einen grÄÅe-<br />

ren Verbindlichkeitscharakter. Um diesen <strong>von</strong> Beginn an deutlich wer-<br />

den zu lassen, sollten die HilfeempfÇnger/innen in die Hilfeplanung mit<br />

IBRP und MaÅnahmeplan einbezogen werden. Eine stellvertretende<br />

Hilfeplanung kann in AusnahmefÇllen sinnvoll sein, der Regelfall sollte<br />

aber der Aushandlungsprozess zwischen HilfeempfÇnger/innen und<br />

Hilfeerbringer/innen sein.<br />

Der Nachweis Éber die erfolgte Hilfeplanung, das heiÅt der Nachweis<br />

der geleisteten MaÅnahmen sollte durch eine differenzierte und aussa-<br />

gefÇhige Dokumentation erbracht werden, aus der mindestens die nut-<br />

zer/innenspezifischen AktivitÇten hervorgehen. Die Ergebnisse der Do-<br />

kumentation sollten dann summarisch oder aggregiert in den Entwick-<br />

lungsberichten ihren Niederschlag finden, die aus Anlass <strong>von</strong> MaÅ-<br />

nahmeverlÇngerungen oder -Çnderungen gestellt werden. Im Einzelnen<br />

sollte der Entwicklungsbericht, der <strong>von</strong> der koordinierenden Bezugsper-<br />

son Éber den bisherigen MaÅnahmeverlauf erstellt werden sollte, min-<br />

destens folgende Angaben enthalten:<br />

Bewilligungsdatum und -zeitraum der MaÅnahme<br />

Diagnosen nach ICD-10 und in Volltext<br />

Ziele der MaÅnahme und Grad der Zielerreichung<br />

Umfang <strong>von</strong> FÇhigkeiten und FÇhigkeitsstÄrungen zu MaÅnahme-<br />

beginn und zum Antragszeitpunkt (Folgeantrag)<br />

Konsistenz der MaÅnahmeerbringung<br />

Umsetzung der Ziele im Rahmen <strong>von</strong> MaÅnahmeplÇnen<br />

BetreuungsintensitÇt<br />

Bewertung zum Verlauf der MaÅnahme durch den Antragsteller und<br />

durch die koordinierende Bezugsperson<br />

Alle Instrumente der Hilfeplanung sollten EDV-fÇhig gestaltet werden,<br />

so dass die mit ihnen erhobenen Daten im Sinne eines Vergleichs <strong>von</strong><br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 81 <strong>von</strong> 101


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Anfangs- und FolgezustÇnden, der Darlegung des Grades der Zieler-<br />

reichung sowie im Hinblick auf die Konsistenz erbrachter Leistungen<br />

automatisiert nachgewiesen werden kÄnnen und damit fÉr den zustÇn-<br />

digen KostentrÇger nachvollziehbar sind.<br />

4.2.2 Institutionelles Ablaufmuster einer erfolgsorientierten Hilfe-<br />

planung<br />

Das institutionelle Ablaufmuster der Hilfeplanung ist in vielen Regionen<br />

durch die DurchfÉhrung einer Hilfeplankonferenz zur Festlegung der<br />

konkret zu erbringenden Hilfeleistungen geprÇgt. Im Hinblick auf die<br />

Kooperation der in der Sozialpsychiatrie tÇtigen Institutionen und Per-<br />

sonen halten wir aber eine deutliche Abgrenzung <strong>von</strong> ZustÇndigkeiten<br />

fÉr unumgÇnglich. WÇhrend die komplementÇren Einrichtungen der<br />

Sozialpsychiatrie in der Regel erst im Rahmen der Hilfeplankonferenz<br />

an der Hilfeplanung beteiligt sind (dann aber Éberwiegend federfÉh-<br />

rend), haben andere Institutionen und Professionen zu diesem Zeit-<br />

punkt schon zum Teil erhebliche Leistungen erbracht. Sei es, dass sich<br />

die HilfeempfÇnger/innen in einer stationÇr-klinischen oder tagesklini-<br />

schen Behandlung befanden, sei es, dass sie seit geraumer oder auch<br />

lÇngerer Zeit àrzten, FachÇrzten und/oder dem zustÇndigen Sozialpsy-<br />

chiatrischen Dienst bzw. dem Gesundheitsamt bekannt sind, alle Betei-<br />

ligten haben den Weg des psychisch kranken Menschen durch ihre<br />

speziellen institutionellen Ablaufmuster und ihre Leistungen beeinflusst.<br />

Alle genannten Institutionen und Professionen haben entweder im Zu-<br />

sammenspiel oder jede fÉr sich, dazu beigetragen, dass die einzelne<br />

HilfeempfÇnger/in diagnostiziert und damit auch als psychisch kranker<br />

Mensch identifiziert wurde. Nur das Vorliegen einer psychiatrischen<br />

Diagnose bzw. die Feststellung einer psychischen Behinderung berech-<br />

tigt den psychisch kranken Menschen zum Erhalt entsprechender Leis-<br />

tungen der Eingliederungshilfe. In diesem Sinne ist es Aufgabe des<br />

(fach-) medizinischen Bereichs den psychisch kranken Menschen den<br />

Weg zum komplementÇren Hilfesystem zu ebnen.<br />

Wir haben also zwei deutlich <strong>von</strong> einander abgrenzbare Bereiche des<br />

sozialpsychiatrischen Hilfesystems mit jeweils eigenen Aufgabenstel-<br />

lungen: 1. den medizinischen Bereich mit den Aufgaben der Diagnostik<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 82 <strong>von</strong> 101


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und der PrimÇrversorgung und -unterstÉtzung und 2. den komplemen-<br />

tÇren Bereich mit der Aufgabe der (Wieder-) Eingliederung in die Ge-<br />

sellschaft. Die Schnittstelle zwischen beiden Bereichen ist die Hilfe-<br />

plankonferenz. Die hier getroffene systematische Unterscheidung zwi-<br />

schen den beiden Bereichen sozialpsychiatrischer UnterstÉtzungsleis-<br />

tungen bedeutet aber nicht, dass diese im Rahmen der Wiedereinglie-<br />

derung nicht mehr mit einander kooperieren. Das Gegenteil ist der Fall.<br />

Wichtig ist fÉr die hier behandelte Thematik, dass die Hilfeplankonfe-<br />

renz zu einer eindeutigen VerÇnderung im Hinblick auf die Koordination<br />

der zu erbringenden MaÅnahmen fÉhrt. Diese Aufgabe geht vom medi-<br />

zinischen Bereich auf den komplementÇren Éber. Dabei liegt es in der<br />

Verantwortung des komplementÇren Bereichs, der Verpflichtung zum<br />

Einbezug medizinischer MaÅnahmen in den Rehabilitationsprozess<br />

entsprechend des Hilfebedarfs der psychisch kranken Menschen<br />

Rechnung zu tragen und ihre Mitwirkung zu fÄrdern.<br />

Wie wird nun die Funktion der koordinierenden Hilfeplanung vom medi-<br />

zinischen auf den komplementÇren Bereich Ébertragen?<br />

Formal erfolgt die FunktionsÉbergabe durch die Hilfeplankonferenz.<br />

Diese ist in der Regel ein Abstimmungsgremium <strong>von</strong> allen Diensten und<br />

Einrichtungen, sowie KostentrÇgern innerhalb einer gegebenen Region,<br />

die die Aufgabe Ébernommen haben, sicher zu stellen, dass psychisch<br />

kranke Menschen, die einen komplexen Hilfebedarf haben, diese Hilfen<br />

auch bekommen. Die FederfÉhrung der Hilfeplankonferenz liegt sozial-<br />

gesetzlich beim zustÇndigen SozialhilfetrÇger. An ihn wird der Antrag<br />

der Hilfeberechtigten auf entsprechende UnterstÉtzungsmaÅnahmen<br />

gerichtet. Nach diesem formalen Ablauf wÉrden die Hilfeberechtigen<br />

und die komplementÇren Einrichtungen erst in der Hilfeplankonferenz<br />

erfahren, dass sie zukÉnftig zusammenwirken sollen, ohne dass den<br />

Hilfeberechtigten bekannt ist, wer zukÉnftig ihr Ansprechpartner ist bzw.<br />

in welcher Umgebung sie zukÉnftig unter welchen Bedingungen leben<br />

werden.<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 83 <strong>von</strong> 101


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Zur Rolle des Sozialpsychiatrischen Dienstes in der erfolgsorien-<br />

tierten Hilfeplanung<br />

In dem Prozess der Ñbergabe der koordinierenden Hilfeplanung vom<br />

medizinischen zum komplementÇren Bereich kommt dem Sozialpsychi-<br />

atrischen Dienst eine entscheidende Scharnierfunktion zu. Bei ihm lau-<br />

fen im besten Fall die Informationen Éber betreuungsbedÉrftige psy-<br />

chisch kranke Menschen zusammen und er sollte Éber differenzierte<br />

Kenntnisse Éber die Betreuungsangebote seines ZustÇndigkeitsbe-<br />

reichs verfÉgen, so dass innerhalb des Dienstes eine qualifizierte Un-<br />

terstÉtzung des psychisch kranken Menschen im Hinblick auf die Aus-<br />

wahl einer geeigneten Einrichtung und im Hinblick auf individuelle Pas-<br />

sungsverhÇltnisse zwischen den BedÉrfnissen des Hilfeberechtigten<br />

und den zur VerfÉgung stehenden institutionellen UnterstÉtzungsleis-<br />

tungen hergestellt werden kann. Die UnterstÉtzung des Sozialpsychiat-<br />

rischen Dienstes im Rahmen der Scharnierfunktion sehen wir in diesem<br />

Zusammenhang aber eher als beratend denn als begutachtend. Die<br />

Aufgabe des Sozialpsychiatrischen Dienstes wÉrde im Rahmen der<br />

Hilfeplankonferenz darin bestehen, in Zusammenarbeit mit den An-<br />

tragsteller/innen einen begrÉndeten Vorschlag fÉr den KostentrÇger zu<br />

erarbeiten, welche Formen <strong>von</strong> UnterstÉtzungsmaÅnahmen fÉr die Si-<br />

tuation der Antragsteller/innen angemessen sein kÄnnten.<br />

Damit der Sozialpsychiatrische Dienst die angesprochene Beratungs-<br />

funktion in dem hier skizzierten Sinn Ébernehmen kann, benÄtigt er<br />

mindestens Rahmenkriterien, die Aufschluss Éber ein mÄgliches<br />

Betreuungsangebot geben kÄnnen. Hier verbirgt sich also die Frage,<br />

wodurch die Situation eines psychisch kranken Menschen gekenn-<br />

zeichnet ist, fÉr den Ambulant Betreutes Wohnen oder die Betreuung in<br />

einer TagesstÇtte, Wohngruppe oder Wohnheim geeignet sein kÄnnte.<br />

Die unserer Auffassung nach wichtigste Grundvoraussetzung zur Be-<br />

antwortung dieser Frage besteht darin, dass sich die professionellen<br />

Akteure innerhalb des Sozialpsychiatrischen Dienstes bewusst sind,<br />

dass die Herstellung eines (vorlÇufigen) PassungsverhÇltnisses zwi-<br />

schen den UnterstÉtzungsbedÉrfnissen des psychisch kranken Men-<br />

schen und den mÄglichen UnterstÉtzungsleistungen einer Einrichtung<br />

immer auf einer unsicheren empirischen Basis grÉndet und <strong>von</strong> einer<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 84 <strong>von</strong> 101


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essentiellen Vagheit gekennzeichnet ist. Von daher kÄnnen die Ein-<br />

schÇtzungen Éber die geeignete Form der Weiterbetreuung eigentlich<br />

immer nur VorschlÇge mit tentativem Charakter sein. Zur fachlichen<br />

Fundierung der VorschlÇge fÉr weitergehende BetreuungsmaÅnahmen<br />

kÄnnte sich der Sozialpsychiatrische Dienst auf Berichte <strong>von</strong> vorbehan-<br />

delnden Institutionen und Professionen stÉtzen, die z.B. im Rahmen<br />

der Antragstellung des Hilfeberechtigten an die Hilfeplankonferenz ge-<br />

richtet werden und <strong>von</strong> dort an den Sozialpsychiatrischen Dienst wei-<br />

tergeleitet werden. Eine eigenstÇndige Begutachtung erscheint uns<br />

lediglich in den FÇllen notwendig, in denen keine (fach-) Çrztlichen Vor-<br />

berichte zuhanden sind. Durch den Verzicht auf eine eigenstÇndige<br />

Gutachterfunktion wÉrde der Sozialpsychiatrische Dienst offensiv in<br />

den Stand gesetzt, seine Beratungs- und UnterstÉtzungsfunktion ge-<br />

genÉber dem psychisch kranken Menschen wahrzunehmen. Er Éber-<br />

nÇhme damit keine amtliche Aufsichtsfunktion und hÇtte <strong>von</strong> daher ei-<br />

nen breiten Spielraum fÉr vertrauensbildende MaÅnahmen, die not-<br />

wendig sind, um die Beratungsfunktion gegenÉber den Hilfeberechtig-<br />

ten ausÉben zu kÄnnen. Hierzu kÄnnten z.B. Besuche mit der/m Hilfe-<br />

berechtigten in der vorgesehenen Betreuungseinrichtung bzw. die Kon-<br />

taktherstellung zu Mitarbeiter/innen eines Betreuungsdienstes (Ambu-<br />

lant Betreutes Wohnen) gehÄren.<br />

Mit der expliziten Ñbernahme einer Beratungsfunktion an der Schnitt-<br />

stelle des Ñbergangs <strong>von</strong> der medizinischen zur komplementÇren Hilfe-<br />

koordination kÄnnte der Sozialpsychiatrische Dienst diese produktive<br />

Scharnierfunktion innerhalb des Hilfeplanverfahrens und hier insbeson-<br />

dere im Rahmen der ersten Hilfeplankonferenz eines Hilfeberechtigten<br />

Ébernehmen.<br />

Formales Ablaufverfahren einer Hilfeplankonferenz<br />

Der tentative Charakter des Betreuungsvorschlags des Sozialpsychiat-<br />

rischen Dienstes ist auch als solcher in der Hilfeplankonferenz zu be-<br />

werten. Wenn fÉr den Hilfeberechtigten erstmalig eine Betreuungs-<br />

maÅnahme bewilligt werden soll, so kann die Entscheidung eigentlich<br />

nur darauf ausgerichtet sein, diese MaÅnahme versuchsweise fÉr einen<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 85 <strong>von</strong> 101


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klar und relativ eng begrenzten Zeitraum <strong>von</strong> z.B. ca. 3 Monaten zu<br />

erproben.<br />

Unter dem Aspekt der Erfolgsmessung sollte die grundsÇtzliche Ziel-<br />

setzung dieser Eingangsphase der Betreuung in der Herstellung eines<br />

tragfÇhigen ArbeitsbÉndnisses zwischen Nutzer/in und Bezugsbetreu-<br />

er/in bestehen. Diese Zielsetzung kann bei Bedarf durch die Erarbei-<br />

tung eines IBRP bzw. wenn dieser bereits vorliegt, in der Aktualisierung<br />

des IBRP ergÇnzt und durch einen Entwicklungsbericht flankiert wer-<br />

den, der auch eine Stellungnahme der Nutzer/in zum bisherigen<br />

Betreuungsverlauf enthÇlt.<br />

Auf diese Weise kann dann nach 3 Monaten eine erste Zwischenbilanz<br />

in der Hilfeplankonferenz gezogen werden, ob und wenn ja, in welcher<br />

Weise die zuvor bewilligte MaÅnahme der BedÉrfnislage der Nutzer/in<br />

entspricht oder ob andere MaÅnahmen notwendig sind.<br />

Die Erfolgsmessung in der Eingangsphase der Betreuung wÉrde sich<br />

damit auf die Beantwortung <strong>von</strong> drei Fragen beschrÇnken lassen:<br />

1. Ist ein tragfÇhiges ArbeitsbÉndnis zustande gekommen?<br />

2. Sind weiterfÉhrende Ziele im IBRP (oder seiner Aktualisierung) zwi-<br />

schen Nutzer/in und Bezugsbetreuer/in ausgehandelt worden und<br />

wenn ja, wie lauten sie?<br />

3. Ist eine tragfÇhige EinschÇtzung <strong>von</strong> FÇhigkeitsstÄrungen und Hil-<br />

febedarf <strong>von</strong> Nutzer/in und Bezugsbetreuer/in vorgenommen wor-<br />

den?<br />

Die positive Beantwortung der ersten Frage verweist dann darauf, dass<br />

es ein fÉr beide Kernakteure stimmiges PassungsverhÇltnis gibt. Eine<br />

Verneinung wÉrde demgegenÉber die Notwendigkeit nach sich ziehen,<br />

dass innerhalb der zweiten Hilfeplankonferenz Éber eine andere geeig-<br />

nete MaÅnahme zu entscheiden wÇre.<br />

Die positive Beantwortung der anderen beiden Fragen sollte sich sinn-<br />

vollerweise schon darin manifestieren, dass ein aussagefÇhiger IBRP,<br />

in dem die Bereiche FÇhigkeitsstÄrungen, Hilfebedarf und Ziele erarbei-<br />

tet worden sind, zur zweiten Hilfeplankonferenz eingereicht wird und<br />

dort als Grundlage fÉr die Bewilligung weiterfÉhrender MaÅnahmen<br />

genutzt werden kann.<br />

Der zweiten Hilfeplankonferenz kommt eine entscheidende Funktion im<br />

Rahmen einer erfolgsorientierten Hilfeplanung zu. Zu diesem Zeitpunkt<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 86 <strong>von</strong> 101


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sollten die Basisdaten vorliegen, die in den folgenden Hilfeplankonfe-<br />

renzen darÉber Auskunft geben, ob und wenn ja, welche VerÇnderun-<br />

gen zwischenzeitlich in der Situation der Nutzer/in eingetreten sind. Zu<br />

den Basisdaten gehÄren die EinschÇtzung der FÇhigkeitsstÄrungen, die<br />

Aushandlung des nicht-psychiatrischen und des psychiatrischen Hilfe-<br />

bedarfs, die Aushandlung <strong>von</strong> Zielen und der Vorgehensweise zu ihrer<br />

Erreichung. Damit ist die Grundlage fÉr eine erfolgsorientierte Hilfepla-<br />

nung gelegt. Diese kann nun in den folgenden Hilfeplankonferenzen<br />

qualifiziert ÉberprÉft werden, in dem VerÇnderungen in den Bereichen<br />

FÇhigkeitsstÄrungen und Hilfebedarf z.B. im Rahmen <strong>von</strong> Entwick-<br />

lungsberichten ausgewiesen werden. Hinzu kommen EinschÇtzungen,<br />

zu wie viel Prozent die vereinbarten Ziele erreicht worden sind und wel-<br />

che neuen Zielsetzungen zwischenzeitlich ausgehandelt und in wel-<br />

chem MaÅe diese wiederum erreicht worden sind. Hinzu kÄnnen Daten<br />

zur BetreuungsintensitÇt kommen, also Anzahl und Dauer <strong>von</strong> Betreu-<br />

ungsaktivitÇten sowie Daten zur Betreuungskonsistenz, so dass er-<br />

kennbar wird, ob die vereinbarten Ziele systematisch oder her unspezi-<br />

fisch angesteuert worden sind und welcher Anteil der Betreuungsaktivi-<br />

tÇten der Einrichtungsform geschuldet ist.<br />

Der umfassende Datenteil sollte um die Darstellung des zwischenzeitli-<br />

chen Betreuungsverlaufs und durch eine Bewertung der MaÅnahme<br />

durch die Nutzer/in und die Bezugsbetreuer/in ergÇnzt werden.<br />

In der Summe entsteht so eine qualifizierte Datenbasis, die Auskunft<br />

darÉber gibt, ob der bisherige Betreuungsverlauf erfolgreich oder nicht<br />

erfolgreich verlaufen ist und was die GrÉnde dafÉr sind, dass das jewei-<br />

lige Ergebnis erzielt wurde. Auf dieser Basis kann eine fundierte Ent-<br />

scheidung getroffen werden, ob eine bestimmte MaÅnahme fortgesetzt,<br />

modifiziert oder beendet werden sollte.<br />

Ein weiterer Erkenntnisgewinn der hier skizzierten Form <strong>von</strong> Erfolgs-<br />

messung besteht in der MÄglichkeit, einrichtungs- und trÇgerÉbergrei-<br />

fende Vergleiche zu ziehen, die sich auf die konkrete DurchfÉhrung der<br />

Arbeit in den Einrichtungen im Sinne eines nutzer/innenorientierten<br />

Benchmarkings bezieht und sich nicht mehr (oder nicht vorwiegend),<br />

wie bisher zumindest in Mecklenburg-Vorpommern, auf die Anzahl <strong>von</strong><br />

PlÇtzen und die rÇumlich-sÇchliche Ausstattung einer Einrichtung als<br />

KerngrÄÅen zum einrichtungsÉbergreifenden Vergleich stÉtzen muss.<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 87 <strong>von</strong> 101


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Eine koordinierte, erfolgsorientierte Hilfeplanung, wie sie hier beschrie-<br />

ben wurde, fÉhrt somit sowohl zum transparenten Nachweis nut-<br />

zer/innenbezogener BetreuungsverlÇufe und -ergebnisse als auch zu<br />

einrichtungs- und trÇgerÉbergreifenden Vergleichsdaten, die im besten<br />

Falle dazu fÉhren kÄnnen, dass die QualitÇt der institutionellen sozial-<br />

psychiatrischen Versorgung in einen stÇndigen Verbesserungsprozess<br />

mÉndet.<br />

Zur Rolle und Stellung der koordinierenden Bezugsperson in der<br />

erfolgsorientierten Hilfeplanung<br />

In den bisherigen AusfÉhrungen haben wir aus systematischen GrÉn-<br />

den darauf verzichtet, die Rolle der koordinierenden Bezugsperson im<br />

Prozess der erfolgsorientierten Hilfeplanung zu problematisieren. Wir<br />

sind bisher stillschweigend da<strong>von</strong> ausgegangen, dass ein und dieselbe<br />

Person die Nutzer/in innerhalb ihres Betreuungsprozesses begleitet. In<br />

diesem Konzept der kontinuierlichen, koordinierenden Bezugsbetreu-<br />

ung ist die Idee enthalten, dass sich die Beziehungskonstanz zwischen<br />

Nutzer/innen und Betreuer/innen positiv fÉr die Nutzer/innen auswirken<br />

kann.<br />

Auf der organisatorischen Ebene der Betreuung laufen bei der Bezugs-<br />

betreuer/in die FÇden zusammen, sie ist im Sinne eines Casemanagers<br />

fÉr die Artikulation und Koordination der anfallenden Einzelaufgaben<br />

zustÇndig, sie hÇlt den Kontakt bzw. stellt die Kontakte her zu mitbe-<br />

handelnden Professionen und Institutionen, zum KostentrÇger, ggf. zu<br />

den gesetzlichen Betreuer/innen und ist dafÉr verantwortlich, die mit-<br />

wirkenden Instanzen zum Wohle der Nutzer/in in den Betreuungspro-<br />

zess einzubeziehen. Sie ist in dem MaÅe die Vermittlungsinstanz zwi-<br />

schen der Nutzer/in und der „AuÅenwelt“, wie es die Nutzer/in benÄtigt.<br />

Auf der Betreuungsebene hat die Bezugsbetreuer/in die Aufgabe, ge-<br />

meinsam mit der Nutzer/in den Betreuungsprozess so zu gestalten,<br />

dass dieser fÉr die Nutzer/in mÄglichst nutzbringend und entwicklungs-<br />

fÄrdernd verlÇuft. Hierzu gehÄren die gemeinsame EinschÇtzung <strong>von</strong><br />

FÇhigkeitsstÄrungen und Hilfebedarf, die Aushandlung <strong>von</strong> Betreu-<br />

ungszielen und den Wegen zu ihrer Erreichung, die EinschÇtzung Éber<br />

den Grad der Zielerreichung. Vor allem anderen aber besteht die Auf-<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 88 <strong>von</strong> 101


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gabe der Bezugsbetreuer/in im Aufbau und in der Aufrechterhaltung<br />

einer intensiven Beziehung zur Nutzer/in. Nach unserem VerstÇndnis<br />

ist Bezugsbetreuung immer gleichbedeutend mit dem Aufbau einer Art<br />

„Musterbeziehung“, in der alle die Ressourcen und Risiken zur Bezie-<br />

hungsgestaltung wirksam werden, die die Nutzer/in in ihrem Lebensum-<br />

feld fÄrdern oder beeintrÇchtigen. Und hier genau liegt die Chance der<br />

dauerhaft angelegten Bezugsbetreuung. Neben dem Aufbau <strong>von</strong> ge-<br />

genseitigem Vertrauen stellt die wiederkehrende Thematisierung der<br />

Beziehung zwischen Nutzer/in und Bezugsbetreuer/in die zentrale Auf-<br />

gabe der Bezugsbetreuung dar. Bezugsbetreuung beinhaltet neben<br />

den sozialpÇdagogischen und sozialarbeiterischen Komponenten im-<br />

mer auch im hohen MaÅe einen sozialtherapeutischen Anteil. Dabei ist<br />

es letztendlich irrelevant, ob die Betreuer/in bereit ist, sich auf diesen<br />

Anteil der Bezugsbetreuung einzulassen oder nicht, die Beziehungsar-<br />

beit wird in jedem Fall wirksam. Die offensive Annahme der kontinuierli-<br />

chen Beziehungsarbeit im Rahmen sozialtherapeutischen Handelns<br />

stellt in diesem Zusammenhang grÄÅere Ressourcen bereit, das Ver-<br />

halten der Nutzer/in (und der Bezugsbetreuer/in) unter fachlich-<br />

professionellen Aspekten einzuordnen und damit fÉr die Betreuung<br />

wiederum produktiv werden zu lassen, als die VernachlÇssigung der<br />

Beziehungsarbeit im Sinne eines „Geschehenlassens“. Letztere Varian-<br />

te fÉhrt in der Praxis bedauerlicherweise immer wieder zu sachfremden<br />

Kategorisierungen, die in der Regel zu Lasten der/s Nutzer/in gehen.<br />

Diese/r ist dann „schwierig“ oder „uneinsichtig“, „nicht motiviert“ oder<br />

gar „betreuungsresistent“. in der VernachlÇssigung sozialtherapeutisch<br />

ausgeprÇgter Beziehungsarbeit durch die Bezugsbetreuer/innen liegt<br />

auch eine Quelle, dass Nutzer/innen dann schlimmstenfalls als „Sys-<br />

temsprenger/innen“ kategorisiert werden.<br />

Insgesamt sind wir der Ansicht - und so handhaben wir die Bezugs-<br />

betreuung auch innerhalb unserer Angebote -, dass die Bezugsbetreu-<br />

ung sinnvollerweise die organisatorische und die Betreuungsebene<br />

gemeinsam beinhalten sollte. Viele primÇr organisatorisch erscheinen-<br />

de Angelegenheiten entfalten spezifische Wirkungen fÉr die Nut-<br />

zer/innen und deren Lebensplanung oder auch auf ganz konkrete Ab-<br />

schnitte des Betreuungsprozesses, so dass sie implizit auch immer<br />

betreuungsrelevant werden. Eine Aufsplittung <strong>von</strong> organisatorischer<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 89 <strong>von</strong> 101


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eingetragener Verein<br />

und Betreuungsfunktion ist vor diesem Hintergrund, also nut-<br />

zer/innenbezogen, kontraproduktiv, da in diesem Fall immer auch eine<br />

Vermittlungsarbeit zwischen der organisatorisch und der betreuenden<br />

koordinierenden Bezugsperson geleistet werden muss. Hier besteht die<br />

Gefahr <strong>von</strong> Vermittlungsdefiziten und daraus resultierenden Reibungs-<br />

verlusten, die in letzter Konsequenz wieder zu Lasten der Nutzer/in<br />

gehen. Allerdings - und diese Erfahrung haben wir auch machen kÄn-<br />

nen - stellt die umfassende Bezugsbetreuung hohe AnsprÉche an die<br />

Mitarbeiter/innen, die sowohl Éber Kompetenzen im Bereich Sozial-<br />

recht/Verwaltungsverfahren als auch Éber Kompetenzen im Bereich<br />

Sozialtherapie verfÉgen mÉssen. Es wird an dieser Stelle sicherlich<br />

immer wieder mitarbeiter/innenseitig ein entsprechender Schulungsbe-<br />

darf entstehen, dem trÇgerseitig Rechnung zu tragen ist. Unserer Auf-<br />

fassung nach ist der (eventuell auftretende) Schulungsbedarf deutlich<br />

akzeptabel, da er in der Konsequenz zu einer qualitativ hochwertigeren<br />

und das bedeutet in diesem Zusammenhang nutzer/innenbezogeneren<br />

Arbeit fÉhrt. Durch den Verzicht auf die Aufsplittung der koordinieren-<br />

den Bezugsbetreuung vermeiden wir die mÄglichen Begleiterscheinun-<br />

gen, wie z.B.<br />

Spezialisierung der Mitarbeiter/innen mit der Folge des Kenntnisde-<br />

fizits der jeweils anderen Aufgabenstellung,<br />

die (implizite) Bewertung der Mitarbeiter/innen, wonach z.B. die or-<br />

ganisatorische Koordination hÄherwertiger als die Betreuungskoor-<br />

dination sei,<br />

das Problem der FederfÉhrung innerhalb der Betreuungskoordinati-<br />

on,<br />

Fehler in der InformationsÉbermittlung bzw. erhÄhter Abstimmungs-<br />

bedarf zu ihrer Vermeidung,<br />

Wirksamwerden eines nutzer/innenseitig ausgelÄsten Spaltungs-<br />

mechanismus,<br />

thematische Doppelbetreuungen oder<br />

das Adressatenproblem: wer ist fÉr welche Bereiche <strong>von</strong> auÅen und<br />

<strong>von</strong> Seiten der Nutzer/in Ansprechpartner und verfÉgt Éber die ent-<br />

sprechenden Informationen?<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 90 <strong>von</strong> 101


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eingetragener Verein<br />

Es spricht also eine ganze Reihe <strong>von</strong> GrÉnden fÉr die Herstellung einer<br />

Beziehungskonstanz zwischen Nutzer/in und koordinierender Bezugs-<br />

person. In der Praxis ist diese aber aus pragmatischen, aber auch aus<br />

systembedingten GrÉnden in vielen FÇllen nicht mÄglich.<br />

Zu den pragmatischen GrÉnden gehÄren in diesem Zusammenhang<br />

mÄgliche Arbeitsplatzwechsel <strong>von</strong> Bezugsbetreuer/innen, aber auch die<br />

MÄglichkeit, dass sich das BeziehungsverhÇltnis zwischen Nutzer/in<br />

und Bezugsbetreuer/in (trotz sozialtherapeutischer Arbeit) so problema-<br />

tisch entwickelt, dass ein Wechsel der Bezugsbetreuung notwendig<br />

wird (z.B. weil einfach „die Chemie nicht stimmt“). Die pragmatischen<br />

GrÉnde fÉr einen Wechsel der koordinierenden Bezugsperson liegen<br />

im Bereich der Alltagserfahrung und kÄnnen jederzeit wirksam werden.<br />

Dieser Beziehungswechsel beinhaltet zwar eine (erneute) Verlusterfah-<br />

rung seitens der Nutzer/in, der aber in seinen Auswirkungen durch eine<br />

qualifizierte Vorbereitung durch die/den bisherige/n Bezugsbetreuer/in<br />

und eine entsprechende Nacharbeit durch die/den neue/n Bezugsbe-<br />

treuer/in in seinen Auswirkungen abgemildert werden kann.<br />

Schwieriger ist es mit den systembedingten GrÉnden. Hierunter verste-<br />

hen wir die Situation, dass z.B. im Verlauf der dreimonatigen EinfÉh-<br />

rungsphase nach der ersten Hilfeplankonferenz deutlich wird, dass die<br />

ursprÉnglich vorgesehene MaÅnahme nicht den BedÉrfnissen der Nut-<br />

zer/in entspricht und eine andere MaÅnahme notwendig wird. Im Ver-<br />

lauf dieses ersten Vierteljahres sollte es zu einem Beziehungsaufbau<br />

zwischen Nutzer/in und Bezugsbetreuer/in gekommen sein, der nut-<br />

zer/innenseitig auch immer einhergeht mit einem fragilen Prozess der<br />

áffnung und/oder der Selbstoffenbarung. Es dÉrfte in der Praxis nur in<br />

sehr wenigen FÇllen mÄglich sein, in dieser Situation die Beziehungs-<br />

konstanz zu erhalten. In der Regel fÉhren organisationsstrukturelle As-<br />

pekte auch innerhalb eines Gemeindepsychiatrischen Verbundes zu<br />

einem Wechsel in der Bezugsbetreuung, unter der Voraussetzung,<br />

dass diese nicht als formal-organisatorisches Case-Management, son-<br />

dern als sozialtherapeutische Kernaufgabe definiert wird. Vor diesem<br />

Hintergrund erhÇlt die Beratungsaufgabe des Sozialpsychiatrischen<br />

Dienstes im Hinblick auf die Auswahl einer geeigneten Betreuungs-<br />

maÅnahme zusÇtzliches Gewicht. Zur Vermeidung spÇterer Bezie-<br />

hungsabbrÉche und der damit einhergehenden BeeintrÇchtigungen der<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 91 <strong>von</strong> 101


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eingetragener Verein<br />

Nutzer/innen ist hier eine sorgfÇltige Auswahl der in Anwendung zu<br />

bringenden MaÅnahmen notwendig, die sich nicht nur auf die persÄnli-<br />

che Kenntnis der regional gegebenen Angebote, sondern auf rationale<br />

und damit nachprÉfbare Kriterien fÉr PassungsverhÇltnisse zwischen<br />

Nutzer/innen und Anbietern stÉtzt. Dass es fÉr solche Kriterien noch<br />

Entwicklungs- und Differenzierungsbedarf gibt, ist uns dabei sehr be-<br />

wusst. Eine mÄgliche Vorgehensweise kÄnnte in diesem Fall darin be-<br />

stehen, eine regelmÇÅige retrospektive Auswertung gelungener Pas-<br />

sungsverhÇltnisse anhand der erfolgsorientierte Datenerhebung und -<br />

auswertung der LeistungstrÇger im Verbund mit dem Sozialpsychiatri-<br />

schen Dienst und den KostentrÇgern vorzunehmen.<br />

4.3 Zusammenfassung<br />

Die Frage, was den Erfolg sozialpsychiatrischer Arbeit ausmacht, wie<br />

man diesen definieren kann und ob und wenn ja, wie man Erfolg in der<br />

sozialpsychiatrischen Arbeit messen kann, ist ein vielschichtiges The-<br />

ma, das eine FÉlle <strong>von</strong> Implikationen beinhaltet.<br />

Deshalb haben wir hier versucht, Aspekte aufzuzeigen, die dazu bei-<br />

tragen, dass empirisch belegte Aussagen getroffen werden kÄnnen, ob<br />

eine Betreuung im Rahmen einer sozialpsychiatrischen MaÅnahme<br />

innerhalb einer KomplementÇreinrichtung erfolgreich ist oder nicht.<br />

Wir haben uns dabei ganz bewusst auf ein weit verbreitetes Instrumen-<br />

tarium - den Integrierten Behandlungs- und Rehabilitationsplan - ge-<br />

stÉtzt. Dieses Instrument ist im Personenzentrierten und lebensfeldori-<br />

entierten Ansatz fundiert, seine Anwendung ist flÇchendeckend akzep-<br />

tiert und die Art und Weise, wie er erhoben wird (werden soll), ist hin-<br />

reichend bekannt.<br />

Dies war die Ausgangsbasis fÉr unseren Anregung, die im IBRP aus-<br />

gehandelten Bereiche des Grades an BeeintrÇchtigungen, des notwen-<br />

digen UnterstÉtzungsbedarfs und der Zielsetzungen der Nutzer/innen<br />

zur Grundlage einer Erfolgsmessung zu nehmen. Wir haben in diesem<br />

Zusammenhang aufgezeigt, dass insbesondere der Bereich der Ziel-<br />

festlegungen sehr sensibel und differenziert angegangen werden muss.<br />

Flankiert haben wir unsere Anregungen zur Erfolgsmessung durch die<br />

Messung der Betreuungskonsistenz.<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 92 <strong>von</strong> 101


[ grenzen<strong>los</strong> ] -<br />

eingetragener Verein<br />

Aus allen Aspekten zusammen haben wir ein EDV-gestÉtztes System<br />

zur Erfolgsmessung entwickelt, das empirisch fundierte Aussagen zum<br />

Erfolg oder Misserfolg einer BetreuungsmaÅnahme ermÄglicht. Dabei<br />

haben wir das Erhebungs- und Auswertungssystem so gestaltet, dass<br />

Aussagen Éber Erfolg und Misserfolg sowohl nutzer/innenbezogen als<br />

auch einrichtungsspezifisch getroffen werden kÄnnen.<br />

Unsere Anregungen zur Erfolgsmessung haben wir dann in einem<br />

zweiten Schritt in ein spezifisches Verfahren zur Hilfeplanung integriert,<br />

das unseres Erachtens insbesondere den Nutzer/innen sozialpsychiat-<br />

rischer Angebote zu Gute kommen sollte.<br />

In diesem Zusammenhang haben wir insbesondere auf die Stellung<br />

und die Funktion des Sozialpsychiatrischen Dienstes Bezug genommen<br />

und einen Vorschlag zur Aufgabenabgrenzung zwischen dem Dienst<br />

und den betreuenden Einrichtungen unterbreitet.<br />

Wir haben dargelegt, dass unserer Ansicht nach die Koordination der<br />

BetreuungsmaÅnahme generell den Bezugsbetreuer/innen innerhalb<br />

der komplementÇren Einrichtungen Ébertragen werden sollte, haben<br />

aber auch darauf hingewiesen, dass Bezugsbetreuung auch unter-<br />

schiedlich gehandhabt werden kann und damit unterschiedliche Chan-<br />

cen und Risiken enthÇlt.<br />

Die VorschlÇge, wie wir sie hier unterbreitet haben, haben wir im Rah-<br />

men unserer Angebote weitestgehend verwirklicht. Das Hilfeplanverfah-<br />

ren, wie wir es hier beschrieben haben, findet in dieser Form schon<br />

weitgehend im Landkreis Parchim statt. Wir haben hier also nicht nur<br />

theoretische Ñberlegungen geÇuÅert, sondern kÄnnen uns auf eine<br />

konkrete Praxis beziehen.<br />

Wir hoffen, dass wir mit unseren Ñberlegungen auch andere Akteure<br />

der Sozialpsychiatrie in anderen Regionen anregen kÄnnen, die Frage<br />

der Erfolgsmessung anzugehen. SchÄn wÇre es auch, wenn diesbe-<br />

zÉglich ein intensiver Fachdiskurs entstehen kÄnnte, der sicherlich noch<br />

zu einer Reihe zusÇtzlicher Fragen und Ergebnisse fÉhren wird, die wir<br />

bisher nicht bedacht haben.<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 93 <strong>von</strong> 101


5.0 Literatur<br />

Akton psychisch Kranke (Hg.)<br />

Manual FÇhigkeitsstÄrungen, Online-Version<br />

Aktion psychisch Kranke (Hg.)<br />

Manual Hilfearten, Online-Version<br />

Cramer, M. (2002)<br />

Casemanagement, FH Fulda, Online-Version<br />

Goffman, E. (1973)<br />

Asyle, Frankfurt a.M.<br />

Goffman, E. (1992)<br />

Stigma, Frankfurt a.M. (10. Aufl.)<br />

[ grenzen<strong>los</strong> ] -<br />

eingetragener Verein<br />

Gromann, P. (2004)<br />

Der Integrierte Behandlungs- und Rehabilitationsplan konkret, FH Fulda<br />

Mead, G.H. (1991)<br />

Geist, IdentitÇt und Gesellschaft, Frankfurt a.M. (8. Aufl.)<br />

SchÉtze, F. (1992)<br />

Sozialarbeit als „bescheidene“ Profession, in: Dewe, B./Ferchhoff,<br />

W./Radke, F.-O. (Hg.), Erziehen als Profession, Opladen, S. 132ff<br />

Strauss, A.L. (1991)<br />

Creating Sociological Awareness, New Brunswick, London<br />

Strauss, A.L./Fagerhaugh, Sh./Suczek, B./Wiener, C. (1985)<br />

Social Organization of Medical Work. Chicago/London (University of<br />

Chicago Press)<br />

Zum Verfasser<br />

<strong>Dr</strong>. Martin BÄhm, Sozialwissenschaftler, ist GeschÇftsfÉhrer <strong>von</strong> Gren-<br />

zen-<strong>los</strong> e.V.<br />

Kontakt<br />

<strong>Grenzen</strong>-<strong>los</strong> e.V.<br />

<strong>Dr</strong>. Martin BÄhm<br />

Nedderfeld 124<br />

19063 Schwerin<br />

Tel.: 0385 - 521 98 40<br />

E-Mail: dr.boehm@grenzen-<strong>los</strong>-ev.de<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 94 <strong>von</strong> 101


Anhang<br />

[ grenzen<strong>los</strong> ] -<br />

eingetragener Verein<br />

A1. IBRP-Vorgabe zur EinschÉtzung <strong>von</strong> FÉhigkeitsstÄrungen,<br />

nicht-psychiatrischem und psychiatrischem Hilfebedarf<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 95 <strong>von</strong> 101


A2 MaÑnahmeplan<br />

[ grenzen<strong>los</strong> ] -<br />

eingetragener Verein<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 96 <strong>von</strong> 101


A3 Entwicklungsbericht - Datenteil (Basisversion)<br />

[ grenzen<strong>los</strong> ] -<br />

eingetragener Verein<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 97 <strong>von</strong> 101


A.4 Entwicklungsbericht - Datenteil (Weiterentwicklung)<br />

[ grenzen<strong>los</strong> ] -<br />

eingetragener Verein<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 98 <strong>von</strong> 101


A.5 Entwicklungsbericht - Textteil<br />

[ grenzen<strong>los</strong> ] -<br />

eingetragener Verein<br />

M. BÄhm: Erfolgsmessung mit dem IBRP Seite 99 <strong>von</strong> 101


A.6 Kontaktdokumentation<br />

[ grenzen<strong>los</strong> ] -<br />

eingetragener Verein<br />

Seite 100 <strong>von</strong> 101


A.7 Aufbau des Excel-basierten Dateisystems<br />

tÉglich<br />

nach<br />

Bedarf<br />

Belegungsnachweis<br />

Monatstabelle<br />

Dienstplan<br />

Kontaktdokumentation<br />

IBRP-H (modifiziert)<br />

IBRP-A1<br />

IBRP-D1<br />

Entwicklungsbericht<br />

Textteil<br />

[ grenzen<strong>los</strong> ] -<br />

eingetragener Verein<br />

Dateneingaben Zwischenrechnung Datenausgaben Zusammenfassungen<br />

Auswertung der<br />

MaÑnahmeplÉne (MP)<br />

Kundenliste fÅr<br />

alle Angebote<br />

Rechnungswesen<br />

Jahresarbeitszeitkonto<br />

Kontaktdokumentation<br />

MA-Auswertung<br />

Kontaktdokumentation<br />

Auswertungstabellen<br />

IBRP<br />

Auswertungstabellen<br />

Entwicklungsbericht<br />

Datenteil<br />

Seite 101 <strong>von</strong> 101<br />

Rechnungen Wirtschaftsplan<br />

Arbeitszeitdoku<br />

IBRP-Gesamtdaten<br />

je Angebot<br />

Entwicklungsbericht<br />

Dokumentation<br />

Leistungsvereinbarung<br />

Jahresstatistik - aktuell<br />

alle Angebote<br />

KonsistenzprÅfung<br />

IBRP-MP-Doku<br />

Legende:<br />

Eingabe MA<br />

Eingabe GF<br />

automatisierte<br />

Rechnung<br />

RÅckmeldung<br />

an MA

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