Schwarzbuch Leiharbeit
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BZA/IGZ 1<br />
M + E 2<br />
BZA/IGZ 1<br />
M + E 2<br />
Doch die Realität sieht für ihn bisher an-<br />
ders aus. Nach langer Suche landete der<br />
26-Jährige nun resigniert in der <strong>Leiharbeit</strong>.<br />
Trotz seiner abgeschlossenen Ausbildung<br />
wurde er als Hilfsarbeiter für 6,50 Euro<br />
Stundenlohn eingestellt, verliehen wird<br />
er aber entsprechend seiner Qualifikation<br />
– als Facharbeiter. Sein Fazit: „So spart die<br />
<strong>Leiharbeit</strong>sfirma beim Arbeitnehmer und<br />
verdient mehr beim Kunden.“<br />
drei Euro weniger pro stunde<br />
Auch der 50-jährige Jürgen wurde von<br />
seiner Verleihfirma nur als Hilfsarbeiter<br />
eingestellt. Seiner Erfahrung nach hat das<br />
oft Methode: „Wenn man eine Einladung<br />
zu einem Vorstellungsgespräch bekommt<br />
und zu der <strong>Leiharbeit</strong>sfirma hinfährt, ist<br />
die Stelle zufällig schon vergeben und man<br />
bekommt eine Alternative vorgeschlagen.<br />
Das sind dann diese Stellen, bei denen die<br />
persönlichen Kriterien häufig nicht mehr<br />
passen.“ So wurde Jürgen von seiner <strong>Leiharbeit</strong>sfirma<br />
nicht als Facharbeiter, sondern<br />
als Helfer eingestuft. Die Folgen sieht er<br />
jeden Monat auf seiner Lohnabrechnung:<br />
„Statt eines Stundenlohns von 10,50 Euro<br />
bekommt man dann nur 7,60 Euro bezahlt.“<br />
Nachtschichtarbeit wird vorausgesetzt, die<br />
Zuschläge werden ihm aber nicht gezahlt.<br />
Ähnlich sieht es beim Fahrtgeld aus, das<br />
<strong>Leiharbeit</strong>ern zusteht: „Das wird nicht freiwillig<br />
ausgehändigt.“<br />
auch in der Metallindustrie: Bruttolöhne der <strong>Leiharbeit</strong>er sind deutlich<br />
niedriger als die der Festangestellten<br />
Tarifliches Monatseinkommen, bezogen auf Entgeltgruppe II<br />
West<br />
1.293,75 Euro<br />
2.178,70 Euro<br />
Ost<br />
1.131,46 Euro<br />
2.181,96 Euro<br />
1 <strong>Leiharbeit</strong><br />
2 M + E: Metall- und Elektroindustrie NRW (West) und Sachsen (Ost).<br />
inklusive durchschnittlicher Leistungszulage von zehn Prozent. Quelle: IG Metall<br />
2011 mussten mehr als 91.000 <strong>Leiharbeit</strong>skräfte zusätzlich hartz IV beziehen<br />
Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in <strong>Leiharbeit</strong> mit ergänzendem Hartz-IV-Bezug<br />
Juni 2009<br />
West<br />
39.852<br />
Ost<br />
17.648<br />
West<br />
66.160<br />
Juni 2010<br />
Keine Würde mehr<br />
Trotz Qualifikation und Erfahrung als Niedriglöhner<br />
zu arbeiten – solche Erlebnisse<br />
sind in der <strong>Leiharbeit</strong> kein Einzelschicksal.<br />
René fühlt sich sogar als „Mensch dritter<br />
Klasse“ behandelt. Ein Grund dafür: die<br />
Ungerechtigkeit beim Lohn. „Die Qualifikationen<br />
und Berufserfahrungen interessieren<br />
nicht wirklich, sondern werden von<br />
den Firmen in ihrem Sinne ausgelegt, also<br />
meist geringer eingestuft.“ René will das<br />
nicht länger hinnehmen. „Als <strong>Leiharbeit</strong>er<br />
hat man keine Würde mehr. Trotz sehr guter<br />
Arbeitsleistung, stetigem Einsatz, der<br />
Übernahme von Verantwortung sowie dem<br />
Fahren hochwertiger Hebefahrzeuge wurde<br />
eine Lohnerhöhung abgelehnt.“ Er geht<br />
jetzt auf Konfrontationskurs, damit sich<br />
seine Situation endlich verbessert.<br />
Ost<br />
26.149<br />
Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Erwerbstätige ALG-II-Bezieher<br />
dehnbare Eingruppierungen<br />
Peter, ausgebildeter Textilreiniger, zuvor<br />
über 17 Jahre immer in derselben Firma<br />
beschäftigt, geht es ähnlich. Auch er fühlt<br />
sich ungerecht behandelt, die Verhältnisse<br />
in der <strong>Leiharbeit</strong> beschreibt er als unwürdig,<br />
als skandalös: „Jobs in Deutschland<br />
zu schaffen, ist sehr lobenswert. Das darf<br />
aber nicht auf dem Rücken der <strong>Leiharbeit</strong>er<br />
passieren“, findet er. „Arbeit sollte uns<br />
nicht in die Armut treiben! Ich habe mein<br />
Gesicht verloren und sehe mich in der Gesellschaft<br />
hinter den Hartz-IV-Beziehern.“<br />
Dass sein Lohn so niedrig ist, empfindet er<br />
als Kalkül: „Die Eingruppierungen in Lohngruppen<br />
bei den Leih arbeitsfirmen sind<br />
dehnbar wie Kaugummi. Ich kenne fast<br />
niemanden, der über die Lohn gruppe II<br />
hinauskommt.“<br />
West<br />
64.286<br />
Juni 2011<br />
Ost<br />
26.986