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Schwarzbuch Leiharbeit

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24<br />

BZA/IGZ 1<br />

M + E 2<br />

BZA/IGZ 1<br />

M + E 2<br />

Doch die Realität sieht für ihn bisher an-<br />

ders aus. Nach langer Suche landete der<br />

26-Jährige nun resigniert in der <strong>Leiharbeit</strong>.<br />

Trotz seiner abgeschlossenen Ausbildung<br />

wurde er als Hilfsarbeiter für 6,50 Euro<br />

Stundenlohn eingestellt, verliehen wird<br />

er aber entsprechend seiner Qualifikation<br />

– als Facharbeiter. Sein Fazit: „So spart die<br />

<strong>Leiharbeit</strong>sfirma beim Arbeitnehmer und<br />

verdient mehr beim Kunden.“<br />

drei Euro weniger pro stunde<br />

Auch der 50-jährige Jürgen wurde von<br />

seiner Verleihfirma nur als Hilfsarbeiter<br />

eingestellt. Seiner Erfahrung nach hat das<br />

oft Methode: „Wenn man eine Einladung<br />

zu einem Vorstellungsgespräch bekommt<br />

und zu der <strong>Leiharbeit</strong>sfirma hinfährt, ist<br />

die Stelle zufällig schon vergeben und man<br />

bekommt eine Alternative vorgeschlagen.<br />

Das sind dann diese Stellen, bei denen die<br />

persönlichen Kriterien häufig nicht mehr<br />

passen.“ So wurde Jürgen von seiner <strong>Leiharbeit</strong>sfirma<br />

nicht als Facharbeiter, sondern<br />

als Helfer eingestuft. Die Folgen sieht er<br />

jeden Monat auf seiner Lohnabrechnung:<br />

„Statt eines Stundenlohns von 10,50 Euro<br />

bekommt man dann nur 7,60 Euro bezahlt.“<br />

Nachtschichtarbeit wird vorausgesetzt, die<br />

Zuschläge werden ihm aber nicht gezahlt.<br />

Ähnlich sieht es beim Fahrtgeld aus, das<br />

<strong>Leiharbeit</strong>ern zusteht: „Das wird nicht freiwillig<br />

ausgehändigt.“<br />

auch in der Metallindustrie: Bruttolöhne der <strong>Leiharbeit</strong>er sind deutlich<br />

niedriger als die der Festangestellten<br />

Tarifliches Monatseinkommen, bezogen auf Entgeltgruppe II<br />

West<br />

1.293,75 Euro<br />

2.178,70 Euro<br />

Ost<br />

1.131,46 Euro<br />

2.181,96 Euro<br />

1 <strong>Leiharbeit</strong><br />

2 M + E: Metall- und Elektroindustrie NRW (West) und Sachsen (Ost).<br />

inklusive durchschnittlicher Leistungszulage von zehn Prozent. Quelle: IG Metall<br />

2011 mussten mehr als 91.000 <strong>Leiharbeit</strong>skräfte zusätzlich hartz IV beziehen<br />

Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in <strong>Leiharbeit</strong> mit ergänzendem Hartz-IV-Bezug<br />

Juni 2009<br />

West<br />

39.852<br />

Ost<br />

17.648<br />

West<br />

66.160<br />

Juni 2010<br />

Keine Würde mehr<br />

Trotz Qualifikation und Erfahrung als Niedriglöhner<br />

zu arbeiten – solche Erlebnisse<br />

sind in der <strong>Leiharbeit</strong> kein Einzelschicksal.<br />

René fühlt sich sogar als „Mensch dritter<br />

Klasse“ behandelt. Ein Grund dafür: die<br />

Ungerechtigkeit beim Lohn. „Die Qualifikationen<br />

und Berufserfahrungen interessieren<br />

nicht wirklich, sondern werden von<br />

den Firmen in ihrem Sinne ausgelegt, also<br />

meist geringer eingestuft.“ René will das<br />

nicht länger hinnehmen. „Als <strong>Leiharbeit</strong>er<br />

hat man keine Würde mehr. Trotz sehr guter<br />

Arbeitsleistung, stetigem Einsatz, der<br />

Übernahme von Verantwortung sowie dem<br />

Fahren hochwertiger Hebefahrzeuge wurde<br />

eine Lohnerhöhung abgelehnt.“ Er geht<br />

jetzt auf Konfrontationskurs, damit sich<br />

seine Situation endlich verbessert.<br />

Ost<br />

26.149<br />

Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Erwerbstätige ALG-II-Bezieher<br />

dehnbare Eingruppierungen<br />

Peter, ausgebildeter Textilreiniger, zuvor<br />

über 17 Jahre immer in derselben Firma<br />

beschäftigt, geht es ähnlich. Auch er fühlt<br />

sich ungerecht behandelt, die Verhältnisse<br />

in der <strong>Leiharbeit</strong> beschreibt er als unwürdig,<br />

als skandalös: „Jobs in Deutschland<br />

zu schaffen, ist sehr lobenswert. Das darf<br />

aber nicht auf dem Rücken der <strong>Leiharbeit</strong>er<br />

passieren“, findet er. „Arbeit sollte uns<br />

nicht in die Armut treiben! Ich habe mein<br />

Gesicht verloren und sehe mich in der Gesellschaft<br />

hinter den Hartz-IV-Beziehern.“<br />

Dass sein Lohn so niedrig ist, empfindet er<br />

als Kalkül: „Die Eingruppierungen in Lohngruppen<br />

bei den Leih arbeitsfirmen sind<br />

dehnbar wie Kaugummi. Ich kenne fast<br />

niemanden, der über die Lohn gruppe II<br />

hinauskommt.“<br />

West<br />

64.286<br />

Juni 2011<br />

Ost<br />

26.986

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