72in der Hierarchie nicht mehr ganz unten. Auch die Weiterqualifikation ist mit we- niger Hürden verbunden und direkt im Betrieb möglich. Denn die angebotenen Lehrgänge sind nur für Festangestellte. Martins aktueller Arbeitgeber weiß es für sich zu nutzen, dass die <strong>Leiharbeit</strong>skräfte von der Festanstellung träumen. Schon bei der Einstellung werden sie mit der Aussicht auf Übernahme gelockt. „Nach einem hal- ben Jahr besteht diese Option, wurde am Anfang gesagt.“ Doch eine Option ist eben keine Garantie. „Das sind Tricks“, findet Beschäftigte in <strong>Leiharbeit</strong> nach Berufsgruppen: 21 Prozent der Leihbeschäftigten arbeiten in der Metall- und Elektroindustrie Beschäftigtenanteile in Prozent 2001 33 27 27 9 3 2002 2003 2004 2005 Hilfspersonal Dienstleistung Metall- und Elektroindustrie Übrige Berufe Technische Berufe 2006 2007 Martin, „damit die Leute noch mehr Gas geben.“ Denn die Beschäftigten wollen raus aus der Unsicherheit, der auf Jahre verlängerten Probezeit. Martin hat sich deshalb auch an den Betriebsrat gewandt. „Jahrelang wurde mir versprochen: Du stehst kurz vor der Übernahme. Da bin ich irgendwann sauer geworden.“ „transparent ist das am Ende nicht“ Eigentlich soll das System der Übernah- men nachvollziehbar und eindeutig sein. Wichtigstes Kriterium ist die Dauer der Be- triebszugehörigkeit. „Außerdem geht es in 2008 2009 2010 2011 Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Arbeitnehmerüberlassungsstatistik 33 30 21 11 5 vielen Betrieben darum, wie gut man mit seinem Vorarbeiter und dem Meister kann. Denn die entscheiden, wer der Nächste ist. Transparent ist das am Ende nicht. Die Leute sind oft mit absoluter Willkür einge- stellt worden. Einmal hieß es: Ein halbes Jahr Einstellungsstopp! Und trotzdem sind Kollegen übernommen worden.“ In einigen Einsatzbetrieben hat Martin inoffizielle Listen gesehen, geführt von Vorarbeitern und Meistern. Darauf werden die <strong>Leiharbeit</strong>er nach dem Nutzen sortiert, den sich das Unternehmen von ihnen erwartet: oben die Kandidaten für die nächste Übernahme, unten diejenigen für die erste Entlassung. Ein ständiger Bewertungsprozess, ein ständiger Wettbewerb. „Kaum läuft es schlechter, müssen die Ersten gehen. In der Krise haben sie genau das gemacht. Kurz vor Weihnachten wurden viele <strong>Leiharbeit</strong>er abgemeldet.“ „Einfach keine vollwertige Beschäftigung“ Da zeigte sich wieder, was Martin im All- tag oft festgestellt hat: „<strong>Leiharbeit</strong> ist ein- fach keine vollwertige Beschäftigung.“ Bei seiner Bank sieht man das genauso. Ein Eigenheim finanzieren? Ganz schwierig. „Wenn ich als <strong>Leiharbeit</strong>er mit 35 Jahren ein Haus bauen will, habe ich doch kei- ne Chance. Wer gibt mir denn 200.000 Euro? Selbst bei einem unbefristeten Ver- trag bist du innerhalb von zwei Monaten kündbar, einfach so. Die <strong>Leiharbeit</strong>sfirma sagt dann, sie hat keinen Auftrag mehr. Im Unternehmen ist das etwas anderes. Da geht das nicht so einfach. Wenn die Auftragsbücher voll sind, muss eine Kün- digung schon begründet werden.“ Weniger Unsicherheit, dafür mehr Verläss- lichkeit – auch Martins Identifikation mit dem Betrieb ist dadurch gewachsen. „Mei- ne Motivation, den Laden voranzubringen, ist noch einmal gestiegen“, sagt er. Davon profitiert auch die Unternehmensleitung. Für die ist wichtig, dass das Miteinander funktioniert, denn Leihkräfte und Festan- gestellte arbeiten nebeneinander in einem Team, müssen gemeinsam die Qualität si- chern. Auf Druck des Betriebsrats tragen sie mittlerweile die gleichen T-Shirts, es gibt keine optische Kennzeichnung der „zweiten Klasse“ mehr. Und auch beim wöchentlichen Betriebssport spielen sie Seite an Seite. Aus ganz pragmatischen Gründen: Anders wäre gar keine Mannschaft zustande gekommen. Der Anteil der 73 <strong>Leiharbeit</strong>er ist einfach zu hoch.
„ Es zählen nur noch Zahlen und der Umsatz. Krank darf man als <strong>Leiharbeit</strong>er nicht sein. ,Dann können wir Sie nicht mehr vermitteln‘, heißt es. Man wird ganz schön unter Druck gesetzt. Das ist ziemlich belastend. Auf keinen Fall motiviert es!“ (un)gerechtigkeit