Lebenslange Freiheitsstrafe und Sicherungsverwahrung
Lebenslange Freiheitsstrafe und Sicherungsverwahrung
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1 Einleitung<br />
bis zum Tod vollzogen wird. 1 Sie betont gerade neuerdings aber auch, dass die verfas-<br />
sungsrechtliche Kontrolldichte nach dem Übermaßverbot mit zunehmender Dauer einer<br />
Freiheitsentziehung zunimmt:<br />
„Vor allem wenn die bisherige Dauer der Vollstreckung der lebenslangen Frei-<br />
heitsstrafe die Mindestverbüßungszeit übersteigt <strong>und</strong> eine besondere Schwe-<br />
re der Schuld des Verurteilten die weitere Vollstreckung nicht mehr oder (. . . )<br />
von vornherein nicht gebietet, gewinnt der Anspruch des Verurteilten auf Ach-<br />
tung seiner Menschenwürde <strong>und</strong> seiner Persönlichkeit zunehmendes Gewicht<br />
für die Anforderungen, die an die für eine zutreffende Prognoseentscheidung<br />
erforderliche Sachverhaltsaufklärung zu stellen sind. Das Vollstreckungsge-<br />
richt hat sich daher auch von Verfassungs wegen um eine möglichst breite<br />
Tatsachenbasis für seine Prognoseentscheidung zu bemühen <strong>und</strong> alle prognoserelevanten<br />
Umstände besonders sorgfältig zu klären.” 2<br />
Die <strong>Sicherungsverwahrung</strong> ist dagegen eine Maßregel der Besserung <strong>und</strong> Sicherung, die<br />
erst im Anschluss an eine <strong>Freiheitsstrafe</strong> vollstreckt wird. Seit 1998 wurde ihr Anwen-<br />
dungsbereich mehrfach erweitert. Darüber hinaus wurden die neuen Erscheinungsformen<br />
des Vorbehalts der Unterbringung in der <strong>Sicherungsverwahrung</strong> (§ 66a StGB) <strong>und</strong> der<br />
nachträglichen Anordnung der Unterbringung in der <strong>Sicherungsverwahrung</strong> (§ 66b StGB)<br />
eingeführt. Alle Formen setzen voraus, dass die verurteilte Person als gefährlich bezeichnet<br />
wird. Nach der jüngsten, mit Beginn des Jahrs 2011 in Kraft getretenen Reform 3<br />
bedeutet dieses Merkmal, dass der Verurteilte nach einer Gesamtwürdigung des Täters<br />
<strong>und</strong> seiner Taten „infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen,<br />
durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeit-<br />
punkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist” (§ 66 I 1 Nr. 4 StGB). Eine<br />
Entlassung aus dem Vollzug der <strong>Sicherungsverwahrung</strong> ist in erster Linie im Anschluss an<br />
eine Aussetzung zur Bewährung vorgesehen (§ 67d II StGB). Darüber hinaus sieht § 67d<br />
2<br />
1 BVerfG, Beschlüsse vom 28. Juni 1983 – 2 BvR 539/80 u.a. (= BVerfGE 64, 261 ) <strong>und</strong> 8. November<br />
2006 – 2 BvR 578/02 u.a. (= BVerfGE 117, 71); zu der letztgenannten Entscheidung Kinzig<br />
(2007).<br />
2 BVerfG, Beschluss vom 30. April 2009 – 2 BvR 2009/08 (= NJW 2009, 1941 ).<br />
3 Gesetz zur Neuordnung des Rechts der <strong>Sicherungsverwahrung</strong> <strong>und</strong> zu begleitenden Regelungen vom<br />
22. Dezember 2010 (BGBl. I 2300), in Kraft getreten am 1. Januar 2011. Das B<strong>und</strong>esverfassungsgericht<br />
hat mit seinem Urteil vom 4. Mai 2011 – 2 BvR 2333/08 u.a. (= BVerfGE 128, 326) zwar die<br />
meisten Vorschriften über die <strong>Sicherungsverwahrung</strong> für verfassungswidrig erklärt. Der Gesetzentwurf<br />
der B<strong>und</strong>esregierung über ein Gesetz zur b<strong>und</strong>esrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebotes im Recht<br />
der <strong>Sicherungsverwahrung</strong> (BR-Drs. 173/12 vom 30. März 2012) sucht das vom BVerfG geforderte Gesamtkonzept<br />
jedoch „auf der Basis der Regelungen” zu entwickeln, „die zum 1. Januar 2011 in Kraft<br />
getreten sind” (S. 12).