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126<br />
Durst<br />
2007<br />
Sie schaut in die Ferne und die ist in ihr. Die<br />
klaren Augen starren überall hin, doch<br />
sie nehmen nichts wahr. Adrett und nett mit<br />
ihren altdeutsch geflochtenen Zöpfen und<br />
weißen Schleifen. Vielleicht flüstern die Eltern<br />
manchmal des Nachts sorgenvoll über ihr<br />
eigensinniges Kind, das in Eders Bild sein täg-<br />
liches Brot ziemlich lustlos kaut – vielleicht<br />
weil sie Durst hat. Doch Durst meint im Bild<br />
Durst nicht (bloß) den notwendigen Durst.<br />
Sondern die dem Menschen als nach der Ver-<br />
treibung aus dem Paradies eingepflanzte<br />
und immer wieder aufbrechende Unzufrieden-<br />
heit – diese ungeheuere Triebkraft, die Jahrhunderte<br />
durchschreitet. Forscht. Verwirft.<br />
Entdeckt. Übersieht. Liebt. Hasst. Adelt. Verblendet.<br />
Sie, die Unzufriedenheit, reiht jene<br />
Perlenkette des Segens und Fluchs, des<br />
Beginnens und des Untergangs, ohne die der<br />
Mensch nie Mensch geworden wäre.<br />
Gewiss, Eders Bild vom Brot kauenden Mäd-<br />
chen lässt sich auch anders noch deuten.<br />
Und das ist (nicht nur) der Unzufriedenheit<br />
des Interpreten zu danken. Und gewiss,<br />
suchen Durst und andere Mädchen-Bilder<br />
sehr bewusst die Nähe von Balthus – und<br />
finden sie.<br />
Öl auf Leinwand<br />
110 × 70 cm<br />
Oil on canvas<br />
43 I × 27 H in<br />
She looks into the distance, and it is in her.<br />
The clear eyes stare everywhere, but they<br />
perceive nothing. Dapper and nice with her<br />
old-German braids and white ribbons.<br />
Perhaps her parents whisper at nights, worried<br />
over their headstrong child, who, in<br />
Eder’s picture, chews her daily bread rather<br />
listlessly – perhaps because she is thirsty.<br />
But ‘thirst’ in the painting Durst means more<br />
than physical thirst. It also means the discontent<br />
that was planted in human beings and<br />
has repeatedly arisen since they were driven<br />
out of Paradise – this tremendous driving<br />
force that strides down the centuries. Searches.<br />
Rejects. Discovers. Overlooks. Loves. Hates.<br />
Ennobles. Blinds. Discontentedness strings<br />
together the pearls of blessing and curse, of<br />
beginning and sinking, without which human<br />
beings would never have become human<br />
beings.<br />
Certainly, Eder’s picture of a girl chewing<br />
bread can be interpreted in other ways. And<br />
that is (not only) due to the interpreter’s<br />
discontentedness. And certainly, Durst and<br />
the other ‘girl’ pictures consciously seek proximity<br />
to Balthus – and find it.