Neues und Altes vom Antisemitismus in Europa. Eine Langzeitstudie ...

Rosa-Luxemburg-Stiftung –Gesellschaftsanalyse und Politische Bildung - Seminarmaterialien
Lens in Frankreich 1998, WM-Spiel Deutschland Jugoslawien (Reichskriegsflagge; „Wir sind
wieder einmarschiert.“; schwerverletztes Opfer: Polizist Daniel Nevil.)
Antisemitismus und Rechtsextremismus
Bei der Untersuchung neuerer antisemitischer Aktivitäten und Äußerungen von
Rechtsextremisten lassen sich u. a. folgende Beobachtungen machen:
Erstens wirken, insbesondere in den Kameradschaften, aber auch in den einschlägigen
Parteien wie DVU, Republikaner und NPD, die alten Argumentationsmuster des
Nationalsozialismus fort. Wenn der Vorsitzende der NPD, Udo Voigt, nach den
Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg in einem Zeitungsinterview und auch vor
laufender Fernsehkamera mehrfach Hitler einen großen Staatsmann nennt, so ist dies nur
eines von vielen selbstentlarvenden Beispielen. Bemerkenswert ist, daß sich Voigt mit dieser
und anderen Äußerungen offen einer möglichen Strafverfolgung aussetzt. 20
Zweitens werden, insbesondere im Zusammenhang mit antiamerikanischen und
antiisraelischen Aussagen alte Denkmuster (die Kapitalisten der USA-„Ostküste“ als
Metapher für „die Juden“ als Geldgeber und Kriegstreiber im Nahen Osten) auch heute häufig
wiederholt. Ein besonders perfides Beispiel sind antisemitische Verschwörungstheorien,
wonach „die Juden“ rechtzeitig gewarnt wurden, am 11. September nicht zur Arbeit zu gehen
und es deshalb vergleichsweise wenige jüdische Todesopfer gegeben habe..
Drittens nutzten und nutzen Rechtsextremisten jede sich bietende außerparlamentarische
Bühne, um scheinbar demokratisch und in einer Reihe mit anderen politischen Kräften gegen
bestimmte politische Erscheinungen ihre Stimme zu erheben. Mit bei Demonstrationen gegen
den Irak-Krieg geäußerten Losungen wie: „Gemeinsam gegen Bush und Scharon!“ stießen sie
nicht nur auf Widerspruch. Das Auftreten von Udo Voigt im April diesen Jahres auf einer
Anti-Irakkrieg-Kundgebung in Fürstenwalde rief zwar ein lebhaftes Echo in den Medien und
entschiedenen Widerspruch demokratischer Kräfte hervor. Es war aber keineswegs ein
Einzelfall, sondern dahinter stand eine strategische Orientierung. Die zahlreichen Nazi-
Demonstrationen der letzten Zeit belegen dies.
Viertens. Wo immer sie können, in Parlamenten, bei politischen Veranstaltungen und auf der
Straße treten Rechtsextremisten offen gegen die Unterstützung jüdischer Gemeinden in
Deutschland auf.
Als der stellvertretende NPD-Vorsitzende Holger Apfel vor kurzem in das Stadtparlament von
Dresden einzog, stellte er u.a. folgende Forderungen: Abschaffung des Ausländerrates,
Streichen der Mittel für den Unterhalt der neu errichteten Synagoge. 21
Die Erlaubnis einer NPD-Demonstration gegen den Neubau einer Synagoge in Bochum
betrachten Rechtsextremisten mit einigem Recht als einen Durchbruch, eine teilweise
Anerkennung der Gesellschaft, daß solche Forderungen in der Gesellschaft heute als legitime
demokratische Meinungsäußerung betrachtet werden.
Fünftens nimmt bei allen Versuchen von Rechtsextremisten, ihren Ruf als Radaubrüder
loszuwerden, die Gewalt gegen Juden als Personen sowie gegen ihre Einrichtungen zu.
Verantwortliche beobachten bei Gewalttaten gegen Juden als Personen verstärkt gemeinsames
Agieren von deutschen Rechtsextremisten und solchen aus anderen Herkunftsländern. Auch
der vereitelte Bombenanschlag auf die Grundsteinlegung für den Neubau einer Synagoge in
20 Siehe Fernsehsendung „Report“, 4.10.2004..
21 Siehe: ND, 15.9.2004.
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