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Neues und Altes vom Antisemitismus in Europa. Eine Langzeitstudie ...

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Rosa-Luxemburg-Stiftung –Gesellschaftsanalyse <strong>und</strong> Politische Bildung - Sem<strong>in</strong>armaterialien<br />

E<strong>in</strong>leitung<br />

In letzter Zeit sorgten <strong>in</strong>sbesondere von der OSZE <strong>in</strong> Auftrag gegebene Studien 1 über<br />

zunehmendes bzw. gleichbleibend hohes Niveau von <strong>Antisemitismus</strong> <strong>in</strong> verschiedenen<br />

Ländern <strong>Europa</strong>s für Aufregung. Bis heute s<strong>in</strong>d die genauen Zahlen dieser Studien nicht frei<br />

zugänglich. Dennoch wird über ihren Wahrheitsgehalt heftig <strong>und</strong> kontrovers gestritten. Die<br />

e<strong>in</strong>en halten die Angaben für zu niedrig, die anderen für viel zu hoch. Im folgenden soll auf<br />

e<strong>in</strong>ige aktuelle Ersche<strong>in</strong>ungen von <strong>Antisemitismus</strong> 2 <strong>in</strong> der Gesellschaft von heute<br />

e<strong>in</strong>gegangen werden, ohne dabei die mir nur aus Presseberichten bekannte Zahlen der<br />

genannten Studien <strong>in</strong>terpretieren zu können. 3<br />

Zur Begrifflichkeit<br />

Was ist geme<strong>in</strong>t mit dem Begriff: „neuer“ <strong>Antisemitismus</strong>?<br />

Wenn es um den Begriff „neuer“ <strong>Antisemitismus</strong> geht, s<strong>in</strong>d mehrere Sichtweisen zu beachten,<br />

die es bei der Verwendung des Begriffes ause<strong>in</strong>anderzuhalten gilt, damit man genau<br />

verständlich macht, worüber man selbst gerade redet.<br />

Mit dem Begriff „neuer“ <strong>Antisemitismus</strong> war erstens seit dem Ende des 2. Weltkrieges <strong>und</strong><br />

dem genaueren Bekanntwerden des Ausmaßes der Planung <strong>und</strong> Durchführung des<br />

Verbrechens der Nationalsozialisten an den europäischen Juden zunächst immer geme<strong>in</strong>t, daß<br />

man „Auschwitz immer mitdenken muß“, wenn es um die Beschreibung aktueller<br />

Ersche<strong>in</strong>ungen von <strong>Antisemitismus</strong> seit 1945 g<strong>in</strong>g. 4<br />

Dies war <strong>und</strong> ist übrigens e<strong>in</strong> Herangehen, das auch <strong>in</strong> anderen Bereichen der<br />

Ause<strong>in</strong>andersetzung mit der Zeit von 1933 bis 1945 - <strong>in</strong> den Wissenschaften wie <strong>in</strong> der Politik<br />

- Anwendung fand.<br />

Es ist auch e<strong>in</strong> Streitthema unter Künstlern, geblieben, ob <strong>und</strong> vor allem wie man „nach<br />

Auschwitz“, „durch die Brille von Auschwitz gesehen“, Kunst über das Schicksal der<br />

europäischen Juden, über die Verbrechen an ihnen oder auch über die Jahrh<strong>und</strong>erte langen<br />

reichen Traditionen des Mite<strong>in</strong>anderlebens von Juden <strong>und</strong> Nichtjuden <strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnen Ländern<br />

„völlig anders“ als bislang üblich auf überzeugende Weise gestalten sollte.<br />

Mit dem Begriff „neuer“ <strong>Antisemitismus</strong> ist zweitens oft geme<strong>in</strong>t, daß sich durch den<br />

Zusammenbruch des so genannten sozialistischen Weltsystems <strong>und</strong> der (wieder)<br />

ungebrochenen Dom<strong>in</strong>anz des Kapitalismus mit der Hegemonialmacht USA an der Spitze <strong>in</strong><br />

der ganzen Welt auch die Bed<strong>in</strong>gungen für das Wiederaufleben antisemitischer<br />

Ersche<strong>in</strong>ungen <strong>in</strong> der Gesellschaft, <strong>in</strong> West <strong>und</strong> Ost, <strong>in</strong> Nord <strong>und</strong> Süd, qualitativ entscheidend<br />

verändert haben.<br />

Der Begriff „neuer“ <strong>Antisemitismus</strong> wird drittens oft <strong>in</strong> der Tagespolitik verwendet, wenn es<br />

um Kritik an der Politik der USA <strong>und</strong> Israels geht. Kurzschlüssig werden dabei häufig alle,<br />

1<br />

Bereits 2002 legten Juliane Wetzel <strong>und</strong> Werner Bergmann <strong>vom</strong> Zentrum für <strong>Antisemitismus</strong>forschung der TU<br />

Berl<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Studie vor.<br />

2<br />

Zu historischen Aspekten des <strong>Antisemitismus</strong> siehe die Texte von Re<strong>in</strong>er Zilkenat.<br />

3<br />

Siehe unter vielen anderen: Andre Taubert: Unbequeme Daten. Die Veröffentlichung der EU-<br />

<strong>Antisemitismus</strong>studie heizt die Debatte über muslimische Gewalt an. In: Tagesspiegel, 4.12.2003; Harald<br />

Neuber: Qualitätsmängel <strong>in</strong> Brüssel. Politische Umfragen <strong>und</strong> zensierte Studien: Schon wieder steht die<br />

Europäische Union im Zentrum e<strong>in</strong>es Skandals um <strong>Antisemitismus</strong>. In: Aufbau, 11.12.2003; Juden <strong>in</strong> EU<br />

zunehmend attackiert. In: <strong>Neues</strong> Deutschland, 1.4.2004; Edgar M Bronfman <strong>und</strong> Israel S<strong>in</strong>ger <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Interview. In: Spiegel 3/2004, S. 98-99.<br />

4<br />

Wie bei anderen Begriffen auch, wird der „neue“ <strong>Antisemitismus</strong> auch als „sek<strong>und</strong>ärer“ oder „postmoderner“<br />

<strong>Antisemitismus</strong> bezeichnet.<br />

2

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