2011-11 - beim LSO
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Schulblatt AG/SO | <strong>11</strong>/<strong>20<strong>11</strong></strong><br />
8<br />
AARGAU<br />
Gleich viel ist das ziel<br />
am 14. Juni <strong>20<strong>11</strong></strong> rufen die Gewerkschaften zum nationalen Gleichstellungstag auf. Es<br />
kann nicht sein, sagen sie zu Recht, dass sich so viele öffentliche und private arbeitgeber<br />
um bindende Vorschriften der bundesverfassung drücken und Frauen schlechter<br />
bezahlen als Männer.<br />
«Mann und Frau sind gleichberechtigt. Das<br />
Gesetz sorgt für ihre rechtliche und tatsächliche<br />
Gleichstellung, vor allem in Familie,<br />
Ausbildung und Arbeit. Mann und<br />
Frau haben Anspruch auf gleichen Lohn<br />
GlEiChStEllUnGStAG<br />
für gleichwertige Arbeit.» Seit dem 14. Juni<br />
1981 steht dieser Paragraf in der schweizerischen<br />
Bundesverfassung. Dreissig Jahre<br />
nach dem Volks-Ja zur Gleichstellungsnorm<br />
müssen wir ernüchtert feststellen:<br />
Frauen verdienen immer noch weniger als<br />
Männer. Mit rund zwanzig Prozent ist dieser<br />
Unterschied erschreckend hoch.<br />
Kanton als Vorbild<br />
Insbesondere ist es Aufgabe der öffentlichen<br />
Arbeitgeber, die Gleichstellung vorbildlich<br />
zu verwirklichen. Arbeitnehmerinnen handeln<br />
richtig, wenn sie die Gleichstellung<br />
einfordern und dafür gerichtliche Klagen<br />
einreichen. Denn in einem Rechtsstaat ist es<br />
Aufgabe der Judikative, Verstösse gegen<br />
Gesetze zu ahnden. Die Schulen und die<br />
Kantone als Träger der öffentlichen Schulen<br />
sahen sich seit Inkraftsetzung der Gleichstellungsnorm<br />
nicht in der Pflicht. Denn in der<br />
Schule verdienen schon seit langer Zeit<br />
Frauen und Männer den gleichen Lohn. Wer<br />
aber unter der einschlägigen Internetadresse<br />
www.gleichstellungsgesetz.ch nachliest, entdeckt<br />
eine ganze Reihe von Lohnklagen, die<br />
von Lehrerinnen geführt wurden. Es ist eben<br />
nicht nur so, dass Männer und Frauen innerhalb<br />
der gleichen Berufsgruppe den gleichen<br />
Lohn erhalten müssen. Vielmehr gilt,<br />
dass frauentypische Berufe im Vergleich zu<br />
anforderungsgleichen Berufen nicht benachteiligt<br />
werden dürfen.<br />
Erfolgreiche lohnklagen<br />
Vor allem Lehrerinnen am Kindergarten<br />
wandten sich an die Gerichte. Sie bilden<br />
schon seit jeher eine Berufsgruppe, der fast<br />
ausschliesslich Frauen angehören. Bezeichnenderweise<br />
sind ihre Löhne auch tatsächlich<br />
am Schluss der Rangliste zu finden. Sie<br />
verglichen ihre Löhne mit anderen Lehrerlöhnen<br />
und kritisierten den hohen Lohnunterschied.<br />
Die Gerichte gaben ihnen<br />
zum Teil recht, zum Teil nicht. Zu ihren<br />
Ungunsten wurde angeführt, dass der Arbeitgeber<br />
einen gewissen Spielraum bei der<br />
Ausgestaltung seines Lohnsystems habe.<br />
Nur wenn der Lohnunterschied eine gewisse<br />
Spanne (etwa zehn Prozent) übersteige,<br />
liege eine tatsächliche Diskriminierung vor.<br />
Zudem sei die Arbeitszeit am Kindergarten<br />
kürzer als auf der Primar- und Oberstufe.<br />
Trotzdem gab es eine ganze Reihe von Erfolgen.<br />
Die Verfahren waren in aller Regel<br />
lang und aufwändig und wurden meistens<br />
erst vor Bundesgericht entschieden.<br />
Primarlehrerinnen und<br />
Kindergärtnerinnen<br />
Im Aargau unterrichten am Kindergarten<br />
fast nur Frauen, auf der Primarstufe 87<br />
Prozent und auf der Sek-I-Stufe 56 Prozent<br />
Frauen. Gemäss Gerichtspraxis kann dann<br />
eine Berufsgruppe als Frauenberuf bezeichnet<br />
werden, wenn mindestens zwei<br />
Drittel davon Frauen sind. Dies trifft also<br />
für den Kindergarten und die Primarstufe<br />
zu. Der Vergleich mit anderen Lehrpersonengruppen<br />
ist an sich naheliegend, aber<br />
problematisch, weil Unterschiede <strong>beim</strong><br />
Berufsauftrag und der Ausbildung einen<br />
Vergleich erschweren. Der Kanton Aargau<br />
hat im Hinblick auf die Revision des Lohnsystems<br />
bereits vor zehn Jahren eine wissenschaftliche<br />
Arbeitsplatzbewertung gemäss<br />
dem System Abakaba erstellen lassen.<br />
Im Zusammenhang mit der soeben beschlossenen<br />
Teilrevision des Dekrets über<br />
die Löhne der Lehrpersonen wurden diese<br />
Bewertungen überprüft und angepasst.<br />
Somit liegt eine glaubwürdige, vom Arbeit-<br />
geber anerkannte Vergleichsbasis vor.<br />
Durchgängig kann festgestellt werden, dass<br />
die tatsächlichen Löhne der Lehrpersonen<br />
am Kindergarten und der Volksschule<br />
deutlich unter dem Abakaba-Wert liegen.<br />
Dies heisst, dass der Kanton für anforderungsgleiche<br />
Berufstätigkeiten in der Schule<br />
bis zwanzig Prozent tiefere Löhne ausbezahlt<br />
als in der Verwaltung. Wie kann man<br />
dies erklären? Hängt dies damit zusammen,<br />
dass in der Volksschule vor allem<br />
Frauen tätig sind? Der alv lässt diese Frage<br />
juristisch abklären und wird aus dem Befund<br />
entsprechende Konsequenzen ziehen.<br />
Gleichstellung ist nicht nur eine Frauenfrage,<br />
sondern ein Auftrag der Gesellschaft an<br />
die ganze Gesellschaft. Indem das Schweizer<br />
Volk dem Gleichstellungsartikel vor<br />
dreissig Jahren zustimmte, verankerte es<br />
dieses Anliegen auch rechtlich.<br />
niklaus Stöckli, Präsident alv<br />
Siehe www.14juni<strong>20<strong>11</strong></strong>.ch.