Dr. Monika Emde Prof. Dr. Mintken Oldenburg 2010 P
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Autoren:<br />
Universität Kassel<br />
W i s s e n s c h a f t s t h e o r i e u n d V e r w a l t u n g s w i s s e n s c h a f t<br />
<strong>Dr</strong>. <strong>Monika</strong> <strong>Emde</strong><br />
<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Mintken</strong><br />
<strong>Oldenburg</strong> <strong>2010</strong><br />
Projekt Verwaltungswissenschaft<br />
Kontakt:<br />
<strong>Monika</strong>.<strong>Emde</strong>@gmx.de<br />
<strong>Prof</strong>.<strong>Dr</strong>.<strong>Mintken</strong>@t-online.de<br />
Dieses Studienheft ist ausschließlich für Lehr- und Studienzwecke bestimmt und<br />
urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere das Recht der<br />
Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung und des Nachdrucks, bleiben vorbehalten,<br />
auch bei auszugsweiser Verwertung. Kein Teil dieses Studienhefts darf in irgendeiner<br />
Form (<strong>Dr</strong>uck, Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung<br />
der Autoren reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet,<br />
vervielfältigt oder verbreitet werden.
<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Mintken</strong> WS 09/10<br />
<strong>Dr</strong>. <strong>Monika</strong> <strong>Emde</strong> Wissenschaftstheorie und Verwaltungswissenschaft Seite 2<br />
Projekt Verwaltungswissenschaft<br />
Ziele:<br />
Förderung der Verwaltungsforschung<br />
Förderung der Verwaltungswissenschaft<br />
Forschung und akademische Lehre zu ausgewählten Gebieten der<br />
Verwaltungswissenschaft<br />
W i s s e n s c h a f t s t h e o r i e u n d V e r w a l t u n g s w i s s e n s c h a f t<br />
Projekt Verwaltungswissenschaft Universität Kassel <strong>Prof</strong>.<strong>Dr</strong>.<strong>Mintken</strong>@t-online.de
<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Mintken</strong> WS 09/10<br />
<strong>Dr</strong>. <strong>Monika</strong> <strong>Emde</strong> Wissenschaftstheorie und Verwaltungswissenschaft Seite 3<br />
I n h a l t<br />
Wissenschaftstheorie und Verwaltungswissenschaft<br />
Seite<br />
1 Wissenschaftliche Arbeit 5<br />
1.1 Erkenntnistheoretische Grundlage 7<br />
1.2 Wissenschaftliche Teil-Bereiche 10<br />
1.3 Methodologie 12<br />
2 Methoden in der Verwaltung 15<br />
2.1 Horizontale und vertikale Differenzierungen 20<br />
2.2 Forschungsmethoden und Wissenschaftstheorie 22<br />
2.3 Forschungsmethoden in der Verwaltungswissenschaft 26<br />
3 Aktuelle Forschungsgebiete 29<br />
3.1 E-Government 32<br />
3.2 Innovationsmanagement 34<br />
3.3 Projektmanagement 36<br />
Literaturverzeichnis<br />
Anhang: Literaturhinweise<br />
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<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Mintken</strong> WS 09/10<br />
<strong>Dr</strong>. <strong>Monika</strong> <strong>Emde</strong> Wissenschaftstheorie und Verwaltungswissenschaft Seite 4<br />
Hinweis zu diesem Studienheft:<br />
In diesem Studienheft erfolgt ein Überblick zur Wissenschaftstheorie mit Bezug auf die<br />
Verwaltungswissenschaft. 1 Eine Erweiterung dieses einführenden Überblicks mit Hilfe<br />
von Artikeln aus der Internet-Enzyklopädie „Wikipedia“ sowie die Vertiefung der<br />
Kenntnisse anhand der entsprechenden Spezialliteratur werden empfohlen. 2 Die<br />
angegebenen „Adressen“ im Internet wurden zum Beginn des WS 09 /10 geprüft.<br />
Autoren:<br />
Die Autoren <strong>Dr</strong>. <strong>Monika</strong> <strong>Emde</strong> und <strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Mintken</strong> sind seit mehreren Jahren in ver-<br />
schiedenen Projekten zur Kompetenzförderung tätig und beteiligen sich an Aufgaben<br />
zur Forschung und Lehre an der Universität Kassel.<br />
1<br />
2<br />
Es handelt sich überwiegend um Inhalte aus unseren vorhandenen Web-Lektionen sowie um Auszüge aus EMDE 2006, ergänzt um<br />
einige Verweise auf Artikel aus der Internet-Enzyklopädie „Wikipedia“.<br />
Viele Artikel aus der Internet-Enzyklopädie „Wikipedia“ eignen sich gut, um einen ersten Überblick von dem jeweiligen Sachverhalt<br />
zu gewinnen. Wegen der eingeschränkten Nachvollziehbarkeit der Artikel eignet sich diese Quelle jedoch nicht als Beleg in<br />
wissenschaftlichen Qualifikationsarbeiten.<br />
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1 Wissenschaftliche Arbeit<br />
Wissenschaft bezeichnet die Gesamtheit der systematisch gesammelten, gespeicherten<br />
und gelehrten Erkenntnisse über einen Gegenstandsbereich (Wissenschaftsdisziplin), die<br />
nach bestimmten Methoden gewonnen wurden und intersubjektiv überprüfbar sind. 3 Ne-<br />
ben den Formalwissenschaften (Logik und Mathematik) werden üblicherweise als Real-<br />
wissenschaften die Naturwissenschaften und die Kultur-, Geistes- bzw.<br />
Sozialwissenschaften unterschieden. Ziele der Wissenschaft, wissenschaftliche<br />
Methoden und Prinzipien sowie die Einteilung in Wissenschaftsdisziplinen sind<br />
Gegenstand der Wissenschaftstheorie, die deswegen auch als eine Metadisziplin be-<br />
zeichnet wird. 4 Mit wissenschaftlicher Arbeit soll in der Regel ein Erkenntnisfortschritt<br />
erzielt werden. 5 Die akademische Lehre ist neben der Forschung 6 Teil der wis-<br />
senschaftlichen Arbeit.<br />
So wie deskriptive, explanative und präskriptive Sätze bzw. Aussagen 7 unterschieden<br />
werden können, lassen sich analog dazu deskriptive, explanative und präskriptive Theo-<br />
rien als „Satzsysteme“ unterscheiden. 8 Als wissenschaftliche Theorien werden gedankli-<br />
che Gefüge untereinander verbundener Sätze und Aussagen über einen definierbaren<br />
Gegenstandsbereich bezeichnet. 9 Sie zeichnen sich insbesondere durch ihre logische<br />
Struktur und die dadurch implizierte Widerspruchsfreiheit aus. 10 Dieser Theoriebegriff<br />
ist hinsichtlich der Methoden zum Erkenntnisgewinn offen. 11 Der Theoriebegriff ist<br />
allerdings strittig. Das Spektrum der Begriffsverwendung reicht von „Meinung, Ansicht,<br />
3<br />
4<br />
5<br />
6<br />
7<br />
8<br />
9<br />
10<br />
Einen Überblick zur Wissenschaft bietet der Artikel „Wissenschaft“ bei Wikipedia (www.de.wikipedia.org).<br />
Vgl. KORNMEIER 2007; einen Überblick zur Wissenschaftstheorie bietet auch der Artikel „Wissenschaftstheorie“ bei Wikipedia<br />
(www.de.wikipedia.org).<br />
Zu verschiedenen Fortschrittskonzeptionen vgl. BRÜHL 2006.<br />
Forschung ist das Bestreben, das Wissen der Menschheit über die Welt und ihre Elemente zu vergrößern.<br />
Deskriptiv … beschreibend; explanativ … erklärend; präskriptiv … vorschreibend.<br />
Zu dieser Unterscheidung vgl. BECKER 1989, S. 106 m.w.N.<br />
Der Begriff der Theorie ist insgesamt nicht eindeutig, das Spektrum der Begriffsverwendung reicht von der Theorie als einer nicht<br />
völlig unbegründeten Vermutung („Theorie“ als Synonym für „Hypothese“) bis zu einem System aus empirisch nicht bereits<br />
falsifizierten Aussagen über einen Gegenstandsbereich; vgl. auch Artikel „Theorie“ bei Wikipedia (www.de.wikipedia.org).<br />
Vgl. KRIZ/LISCH 1988, S. 260.<br />
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Weltbild“ bis zu der Auffassung, als Theorie dürfe nur die sinnvolle, logische Verknüp-<br />
fung empirisch nicht falsifizierter (also „angenommener“ bzw. „bestätigter“) Hypothe-<br />
sen 12 bezeichnet werden.<br />
Nach einer „mittleren Position“ verallgemeinern Theorien die Beobachtungsdaten und<br />
Gesetzmäßigkeiten eines Forschungsprozesses, überbrücken dabei Lücken und ordnen<br />
die empirischen Daten in größere Deutungs- und Erklärungszusammenhänge ein. 13<br />
11<br />
12<br />
13<br />
Vgl. SEIFFERT 1992, S. 368.<br />
Eine Hypothese ist eine noch unbewiesene Aussage (Vermutung) über den wahren Wert einer Größe (DIN 13303 Teil 2).<br />
Vgl. zum Theoriebegriff auch DIEKMANN 2008.<br />
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1.1 Erkenntnistheoretische Grundlage<br />
In der Erkenntnistheorie 14 ist umstritten, ob es überhaupt möglich ist, die „Welt“ mit<br />
allen ihren Einzelheiten so zu erkennen, wie sie „wirklich” ist und Informationen<br />
darüber zu „übermitteln”. Meistens wird diese Möglichkeit als erkenntnistheoretische<br />
Prämisse stillschweigend unterstellt. Dies ist die erkenntnistheoretische Position des<br />
„Realismus”.<br />
Dagegen wird in dem Konzept des „Konstruktivismus” davon ausgegangen, dass sinnli-<br />
che Wahrnehmungen ebenso wie Denken, Fühlen und Erinnern nicht die „äußere Welt”<br />
widerspiegeln („Repräsentationsmodell”), sondern zur „Konstruktion” einer subjektiven<br />
eigenen „Wirklichkeit” führen („Konstruktionsmodell”). 15<br />
Derartige Konstruktionen sind weder „wahr” noch „falsch”, sondern mehr oder weniger<br />
„viabel” 16 . Veränderungen an der vorhandenen eigenen „Wirklichkeitskonstruktion”<br />
werden dann vorgenommen, wenn hinreichend starke „Perturbationen” 17 auftreten, von<br />
denen die Viabilität der Konstrukte berührt wird. In einem solchen Fall wird die eigene<br />
Konstruktion durch „anschlussfähige” Bestandteile erweitert oder „umgebaut” („Re-<br />
framing” 18 ). An die Stelle der „objektiven Erkenntnis” tritt die „intersubjektive Ver-<br />
ständigung”. Sozial verbindlich ist die Wirklichkeitsvorstellung dann, wenn sie von den<br />
Mitgliedern der Gruppe geteilt wird.<br />
Wie die Realität „an sich” beschaffen ist, die den Anlass für die Wirklichkeitskonstruk-<br />
tion bietet, entzieht sich nach konstruktivistischer Auffassung der Erkenntnis, da alle<br />
nur ihre eigene Wirklichkeitskonstruktion kennen, in der kommunizierend und handelnd<br />
gelebt wird.<br />
14<br />
15<br />
16<br />
17<br />
18<br />
Erkenntnistheorie: Teilgebiet der Wissenschaftstheorie; Gesamtheit von Antworten auf die Fragen, ob und wie Erkenntnis möglich<br />
ist (z.B. Positivismus, Kritischer Rationalismus, Hermeneutik), vgl. auch Artikel „Erkenntnistheorie“ bei Wikipedia<br />
(www.de.wikipedia.org).<br />
Wesentliche Anstöße zur konstruktivistischen Erkenntnistheorie wurden von dem chilenischen Biologen Humberto MATURANA<br />
(geb. 1928) formuliert (MATURANA 1985; MATURANA / VARELA 1987), vgl. auch Artikel „Realismus“ und „Konstruktivismus“ bei<br />
Wikipedia (www.de.wikipedia.org).<br />
Viabel ... praktikabel zum „Überleben”; von viable (span. bzw. franz.): lebensfähig, gangbar, durchführbar, erschlossen.<br />
Perturbation ... Störung, Verwirrung; von perturbare (lat.): gänzlich verwirren, in Unordnung bringen.<br />
Reframing ... Umgestaltung; von to frame (engl.): formulieren, aufbauen, entwerfen, ausarbeiten.<br />
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Gegenüberstellung von Realismus und Konstruktivismus<br />
Erkenntnistheoretische Position<br />
Aspekt Realismus Konstruktivismus<br />
Gegenstand der<br />
Erkenntnis<br />
Sein (bzw. das Seiende) Wissen<br />
Realität ist vorhanden, kann (wenn auch<br />
verzerrt) erkannt werden<br />
Wahrnehmung alle Menschen nehmen sinnlich<br />
dieselben Objekte wahr, interpre-<br />
tieren sie dann unterschiedlich<br />
(Interpretation folgt zeitlich der<br />
Wahrnehmung nach)<br />
Überprüfung Verzerrung in der Wahrnehmung<br />
der Realität kann geprüft werden;<br />
realitätsadäquate Aussagen kön-<br />
nen von inadäquaten Aussagen<br />
unterschieden werden<br />
ist vorhanden, kann aber nicht er-<br />
kannt werden; „Ersatz”: subjektab-<br />
hängige menschliche Wirklichkeits-<br />
konstruktion<br />
Wahrnehmung ist von vornherein<br />
subjektabhängige Interpretation,<br />
folglich nehmen alle verschieden<br />
wahr (weitgehend ähnliche Wahr-<br />
nehmung möglich, nicht aber identi-<br />
sche)<br />
die menschlichen Konstruktionen<br />
können nicht an der Realität über-<br />
prüft werden; (vorläufig) brauchbare,<br />
erfolgreiche Konstruktionen können<br />
von erfolglosen unterschieden wer-<br />
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den
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Nach den konstruktivistischen Vorstellungen 19 werden z.B. Informationen nicht vom<br />
Sender zum Empfänger transportiert, sondern der Sender strahlt Signale ab, die Empfän-<br />
gern als Impuls zur Konstruktion von Information dienen können. Kommunikation be-<br />
deutet demnach nicht Transport von Information, sondern eröffnet ihren Teilnehmern<br />
subjektabhängige Möglichkeiten, eigene Informationen zu produzieren. Der Sender hat<br />
demzufolge nur die Chance, die Umwelt des Empfängers so zu verändern, dass dieser<br />
möglichst jene „Wirklichkeit” konstruiert, die der Sender beim Empfänger bevorzugen<br />
würde.<br />
In empirischen Wissenschaften wird von der Position des Realismus ausgegangen.<br />
Materielle Objekte, natürliche Ereignisse und Abläufe sowie soziale Phänomene und<br />
Prozesse werden als Realität angesehen. 20<br />
19<br />
20<br />
Innerhalb der Grundposition des Konstruktivismus sind unterschiedliche Richtungen vertreten, vgl. auch Artikel „Konstruktivismus“<br />
und „Radikaler Konstruktivismus“ bei Wikipedia (www.de.wikipedia.org).<br />
Vgl. BRAUN 2008, S. 377.<br />
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1.2 Wissenschaftliche Teil-Bereiche<br />
Nach dem Wertfreiheitspostulat 21 muss in der Wissenschaft zwischen Sachaussagen und<br />
Wertungen getrennt werden, da ansonsten der unzutreffende Eindruck erweckt werden<br />
könnte, auch die persönlichen Bewertungen 22 eines Wissenschaftlers seien ein<br />
unmittelbares Ergebnis der wissenschaftlichen Tätigkeit. 23 Aus diesem Grund wird in<br />
verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen explizit zwischen<br />
der Wissenschaft im engeren Sinne zur Beschreibung, Formulierung, Erklärung<br />
und Prognose von Sachverhalten und Gesetzmäßigkeiten (deskriptive und expla-<br />
natorische Aussagen) sowie<br />
der Philosophie der entsprechenden Disziplin (präskriptive Aussagen) und<br />
den für die Praxis aufbereiteten pragmatischen Handlungsvorschlägen<br />
(„…lehre“, „Praktische …“)<br />
unterschieden. 24<br />
Wird diese Unterscheidung nicht beachtet, könnten Deskription, Analyse und Theorie-<br />
bildung als typische Teilbereiche der Wissenschaft mit Argumentationen, Glaubenssät-<br />
zen, Urteilen und Vorurteilen vermischt werden. In „Wissenschaften mit Praxisbezug“<br />
wie Medizin, Pädagogik, Betriebswirtschaft und Verwaltungswissenschaft werden prä-<br />
skriptive Aussagen andererseits als „unentbehrlich“ betrachtet und daher häufig mit<br />
deskriptiven und explanativen Aussagen verbunden. 25 Unabhängig von der Notwendig-<br />
keit präskriptiver Aussagen für den jeweiligen Praxisbereich ist aber aus<br />
wissenschaftstheoretischer Sicht eine Trennung der Aussageebenen wünschenswert.<br />
21<br />
22<br />
23<br />
24<br />
25<br />
Postulat (lat.) … unbedingte Forderung. Das Wertfreiheitspostulat wird z.B. von Max WEBER (1864 - 1920) und von Sir Karl<br />
POPPER (1902 - 1994) in unterschiedlichen Varianten vertreten; vgl. auch OPP 2005a, S. 222 - 231.<br />
Bewertungen sind Aussagen der Art, dass etwas der Fall sein soll oder muss bzw. nicht sein soll oder darf (präskriptive Aussagen).<br />
Eine derartige Trennung erfolgt in Forschungen nach der Lehre vom Marxismus-Leninismus oder ähnlichen Weltanschauungen<br />
nicht; mit Forderungen nach einer „Parteilichkeit zugunsten der Arbeiterklasse“ o.ä. wird explizit das Gegenteil zum Wertfreiheitspostulat<br />
propagiert.<br />
Z.B. Verwaltungswissenschaft, Philosophie der Verwaltung, Verwaltungslehre, vgl. EMDE 2006, S. 26; Die vergleichbare<br />
Unterteilung der Erziehungswissenschaft wurde von BREZINKA entwickelt, vgl. BREZINKA 1989, S. 73; eine entsprechende<br />
Einteilung der Betriebswirtschaft wurde von CHMIELEWICZ vorgeschlagen (1979, S. 9 – 15), vgl. FÜLBIER 2004.<br />
Vgl. BECKER 1989, S. 103.<br />
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Konstitutiv für diese Einteilung ist also die konsequente Unterscheidung von „Sein“ und<br />
„Sollen“. Der Bereich der wissenschaftlichen Aussagen wird auf deskriptive und expla-<br />
native Sätze beschränkt, während präskriptive Sätze Gegenstand der Philosophie sein<br />
können. Im Praxisbereich werden dagegen zum Zweck der Steuerung zweckmäßiger<br />
Handlungen Sätze aus beiden Satzsystemen situationsangemessen kombiniert.<br />
Zwar kann die Notwendigkeit der Festsetzung moralischer Normen (präskriptive Sätze)<br />
kaum bestritten werden, auch eine wertende Deutung der Welt und eine Aufstellung von<br />
Wertrangordnungen sowie weltanschaulich-moralischer Überzeugungen als Basis für<br />
das praktische Handeln können argumentativ gerechtfertigt werden, jedoch wird die<br />
vorgeschlagene Unterscheidung als notwendig angesehen, um die verschiedenen Pro-<br />
bleme jeweils in einem problemangemessenen Rahmen behandeln zu können. 26<br />
26<br />
Mit Bezug auf die Pädagogik vgl. BREZINKA 1989, S. 329.<br />
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1.3 Methodologie<br />
Forschungsprozesse können unterschiedliche Methoden umfassen, die entweder empi-<br />
risch ausgerichtet sind oder nicht.<br />
Beobachten und Beschreiben als Forschungsmethoden sind ohne Bezug zur Realität<br />
kaum vorstellbar, dagegen können Erklärungen und Beurteilungen auch aufgrund rein<br />
gedanklicher Tätigkeit entworfen werden. Beobachten und Beschreiben sind daher typi-<br />
sche empirische Tätigkeiten, Erklärungen und Beurteilungen können entweder<br />
empirisch oder auch auf rein gedanklichem Wege („theoretisch“) gewonnen werden. Ein<br />
typisches Beispiel für eine rein gedanklich-theoretische Forschung ist der Entwurf der<br />
Systemtheorie durch LUHMANN.<br />
Das empirische Vorgehen kann quantitativ oder qualitativ ausgerichtet sein. Das<br />
typische quantitative Vorgehen besteht darin, Sachverhalte zahlenmäßig zu erfassen (zu<br />
quantifizieren) und ggf. aus einer Vielzahl systematisch vorgenommener<br />
Beobachtungen signifikante 27 statistische Zusammenhänge herzuleiten, also nach einem<br />
gleichzeitigen Auftreten von Merkmalen bzw. Merkmals-Ausprägungen zu suchen, das<br />
dermaßen häufig vorkommt, dass zufällige Einflüsse unwahrscheinlich sind. Ob<br />
„Zufall“ als Erklärung ausreicht oder nicht, wird mit Hilfe von statistischen Signifi-<br />
kanztests 28 geprüft. Voraussetzung dafür ist die Umsetzung der beobachteten Sachver-<br />
halte in Zahlen („Quantifizierung“). Das Ziel besteht also darin, Regelmäßigkeiten,<br />
Abhängigkeiten und Gesetzmäßigkeiten zu erkennen, um diese für „Erklärungen“<br />
nutzen zu können.<br />
Die qualitative Forschung dient nach DIN ISO 20252 dagegen der Analyse von Motiva-<br />
tionen, Denk-, Meinungs-, Einstellungs-, Bewertungs- oder Verhaltensmuster anhand<br />
von nicht strukturierten Forschungstechniken, wie z.B. Gruppendiskussionen und Tie-<br />
feninterviews. Eine Aussage über die Häufigkeit und Verteilung solcher Muster<br />
innerhalb einer vorgegebenen Grundgesamtheit ist auf der Grundlage einer qualitativen<br />
Studie nicht möglich.<br />
27<br />
28<br />
Signifikant … bedeutsam.<br />
Z.B. ² - Test.<br />
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Qualitative Verfahren bestehen häufig darin, einen oder wenige Fälle möglichst umfas-<br />
send zu untersuchen („Fallstudie“), um daraus Schlüsse zu ziehen, z.B. Hypothesen zu<br />
entwickeln. Das Ergebnis dieser Verfahren sind verbale Darstellungen.<br />
Im Mittelpunkt des nicht-empirischen Vorgehens steht auf der Aussagen-Ebene<br />
entweder die spekulative Argumentation 29 , die häufig aus einer Vermischung<br />
deskriptiver und präskriptiver Aussagen besteht, oder das Bemühen um „Verstehen“.<br />
Beim „Verstehen“ versucht ein Wissenschaftler, sich in die Rolle des oder der<br />
Handelnden hineinzuversetzen, um die Handlungen der fremden Personen aufgrund von<br />
persönlichen Erfahrungen und Evidenzabwägungen 30 nachvollziehen zu können. 31<br />
Die Betrachtung übergeordneter Prinzipien und Eigenschaften der verschiedenen Me-<br />
thoden ist Gegenstand der Methodologie („Lehre von den Methoden“). Typische Fragen<br />
aus der Methodologie sind z.B.<br />
Indikation 32 einzelner Methoden,<br />
Kombinationsmöglichkeit von Methoden,<br />
Fehler, Risiken und „Nebenwirkungen“ einzelner Methoden,<br />
Zuverlässigkeit einzelner Methoden,<br />
Standards des professionellen Vorgehens.<br />
BREZINKA verweist in diesem Zusammenhang auf allgemeine methodologische Nor-<br />
men, „die im großen und ganzen in allen Erfahrungswissenschaften anerkannt werden“<br />
und auf „elementare wissenschaftliche Qualitätsmaßstäbe“, die in der „analytisch-er-<br />
kenntniskritischen Philosophie“ als erkenntnisfördernd anerkannt seien. 33<br />
29<br />
30<br />
31<br />
32<br />
33<br />
Argumentation … schlüssige Darlegung eines Standpunktes, Begründung.<br />
Evidenz …einleuchtende Erkenntnis.<br />
Vgl. OPP 2005a, S. 66f.<br />
Indikation … hier: ähnlich wie in der Medizin „Heilanzeige“ bzw. „angezeigtes Behandlungsverfahren“, zur Problemlösung angezeigt<br />
(geeignet); „wann ist welche Methode angezeigt?“.<br />
BREZINKA 1989, S. 329; für die Betriebswirtschaft vgl. SCHANZ 1988.<br />
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Zur Wiederholung:<br />
Theoriebegriff<br />
Welche Aussage(n) ist bzw. sind richtig?<br />
Die Bezeichnung „Theorie“ ist üblicherweise ein Synonym für eine zur Prüfung<br />
vorgesehene Hypothese<br />
Als wissenschaftliche Theorien werden gedankliche Gefüge untereinander verbundener<br />
Sätze und Aussagen über einen definierbaren Gegenstandsbereich<br />
bezeichnet<br />
Nach dem empirisch analytischen Wissenschaftsverständnis besteht eine Theorie<br />
aus einem System aus empirisch nicht bereits falsifizierten Aussagen über einen<br />
Gegenstandsbereich<br />
In der Wissenschaftstheorie werden alle Theorien als „Philosophie“ bezeichnet<br />
Nach dem empirisch analytischen Wissenschaftsverständnis bedürfen Theorien<br />
für ihre Gültigkeit der empirischen Verifizierung<br />
Zum Nachdenken:<br />
a)<br />
Welche Bedeutung haben die erkenntnistheoretischen<br />
Grundpositionen des Realismus und des Konstruktivismus<br />
für die Verwaltungswissenschaft?<br />
b) Wie könnte eine „Indikationsliste“ für die verschiedenen<br />
Methoden in der Verwaltungswissenschaft aussehen?<br />
c) In welcher Weise wirken quantitative und qualitative Metho-<br />
den in Ihrem Arbeitsvorhaben zusammen?<br />
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2 Methoden in der Verwaltung<br />
Art und Umfang der anwendbaren Methoden könnten von der Beschaffenheit des Ge-<br />
genstandsbereiches abhängig sein, deswegen ist zunächst der Gegenstandsbereich, hier<br />
die öffentliche Verwaltung, näher zu betrachten. Nach der „Subtraktionsmethode“ 34<br />
kann die „öffentliche Verwaltung“ in erster Näherung als Staatstätigkeit bezeichnet<br />
werden, die dadurch von der übrigen Staatstätigkeit abgegrenzt wird, dass sie weder<br />
Gesetzgebung noch Rechtsprechung ist. In einem zweiten Schritt ist als Ausfluss der<br />
vertikalen Gewaltenteilung 35 noch die Regierungstätigkeit als Funktion der Staatsleitung<br />
von der Verwaltung abzugrenzen. Die Bezeichnung für den danach verbleibenden Rest,<br />
die „öffentliche Verwaltung“, darf allerdings bezüglich ihres Bestandteiles „Ver-<br />
waltung“ nicht zu eng interpretiert werden. Es handelt sich nach dieser Abgrenzung um<br />
die öffentliche Verwaltung im weiteren Sinne, also um die Gesamtheit aller Tätigkeiten,<br />
die der Staat 36 zur Erreichung seiner Zwecke unter eigener Rechtsordnung entfaltet. 37<br />
Erzeugt werden „Produkte“ 38 unterschiedlicher Art, inhaltlich kann es sich dabei um<br />
Dienstleistungen 39 im engeren Sinne oder die Erstellung bzw. Abgabe verschiedener<br />
Gütern 40 handeln. 41 Im umgangssprachlichen Sinne wird dagegen häufig unter der<br />
öffentlichen Verwaltung in einer engeren Bedeutung lediglich die allgemeine innere<br />
Verwaltung verstanden.<br />
34<br />
35<br />
36<br />
37<br />
38<br />
39<br />
40<br />
41<br />
Vgl. THIEME 1984, S. 3.<br />
Vgl. THIEME 1984, S. 69 f.<br />
Zum Staatsbegriff vgl. STERN 1980.<br />
Die Bezeichnung „Verwaltung“ im öffentlich-rechtlichen Sinne wird außer auf den Staat auch auf andere öffentlich-rechtliche<br />
Gemeinwesen (z.B. Verband) angewandt.<br />
Nach DIN EN ISO 9000 sind Produkte die Ergebnisse von Prozessen. Als Produktkategorien werden in dieser Norm<br />
Dienstleistungen, Software, Hardware und verfahrenstechnische Produkte unterschieden.<br />
Als Dienstleistungen werden in der Betriebswirtschaftslehre immaterielle Produkte bezeichnet, die daher nicht lagerfähig sind, vgl.<br />
CORSTEN 1988, S. 23.<br />
Z.B. Trinkwasser.<br />
Ungeachtet des breiten inhaltlichen Spektrums der Tätigkeit der öffentlichen Verwaltung wird aber aus volkswirtschaftlicher Sicht die<br />
gesamte Staatstätigkeit ihrem Schwerpunkt entsprechend dem tertiären Sektor, d.h. dem Dienstleistungsbereich, zugerechnet. Weitere<br />
Dienstleistungsbereiche sind z.B. Finanzdienstleistungen, Handel und Verkehr.<br />
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Zu einer mehrdimensional angelegten Beschreibung der öffentlichen Verwaltung aus<br />
verwaltungswissenschaftlicher 42 Sicht gelangt BECKER durch Aufzählung als typisch<br />
erkannter Eigenschaften der öffentlichen Verwaltung, die von ihm aufgrund einer Isola-<br />
tion der Idee der öffentlichen Verwaltung aus der Ideengeschichte gewonnen wurden.<br />
Danach handelt es sich bei der öffentlichen Verwaltung um eine konkrete Organisation im<br />
Staat, die Staatszwecke durch fortlaufende Handlungen, insbesondere durch pro-<br />
grammierte Entscheidungen, konkretisiert, diese aber nicht selbst bindend festlegt.<br />
Sie erbringt ihre Handlungen in einem besonderen, mehr oder minder verselbständigten<br />
Organisationsteil des Staates in und durch besondere Produktionseinheiten. In Ausfüh-<br />
rung vorgegebener bindender politischer Entscheidungsprogramme, welche die Verwal-<br />
tungsentscheidungen final oder konditional programmieren, stellt sie bindende, in aller<br />
Regel speziell-konkrete Entscheidungen her. Sie stellt durch bindende politische Ent-<br />
scheidungsprogramme festgelegte Dienstleistungen und sonstige Güter konkret her und<br />
gibt diese in festgelegter Art, Güte und Umfang an die Gesellschaft oder einzelne ab. Ne-<br />
ben den primären Vollzugshandlungen führt sie sekundäre Tätigkeiten aus, insbesondere<br />
Leistungen in der Vorbereitung der Herstellung politischer Entscheidungsprogramme des<br />
Staates.<br />
Bei allen Handlungen ist sie an die Staatszwecke und die verbindlichen politischen Ent-<br />
scheidungsprogramme gebunden und muss in der Aufgabenerfüllung zusätzlich beson-<br />
dere ethisch-moralische Imperative sowie Effektivitäts- und Effizienzgebote verfolgen. 43<br />
Die öffentliche Verwaltung hat also im Vergleich zur gewerblichen Wirtschaft in unse-<br />
rer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung andere Aufgaben und Funktionen sowie dar-<br />
auf abgestimmt auch eine andere Stellung als eine gewerbliche Unternehmung. 44<br />
In Anlehnung an BECKER kann die Grundfunktion in einem Modell dargestellt<br />
werden. 45<br />
Modelle können in der Wissenschaft der Repräsentation des Originals für bestimmte<br />
Operationen dienen. 46 Sie beschränken sich auf bestimmte, im Hinblick auf die Problem-<br />
42<br />
43<br />
44<br />
45<br />
46<br />
Als „Verwaltungswissenschaft” (Singular!) wird eine wissenschaftliche Fachdisziplin bezeichnet, deren primäres Erkenntnisobjekt die<br />
öffentliche Verwaltung darstellt, vgl. KÖNIG 1990; REICHARD betrachtet allerdings den Integrationsstand der<br />
Verwaltungswissenschaft noch als unzureichend und geht daher weiterhin von mehreren verwaltungswissenschaftlichen<br />
Basisdisziplinen aus, die additiv als „Verwaltungswissenschaften“ (Plural!) zusammenwirken, vgl. REICHARD 2003, S. 392.<br />
Vgl. BECKER 1989, S. 96.<br />
Vgl. zusammenfassend GRIMMER 2004b, S. 11 - 14, 34 - 43.<br />
Vgl. BECKER 1989, S. 128 u. S. 918; die Darstellung orientiert sich sachlich an der Definition der Verwaltung durch BECKER sowie<br />
in der Form an dem allgemeinen Dienstleistungsmodell, vgl. EMDE 2006, S. 49, mit Bezug auf DIN EN ISO 9000.<br />
Vgl. STACHOWIAK 1992, S. 219.<br />
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<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Mintken</strong> WS 09/10<br />
<strong>Dr</strong>. <strong>Monika</strong> <strong>Emde</strong> Wissenschaftstheorie und Verwaltungswissenschaft Seite 17<br />
stellung relevante Informationen. 47 Mit jedem Modell geht wegen der notwendigen<br />
Vereinfachungen zwar auf der einen Seite ein Informationsverlust einher, auf der<br />
anderen Seite kann aber ein prägnantes Modell die Übersichtlichkeit bei komplizierten<br />
Zusammenhängen fördern. Modelle sind daher - ähnlich wie Theorien - mit<br />
Scheinwerfern vergleichbar, 48 die bestimmte Bereiche der Realität beleuchten, andere<br />
dagegen im Dunkel belassen.<br />
Funktionsmodell der öffentlichen Verwaltung<br />
Grafik: <strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Mintken</strong><br />
Zur Erfüllung der öffentlichen Aufgaben bieten sich mehrere Rechts- und Organisati-<br />
onsformen an. Nicht immer muss die jeweilige Gebietskörperschaft unter eigenem Na-<br />
men handeln. Denkbar ist auch die Erledigung verschiedener Aufgaben durch Regiebe-<br />
triebe, Eigenbetriebe, Zweckverbände oder privatrechtliche Gesellschaften wie die<br />
GmbH und die AG. 49 Zu unterscheiden ist ferner der Aufgabenvollzug von der Gewähr-<br />
47<br />
48<br />
49<br />
Legitimiertes Exekutivorgan<br />
Ziele,<br />
Aufträge<br />
Arbeits- u.<br />
Handlungsbed.<br />
Ressourcen<br />
Vgl. KRIZ/LISCH 1988, S. 176.<br />
Das „Scheinwerfermodell“ wurde von POPPER zur Erklärung benutzt, vgl. POPPER 1992, S. 305 f.<br />
Vgl. GRIMMER 2004a, S. 68 f. m.w.N.<br />
Kunde<br />
Personal<br />
Prozess<br />
Organisation,<br />
Methoden, Mittel<br />
Produkt<br />
Output<br />
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Outcome
<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Mintken</strong> WS 09/10<br />
<strong>Dr</strong>. <strong>Monika</strong> <strong>Emde</strong> Wissenschaftstheorie und Verwaltungswissenschaft Seite 18<br />
leistung für den Vollzug. Zunehmend werden Handlungsformen gewählt, bei denen<br />
zwar die Verantwortung für die Aufgabenerfüllung bei der öffentlichen Hand liegt, die<br />
Erledigung der Aufgaben aber durch Non-<strong>Prof</strong>it-Organisationen oder durch gewerbliche<br />
Unternehmen vorgenommen wird. 50 Diese reduzierte „Leistungstiefe” entspricht der<br />
„Reduzierung der Fertigungstiefe” in einem gewerblichen Produktionsbetrieb. 51<br />
Näher untersucht wird die öffentliche Verwaltung vorwiegend in der Verwaltungswis-<br />
senschaft. 52 Nach einer Definition von BECKER handelt es sich bei der Verwaltungs-<br />
wissenschaft um<br />
„die auf die öffentliche Verwaltung als Ganzes gerichtete Wissenschaft, die darin die<br />
Existenzbedingungen, die Zwecke und Funktionen der Verwaltung, die gesamte Verwal-<br />
tungsrationalität, deren Elementarfaktoren (die Menschen), Produktionsfaktoren und an-<br />
dere Faktoren im Verarbeitungsprozess und deren Beziehungen untereinander (Organi-<br />
sationsstruktur) und die Austauschbeziehungen zur Verwaltungsumwelt beschreibt, erklärt<br />
und in bestimmten Grenzen präskriptive Aussagen entwickelt und hierbei alle zu-<br />
verlässigen und gültigen Methoden wissenschaftlicher Erkenntnisgewinnung und -verar-<br />
beitung einsetzt“. 53<br />
Die in dieser Definition enthaltene Komponente „präskriptive Aussagen“ als Entwick-<br />
lungsziel der Verwaltungswissenschaft erscheint allerdings aus wissenschaftstheoreti-<br />
scher Sicht problematisch. Deskription, Analyse und Theoriebildung als typische Teil-<br />
bereiche der Wissenschaft könnten dabei mit Argumentationen, Glaubenssätzen, Urtei-<br />
len und Vorurteilen vermischt werden. BECKER ist sich zwar dieser Problematik be-<br />
wusst, 54 hält aber dennoch in „Wissenschaften mit Praxisbezug“ wie der Verwaltungs-<br />
wissenschaft präskriptive Aussagen für „unentbehrlich“. 55<br />
Die Problematik stellt sich in der Verwaltungswissenschaft ähnlich dar wie in anderen<br />
Disziplinen mit ausgeprägtem Praxisbezug, z.B. der Betriebswirtschaft oder der Erzie-<br />
50<br />
51<br />
52<br />
53<br />
54<br />
55<br />
Vgl. REICHARD 2003, S. 390.<br />
Vgl. HILL 1997, S. 27 ff.<br />
Bzw. in den verwaltungswissenschaftlichen Basisdisziplinen, sofern man wie z.B. REICHARD von dem additiven Konzept der<br />
Verwaltungswissenschaften ausgeht.<br />
BECKER 1989, S. 137.<br />
Vgl. BECKER 1989, S. 103 ff.<br />
BECKER 1989, S. 103.<br />
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<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Mintken</strong> WS 09/10<br />
<strong>Dr</strong>. <strong>Monika</strong> <strong>Emde</strong> Wissenschaftstheorie und Verwaltungswissenschaft Seite 19<br />
hungswissenschaft. Daher liegt auch ein vergleichbarer Lösungsvorschlag zur Klarstel-<br />
lung nahe. Möglich wäre demnach die Einteilung der Verwaltungswissenschaft in<br />
einen Bereich der Verwaltungswissenschaft im engeren Sinne (Deskription,<br />
Analyse, Theoriebildung),<br />
in einen Bereich der Philosophie der Verwaltung (präskriptiv) und<br />
in eine Praktische Verwaltungslehre. 56<br />
Folgt man dieser Einteilung, so ist die Definition von BECKER auf die Verwal-<br />
tungswissenschaft im engeren Sinne bezogen. Problematisch ist dabei allerdings die<br />
Komponente „präskriptive Aussagen“, die nach dieser Unterteilung der Philosophie der<br />
Verwaltung zuzuordnen ist.<br />
Gegenstand der Verwaltungswissenschaft sind also die Aufgaben der Beschreibung der<br />
Verwaltungsphänomene und der mit ihnen zusammenhängenden sonstigen Ausschnitten<br />
der Wirklichkeit sowie die Erklärung der beschriebenen Phänomene.<br />
Demgegenüber soll die Philosophie der Verwaltung normative Orientierungshilfen bie-<br />
ten. Es kann sich dabei um moralische oder sittliche Normen handeln, aber auch um<br />
rechtliche, ästhetische, religiöse, wirtschaftliche, hygienische Normen usw.<br />
Schließlich wird in der Praktischen Verwaltungslehre ein normativ-deskriptiv<br />
gemischtes Satzsystem zusammengefasst, das bestimmbare Gruppen von „Verwaltern“<br />
in einer bestimmten gesellschaftlich-kulturellen Lage über ihre Aufgaben sowie über die<br />
Mittel zu deren Durchführung informieren und sie zum professionellen Handeln im<br />
Sinne der geltenden Weltanschauung und Moral inspirieren soll. Die wesentlichen<br />
Aufgaben der Praktischen Verwaltungslehre bestehen darin, dass sie eine wertende<br />
Deutung der gesellschaftlich-kulturellen Situation für „Verwalter“ bietet,<br />
Handlungsziele und Handlungsmöglichkeiten angibt, Empfehlungen für das Handeln<br />
formuliert und Berufstugenden der „Verwalter“ fördert.<br />
56<br />
Vgl. EMDE 2006, S. 26.<br />
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<strong>Dr</strong>. <strong>Monika</strong> <strong>Emde</strong> Wissenschaftstheorie und Verwaltungswissenschaft Seite 20<br />
2.1 Horizontale und vertikale Differenzierungen<br />
Die Verwaltung und die Verwaltungswissenschaft können horizontal und vertikal nach<br />
verschiedenen Kriterien eingeteilt werden. Als Einteilungskriterien für die horizontale<br />
Unterteilung kommen z.B. die regionale, sachliche oder räumliche Zuständigkeit oder<br />
die inhaltlichen Bezüge in Betracht.<br />
Nach dem Kriterium der Zuständigkeit kann z.B. grob unterschieden werden:<br />
Nationale Verwaltung<br />
Internationale Verwaltung (z.B. EU-Verwaltung, bi- oder multinationale Verwal-<br />
tungen)<br />
Supranationale Organisationen (z.B. UNO)<br />
Nicht-Regierungs-Organisationen (NGO) als „verwaltungsähnliche“<br />
Organisationen<br />
Nach Inhaltsbereichen wäre eine Einteilung z.B. möglich:<br />
Verwaltungsökonomie<br />
Verwaltungsrecht<br />
Verwaltungspolitik<br />
Verwaltungssoziologie<br />
Verwaltungspädagogik<br />
Verwaltungspsychologie<br />
Sonstige Verwaltungsinhalte<br />
Neben einer derartigen horizontalen Segmentierung von Ansätzen erscheinen auch ver-<br />
schiedene vertikale Differenzierungen möglich. Zur Strukturierung wissenschaftlicher<br />
Aussagen können in der vertikalen Dimension ganz allgemein verschiedene Ebenen ab-<br />
gegrenzt werden, zwischen denen hierarchische Relationen bestehen. Die unterste Ebene<br />
wird durch den Objektbereich gebildet, gefolgt von der Theorie über den Objektbereich,<br />
der Objekttheorie bzw. Objektwissenschaft, auf deren Ebene Aussagen der<br />
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<strong>Dr</strong>. <strong>Monika</strong> <strong>Emde</strong> Wissenschaftstheorie und Verwaltungswissenschaft Seite 21<br />
objektsprachlichen Stufe getroffen werden können. Wird auf der nächsten Ebene die<br />
Objektwissenschaft als Gegenstand der Wissenschaftstheorie betrachtet, können<br />
metasprachliche Aussagen getroffen werden (metasprachliche Ebene). Weiter<br />
fortgesetzt würde die Wissenschaftstheorie als Gegenstand der nächsthöheren Ebene<br />
erscheinen (meta-metasprachliche Ebene). Eine solche Unterscheidung von<br />
Reflexionsstufen ließe sich prinzipiell noch weiterführen. 57 Diese Differenzierung<br />
könnte z.B. auf die Verwaltungswissenschaft angewandt werden.<br />
Zur Erfassung der Verwaltungspraxis bietet sich dagegen z.B. für die nationale Verwal-<br />
tung eine vertikale Unterteilung nach der regionalen Zuständigkeit an.<br />
Implizit bezieht sich die Verwaltungswissenschaft zumeist auf die gegenwärtige Ver-<br />
waltung und deren wissenschaftliche Erfassung. Bestandteile der Verwaltungswissen-<br />
schaft sind aber auch übergeordnete Verwaltungskonzeptionen, die häufig mit einem<br />
bestimmten Staats- oder Gesellschaftsverständnis verbunden sind, und die Verwaltungs-<br />
geschichte.<br />
57<br />
Vgl. CZYCHOLL 1974, S. 150 ff.; ACHTENHAGEN 1984, S. 17; KRIZ/LISCH 1988, S. 175 u. 191.<br />
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<strong>Dr</strong>. <strong>Monika</strong> <strong>Emde</strong> Wissenschaftstheorie und Verwaltungswissenschaft Seite 22<br />
2.2 Forschungsmethoden und Wissenschaftstheorie<br />
In der Forschungsmethodik lassen sich allgemeine Regeln der wissenschaftlichen Me-<br />
thode zur strategischen Orientierung 58 und gegenstands-, problem- oder fachspezifische<br />
Forschungstechniken auf der taktischen 59 Ebene unterscheiden. 60<br />
Das Spektrum der jeweils anwendbaren Forschungsmethoden wird zum einen<br />
strategisch durch die wissenschaftstheoretische Grundposition („Ansatz“) vorbestimmt.<br />
Als derartige „Ansätze“ werden unterschieden:<br />
Kritischer Rationalismus 61<br />
philosophisch-normativer Ansatz 62<br />
Kritische Theorie 63<br />
Im Ansatz des Kritischen Rationalismus dominieren empirische Forschungsmethoden 64 ,<br />
während im philosophisch-normativen Ansatz und im Ansatz der Kritischen Theorie 65<br />
die hermeneutische Methode 66 im Vordergrund steht, wobei in der Kritischen Theorie<br />
die gesellschaftskritisch-ideologiekritische Argumentation den Schwerpunkt bildet. Die<br />
Kritische Theorie büßte allerdings in den beiden letzten Dekaden des 20. Jahrhunderts<br />
an Attraktivität ein. 67<br />
58<br />
59<br />
60<br />
61<br />
62<br />
63<br />
64<br />
65<br />
66<br />
67<br />
Strategie … (gr.) genau geplantes Vorgehen, meistens mittelfristig orientierte, „übergeordnete“ Planung.<br />
Taktik … (gr.) planmäßiges Vorgehen unter geschickter Ausnutzung einer Lage.<br />
Vgl. BREZINKA 1978, S. 35 f.<br />
Der Kritische Rationalismus ist eine von Sir Karl POPPER begründete Grundrichtung der Erkenntnistheorie. Erkenntnisse und<br />
Gesetzmäßigkeiten sind demnach vorläufig, sie werden in Form von Hypothesen formuliert, die nach entsprechender Prüfung an<br />
der Wirklichkeit scheitern können (Prinzip der Falsifikation), vgl. auch Artikel „Kritischer Rationalismus“ bei Wikipedia<br />
(www.de.wikipedia.org).<br />
Im philosophisch-normativen Ansatz stehen Fragen des anzustrebenden Zustandes im Vordergrund, vgl. auch Artikel „Normativ“ bei<br />
Wikipedia (www.de.wikipedia.org).<br />
In der Kritischen Theorie werden vor allem die Geschichtlichkeit und die Totalität gesellschaftlicher Prozesse betont, vgl. auch<br />
Artikel „Kritische Theorie“ bei Wikipedia (www.de.wikipedia.org).<br />
Empirische Forschungsmethoden sind insbesondere Beobachtung und Befragung, vgl. auch Artikel „Empirische Sozialforschung“<br />
bei Wikipedia (www.de.wikipedia.org).<br />
Die „Kritische Theorie” wurde in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts als Alternative zum hergebrachten<br />
Wissenschaftsverständnis der Geisteswissenschaften bzw. des „Kritischen Rationalismus“ vorwiegend von<br />
Gesellschaftswissenschaftlern in Frankfurt a. M. entwickelt und gepflegt („Frankfurter Schule“).<br />
Hermeneutische Verfahren betreffen die Auslegung von Texten und Situationen (Deuten, Verstehen, Interpretieren), vgl. auch<br />
Artikel „Hermeneutik“ bei Wikipedia (www.de.wikipedia.org).<br />
Möglicherweise auch unter dem Eindruck der implodierenden „real existierenden sozialistischen Gesellschaftssysteme” (VR Polen,<br />
DDR, UdSSR usw.).<br />
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Zum anderen werden Entscheidungen zur Forschungsmethodik aber auch durch das zu<br />
bearbeitende Problem bzw. die zu bearbeitende Aufgabe bestimmt. 68 Dies erfordert eine<br />
genaue Problemdefinition und eine hinreichende Zielvorstellung. Das weitere taktische<br />
Vorgehen bestimmt sich insbesondere danach, ob das Ziel eher deskriptiv oder eher<br />
explanativ formuliert ist. Als Ausgangspunkt für die vorgesehenen Forschungsschritte<br />
dient das bereits vorhandene Wissen über den Gegenstandsbereich, z.B. in Form von<br />
ersten Hypothesen oder einer bereits existierenden „Theorie“. 69<br />
Nach der wissenschaftstheoretischen Position des Kritischen Rationalismus besteht eine<br />
Theorie aus der sinnvollen, logischen Verknüpfung empirisch nicht falsifizierter (also<br />
„angenommener“ bzw. „bestätigter“) Hypothesen 70 bezeichnet werden. Enthalten die<br />
Hypothesen keine räumlichen oder zeitlichen Einschränkungen, werden sie auch als Ge-<br />
setzmäßigkeit bzw. Gesetzesaussage 71 bzw. als nomologische 72 Aussage oder nomologi-<br />
sche Hypothese bezeichnet.<br />
Die Erklärung eines Sachverhalts kann auf deduktiv 73 -nomologischem Weg oder induk-<br />
tiv 74 -statistisch erfolgen. In jedem Fall muss dabei die Frage nach dem „Warum“<br />
beantwortet werden bzw. es muss eine Ursache für das beobachtbare Ereignis angege-<br />
ben werden können.<br />
In der empirischen Forschung wird das zu Erklärende als „Explanandum“ bezeichnet,<br />
zur Erklärung werden nach dem deduktiv-nomologischen Weg mindestens eine deter-<br />
ministische 75 Gesetzmäßigkeit und mindestens eine Anfangsbedingung bzw. Randbedin-<br />
gung als Explanans herangezogen. 76 Das Vorgehen ist eine logische Ableitung. 77<br />
Beispiel:<br />
68<br />
69<br />
70<br />
71<br />
72<br />
73<br />
74<br />
75<br />
76<br />
77<br />
Vgl. FRIEDRICHS 1990, S. 13.<br />
Vgl. BRAUN 2008, S. 377.<br />
Eine Hypothese ist eine noch unbewiesene Aussage (Vermutung) über den wahren Wert einer Größe (DIN 13303 Teil 2).<br />
In den Sozialwissenschaften ist dafür auch die Kurzform „Gesetz“ üblich, jedoch kann es bei Verwendung dieser Kurzform zur<br />
Verwechslung mit juristischen Gesetzen kommen.<br />
Nomologisch … gesetzmäßig, von nomos (gr.): Gesetz.<br />
Deduktiv … vom Allgemeinen ausgehend.<br />
Induktiv … vom Einzelfall ausgehend.<br />
Deterministisch … bestimmt, zwangsläufig, ohne Ausnahme.<br />
Vgl. FRIEDRICHS 1990, S. 62 – 66.<br />
Das Vorgehen wird nach den Begründern auch als HEMPEL-OPPENHEIM-Schema (HO-Schema) bezeichnet, vgl. OPP 2005b<br />
sowie den Artikel „Deduktiv-nomologisches Modell“ in der Internet-Enzyklopädie „Wikipedia“ (www.de.wikipedia.org).<br />
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Das Neue Steuerungsmodell (NSM) der KGSt wird in den Kommunen nur<br />
zögerlich eingeführt. Wie ist das zu erklären? (Explanandum)<br />
Als Explanans sind mindestens eine Gesetzmäßigkeit und mindestens eine Anfangs-<br />
bzw. Randbedingung erforderlich. 78<br />
In diesem Fall wäre eine Gesetzmäßigkeit:<br />
Organisatorische Reformen werden nur bereitwillig umgesetzt, wenn sie von den<br />
Organisationsangehörigen akzeptiert werden.<br />
Randbedingung:<br />
Die Akzeptanz des NSM bei den Beschäftigten der Kommunen ist gering.<br />
Ergebnis nach den Regeln der Logik also:<br />
Weil die Akzeptanz des NSM gering ist, ergeben sich zwangsläufig<br />
Umsetzungsverzögerungen. 79<br />
Liegt keine deterministische Gesetzmäßigkeit vor, sondern nur eine statistische Gesetz-<br />
mäßigkeit (genauer: probabilistische 80 Gesetzmäßigkeit, z.B. „mit einer Wahrscheinlich-<br />
keit von 90 %“) vor, ist keine logische Ableitung möglich, sondern eine Bestätigung auf<br />
induktiv-statistischem Wege. Das Explanandum wird mit einem bestimmten Grad der<br />
Wahrscheinlichkeit („induktive Wahrscheinlichkeit“) durch das Explanans bestätigt<br />
(z.B. 90 %). 81<br />
Erfahrungswissenschaftliche Methoden können zur Erklärung von Sachverhalten beitra-<br />
gen, indem Gesetzesaussagen formuliert werden sowie das Explanandum und die Aus-<br />
gangs- bzw. Randbedingungen erhoben werden mit dem Ziel, zutreffende Schlüsse zu<br />
ziehen. 82<br />
78<br />
79<br />
80<br />
81<br />
82<br />
Sowohl die Gesetzesaussage als auch die Bedingung müssen wahr sein, sozialwissenschaftliche Gesetzesaussagen beruhen aber<br />
tatsächlich häufig auf Erfahrungen, die zwar gut belegt sein mögen, aber noch ein gewisses „Restrisiko“ enthalten (streng<br />
genommen „nicht-deterministische Gesetzesaussagen“), hierdurch ist eine Fehlerquelle gegeben. Eine weitere Fehlerquelle ergibt<br />
sich daraus, dass die Randbedingungen nicht immer fehlerfrei ermittelt werden können.<br />
Die KGSt wäre also gut beraten gewesen, wenn sie sich von Anfang an um die Akzeptanz des Modells bei den Beschäftigten<br />
bemüht hätte.<br />
Probabilistisch … wahrscheinlich, glaubwürdig.<br />
Vgl. OPP 2005a, S. 52 – 59.<br />
Vgl. OPP 2005b.<br />
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Im Fall des nicht-empirischen Vorgehens mit dem Ziel des „Verstehens“ tritt an die<br />
Stelle des Explanandums ein „Interpretandum“. Ein derartiges „Verstehen“ hat vor<br />
allem eine heuristische 83 Funktion, es ist keine Alternative zum „Erklären“ mit empiri-<br />
schen Methoden.<br />
Häufig besteht ein Forschungsprozess aus einer Kombination von empirischen und<br />
nicht-empirischen Vorgehensweisen: Von „Theorien“ ausgehend wird ein bestimmter<br />
Ausschnitt der „Welt“ beobachtet und beschrieben, um aus diesen Ergebnissen Schlüsse<br />
für die Weiterentwicklung des Theorie-Bestandes zu ziehen.<br />
83<br />
Heuristisch … erfinderisch, das Suchen und Auffinden betreffend.<br />
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2.3 Forschungsmethoden in der Verwaltungswissenschaft<br />
Die hauptsächlichen empirischen Methoden in den Sozial- und Geisteswissenschaften<br />
sind:<br />
beobachten,<br />
beschreiben,<br />
erklären,<br />
beurteilen.<br />
Grundlage für die Beschreibung, Erklärung und Beurteilung sind häufig Befragungen in<br />
unterschiedlicher Form. Daneben sind in bestimmten Grenzen auch Experimente und<br />
Dokumentenanalysen möglich. Da die Verwaltungswissenschaft keine<br />
Naturwissenschaft ist, sondern zu den Sozial- bzw. Geisteswissenschaften zu zählen ist,<br />
stellen diese allgemein in den Sozial- bzw. Geisteswissenschaften üblichen Methoden<br />
auch das Methoden-Reservoir der Verwaltungswissenschaft dar. 84<br />
Derartige Methoden können zur Erklärung von Sachverhalten beitragen, indem Geset-<br />
zesaussagen formuliert werden sowie das Explanandum und die Ausgangs- bzw. Rand-<br />
bedingungen erhoben werden mit dem Ziel, zutreffende Schlüsse zu ziehen. 85<br />
Wie bei jeder empirischen Erhebung treten auch bei der Operationalisierung des Ver-<br />
waltungshandelns in verwaltungswissenschaftlichen Untersuchungen die üblichen<br />
Operationalisierungs- und Quantifizierungsprobleme sowie Qualitätsfragen auf.<br />
Nach DIN EN ISO 9000 („Qualitätsmanagementsysteme”) ist Qualität allgemein defi-<br />
niert als „Grad, in dem ein Satz inhärenter Merkmale Anforderungen erfüllt”. Ein Merk-<br />
mal ist eine kennzeichnende Eigenschaft (inhärent 86 oder zugeordnet, quantitativ oder<br />
qualitativ). Eine Anforderung ist definiert als „Erfordernis oder Erwartung, das oder die<br />
festgelegt, üblicherweise vorausgesetzt oder verpflichtend ist”. 87<br />
84<br />
85<br />
86<br />
87<br />
Zu den Einzelheiten der Methoden vgl. z.B. DIEKMANN 2008.<br />
Vgl. OPP 2005b.<br />
Inhärent ... einer Sache innewohnend; von lat. inhaerere: an etwas haften, hängen, kleben.<br />
Begriffsbestimmungen nach DIN EN ISO 9000: 2005-12. Es handelt sich um eine europäische Norm, die den Status einer<br />
deutschen Norm erhalten hat. Die Bezeichnung DIN EN ISO gibt den internationalen Bezug wieder (EN ... Europäische Norm).<br />
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Als anzustrebende Qualitätsziele in Forschungsprozessen gelten die üblichen Gütekrite-<br />
rien der Objektivität, Reliabilität und Validität, denen ein professionelles<br />
Untersuchungsverfahren so weit wie möglich entsprechen muss.<br />
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Zur Wiederholung:<br />
Grundlagen der Forschungsmethoden<br />
Welche Aussage(n) gilt / gelten mit Bezug auf die öffentliche Verwaltung?<br />
In der empirischen Verwaltungswissenschaft wird vorwiegend mit Methoden der<br />
philosophisch-normativen Forschung gearbeitet<br />
Die Philosophie der Verwaltung umfasst präskriptive Aussagen, wie z.B. Normen<br />
und Werte<br />
In der praktischen Verwaltungslehre stehen Lösungsmöglichkeiten für verwaltungsspezifische<br />
Alltagsprobleme im Vordergrund<br />
Deskriptive Aussagen sind wegen ihres niedrigen Niveaus kein Gegenstand der<br />
Verwaltungswissenschaft<br />
Analytische Aussagen sind vorwiegend Gegenstand der praktischen Verwaltungslehre<br />
Zum Nachdenken:<br />
a)<br />
Welcher Unterschied besteht zwischen dem wissenschaftli-<br />
chen „Erklären“ und dem „Verstehen“?<br />
b) Welche typischen Aussagen zur Verwaltung könnten in<br />
den Bereichen Verwaltungswissenschaft, Philosophie der<br />
Verwaltung und Verwaltungslehre formuliert werden?<br />
c) Warum überwiegen in dem Bereich „Verwaltung und Ver-<br />
waltungswissenschaft“ die Aussagen aus dem Bereich der<br />
Praktischen Verwaltungslehre?<br />
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3 Aktuelle Forschungsgebiete<br />
Forschungsgebiete zum Öffentlichen Management beziehen sich auf die öffentliche<br />
Verwaltung bzw. auf „verwaltungsähnliche“ Organisationen, die ähnliche Aufgaben<br />
wahrnehmen (NGO, NPO).<br />
Das Öffentliche Management stellt die deutsche Variante des anglo-amerikanischen<br />
Public Management (PM) bzw. New Public Management (NPM) dar. Als PM wird die<br />
spezielle auf die Public Administration („Öffentliche Verwaltung“) bezogene Manage-<br />
mentlehre bezeichnet, die sich in einigen Bereichen von der Managementlehre für die<br />
Business Administration („Unternehmensverwaltung“) unterscheidet. Der Unterschied<br />
folgt offensichtlich aus den Unterschieden zwischen „Public“ und „Business“.<br />
Das NPM wird in Anlehnung an HOOD gemeinhin durch 5 Hauptkomponenten be-<br />
schrieben:<br />
Stärkung von Marktorientierung und Wettbewerb,<br />
Übernahme von Managementmethoden des gewerblichen Sektors,<br />
ziel- und ergebnisorientierte Steuerung,<br />
dezentrale Organisationsstrukturen,<br />
Aufgabenspektrum des öffentlichen Sektors begrenzen.<br />
Wegen der Unterschiede zwischen gewerblichen Unternehmen und der öffentlichen<br />
Verwaltung bestehen auch für das Management unterschiedliche Rahmenbedingungen,<br />
die sich auf die Einzelheiten des Managements auswirken.<br />
Während bei den gewerblichen Unternehmen das Ziel der Gewinnorientierung einen ho-<br />
hen Stellenwert genießt, dominiert bei der Öffentlichen Verwaltung die Gemeinwohlori-<br />
entierung verbunden mit der Aufgabe, geltendes Recht auch gegenüber Widerstrebenden<br />
durchzusetzen. Zu den wichtigsten Unterschieden in den Rahmenbedingungen gehören<br />
die Unternehmensautonomie bzw. die politische Steuerung der Öffentlichen Verwaltung<br />
sowie die unterschiedliche Verantwortlichkeit gegenüber der Öffentlichkeit.<br />
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<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Mintken</strong> WS 09/10<br />
<strong>Dr</strong>. <strong>Monika</strong> <strong>Emde</strong> Wissenschaftstheorie und Verwaltungswissenschaft Seite 30<br />
Ob eine öffentliche Verwaltung ihre Aufgaben „gut“ oder „weniger gut“ wahrnimmt<br />
lässt sich empirisch ermitteln. Im Kontext der Entwicklungshilfe werden angesichts der<br />
Probleme durch „bad government“ bzw. „bad governance“ weitere Hilfeleistungen<br />
häufig daran gekoppelt, dass im Empfängerland zuvor oder mit dieser Hilfe für „good<br />
governance“ gesorgt wird. 88 Governance bedeutet dabei das Zusammenwirken<br />
staatlicher Organe (government) mit anderen durchsetzungsfähigen Gruppen (NGO,<br />
z.B. Kirchen, aber in Entwicklungsländern auch lokale Groß-Familien, Clans usw.) zur<br />
Bearbeitung der gesellschaftlichen Probleme. 89 Die Zusammenstellung der Merkmale für<br />
„Good Governance“ in der folgenden Grafik wurde von der UNO-Organisation<br />
UNESCAP vorgenommen. 90<br />
Die Entscheidung zugunsten dieser Leitidee „Good Governance“ ist als normative Fest-<br />
legung ein Gegenstand der Philosophie der Verwaltung.<br />
88<br />
89<br />
90<br />
Vgl. den Artikel „Governance“ in der Internet-Enzyklopädie „Wikipedia“ (www.de.wikipedia.org) sowie die Artikel „Governance“ und<br />
„Good governance“ in der englischsprachigen Ausgabe der Internet-Enzyklopädie Wikipedia (www.en.wikipedia.org).<br />
Zu weiteren Definitionen von „governance“ vgl. die Websites von UNDP (www.undp.org), der Weltbank (www.worldbank.org) und<br />
der Europäischen Union (White Paper, http://ec.europa.eu/governance), Zugriff 2009-09-30.<br />
Vgl. www.unescap.org/pdd/ (dort Suchfunktion nutzen: good governance), Zugriff 2009-09-30.<br />
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<strong>Dr</strong>. <strong>Monika</strong> <strong>Emde</strong> Wissenschaftstheorie und Verwaltungswissenschaft Seite 31<br />
Good Governance<br />
Konsens<br />
Gerechtigkeit<br />
Beteiligung Transparenz<br />
Effektivität<br />
Effizienz<br />
Grafik: <strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Mintken</strong><br />
Unter Verwendung dieser Kriterien lassen sich mit einem Verfahren ähnlich der Nutz-<br />
wert-Analyse (NWA) eine Positionsbestimmung sowie eine Rangordnung der „Gover-<br />
nance-Qualität“ in verschiedenen Staaten vornehmen.<br />
Nachfolgend werden einige aktuelle inhaltliche oder methodische Forschungsgebiete der<br />
Verwaltungswissenschaft aufgezeigt, teils mit explizitem Bezug auf die öffentliche Ver-<br />
waltung bzw. die Regierungsfunktion (government), teils auch mit Bedeutung für<br />
andere Organisationsbereiche.<br />
Good<br />
Governance<br />
Legalität<br />
Bereitschaft<br />
Verantwortung<br />
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<strong>Dr</strong>. <strong>Monika</strong> <strong>Emde</strong> Wissenschaftstheorie und Verwaltungswissenschaft Seite 32<br />
3.1 E-Government<br />
E-Government bedeutet die Abwicklung von Geschäftsprozessen der öffentlichen Ver-<br />
waltung mit Hilfe von Informationstechnologien. 91 Dies erfordert die Überprüfung der<br />
Geschäftsprozesse, ggf. deren Neuorganisation sowie weitere organisatorische Vorkeh-<br />
rungen, um die optimale Aufgabenerledigung zu gewährleisten. Denkbar sind auch weit-<br />
reichende organisatorische Gestaltungen wie die Auslagerung von Geschäftsprozessen<br />
an Servicezentren oder neue Formen der interorganisatorischen Zusammenarbeit. 92<br />
Mit Blick auf diese neuen Gestaltungsmöglichkeiten wird das E-Government internatio-<br />
nal auch weiter gefasst als „Digital Era Governance“ (DEG) bezeichnet und als<br />
Möglichkeit betrachtet, organisatorische Fehlentwicklungen der vergangenen<br />
Entwicklungsschritte zu korrigieren. 93 Als Optimierungspotenzial werden dabei<br />
angesehen:<br />
In einigen Fällen Re-Integration von Aufgaben in die öffentliche Verwaltung<br />
Zusammenfassung von Parallel-Organisationen, die durch die<br />
Zusammenführung von Fach- und Ressourcenverantwortung entstanden sind 94<br />
Vollständige Digitalisierung<br />
Vom E-Government werden zahlreiche Vorteile für die „Kunden“, die Verwaltungsmit-<br />
arbeiter und für die Staatsfinanzen erwartet. Ob und in welchem Umfang diese Vorteile<br />
tatsächlich eintreten, ist zunächst noch offen. 95 Untersuchungsbedürftige Fragen und<br />
Probleme ergeben sich aus zahlreichen Perspektiven, z.B.:<br />
91<br />
92<br />
93<br />
94<br />
95<br />
Vgl. auch Artikel „E-Government“ bei Wikipedia (www.de.wikipedia.org).<br />
Vgl. auch www.digitales.oesterreich.gv.at (Zugriff 2009-05-01) sowie den Artikel „e-Government“ in der englischsprachigen Ausgabe<br />
der Internet-Enzyklopädie Wikipedia (www.en.wikipedia.org).<br />
Vgl. den Artikel „Digital era governance“ in der englischsprachigen Ausgabe der Internet-Enzyklopädie Wikipedia<br />
(www.en.wikipedia.org).<br />
Die eingetretenen Probleme waren zu erwarten, vgl. BECKER 1989, S. 925, sowie SCHNEIDER 2002, der insbesondere auf den<br />
eingetretenen Steuerungsverlust hinweist.<br />
Vgl. WINKEL 2006.<br />
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<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Mintken</strong> WS 09/10<br />
<strong>Dr</strong>. <strong>Monika</strong> <strong>Emde</strong> Wissenschaftstheorie und Verwaltungswissenschaft Seite 33<br />
Untersuchungsfragen zum E-Government<br />
Perspektive Untersuchungsproblematik (beispielhaft)<br />
Verwaltungswissenschaftlich Wirkungen auf Effektivität, Effizienz und Flexibilität<br />
der Verwaltung<br />
Wirtschaftlich Investitionsbedarf und Amortisation<br />
Politisch Umfang und Zeitplan für das E-Government<br />
Juristisch Änderungsbedarf für Vorschriften<br />
Sozial Zugang für alle<br />
Psychologisch Folgen der geänderten Kommunikationsform<br />
Pädagogisch Trainingskonzept für neue Arbeitsweisen<br />
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<strong>Dr</strong>. <strong>Monika</strong> <strong>Emde</strong> Wissenschaftstheorie und Verwaltungswissenschaft Seite 34<br />
3.2 Innovationsmanagement<br />
Nach der von der OECD 96 vorgeschlagenen Definition handelt es sich bei einer Innova-<br />
tion um die Umsetzung einer Idee in neue oder verbesserte käufliche Produkte oder<br />
Dienstleistungen, in operationelle Verfahren in Industrie oder Handel oder in eine neue<br />
Form sozialer Dienstleistung. 97<br />
Innovationen können sich auf einzelne Bereiche des Verwaltungshandelns beziehen<br />
(z.B. Neugestaltung eines Geschäftsprozesses), auf einen „Querschnittsbereich“ (z.B.<br />
Zugang zu den Verwaltungsleistungen über Internet), auf den Umbau einer gesamten<br />
Verwaltung (z.B. Einführung des NSM in einer Kommunalverwaltung) oder auf die<br />
Transformation eines Verwaltungssystems (z.B. Umwandlung der „sozialistischen“<br />
Verwaltung in eine bürgerorientierte Verwaltung). Hierzu gehören auch die Aufgaben<br />
aufgrund der zunehmenden Kooperation zwischen nationalen Verwaltungen innerhalb<br />
der Europäischen Union und der Tätigkeit deutscher „Verwaltungsmanager“ in Institu-<br />
tionen der Europäischen Gemeinschaft oder in anderen internationalen Organisationen.<br />
Innovationen in der Verwaltung haben zugleich eine gewichtige inhaltliche<br />
Komponente, aber erfordern auch methodische Konsequenzen in Form eines<br />
Innovationsmanagements.<br />
Für den Erfolg von Innovationen kommt es regelmäßig sowohl auf eine entsprechende<br />
„Durchsetzungskraft“ der Obersten Leitung als auch auf die professionelle Implemen-<br />
tierung der Neuerung an, 98 wobei ein systematisches Innovationsmanagement als förder-<br />
lich angesehen wird. 99<br />
Untersuchungsbedürftige Fragen und Probleme aus diesem Bereich sind z.B.:<br />
96<br />
97<br />
98<br />
99<br />
OECD ... Organization for Economic Cooperation and Development, Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und<br />
Entwicklung; es handelt sich um einen Zusammenschluss von Industriestaaten zur Beobachtung und Koordinierung der<br />
Wirtschaftspolitik, Sitz der OECD ist Paris.<br />
Zitiert nach Europäische Kommission: Grünbuch zur Innovation. 1995, last update 2005-11-04<br />
(http://europa.eu/documents/comm/green_papers/pdf/com95_688_de.pdf), S. 5 (Link geprüft <strong>2010</strong>-01-30).<br />
Beispiele für die Implementation verschiedener Teil-Reformen werden z.B. regelmäßig in den Zeitschriften „Verwaltung und<br />
Management“ sowie „Innovative Verwaltung“ veröffentlicht.<br />
Vgl. EMDE / MINTKEN 2006.<br />
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<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Mintken</strong> WS 09/10<br />
<strong>Dr</strong>. <strong>Monika</strong> <strong>Emde</strong> Wissenschaftstheorie und Verwaltungswissenschaft Seite 35<br />
Untersuchungsfragen zum Innovationsmanagement<br />
Perspektive Untersuchungsproblematik (beispielhaft)<br />
Verwaltungswissenschaftlich Wirkungen auf Kunden und Mitarbeiter<br />
Wirtschaftlich Wirtschaftlichkeit des Beratereinsatzes<br />
Politisch Internationale Position der deutschen Verwaltung<br />
Juristisch Entbürokratisierung<br />
Sozial Soziale Rollen im Innovationsprozess<br />
Psychologisch Förderung der Innovationsbereitschaft<br />
Pädagogisch Coaching zur Implementation<br />
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<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Mintken</strong> WS 09/10<br />
<strong>Dr</strong>. <strong>Monika</strong> <strong>Emde</strong> Wissenschaftstheorie und Verwaltungswissenschaft Seite 36<br />
3.3 Projektmanagement<br />
Neuerungen in der öffentlichen Verwaltung führen häufig dazu, dass bestimmte Projekte<br />
gegründet oder dass für bestimmte Aufgaben Teams bzw. sonstige Gruppen eingerichtet<br />
werden. Die Leitung dieser „Sondereinheiten“ erfordert neben den unverzichtbaren<br />
Fachkenntnissen vor allem Aufgeschlossenheit gegenüber Neuerungen („Innovations-<br />
bereitschaft“) und flexibles Handeln.<br />
Für professionelle Zwecke ist der Begriff „Projekt“ in Deutschland durch eine DIN-<br />
Norm definiert. Aus dieser Norm (DIN 69901-5) ergeben sich unverzichtbare Merkmale<br />
zur Kennzeichnung eines Projekts.<br />
Projekt nach DIN 69901-5:<br />
Vorhaben, das im Wesentlichen durch Einmaligkeit der Bedingungen in ihrer Ge-<br />
samtheit gekennzeichnet ist, wie z.B. Zielvorgabe, zeitliche, finanzielle,<br />
personelle oder andere Begrenzungen, Abgrenzung gegenüber anderen Vorhaben,<br />
projektspezifische Organisation<br />
Mit einem Organisations-Projekt können 3 verschiedene Effekte erzielt werden:<br />
der bearbeitete „Gegenstand“ wird verbessert,<br />
die starre Organisation gerät „in Bewegung“,<br />
die beteiligten Personen können neue Erfahrungen gewinnen.<br />
Die Projektarbeit und das Projektmanagement stellen für die öffentliche Verwaltung in<br />
erster Linie methodische Herausforderungen dar.<br />
Sofern es sich um eine „Daueraufgabe“ handelt, die in Teamarbeit erledigt werden soll,<br />
muss sichergestellt werden, dass das Team „lernfähig“ bleibt, also als „lernende Organi-<br />
sation“ tätig wird. 100<br />
Untersuchungsbedürftige Fragen und Probleme aus diesem Bereich sind z.B.:<br />
100<br />
Vgl. zu weiteren Einzelheiten des Projektmanagements MINTKEN / EMDE 2006.<br />
Projekt Verwaltungswissenschaft Universität Kassel <strong>Prof</strong>.<strong>Dr</strong>.<strong>Mintken</strong>@t-online.de
<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Mintken</strong> WS 09/10<br />
<strong>Dr</strong>. <strong>Monika</strong> <strong>Emde</strong> Wissenschaftstheorie und Verwaltungswissenschaft Seite 37<br />
Untersuchungsfragen zur Projektarbeit<br />
Perspektive Untersuchungsproblematik (beispielhaft)<br />
Verwaltungswissenschaftlich Steuerung bei Multiprojektarbeit<br />
Wirtschaftlich Wirtschaftlichkeit der Projekte<br />
Politisch Projektautonomie und politische Verantwortung<br />
Juristisch Projektaufträge und dienstrechtliche Vorschriften<br />
Sozial Arbeitsbedingungen der Projektmitarbeiter<br />
Psychologisch Führungstechnik für Projektleiter<br />
Pädagogisch Betriebspädagogische Vorbereitung auf Projektarbeit<br />
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<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Mintken</strong> WS 09/10<br />
<strong>Dr</strong>. <strong>Monika</strong> <strong>Emde</strong> Wissenschaftstheorie und Verwaltungswissenschaft Seite 38<br />
Zur Wiederholung:<br />
Aktuelle Forschungsgebiete<br />
Welche Aussage(n) gilt / gelten mit Bezug auf die öffentliche Verwaltung?<br />
„Good Governance“ mag erstrebenswert sein, lässt sich aber empirisch nicht<br />
erfassen<br />
„Digital Era Governance“ stellt ein Verwaltungskonzept dar, das auf E-Government<br />
beruht, aber noch konkretisierungsbedürftig erscheint<br />
In wissenschaftlicher Hinsicht handelt es sich bei E-Government um ein technologisches<br />
Problem aus dem Bereich der Informatik<br />
Das Innovationsmanagement umfasst im Wesentlichen wertende Aussagen und<br />
ist deshalb kein Gegenstand der Verwaltungswissenschaft<br />
Projektarbeit in der Verwaltung stellt eine Mode dar, deren wissenschaftliche<br />
Untersuchung sich kaum lohnen dürfte<br />
Zum Nachdenken:<br />
a)<br />
Welche Bedeutung könnte das Konzept der „Good Gover-<br />
nance“ für die Entwicklung der EU erlangen?<br />
b) Warum wird die öffentliche Verwaltung als tendenziell<br />
„innovationsresistent“ angesehen?<br />
c) Welche verwaltungspraktischen Fragen stellen sich im<br />
Zusammenhang mit der Projektarbeit in der Verwaltung?<br />
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<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Mintken</strong> WS 09/10<br />
<strong>Dr</strong>. <strong>Monika</strong> <strong>Emde</strong> Wissenschaftstheorie und Verwaltungswissenschaft Seite 39<br />
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MATURANA, Humberto: Erkennen. Die Organisation und Verkörperung von Wirklichkeit. 2. Aufl.<br />
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SCHANZ, Günther: Methodologie für Betriebswirte. 2. Aufl. Stuttgart 1988<br />
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Projekt Verwaltungswissenschaft Universität Kassel <strong>Prof</strong>.<strong>Dr</strong>.<strong>Mintken</strong>@t-online.de
<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Mintken</strong> WS 09/10<br />
<strong>Dr</strong>. <strong>Monika</strong> <strong>Emde</strong> Wissenschaftstheorie und Verwaltungswissenschaft Seite 41<br />
Anhang<br />
Literaturhinweise<br />
Management:<br />
MALIK, Fredmund: Führen, Leisten, Leben. 17. Aufl. Frankfurt 2006<br />
Der Autor ist <strong>Prof</strong>essor und Consultant. Er führt Lehrveranstaltungen an verschiedenen Universitäten in<br />
der Schweiz (z.B. St. Gallen) und in Österreich durch. Das Buch enthält 4 Hauptteile: <strong>Prof</strong>essionalität,<br />
Die Grundsätze wirksamer Führung, Aufgaben wirksamer Führung, Werkzeuge wirksamer Führung.<br />
GONSCHORREK, Ulrich; HOFFMEISTER, Wolfgang (Hrsg.): Ganzheitliches Management.<br />
Lernbausteinsystem zum Selbststudium. Berlin (Berliner Wissenschafts-Verlag)<br />
Bislang erschienen:<br />
Band 1: Ganzheitliches Management. Berlin 2004 (ISBN 3-8305-0866-2)<br />
Band 3: Rechnungslegungs- und Finanzprozesse. Berlin 2006 (ISBN 3-8305-1179-5)<br />
Band 4: Leistungserstellungs- und Finanzierungsprozesse. Berlin 2006 (ISBN 3-8305-1180-9)<br />
Band 5: Arbeits- und Personalprozesse. Berlin 2006 (ISBN 3-8305-1155-8)<br />
Band 6: Markt- und Kundenprozesse. Berlin 2006 (ISBN 3-8305-1156-6)<br />
Band 7: Planungs- und Entscheidungsprozesse. Berlin 2007 (ISBN 3-8305-1181-6)<br />
Band 8: Strukturierungs- und Informationsprozesse. Berlin 2006 (ISBN 3-8305-1182-5)<br />
Wissenschaftliches Arbeiten:<br />
DIN (Hrsg.): Präsentationstechnik für Dissertationen und wissenschaftliche Arbeiten. 2. Aufl.<br />
Berlin, Wien, Zürich 2000<br />
Enthält u.a. Normen zur Gestaltung von Veröffentlichungen.<br />
THEISEN, Manuel: Wissenschaftliches Arbeiten. 14. Aufl. München 2008<br />
Zuverlässige Antworten auf die meisten Grundfragen des wissenschaftlichen Arbeitens.<br />
Empirische Sozialforschung und Statistik:<br />
DIEKMANN, Andreas: Empirische Sozialforschung. 19. Aufl. Reinbek 2008<br />
Praxisnahe Einführung in die Methodik der empirischen Sozialforschung: Grundlagen, Untersuchungsplanung,<br />
Datenerhebung, Datenauswertung.<br />
Projekt Verwaltungswissenschaft Universität Kassel <strong>Prof</strong>.<strong>Dr</strong>.<strong>Mintken</strong>@t-online.de