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Lächelnde Lügner - Friedrich-Schiller-Universität Jena

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Im Altenheim nichts Neues<br />

Gaetano Donizettis „Don Pasquale“ im Deutschen Nationaltheater<br />

Eine Überraschung erlebt der<br />

nichtsahnende Besucher des Weimarer<br />

„Don Pasquale“ bereits dann,<br />

wenn die Titelfigur zum ersten Mal den<br />

Mund aufmacht. Man singt deutsch.<br />

Zugegebenermaßen lässt sich durch<br />

den Verzicht auf die sonst übliche<br />

Übersetzung in Untertiteln der mitunter<br />

turbulente Handlungsverlauf dieser<br />

„opera buffa“ Donizettis leichter verfolgen<br />

– zumal die Sänger im Allgemeinen<br />

gut zu verstehen sind. Dennoch bleiben<br />

gewisse Zweifel übrig, ob Operntexte<br />

ähnlich wie Gedichte nicht grundsätzlich<br />

unübersetzbar seien und ob daher<br />

solch schwerwiegende Eingriffe ins<br />

Originalwerk überhaupt Sinn ergeben<br />

können.<br />

Auch in anderer Hinsicht geht die Inszenierung,<br />

die am vergangenen Samstag<br />

ihre Premiere am Deutschen Nationaltheater<br />

Weimar feierte, durchaus frei<br />

mit der Vorlage um. Das Regieteam um<br />

Roy Rallo legt einen besonderen Akzent<br />

auf die Situation des alten Menschen<br />

Don Pasquale (Damon Nestor Poumis),<br />

der es seinem Neffen Ernesto (Uwe Stickert)<br />

noch mal richtig zeigen will und<br />

heimlich Heiratspläne schmiedet.<br />

Die Handlung spielt hier in einem Altenheim;<br />

Pasquales guter Bekannter Doktor<br />

Malatesta (Ji-Su Park) ist der zuständige<br />

Arzt, und Norina (Heike Porstein), die Geliebte<br />

Ernestos, eine Pflegerin. Über mangelnden<br />

Service können sich die Bewohner<br />

nicht beklagen, denn Doktor Malatesta<br />

versorgt Don Pasquale nicht nur medizinisch,<br />

sondern verspricht außerdem, seine<br />

Schwester als Braut frei Haus zu liefern.<br />

Ernesto hingegen liefert ein Fernsehgerät<br />

ins Altenheim und muss bei dieser Gelegenheit<br />

entsetzt von der bevorstehenden<br />

Heirat seines Onkels sowie seiner damit<br />

verbundenen Enterbung erfahren. Pasquale<br />

tanzt indessen triumphierend mit einer<br />

Gehhilfe und erzeugt mit der Fernbedienung<br />

ein blaues Licht, um Ernestos melancholischem<br />

Klagegesang das passende<br />

Ambiente zu geben.<br />

Doch die Intrige nimmt schon ihren Lauf:<br />

Malatestas vermeintliche Schwester, die<br />

dieser wenig später auf einer Bahre und<br />

reichlich bandagiert zu Pasquale trägt, ist<br />

in Wirklichkeit Norina. Diese gebärdet<br />

sich als schüchterne Klosterschülerin, was<br />

sie nicht daran hindert, sich schließlich in<br />

feiner Abendgarderobe und in Strapsen<br />

zu präsentieren. Der begeisterte Pasquale<br />

zögert keine Sekunde, willigt in die Heirat<br />

ein und erlebt das, wovon so mancher<br />

Ehemann ein Lied singen kann: Die Gattin<br />

verwandelt sich vom lieblichen Geschöpf<br />

zur geifernden Furie.<br />

Ohne Widerspruch zu dulden verlangt Norina<br />

eine Rundumerneuerung des Hauses<br />

– in der Inszenierung Rallos eine Rundumerneuerung<br />

der Altenheimbewohner<br />

durch die Wunder der plastischen Chirurgie.<br />

Verjüngt, aber immer noch klapprig,<br />

geben die Insassen zu Beginn des letzten<br />

Aktes den Chor der Diener wieder, während<br />

Norina vor allem in Sachen Outfit<br />

und Oberweite geringfügige Nachbesserungen<br />

vorgenommen hat.<br />

Viele, viele bunte Ostereier<br />

Der Greis ist<br />

heiß.<br />

FOTO:<br />

ANKE<br />

NEUGEBAUER<br />

Bis am Ende das Komplott aufgeklärt ist<br />

und Don Pasquale Ernesto und Norina<br />

doch seinen Segen gibt, geschieht noch<br />

allerlei Seltsames. Beispielsweise verteilen<br />

zwei Heimbewohner mehrere überdimensionale<br />

und farbige Ostereier auf dem Boden.<br />

Mit Hilfe des Programmheftes kann<br />

man vielleicht zur Erkenntnis kommen,<br />

dass Pasquales Name der Wortherkunft<br />

nach auf Ostern verweist und es in der<br />

Oper ja in der Tat um die Auferstehung<br />

eines Totgesagten geht, um den Versuch<br />

eines Greises, ins Leben zurückzufinden.<br />

Aber müssen sich deshalb Malatesta und<br />

Pasquale auch noch als Osterhasen<br />

verkleiden und mit Bugs-Bunny-Mimik<br />

ihren Gesang präsentieren?<br />

Die Verlegung der Opernhandlung in<br />

ein Altenheim fokussiert, aber verengt<br />

mitunter auch den Blick auf das Wesentliche.<br />

Es gibt einige ausdrucksstarke<br />

Szenen, etwa wenn sich Pasquale unmittelbar<br />

vor der ersten Begegnung mit<br />

Norina auf der verspiegelten Rückseite<br />

der aufgehenden Türe erblickt und noch<br />

eilig frisiert. Oder auch, wenn die notdürftig<br />

verjüngten Bewohner Schwarzweiß-Portraits<br />

wie eine Erinnerung an<br />

bessere Tage vor ihr Gesicht halten.<br />

Doch es geht auch viel verloren, wenn<br />

man den Gehalt der Oper auf einen<br />

Generationenkonflikt reduziert. Don<br />

Pasquale ist nicht nur ein alter Mann,<br />

er ist auch ein wohlhabender Hausbesitzer<br />

mit Dienerschaft, der aus diesem<br />

Grund seinem Neffen die nicht standesgemäße<br />

Heirat mit Norina zunächst<br />

verweigert. In der Inszenierung Rallos<br />

gehört ihm lediglich eine kleine Schatulle,<br />

die er ängstlich hütet und ganz<br />

am Ende Ernesto widerwillig überlässt.<br />

So entstehen auch manche Ungereimtheiten<br />

und Spannungen zwischen Text<br />

und Szene: Im Original verdoppelt Norina<br />

nach der Scheinheirat eigenmächtig<br />

den Lohn der Dienerschaft – hier kann sie<br />

eine solche Aktion nur am Altenheimpersonal<br />

vornehmen, womit sie Pasquale aber<br />

wenig ärgern dürfte. Auch Sequenzen wie<br />

das minutenlange Tanzen der Senioren<br />

zu 20er-Jahre-Musik halten die Handlung<br />

eher auf statt sie zu vertiefen.<br />

Keine Schwäche zeigen hingegen die<br />

Gesangssolisten des Nationaltheaters, der<br />

Opernchor sowie die Staatskapelle Weimar<br />

unter der Leitung von Martin Hoff. Sie<br />

machen den Besuch des „Don Pasquale“<br />

auch für all jene lohnenswert, die in ihm<br />

mehr als ein gerontologisches Lehrstück<br />

sehen wollen. Johannes Weiß<br />

Weitere Termine: 11., 15., 20. Februar<br />

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