Lächelnde Lügner - Friedrich-Schiller-Universität Jena
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Titel<br />
6<br />
Vor Neppern,<br />
Schleppern,<br />
Bauernfängern<br />
ist man auch an<br />
der Uni nicht<br />
sicher.<br />
FOTO:<br />
KATHARINA<br />
SCHMIDT<br />
Denn sie wissen, was sie tun<br />
Wie die Firma MLP versucht, die Studenten auszunehmen<br />
Eine der größten Sorgen des Studenten<br />
ist die berufliche Zukunft.<br />
Es gibt viele Schritte, die man auf dem<br />
Weg zum Traumjob gehen muss. Angefangen<br />
bei der Bewerbung bis hin<br />
zum finalen Bewerbungsgespräch.<br />
Der Uni fehlt es meist an Mitteln, um<br />
diesen Bereich der Karriereförderung<br />
gezielt zu unterstützen. Unternehmen<br />
wie der Finanzdienstleister MLP versuchen<br />
diese Lücke zu schließen. Sie<br />
bieten Rhetorikkurse und Berufsstarterseminare<br />
für interessierte Studenten<br />
an – kostenlos. Bleibt die Frage, welche<br />
Firma es sich leisten kann, nur im<br />
Interesse des Studenten zu handeln.<br />
Der FSU-Student Stefan Schmidt*<br />
besuchte die Seminare von MLP und<br />
fand sich wenig später mit einem<br />
Versicherungsvertrag in den Händen<br />
wieder. Angefangen hatte alles mit<br />
einem Gespräch auf dem Campus,<br />
bei dem er seine Telefonnummer gegen<br />
ein kostenloses Berufsstarter-Seminar<br />
tauschte. „Sie sagten, sie wären<br />
Mitarbeiter der <strong>Universität</strong> <strong>Jena</strong>“, berichtet<br />
Stefan. Der Wahrheit entsprach<br />
das nicht. Eigentlich hatte MLP nicht<br />
mal eine Erlaubnis, sich auf dem Uni-<br />
Gelände aufzuhalten, um Werbung<br />
zu machen. Die Rechtsabteilung der<br />
<strong>Universität</strong> <strong>Jena</strong> sieht in diesem Fall<br />
noch Klärungsbedarf.<br />
Einige Zeit später erhielt Stefan einen<br />
Anruf, bei dem er sich einen Termin<br />
für das Berufsstarterseminar auswählen<br />
konnte. Neben ihm hatten sich<br />
noch zehn weitere Studenten für diesen<br />
Termin entschieden und saßen mit<br />
Stefan im Schulungsraum von MLP in<br />
<strong>Jena</strong>. Die Leiter des Kurses waren selber<br />
MLP-Mitarbeiter und berichteten<br />
von eigenen Berufserfahrungen. „Das<br />
Seminar war ganz interessant, aber ab<br />
und zu haben die schon Werbung in<br />
eigener Sache gemacht“, sagt Stefan.<br />
Zum Ende des Kurses wurde dann<br />
noch ein kleiner Fragebogen verteilt.<br />
Neben Fragen über das eigene Studium<br />
und ob man sich vorstellen könnte,<br />
für MLP zu arbeiten, gab es auch die<br />
Möglichkeit ein kostenloses Buch für<br />
Berufsstarter zu erhalten. Alles, was<br />
man dafür preisgeben musste, waren<br />
fünf Handynummern von Freunden<br />
oder Bekannten. „Es geschieht alles<br />
auf freiwilliger Basis“, kommentiert<br />
Michael Schäfer, der Geschäftsstellenleiter<br />
von MLP in <strong>Jena</strong>. Die<br />
Methoden zur Sammlung von<br />
Kontaktdaten geben dennoch<br />
zu denken.<br />
Möglichst viele Daten<br />
„Der richtige Verkauf begann aber<br />
erst danach“, sagt Stefan. Ein telefonisches<br />
Angebot für ein Finanzberatungsgespräch<br />
machte den Anfang.<br />
Darauf folgten mehrere persönliche<br />
Gespräche mit einem Berater der MLP.<br />
Diese waren immer davon geprägt,<br />
Vertrauen zwischen Käufer und Verkäufer<br />
aufzubauen. Während der Gespräche<br />
wurden nun immer mehr persönliche<br />
Daten zusammengetragen.<br />
Dadurch soll der Student am Ende die<br />
angeblich beste Versicherung erhal-<br />
ten, die für wenig Geld zu bekommen<br />
ist. Zum Schluss wurde Stefan eine<br />
Arbeitsunfähigkeitsversicherung angeboten,<br />
mit einem monatlichen Beitrag<br />
von rund 35 Euro. Auf was ihn damals<br />
kein Berater hingewiesen hatte, war<br />
die Rentenversicherung bis zum Jahr<br />
2050, die er mit seiner Unterschrift<br />
ebenfalls abgeschlossen hätte. Eine<br />
finanzielle Zusatzbelastung, die sich<br />
in den nächsten Jahren hätte rächen<br />
können.<br />
Beiträge im vierstelligen<br />
Bereich<br />
„Zum Glück hab ich das beim Durchlesen<br />
noch gesehen, sonst hätte ich<br />
da direkt unterschrieben.“ Der monatliche<br />
Beitragssatz wäre jedes Jahr<br />
um zehn Prozent gestiegen und setzt<br />
damit auch ein Einkommen voraus,<br />
das sich ebenfalls so stark entwickelt.<br />
Es gibt zwar Möglichkeiten die Erhöhung<br />
für zwei Jahre zu umgehen,<br />
aber spätestens danach muss man den<br />
Preisanstieg hinnehmen. Nach einiger<br />
Zeit hätte man es dann mit Beitragszahlungen<br />
im vierstelligen Bereich zu<br />
tun. Der Gedanke daran, dass man als<br />
Student im späteren Berufsleben ein<br />
Gehalt hat, bei dem zwei- bis dreitausend<br />
Euro für die Versicherung<br />
egal<br />
sind, mag<br />
verlockend<br />
sein. Realistisch<br />
ist er allerdings<br />
nicht.<br />
„Man muss sich<br />
die Zeit zum Lesen<br />
nehmen, egal wie lang der Vertrag<br />
ist“, rät Stefan allen Studenten, die für<br />
ihre Zukunft gut versichert sein wollen.<br />
MLP selbst ist ein Unternehmen, das<br />
Geldanlagen und Versicherungen anderer<br />
großer Konzerne an die Kunden<br />
weitergibt, um dafür eine Provision zu<br />
erhalten. Die Vermittlung einer sehr<br />
günstigen Versicherung würde damit<br />
nicht so viel Provision einbringen wie