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Band - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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Erste Forderung: ein soziales Europa<br />

In Europa finden sich die vier Sozialstaatsmodelle europäischer Entwicklungen:<br />

das angelsächsische Modell in Großbritannien und Irland, das kontinentale westeuropäische,<br />

sich weitgehend auf Beitragszahlungen stützende Modell wie in<br />

Deutschland, die Modelle der südeuropäischen »rudimentären mediterranen<br />

Wohlfahrtsstaaten« wie in Portugal, Spanien, Griechenland und das skandinavische<br />

Modell. Überdies existieren noch vielfältige Variationen von Sozialstaatlichkeit,<br />

die sich aus den ehemals staatssozialistischen »autoritären Sozialstaatsmodellen«<br />

entwickelt haben, bei denen es wie z. B. in Bulgarien zunächst um Schaffung<br />

europäischer Standards, insbesondere auch Sozialstandards geht. Auch wenn es<br />

im Verlauf der Entwicklung der EU in den letzten Jahren eine Angleichung sozialstaatlicher<br />

Entwicklungen gegeben hat, sind deren Unterschiede noch immer gravierend.<br />

Altersversorgung, Gesundheit, Pflege, Arbeitslosenunterstützung, große<br />

Teile der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik liegen in der EU ausschließlich in nationalstaatlicher<br />

Kompetenz.<br />

Zugleich aber werden die Möglichkeiten der Ausgestaltung sozialstaatlicher<br />

Leistungen europäisch diktiert, ihre finanziellen und wirtschaftlichen Eckdaten<br />

sind insbesondere durch die Strategie von Lissabon und den Stabilitätspakt von<br />

Maastricht geprägt. Die Strategie Europa 2020 (Strategie für ein intelligentes,<br />

nachhaltiges und integratives Wachstum) weicht von der bisherigen Strategie von<br />

Lissabon kaum ab. Die Wettbewerbsfähigkeit der EU – verknüpft mit hoher Produktivität,<br />

Wirtschaftswachstum und ökologischer Modernisierung – sowie die<br />

Stärkung der Haushaltsdisziplin bleiben die zentralen Anliegen der EU-Politik.<br />

Der destabilisierenden Wirkung von Ungleichgewichten und Unterschieden in der<br />

Wettbewerbsfähigkeit soll durch die Überwachung der nationalen Haushalte begegnet<br />

werden, während der EU-Rat Veränderungen des EU-Haushaltes vehement<br />

bekämpft. Die Verteidigung und der Ausbau von Sozialausgaben in den jeweiligen<br />

nationalen Haushaltsbudgets werden mit Bezug auf den noch immer<br />

verbindlichen Maastrichter Stabilitätspakt und untersetzt durch nationale Schuldenbremsen<br />

zur nationalen wie zur auch europäischen Herausforderung. Das<br />

heißt, die Leitidee der EU 2020 bleibt auch weiterhin ein Motor von Privatisierungen<br />

und restriktiver Geldpolitik. Diese Politik der Deregulierung und Privatisierung<br />

öffentlicher Daseinsvorsorge wirkt direkt auf die Gestaltung nationaler sozialer<br />

Sicherungssysteme und befördert die Ausweitung von deren Privatisierung<br />

– eine Tendenz, die zunehmend auch den gesamten Gesundheitsbereich erfasst<br />

und mit der Kürzung von Sozialtransfers einhergeht.<br />

Dies beschreibt ein zentrales Problem der Linken. Auf ihren »ureigensten« Politikfeldern<br />

– soziale Gerechtigkeit, Verteidigung und Verbesserung sozialer<br />

Sicherungen und Standards – werden die Linken auf ihr nationales, traditionell<br />

bewährtes Kampffeld verwiesen. Sie müssen jedoch gleichzeitig europäisch widerstandsfähig<br />

und gestaltend wirksam sein.<br />

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