Zusatzmaterial zu AL 2007, 124 Menges - Ad Legendum
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<strong>Zusatzmaterial</strong> <strong>zu</strong> <strong>AL</strong> <strong>2007</strong>, <strong>124</strong> <strong>Ad</strong> <strong>Legendum</strong> 1<br />
A. Einleitung<br />
Die Frage, mit welchen Mitteln der Einzelne die letzte<br />
Phase seines Lebens auch für den Fall, dass er keine eigene<br />
Entscheidung mehr <strong>zu</strong> treffen imstande ist, wirksam<br />
nach seinen eigenen Wünschen und Vorstellungen gestalten<br />
kann, ist aktueller, aber auch umstrittener denn je.<br />
Die Tatsache, dass der Prozess des Sterbens in einer Weise<br />
von medizinischen Gegebenheiten abhängig geworden<br />
ist, die den Tod weniger als schicksalhaftes, plötzlich<br />
eintretendes Ereignis, sondern vielmehr als Ergebnis<br />
menschlicher Einflussnahme und Entscheidung erscheinen<br />
lassen, erweckt bei vielen Menschen die Angst, in<br />
einem rationalisierten und vereinheitlichten Gesundheitsapparat<br />
dahin<strong>zu</strong>vegetieren, der dem Einzelnen mit<br />
seinen individuellen Werten und Überzeugungen keine<br />
Möglichkeit einer Einflussnahme auf das eigene Schicksal<br />
mehr gewährt.<br />
Diese Sorge ist für viele Menschen 2 Anlass, ein Patiententestament<br />
<strong>zu</strong> errichten und darin vorab Art und Umfang<br />
der <strong>zu</strong>künftigen medizinischen Versorgung geregelt<br />
<strong>zu</strong> wissen. Jedoch ist der Gesetzgeber auf diesem hochsensiblen<br />
und den Menschen in seiner Existenz berührenden<br />
Gebiet bislang nicht tätig geworden. Auch die<br />
höchstrichterliche Rechtsprechung vermochte bis dato<br />
nicht, die ersehnte Rechtssicherheit für den Bürger <strong>zu</strong><br />
schaffen.<br />
Thema dieser Seminararbeit soll daher sein, inwieweit<br />
und unter welchen Vorausset<strong>zu</strong>ngen der Einzelne de<br />
lege lata durch zeitlich vorgelagerte Erklärung das Maß<br />
der medizinischen Versorgung für die letzte Lebensphase<br />
rechtsverbindlich festlegen kann und inwieweit der<br />
Staat beschränkend und/oder kontrollierend eingreifen<br />
muss. Ferner sollen die Gesetzentwürfe der von der Justizministerin<br />
Brigitte Zypries eingesetzten Arbeitsgruppe<br />
„Patientenautonomie am Lebensende“ und der Enquete-Kommission<br />
des Bundestages „Ethik und Recht<br />
der modernen Medizin“ sowie die Empfehlungen weiterer<br />
Interessensvereinigungen einer kritischen Untersuchung<br />
unterzogen werden.<br />
B. Das Patiententestament de lege lata<br />
I. Begriffsbestimmung und -abgren<strong>zu</strong>ng<br />
Als Patiententestament werden antizipierte Willensäußerungen<br />
bezeichnet, mit denen der Verfasser im einwilligungsfähigen<br />
Zustand für den Fall einer Krankheit<br />
und der damit einhergehenden Unfähigkeit, in der konkreten<br />
Situation selbst <strong>zu</strong> entscheiden, im Vorhinein seine<br />
Wünsche <strong>zu</strong> Art und Umfang der ärztlichen Versorgung<br />
äußert. 3 Hierunter fallen jedoch typischerweise erst<br />
Äußerungen, wenn sie unabhängig von einer konkreten<br />
Maximilian <strong>Menges</strong>*<br />
Das Patiententestament de lege lata und de lege ferenda 1<br />
Krankheitssituation erfolgen. 4 Ein Patiententestament<br />
richtet sich daher im Allgemeinen nicht an einen dem<br />
Patienten bereits bekannten Arzt, sondern ganz generell<br />
an einen unbestimmten <strong>Ad</strong>ressatenkreis von Ärzten,<br />
Pflegekräften, usw., die den Patienten <strong>zu</strong>künftig einmal<br />
behandeln werden. 5 Neben der Anweisung an den<br />
Arzt, unter bestimmten Umständen lebenserhaltende<br />
Maßnahmen ab<strong>zu</strong>brechen, kann ein Patiententestament,<br />
wenngleich selten der Fall, auch die gegenteilige Anweisung<br />
enthalten, unter allen Umständen oder in bestimmten<br />
Fällen nicht auf lebensverlängernde Behandlungen<br />
und Eingriffe <strong>zu</strong> verzichten. 6<br />
Außer dem Begriff des „Patiententestaments“ 7 findet man<br />
im Schrifttum häufig die Bezeichnung „Patientenverfügung“<br />
8 (selten auch „Patientenbrief“ 9 oder „Euthanasietestament“<br />
10 ). Teilweise wird in der Patientenverfügung<br />
der Oberbegriff gesehen, der sich dann in Patiententestament,<br />
Betreuungsverfügung und Vorsorgevollmacht<br />
aufgliedert. 11 Weit überwiegend werden Patiententestament<br />
und Patientenverfügung jedoch nicht verschieden<br />
eingeordnet, haben also keine unterschiedlichen Bedeutungen.<br />
Beide Begriffe werden vielmehr alternativ verwendet.<br />
12 Die <strong>zu</strong>letzt genannte begriffliche Bestimmung<br />
soll dieser Seminararbeit <strong>zu</strong>grunde liegen.<br />
* Maximilian <strong>Menges</strong> ist Student der Rechtswissenschaften an<br />
der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster im 9. Semester<br />
und legt <strong>zu</strong>r Zeit sein 1. juristisches Staatsexamen ab.<br />
1 Seminararbeit <strong>zu</strong>m Seminar im Familien- und Erbrecht bei<br />
Prof. Dr. Dr. Schlüter im SS 2005<br />
2 In Deutschland gebe es laut einem Rechtsinterview mit Bundesjustizministerin<br />
Brigitte Zypries in der FAZ vom 22. März<br />
2005 bereits ca. sieben Millionen Patiententestamente.<br />
3 Erman – Holzhauer, § 1901a, Rn. 6; Palandt – Diederichsen,<br />
Einf. v. § 1896, Rn. 9; Staudinger – Bienwald, § 1901a, Rn. 7;<br />
Roth, JZ 2004, 494 (495).<br />
4 Lipp, FamRZ 2004, 317 (320); Roth, JZ 2004, 494 (495); Deutsch/<br />
Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 199.<br />
5 Lipp, FamRZ 2004, 317 (320); Keilbach, FamRZ 2003, 969<br />
(976).<br />
6 Eisenbart, Patienten-Testament, S. 15; Schaffer, BtPrax 2003,<br />
143 (146); Taupitz, Gutachten 63. DJT, A 106.<br />
7 Deutsch, NJW 1979, 1905 (1908); Opderbecke, MedR 1985, 23<br />
(26); Spann, MedR 1983, 13 (13 ff.); Eisenbart, Patienten-Testament,<br />
S. 15 ff.; Schöllhammer, Die Rechtsverbindlichkeit des<br />
PT, S. 1 ff.; Staudinger – Bienwald, § 1901a Rn. 7; Laufs/Uhlenbruck<br />
– Uhlenbruck/Ulsenheimer, Handbuch des Arztrechts,<br />
§ 132, Rn. 35 ff.<br />
8 Dieser Begriff scheint sich in neuerer Zeit durchgesetzt <strong>zu</strong><br />
haben; <strong>zu</strong> finden u.a. bei Berger JZ 2000, 797 (800 ff.); Baumann/Hartmann,<br />
DNotZ 2000, 594 (594); Lipp, DRiZ 2000,<br />
231 (234 ff.); Taupitz, Gutachten 63. DJT, A 105 ff.<br />
9 Uhlenbruck, NJW 1978, 566 (566 ff.).<br />
10 Eser, Lawin/Huth, Grenzen der ärztlichen Aufklärungs- und<br />
Behandlungspflichten, S. 81.<br />
11 Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 512; Hoß, Behandlungsabbruch,<br />
S. 5; Laufs/Uhlenbruck – Uhlenbruck/Ulsenheimer,<br />
Handbuch des Arztrechts, § 132, Rn. 35.<br />
12 MüKo – Schwab, § 1904, Rn. 20; Dodegge/Roth – Roth,<br />
BtKomm, C Rn. 97; Lipp, Freiheit und Fürsorge, S. 2; Rehborn,<br />
MDR 1998, 1464 (1467); Uhlenbruck, NJW 2003, 1710 (1710).
2 <strong>Ad</strong> <strong>Legendum</strong> <strong>Zusatzmaterial</strong> <strong>zu</strong> <strong>AL</strong> <strong>2007</strong>, <strong>124</strong><br />
Obwohl sie der sonst gebrauchten Bedeutung ihrer jeweils<br />
zweiten Worthälfte nach eigentlich nicht <strong>zu</strong>treffend<br />
sind, haben sich die Bezeichnungen Patiententestament<br />
und Patientenverfügung inzwischen eingebürgert.<br />
Ein Testament wird üblicherweise verstanden als eine<br />
einseitige Erklärung, durch die der Erblasser für die Zeit<br />
nach seinem Tode Regelungen trifft (§§ 1937 ff. BGB), 13<br />
während das Patiententestament gerade die Zeit vor dem<br />
Tode regelt. Der Begriff der Patientenverfügung wird in<br />
der Literatur zwar vermehrt angenommen, teilweise aber<br />
auch als nicht treffend kritisiert. 14 Es handelt sich <strong>zu</strong>mindest<br />
nicht um eine Verfügung im Sinne eines Rechtsgeschäfts,<br />
durch das ein bereits bestehendes Recht unmittelbar<br />
übertragen, aufgehoben, belastet oder inhaltlich<br />
verändert wird. 15<br />
Ab<strong>zu</strong>grenzen ist das Patiententestament von der Vorsorgevollmacht<br />
und der Betreuungsverfügung. Durch eine<br />
Vorsorgevollmacht bevollmächtigt der Verfasser eine<br />
andere Person für den Fall des Eintritts eigener Betreuungsbedürftigkeit,<br />
alle oder bestimmte Aufgaben für<br />
diesen <strong>zu</strong> erledigen. 16 Sie bringt also im Gegensatz <strong>zu</strong>r<br />
Patientenverfügung nicht den eigenen Willen des Vollmachtgebers<br />
<strong>zu</strong>m Ausdruck, sondern lässt stattdessen<br />
einen Dritten stellvertretend für diesen entscheiden. 18<br />
Die Vollmacht kann sich dabei auch auf den Bereich<br />
der Gesundheitssorge erstrecken. 19 Die Bestellung eines<br />
Betreuers für diesen Aufgabenbereich ist dann ausgeschlossen.<br />
Der § 1896 II 2, 1. Alt. BGB legt den Vorrang<br />
des Bevollmächtigten fest.<br />
Eine Betreuungsverfügung wiederum ist eine Willensäußerung,<br />
mit der eine Person für den Fall ihrer Betreuungsbedürftigkeit<br />
Anweisungen hinsichtlich der Auswahl<br />
des <strong>zu</strong> bestellenden Betreuers bzw. der Ausgestaltung<br />
des Betreuungsverhältnisses trifft. 20 Patiententestament,<br />
Betreuungsverfügung und Vorsorgevollmacht können<br />
miteinander verbunden werden, was in der Praxis auch<br />
oft der Fall ist. 20<br />
II. Allgemeines <strong>zu</strong>r Behandlungssituation<br />
Grundsätzlich bedarf jeder medizinische Eingriff einer<br />
gesonderten Einwilligung durch den Patienten im Zeitpunkt<br />
des Eingriffs. 21 Dies erfordert das dem Patienten<br />
grundrechtlich garantierte Selbstbestimmungsrecht über<br />
seine Person. 22 Es wird als Ausdruck der Menschenwürde<br />
von Art. 1 I GG, als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts<br />
von Art. 1 I, 2 I GG und vom Grundrecht auf<br />
Leben und körperliche Unversehrtheit, Art. 2 II GG, erfasst<br />
und durch diese abgesichert. 23<br />
Falls der Arzt das Selbstbestimmungsrecht verletzt,<br />
indem er den Patienten ohne dessen Einwilligung behandelt,<br />
begeht er eine Körperverlet<strong>zu</strong>ng i.S.d. § 223 I<br />
StGB. 24<br />
Auf der anderen Seite hat der Patient keinen Anspruch<br />
auf eine bestimmte Heilbehandlung. Eine solche muss<br />
vom behandelnden Arzt <strong>zu</strong>nächst angeboten werden.<br />
Vorausset<strong>zu</strong>ng hierfür wiederum ist, dass in der konkreten<br />
Situation die medizinische Maßnahme nach Auf-<br />
fassung des Arztes indiziert ist. 25 Die medizinische Indikation<br />
ist <strong>zu</strong> verstehen als das fachliche Urteil über den<br />
Wert oder Unwert einer medizinischen Behandlungsmethode<br />
in ihrer Anwendung auf den konkreten Fall. 26 Ist<br />
der Patient einwilligungsfähig, kann er, aber auch nur er<br />
als Grundrechtsträger, in der konkreten Situation unter<br />
Abwägung aller für ihn entscheidenden Gründe in die<br />
ärztlicherseits angebotene Behandlung einwilligen oder<br />
die Einwilligung ablehnen. Eine etwaig vorhandene Patientenverfügung<br />
findet dabei keine Berücksichtigung.<br />
Erst bei Verlust der Einwilligungsfähigkeit ist ein Rückgriff<br />
auf das Patiententestament überhaupt möglich. 27<br />
Das Patiententestament soll dem Einzelnen das Recht<br />
auf Selbstbestimmung gerade für den Fall sichern, dass<br />
er in der konkreten Situation nicht mehr selbst seinen<br />
Willen für oder gegen eine lebensverlängernde bzw. –erhaltende<br />
Maßnahme wirksam äußern kann. Der Verlust<br />
der Einwilligungsfähigkeit lässt das Recht des Patienten<br />
<strong>zu</strong>r Selbstbestimmung nicht entfallen. 28 Von Bedeutung<br />
ist also, unter welchen Vorausset<strong>zu</strong>ngen das Bestehen<br />
der Einwilligungsfähigkeit an<strong>zu</strong>nehmen ist. Der Zustand<br />
der Einwilligungsfähigkeit ist nicht gleich<strong>zu</strong>setzen<br />
mit dem der Geschäftsfähigkeit. Der Patient muss in der<br />
Lage sein, Bedeutung und Tragweite des Eingriffs und<br />
seiner Gestattung <strong>zu</strong> erkennen und nach dieser Erkenntnis<br />
handeln können. Die bloße Äußerungsfähigkeit<br />
genügt hingegen nicht. 29 Bei Minderjährigen wird als<br />
Referenzmaß <strong>zu</strong>r Ermittlung der Einsichtsfähigkeit der<br />
13 Bamberger/Roth – Müller-Christmann, BGB, § 1937, Rn. 2-4;<br />
Brox, Erbrecht, § 7, Rn. 6; Leipold, Erbrecht, § 2, Rn. 36/37;<br />
Uhlenbruck, AcP 193 (1993), 487 (487).<br />
14 Roth, JZ 2004, 494 (495); Taupitz, Gutachten 63. DJT, A 106.<br />
15 RGZ 111, 247 (250 f.); Brox, Erbrecht, § 7, Rn. 83; Taupitz,<br />
Gutachten 63. DJT, A 106.<br />
16 Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 512; Schmidt/Böcker/<br />
Bayerlein/Mattern/Schüler – Schmidt, Betreuungsrecht, § 1<br />
Rn. 17.<br />
17 Berger, JZ 2000, 797 (802).<br />
18 Erman – Holzhauer, § 1901a, Rn. 6; Dodegge/Roth – Roth,<br />
BtKomm, C Rn. 2; Langenfeld, ZEV 2003, 449 (450).<br />
19 Dodegge/Roth – Roth, BtKomm, C Rn. 123; Epple, BtPrax<br />
1993, 156 (156); Jürgens, Betreuungsrecht, § 1901a Rn. 2.<br />
20 Vgl. auch das Muster einer Patientenverfügung in der Anlage.<br />
21 Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 16, 187; Hahne, FamRZ<br />
2003, 1619 (1620); Lipp, BtPrax 2002, 47 (47); ders., FamRZ<br />
2004, 317 (318).<br />
22 Lipp, FamRZ 2004, 317 (318.)<br />
23 Hufen, ZRP 2003, 248 (250).<br />
24 Lipp, FamRZ 2004, 317 (318); Laufs/Uhlenbruck – Uhlenbruck/Ulsenheimer,<br />
Handbuch des Arztrechts, § 132, Rn. 37;<br />
Hahne, FamRZ 2003, 1619 (1620).<br />
25 Höfling/Rixen, JZ 2003, 884 (887); Kutzer, FPR 2004, 683<br />
(685).<br />
26 BGH NJW 2003, 1588 (1593); Ankermann, MedR 1999, 388<br />
(389); Laufs, NJW 1998, 3399 (3400); Opderbecke, MedR 1985,<br />
23 (25).<br />
27 Eisenbart, Patienten-Testament, S. 15; Höfling/Rixen, JZ 2003,<br />
884 (885); Röver, Einflussmöglichkeiten des Patienten, S. 79 f.;<br />
Schöllhammer, Rechtsverbindlichkeit des PT, S. 26.<br />
28 Höfling, JuS 2000, 111 (114); Lipp, DRiZ 2000, 231 (233 f.);<br />
ders., FamRZ 2004, 317 (320); Hahne, FamRZ 2003, 1619<br />
(1620).<br />
29 Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 507; Erman – Holzhauer,<br />
BGB, § 1896, Rn. 24; Kutzer, FPR 2004, 683 (685); Lange/<br />
Kuchinke, Erbrecht, § 35 IV 7.
<strong>Zusatzmaterial</strong> <strong>zu</strong> <strong>AL</strong> <strong>2007</strong>, <strong>124</strong> <strong>Ad</strong> <strong>Legendum</strong> 3<br />
durchschnittliche Reifegrad eines 14jährigen genannt. 30<br />
Mitunter wird vorgeschlagen, diesen Maßstab auch bei<br />
erwachsenen Personen an<strong>zu</strong>legen. 31 Die Einwilligungsfähigkeit<br />
ist jedenfalls stets auf die konkreten Umstände<br />
des Einzelfalles bezogen fest<strong>zu</strong>stellen, was eine solch<br />
pauschale und starre Definition der Einsichtsfähigkeit<br />
wohl eher untauglich erscheinen lässt.<br />
III. Vorausset<strong>zu</strong>ngen für die Errichtung eines Patiententestaments<br />
1. Einwilligungsfähigkeit im Zeitpunkt der Errichtung<br />
Mitunter wird vertreten, dass <strong>zu</strong>r wirksamen Errichtung<br />
einer Patientenverfügung der Verfasser geschäftsfähig<br />
sein müsse. 32 Überwiegend wird jedoch das Vorliegen<br />
der Einwilligungsfähigkeit im Zeitpunkt der Errichtung<br />
als ausreichend betrachtet. 33 Es besteht Einigkeit darüber,<br />
dass für eine wirksame Einwilligung des Patienten in<br />
eine konkrete unmittelbar bevorstehende Heilbehandlung<br />
dessen Einwilligungsfähigkeit ausreichend ist. 34<br />
Es ist aber nicht ein<strong>zu</strong>sehen, warum an die Wirksamkeit<br />
einer solchen antizipiert abgegebenen Einwilligung<br />
bzw. Verweigerung derselben höhere Anforderungen <strong>zu</strong><br />
stellen sein sollten. Andernfalls wären beschränkt Geschäfts-<br />
aber Einwilligungsfähige von der autonomen<br />
Planung ihrer höchstpersönlichen Angelegenheiten<br />
ausgeschlossen. Ausreichend ist daher, dass der Verfügende<br />
35 im Zeitpunkt der Errichtung der Patientenverfügung<br />
einwilligungsfähig ist.<br />
2. Vorherige ärztliche Aufklärung<br />
Die Frage, ob eine Patientenverfügung den Nachweis<br />
enthalten solle, dass sie auf der Grundlage eines ausführlichen<br />
fachlichen Gesprächs mit einem Arzt erstellt<br />
wurde, und ob an diesen Nachweis ihre Wirksamkeit gebunden<br />
werden solle, ist strittig.<br />
Die Aufklärung soll – ganz generell – die freie, selbstverantwortliche<br />
Entscheidung des Patienten ermöglichen,<br />
ihn also in die Lage versetzen, das Für und Wider seiner<br />
Entscheidung ab<strong>zu</strong>wägen und auf dieser Basis eine informiert<br />
eigenverantwortliche Entscheidung <strong>zu</strong> treffen. 36<br />
Nach allgemeinen Grundsätzen hat der Arzt im Rahmen<br />
des Aufklärungsgesprächs auch die Einwilligungsfähigkeit<br />
des Patienten <strong>zu</strong> prüfen, und Anzeichen für äußeren<br />
Druck in Form familiärer oder sonstiger Fremdbestimmungsversuche<br />
nach<strong>zu</strong>gehen. 37 Demgegenüber soll er<br />
beim Patiententestament einer Erklärung folgen, bei der<br />
die äußeren Umstände des Zustandekommens und die<br />
Einwilligungsfähigkeit des Betroffenen <strong>zu</strong>m Zeitpunkt<br />
der Erklärung völlig unbekannt sind.<br />
Im Schrifttum wird teilweise eine ärztliche Aufklärung<br />
als Vorausset<strong>zu</strong>ng der Verbindlichkeit einer Patientenverfügung<br />
verlangt. 38<br />
Es wird auch vertreten, dass eine antizipative behandlungsablehnende<br />
Patientenverfügung in Anlehnung an<br />
die Wertung des § 1904 BGB dann, wenn die begründete<br />
Gefahr besteht, dass der Betroffene bei ihrer Befolgung<br />
stirbt oder einen erheblichen gesundheitlichen Schaden<br />
erleidet, nur unter der Vorausset<strong>zu</strong>ng als verbindlich<br />
an<strong>zu</strong>sehen ist, dass ein Arzt in der Verfügung bestätigt<br />
hat, den Betroffenen über die Bedeutung und Tragweite<br />
seiner Entscheidung aufgeklärt <strong>zu</strong> haben. 39<br />
Der 63. deutsche Juristentag hat einen Antrag für eine<br />
Aufklärung über Gehalt und Tragweite als Wirksamkeitsvorausset<strong>zu</strong>ng<br />
für eine Patientenverfügung mit<br />
großer Mehrheit abgelehnt. 40<br />
Grundsatz V der Grundsätze der Bundesärztekammer<br />
für Sterbebegleitung sieht für die Verbindlichkeit von<br />
Patiententestamenten eine ärztliche Aufklärung nicht<br />
vor. 41<br />
Sternberg-Lieben hält die Befürchtung, ohne eine vorherige<br />
Aufklärung handele der Verfasser einer Patientenverfügung<br />
unüberlegt, durch die Lebenserfahrung<br />
für ausgeschlossen. Da die Entscheidung nicht leicht<br />
<strong>zu</strong> treffen sei, könne eher von einer gewissenhaften Beschäftigung<br />
mit der Problematik bei gesunden sowie<br />
Menschen mit einer ihnen bekannten fortschreitenden<br />
Krankheit ausgegangen werden. 42<br />
Im Fall des Abfassens eines Patiententestaments kann<br />
die vorherige ärztliche Aufklärung zweierlei erreichen:<br />
Zum einen kann sie wie jede ärztliche Aufklärung den<br />
Patienten über seine Krankheit und die möglichen Behandlungsalternativen<br />
informieren und ihn so in die<br />
Lage versetzen, sich <strong>zu</strong> entscheiden. Zum anderen kann<br />
sie den später behandelnden Arzt das Verständnis eines<br />
Patiententestaments erleichtern. Unter dem erstgenannten<br />
Gesichtspunkt dient die Aufklärung der Wahrnehmung<br />
des Selbstbestimmungsrechts des Patienten; auf<br />
sie kann der Patient deshalb verzichten. 43 Die Aufklärung<br />
als Wirksamkeitsvorausset<strong>zu</strong>ng macht die Beratung<br />
<strong>zu</strong>r Pflicht und bedarf daher als Beschränkung des<br />
mit dem Verzicht auf Aufklärung ausgeübten Selbstbestimmungsrechts<br />
des Patienten der Rechtfertigung. 44<br />
30 Spickhoff, NJW 2000, 2297, 2299 f.<br />
31 Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 509; Taupitz, Gutachten<br />
63. DJT, A 126.<br />
32 Eisenbart, Patienten-Testament, S. 127 ff., 179; Harder, ArztR<br />
1991, 11, 13; Geschäftsfähigkeit entsprechend der Bevollmächtigung:<br />
Taupitz, Gutachten 63. DJT, A 117.<br />
33 Alberts, BtPrax 2003, 139, 139; Hahne, FamRZ 2003, 1619,<br />
1621; Karliczek, Wille, Wohl und Wunsch, 140 ff.; Spickhoff,<br />
NJW 2000, 2297, 2302; auch der 63. Deutsche Juristentag hat<br />
sich mit großer Mehrheit dafür ausgesprochen, Einwilligungsfähigkeit<br />
ausreichen <strong>zu</strong> lassen, Beschluss III.2.1<br />
34 Vgl. oben B. II.<br />
35 Auch diese Bezeichnung ist entsprechend dem <strong>zu</strong>r „Verfügung“<br />
unter B. I. Gesagten <strong>zu</strong> verstehen.<br />
36 Laufs/Uhlenbruck – Laufs, Handbuch des Arztrechts, § 63,<br />
Rn. 11; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 188 f.<br />
37 Taupitz, Gutachten 63. DJT, A 111 f.<br />
38 Tröndle/Fischer – Tröndle, Vor §§ 211 ff., Rn.18.<br />
39 Taupitz, Gutachten 63. DJT, A 113.<br />
40 63. deutscher Juristentag, Beschluss III 2.3.<br />
41 Bundesärztekammer, NJW 1998, 3407, 3407.<br />
42 Sternberg-Lieben, NJW 1985, 2734, 2736.<br />
43 Taupitz, Gutachten 63. DJT, A 28.<br />
44 Lipp, Patientenautonomie, S. 30.
4 <strong>Ad</strong> <strong>Legendum</strong> <strong>Zusatzmaterial</strong> <strong>zu</strong> <strong>AL</strong> <strong>2007</strong>, <strong>124</strong><br />
Eine solche Beratungspflicht erscheint gerechtfertigt,<br />
wenn die Beratung durch den behandelnden Arzt erfolgt<br />
und der Be<strong>zu</strong>g <strong>zu</strong> einer bestimmten Krankheit, <strong>zu</strong>m Beispiel<br />
dem frühen Stadium einer chronisch verlaufenden<br />
Erkrankung, bereits vorhanden ist. Die Pflicht würde<br />
aber auch für den Regelfall des Patiententestaments gelten,<br />
mit dem in gesunden Tagen für Unfall oder plötzlich<br />
auftretende Krankheiten vorgesorgt werden soll. Hier ist<br />
eine ärztliche Information nur in sehr allgemeiner Form<br />
möglich.<br />
Dies käme einer Informationspflicht und Zwangsberatung<br />
gleich, die mit dem Selbstbestimmungsrecht des<br />
Patienten nicht vereinbar wären. Daher erscheint insgesamt<br />
jedwede Form einer Beratungspflicht, die mit der<br />
Sanktion verbunden ist, dass der Patientenwille bei ihrer<br />
Nichtbeachtung eine geringere Verbindlichkeit hat, vom<br />
Interesse des Patienten her gesehen sachlich nicht geboten<br />
und daher unverhältnismäßig. 45<br />
Die Beratungspflicht könnte daher allenfalls mit den<br />
Interessen des Arztes an einer Patientenverfügung, also<br />
dem zweiten Aspekt gerechtfertigt werden. So fordert<br />
die Bundesärztekammer die ärztliche Beratung und Information<br />
und deren nachvollziehbaren Nachweis vor<br />
dem Hintergrund der Erfahrung vieler Praktiker mit<br />
widersprüchlich ausgefüllten oder unanwendbar formulierten<br />
Patiententestamenten.<br />
Auf die Interessen des Arztes kommt es bei der Einwilligung<br />
aber generell nicht an, vielmehr ist allein der Wille<br />
des Patienten maßgeblich. Verzichtet er bewusst auf<br />
eine Beratung und nimmt damit das Risiko eines Missverständnisses<br />
durch den später behandelnden Arzt in<br />
Kauf, rechtfertigt das nicht, seine Erklärung nur einen<br />
geringeren Grad an Verbindlichkeit <strong>zu</strong><strong>zu</strong>billigen. 46<br />
Nach allem ist eine vorherige ärztliche Aufklärung bei<br />
der Errichtung eines Patiententestaments zwar <strong>zu</strong> empfehlen,<br />
sie ist aber nicht <strong>zu</strong>r Vorausset<strong>zu</strong>ng seiner rechtlichen<br />
Verbindlichkeit <strong>zu</strong> erheben.<br />
3. Form<br />
Umstritten ist, ob das Patiententestament einer Form<br />
bedarf. Ein Teil des Schrifttums setzt für die Wirksamkeit<br />
einer Patientenverfügung die Schriftform 47 voraus,<br />
ein anderer fordert gar eine notarielle Beurkundung. 48<br />
Ein Formerfordernis wird mit dessen Warnfunktion und<br />
dem Schutz des Betroffenen vor Übereilung begründet. 49<br />
Man könnte dahingehend argumentieren, dass wenn<br />
schon für vermögensrechtliche Verfügungen aus diesen<br />
Gründen eine Form vorausgesetzt wird, dies dann erst<br />
recht für eine das Leben des Betroffenen betreffende<br />
Verfügung gelten müsste.<br />
Zudem würden Beweisprobleme in Be<strong>zu</strong>g auf das Vorhandensein<br />
und den genauen Wortlaut einer Patientenverfügung<br />
vermieden. Diese wäre, da schriftlich niedergelegt,<br />
jederzeit einsehbar und nicht unter Umständen<br />
ungenau von nur einer Person mündlich überliefert.<br />
Damit würde im Regelfall auch die Sicherheit für Arzt<br />
und Betreuer im Umgang mit der Patientenanweisung<br />
erhöht.<br />
Eine notarielle Beurkundung würde gar Zweifel an der<br />
Einwilligungsfähigkeit des Verfassers im Zeitpunkt der<br />
Errichtung ausschließen können, da sich der Notar von<br />
dieser vorab überzeugen müsste. 50<br />
In der Tat besteht bei bloß mündlich abgegebenen Erklärungen<br />
die Gefahr, dass der Erklärende lediglich seine<br />
Ansichten im Zuge einer nur temporären Gefühlslage<br />
unüberlegt und unreflektiert einem Dritten gegenüber<br />
kundtut, ohne eine ernstliche und konkrete, antizipierte<br />
Behandlungsanweisung abgeben <strong>zu</strong> wollen.<br />
Ebenso ist der umgekehrte Fall denkbar, dass ein in voller<br />
„Bindungsabsicht“ mündlich erklärtes Patiententestament<br />
von den Beteiligten als unbeachtlich missverstanden<br />
wird. Eine Abgren<strong>zu</strong>ng ist mitunter nicht möglich,<br />
die Übergänge sind fließend.<br />
Es ist daher <strong>zu</strong>mindest dringend <strong>zu</strong> empfehlen, eine Patientenverfügung<br />
schriftlich ab<strong>zu</strong>fassen. 51 Würde man<br />
aber einer mündlichen Patientenverfügung generell, auch<br />
wenn sie ernstlich und unzweifelhaft abgegeben und der<br />
Wortlaut eindeutig wiedergegeben ist, keine Verbindlichkeit<br />
<strong>zu</strong>kommen lassen, so würde der Verfügende um<br />
sein mit dem mündlichen Patiententestament ausgeübtes<br />
Selbstbestimmungsrecht beraubt werden.<br />
Von Bedeutung wird diese Überlegung vor allem in Fällen,<br />
in denen der Betroffene überhaupt nicht mehr fähig<br />
ist, eine derartige Verfügung schriftlich <strong>zu</strong> fixieren. 52<br />
Droht dann noch der Verlust der Einwilligungsfähigkeit<br />
in Kürze ein<strong>zu</strong>treten, so erweist sich jede Art eines Formerfordernisses<br />
als eine den Betroffenen unverhältnismäßig<br />
beschwerende Last und Hindernis bei der Ausübung<br />
seines Selbstbestimmungsrechts. Die mitunter mit<br />
der Formlosigkeit verbundenen Risiken und Erschwernisse<br />
rechtfertigen daher keine Unbeachtlichkeit einer<br />
mündlich abgegebenen Patientenverfügung im Generellen.<br />
53<br />
Die Frage nach einem etwaigen Formerfordernis ist aber<br />
wohl ohnehin als „Scheinproblem“ <strong>zu</strong> betrachten. In der<br />
Regel wird der Betroffene aus eigenem Interesse daran,<br />
dass seinen Anweisungen im Bedarfsfall gefolgt wird,<br />
schon die Schriftform wählen.<br />
45 Lipp, Patientenautonomie, S. 30.<br />
46 Lipp, Patientenautonomie, S. 31.<br />
47 Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 132, Rn. 36;<br />
Thias, Selbstbestimmtes Sterben, S. 102; Taupitz, Gutachten 63.<br />
DJT, A 118, jedoch nur, wenn die in § 1904 I BGB genannten<br />
Situationen Gegenstand der Verfügung sind.<br />
48 Seitz, ZRP 1998, 417 (420).<br />
49 Taupitz, Gutachten 63. DJT, A 118.<br />
50 Keilbach, FamRZ 2003, 969 (976); Laufs/Uhlenbruck, Handbuch<br />
des Arztrechts, § 132, Rn. 36; dies wäre etwa bei Demenzkranken<br />
vorteilhaft, bei denen der Zeitpunkt des Eintritt der<br />
Einwilligungsunfähigkeit im Nachhinein kaum noch <strong>zu</strong> bestimmen<br />
ist.<br />
51 So auch Hahne, FamRZ 2003, 1619 (1620).<br />
52 Berger, JZ 2000, 797 (802).<br />
53 So auch Berger, JZ 2000, 797 (802); Hahne, FamRZ 2003, 1619<br />
(1620); Lange/Kuchinke, Erbrecht, § 35 IV 7; Lipp, FamRZ<br />
2004, 317 (320); Uhlenbruck, AcP 193, 487 (491).
<strong>Zusatzmaterial</strong> <strong>zu</strong> <strong>AL</strong> <strong>2007</strong>, <strong>124</strong> <strong>Ad</strong> <strong>Legendum</strong> 5<br />
IV. Reichweite des Patiententestaments<br />
Fraglich ist, ob die in einer Patientenverfügung festgelegten<br />
antizipierten Behandlungsanweisungen des Patienten<br />
unabhängig von dem Stadium seines Leidens<br />
Anwendung finden können, oder ob die Rechtsordnung<br />
die Reichweite einer solchen Verfügung auf das<br />
Vorliegen näher <strong>zu</strong> bestimmender medizinischer Vorausset<strong>zu</strong>ngen<br />
beschränken darf.<br />
1. Hilfe beim Sterben<br />
Der BGH hat in einer Strafsache 54 in Anlehnung an die<br />
damaligen von der Bundesärztekammer verabschiedeten<br />
Richtlinien für die Sterbehilfe 55 entschieden, wann<br />
der Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen <strong>zu</strong>lässig ist.<br />
Er hat dabei zwischen der „Hilfe beim Sterben“ (Sterbehilfe<br />
i.e.S.) und der „Hilfe <strong>zu</strong>m Sterben“ (Sterbehilfe<br />
i.w.S.) unterschieden. So sei von „Hilfe beim Sterben“<br />
<strong>zu</strong> sprechen, wenn das Grundleiden eines Kranken nach<br />
ärztlicher Überzeugung unumkehrbar (irreversibel) sei,<br />
einen tödlichen Verlauf angenommen und der Sterbeprozess<br />
bereits begonnen habe, der Tod also in kurzer<br />
Zeit eintreten werde. Liegen diese Vorausset<strong>zu</strong>ngen vor,<br />
sei eine das erlöschende Leben verlängernde intensivmedizinische<br />
Behandlung in der Regel nicht mehr indiziert.<br />
Der Arzt werde folglich eine solche Maßnahme nicht<br />
mehr anbieten. 56<br />
Ihr Unterlassen bedeutet keine Tötung des Patienten<br />
durch den Arzt. Es ist vielmehr ausschließlich ärztliche<br />
Hilfe und Begleitung im Sterbeprozess geboten. 57 Die<br />
Entscheidung gegen lebensverlängernde Maßnahmen<br />
obliegt in diesen Fällen dem Arzt alleine. Er beurteilt<br />
kraft seines Fachwissens, ob in der konkreten Situation<br />
die möglichen medizinischen Eingriffe noch indiziert<br />
sind und er sie anbietet. 58 Eine Unterlassung bzw.<br />
Einstellung von lebenserhaltenden Maßnahmen beruht<br />
dann also gerade nicht auf einer in einer Patientenverfügung<br />
antizipiert getroffenen Entscheidung des Patienten.<br />
Für eine Einwilligung in eine lebensverlängernde<br />
bzw. -erhaltende Behandlung ebenso wie für die Verweigerung<br />
derselben ist von vornherein kein Raum, wenn<br />
ärztlicherseits mangels Indikation eine solche Behandlung<br />
überhaupt nicht angeboten wird. 59<br />
2. Hilfe <strong>zu</strong>m Sterben<br />
Habe aber der Sterbeprozess noch nicht eingesetzt, so<br />
werde der behandelnde Arzt eine medizinische Maßnahme<br />
in der Regel für indiziert halten und folglich anbieten.<br />
Entspreche die lebenserhaltende Maßnahme aber<br />
nicht dem (im entschiedenen Fall: mutmaßlichen) Willen<br />
des Patienten, müsse sie unterlassen bzw. abgebrochen<br />
werden. Sterbe der Betroffene folglich, so liege ein Fall<br />
der „Hilfe <strong>zu</strong>m Sterben“ vor. Diese Form der Sterbehilfe<br />
i.w.S. hält der BGH für Strafsachen ausdrücklich für<br />
<strong>zu</strong>lässig. 60 Die Unterscheidung zwischen „Hilfe beim<br />
Sterben“ und „Hilfe <strong>zu</strong>m Sterben“ anhand des Merkmals<br />
der Todesnähe verweist demnach lediglich auf die<br />
unterschiedlichen Gründe für die Einstellung lebenserhaltender<br />
Maßnahmen. 61 Eindeutig ist, dass ein Behandlungsabbruch<br />
bei entsprechendem Patientenwillen auch<br />
vor Einsetzen des Sterbeprozesses möglich ist. Unklar<br />
ist aber, ob nach dem BGH für ein solches Verlangen<br />
die übrigen beiden Vorausset<strong>zu</strong>ngen vorliegen müssen,<br />
namentlich die Unumkehrbarkeit des Grundleidens und<br />
der tödliche Verlauf. Der 1. Strafsenat geht hierauf nicht<br />
näher ein. Insofern sind zwei Interpretationen des Urteils<br />
denkbar.<br />
Es lässt sich restriktiv so deuten, dass die Bedingungen,<br />
die in den Richtlinien der Bundesärztekammer neben der<br />
unmittelbaren Todesnähe für die „Hilfe beim Sterben“<br />
aufgestellt werden, auch für die Fälle der „Hilfe <strong>zu</strong>m<br />
Sterben“ vorliegen müssen. Dafür spricht der Wortlaut<br />
des 1. Leitsatzes, wenn es heißt, „bei einem unheilbar<br />
erkrankten, nicht mehr entscheidungsfähigen Patienten<br />
kann der Abbruch einer ärztlichen Behandlung oder<br />
Maßnahme ausnahmsweise auch dann <strong>zu</strong>lässig sein,<br />
wenn die Vorausset<strong>zu</strong>ngen der von der Bundesärztekammer<br />
verabschiedeten Richtlinien für die Sterbehilfe<br />
nicht vorliegen, weil der Sterbevorgang noch nicht eingesetzt<br />
hat.“ 62 Zum einen wird ausdrücklich eine unheilbare<br />
Erkrankung vorausgesetzt, also die Irreversibilität.<br />
Zum anderen deutet das „weil“ darauf hin, dass nur das<br />
Merkmal der Todesnähe nicht erfüllt sein muss, das eines<br />
grundsätzlichen tödlichen Verlaufs aber schon.<br />
Das Urteil kann aber auch extensiv dahingehend interpretiert<br />
werden, dass zwar ein unheilbares Grundleiden<br />
vorliegen, dass dieses aber nicht zwingend einen<br />
tödlichen Verlauf angenommen haben muss und dass<br />
es maßgeblich auf den Willen des Patienten ankommt.<br />
Dafür spricht, dass der BGH lediglich feststellt, dass der<br />
„Abbruch einer einzelnen lebenserhaltenden Maßnahme“<br />
bei entsprechendem Patientenwillen grundsätzlich<br />
als Ausdruck der allgemeinen Entscheidungsfreiheit<br />
und des Rechts auf körperliche Unversehrtheit <strong>zu</strong>lässig<br />
sei, 63 ohne dabei einen tödlichen Verlauf voraus<strong>zu</strong>setzen.<br />
Zudem liegt dem BGH ein Sachverhalt vor, in dem<br />
das Grundleiden der Betroffenen noch keinen tödlichen<br />
Verlauf genommen hat: „Frau S. war (…) lebensfähig.“ 64<br />
Zugleich erachtet er einen Behandlungsabbruch aber<br />
nicht als von vornherein unmöglich, was er aber hätte<br />
54 BGHSt 40, 257-272.<br />
55 Richtlinien der Bundesärztekammer für die Sterbehilfe, MedR<br />
1985, 38 f.<br />
56 BGHSt 40, 257 (260); so auch Ziffer I der Grundsätze der Bundesärztekammer<br />
<strong>zu</strong>r ärztlichen Sterbebegleitung v. 11.09.1998,<br />
NJW 1998, 3406 (3406 f.).<br />
57 BGHSt 40, 257 (260); Lipp, FamRZ 2004, 317 (319).<br />
58 BGHSt 40, 257 (260); Coeppicus, Rpfleger 2004, 262 (263).<br />
59 BGH NJW 2003, 1588 (1593); Lipp, Stellvertretene Entscheidungen<br />
bei „passiver Sterbehilfe“, in: May/Geißendörfer/Simon/Strätling,<br />
Passive Sterbehilfe, S. 37 (52 f.); Taupitz,<br />
Gutachten 63. DJT, A 23 f., A 91; Hahne, FamRZ 2003, 1619<br />
(1622).<br />
60 BGHSt 40, 257 (260).<br />
61 Lipp, FamRZ 2004, 317 (319).<br />
62 BGHSt 40, 257 (257).<br />
63 BGHSt 40, 257 (260).<br />
64 BGHSt 40, 257 (260).
6 <strong>Ad</strong> <strong>Legendum</strong> <strong>Zusatzmaterial</strong> <strong>zu</strong> <strong>AL</strong> <strong>2007</strong>, <strong>124</strong><br />
tun müssen, hielte er ein Unterlassen ohne Vorliegen des<br />
tödlichen Verlaufs für nicht <strong>zu</strong>lässig. Der damalige Vorsitzende<br />
des befassten 1. Strafsenats Kutzer hat in einem<br />
Rechtsgespräch erklärt, der BGH für Strafsachen habe<br />
die Zulässigkeit eines Behandlungsabbruchs nicht von<br />
einem tödlichen Verlauf abhängig machen wollen. 65<br />
3. Die Problematik der Vorausset<strong>zu</strong>ng des „irreversiblen<br />
tödlichen Verlaufs“<br />
Nun hat der 12. Zivilsenat des BGH in seinem Beschluss<br />
vom 17. März 2003 66 erklärt, dass für das Verlangen eines<br />
Betreuers, eine lebenserhaltende Behandlung ein<strong>zu</strong>stellen,<br />
kein Raum sei, wenn das Grundleiden noch keinen<br />
irreversiblen tödlichen Verlauf angenommen habe. 67 Er<br />
begründet diese rechtlichen Vorgaben damit, dass das<br />
Zivilrecht nicht erlauben könne, was das Strafrecht verbiete.<br />
68 Der BGH für Zivilsachen fühlt sich also durch<br />
das Urteil des BGH für Strafsachen gebunden, wobei er<br />
dessen restriktiver Interpretation folgt. Der 12. Zivilsenat<br />
definiert jedoch in seiner Begründung nicht näher,<br />
was er genau unter einem irreversiblen tödlichen Verlauf<br />
versteht. Daher lässt sich auch diese Entscheidung unterschiedlich<br />
auslegen.<br />
In der Literatur wird sie teilweise so gedeutet, dass der<br />
Anwendungsbereich einer Patientenverfügung fortan auf<br />
die Fälle unmittelbarer Todesnähe, also auf die Fälle der<br />
„Hilfe beim Sterben“ eingeengt worden sei. 70 Einer solchen<br />
Interpretation wird jedoch aus dem Grunde wohl<br />
schon gefolgt werden können, weil der 12. Zivilsenat auf<br />
das Merkmal der Todesnähe nicht näher eingeht. Würde<br />
er einen begonnenen Sterbeprozess für die Möglichkeit<br />
eines Behandlungsabbruchs hingegen voraussetzen, hätte<br />
er ihn <strong>zu</strong>mindest genannt.<br />
Andere Teile des Schrifttums verstehen den irreversiblen<br />
tödlichen Verlauf dahingehend, dass das Grundleiden<br />
unumkehrbar und trotz medizinischer Behandlung<br />
<strong>zu</strong> einem unbestimmten Zeitpunkt <strong>zu</strong>m Tode führen<br />
müsse. 70 Von einem solchen Verständnis wären aber in<br />
der Regel die in der Anzahl stetig steigenden Wachkoma-Patienten<br />
und ähnlich gelagerte Fälle nicht umfasst.<br />
Sind deren körperliche Funktionen im Übrigen stabil,<br />
können sie mitunter noch unbestimmt viele Jahre mittels<br />
künstlicher Sondenernährung weiter leben. 71 Ein<br />
Sterben an dem „Grundleiden Wachkoma“ ist aber nicht<br />
feststellbar. Man wird daher bis <strong>zu</strong>m Ausfall weiterer vitaler<br />
Organfunktionen, die dann als tödlich verlaufend<br />
<strong>zu</strong> qualifizieren wären, nicht davon ausgehen können,<br />
dass das Grundleiden des Betroffenen einen tödlichen<br />
Verlauf angenommen hat. 72<br />
Die Entscheidung könnte man aber auch so interpretieren,<br />
dass das Grundleiden irreversibel sein und dann<br />
tödlich verlaufen müsste, wenn die in Rede stehende<br />
medizinische Maßnahme unterbliebe. Von einer solchen<br />
Definition wären etwa auch Wachkoma-Patienten umfasst,<br />
denn deren Grundleiden ist unumkehrbar und,<br />
würde man die künstliche Ernährung oder Beatmung<br />
unterlassen, würden sie versterben. Auch wenn die Vorsitzende<br />
des 12. Zivilsenats Hahne in einem Vortrag vor<br />
dem Nationalen Ethikrat ausdrücklich erklärt hat, dass<br />
sie den irreversiblen tödlichen Verlauf entsprechend der<br />
letzten Interpretationsmöglichkeit verstehe 73 und somit<br />
also auch den Fall des Wachkoma-Patienten als mit umfasst<br />
sähe, erntete die Entscheidung in der Fachwelt wegen<br />
der undeutlichen Ausarbeitung und der auch noch<br />
bei weiter Auslegung vorhandenen Einschränkung der<br />
Reichweite von Patientenverfügungen viel Kritik. 74 Die<br />
Konsequenz ist nämlich, dass die in einer Patientenverfügung<br />
geäußerte Verweigerung der Einwilligung in<br />
lebenserhaltende Maßnahmen als nicht beachtlich abgetan<br />
wird, wenn entweder das Grundleiden (noch) nicht<br />
unumkehrbar ist, also noch Möglichkeiten auf eine vollständige<br />
Genesung bestehen, oder bei Unterlassen der<br />
Behandlung der Tod nicht eintreten würde. Der Patient<br />
würde dann entgegen seinem ausdrücklich geäußerten<br />
Willen zwangsbehandelt werden. 75<br />
4. Stellungnahme<br />
Es ist daher <strong>zu</strong> erörtern, ob eine solche Einschränkung<br />
der Patientenautonomie geboten ist. Zu denken ist in diesem<br />
Zusammenhang vor allem an Situationen, in denen<br />
Menschen mit ihrem Leben in Frieden abgeschlossen<br />
haben und jeden Zustand, der lebenserhaltende Maßnahmen<br />
erforderlich machen würde, als den von Gott<br />
oder vom Schicksal gewollten Sterbezeitpunkt ansehen.<br />
Erkrankt eine solche Person schwer und wird einwilligungsunfähig,<br />
kann es zwar sein, dass die Krankheit ohne<br />
Behandlung tödlich verläuft, diese Vorausset<strong>zu</strong>ng also<br />
erfüllt ist. Sie muss dann aber nicht zwangsläufig auch<br />
irreversibel sein. Ebenso ist an religiöse Motive für einen<br />
Behandlungsverzicht <strong>zu</strong> denken, deren Verwirklichung<br />
dem Betroffenen mitunter wichtiger ist als die Rettung<br />
seines Lebens. So ist nicht unüblich, dass ein Zeuge Jehovas<br />
eine Bluttransfusion in antizipierter Form mittels<br />
einer Patientenverfügung kategorisch ablehnt, selbst<br />
wenn durch das Unterlassen sein Leben erlischt. 76 Auch<br />
hier ist eine Irreversibilität, etwa nach einem Unfall, <strong>zu</strong><br />
verneinen.<br />
Es ist nicht ein<strong>zu</strong>sehen, warum in diesen Fällen dem<br />
Einzelnen verwehrt werden sollte, Art und Maß an medizinischer<br />
Behandlung auch antizipiert wirksam fest-<br />
65 Kutzer, ZRP 2003, 213 (213); in diesem Sinne auch Coeppicus,<br />
Rpfleger 2004; Lipp, FamRZ 2004, 317 (319).<br />
66 BGH NJW 2003, 1588-1594.<br />
67 BGH NJW 2003, 1588 (1590).<br />
68 BGH NJW 2003, 1588 (1590).<br />
69 Hufen, ZRP 2003, 248 (249).<br />
70 Kutzer, ZRP 2003, 213 (213); Höfling/Rixen, JZ 2003, 885<br />
(891).<br />
71 Merkel, ZStW 107 (1995), 545 (557).<br />
72 Coeppicus, Rpfleger 2004, 262 (262); Kutzer, ZRP 2003, 213<br />
(213).<br />
73 So müsse das Grundleiden irreversibel sein und „bei natürlichem<br />
Verlauf <strong>zu</strong>m Tode führen“, Hahne, FamRZ 2003, 1619<br />
(1621).<br />
74 Vgl. nur Hufen, ZRP 2003, 248 ff.; Kutzer, ZRP 2003, 213 ff;<br />
Stackmann, NJW 2003, 1568 ff.; Verrel, NStZ 2003, 449 ff.<br />
75 Lipp, FamRZ 2004, 317 (319); Hufen, ZRP 2003, 248 (248).<br />
76 Vgl. etwa BVerfG NJW 2002, 206-207.
<strong>Zusatzmaterial</strong> <strong>zu</strong> <strong>AL</strong> <strong>2007</strong>, <strong>124</strong> <strong>Ad</strong> <strong>Legendum</strong> 7<br />
legen <strong>zu</strong> können. Der einwilligungsfähige Mensch, der<br />
unmittelbar vor dem in Rede stehenden Eingriff einen<br />
Behandlungsverzicht <strong>zu</strong> äußern imstande ist, kann sein<br />
Selbstbestimmungsrecht unvernünftig, selbstschädigend<br />
und seinem Wohl fundamental widersprechend ausüben,<br />
also auch, wenn die medizinische Maßnahme <strong>zu</strong> seiner<br />
vollständigen Genesung führen würde. 77 Er darf Operationen,<br />
Chemotherapie und Dialyse ablehnen, selbst<br />
wenn er bei Nichtvornahme alsbald sterben wird. Er darf<br />
also das Leben verneinen. 78 Insoweit unterwirft der Staat<br />
den einwilligungsfähigen Einzelnen keinem „Lebensschutz“,<br />
sondern bewertet das Selbstbestimmungsrecht<br />
gar höher als das Leben. 79 Es ist nicht ein<strong>zu</strong>sehen, warum<br />
dies mit dem Eintritt der Einwilligungsunfähigkeit<br />
umgekehrt werden und in einen „Lebenszwang“ münden<br />
sollte. Das Selbstbestimmungsrecht Betroffener, das<br />
bei Entscheidungsfähigkeit auch für Fälle eines nicht<br />
irreversiblen tödlichen Verlaufs gilt, würde nur wegen<br />
Eintritts der Entscheidungsunfähigkeit für andere Fälle<br />
als den unumkehrbaren tödlichen Verlauf beseitigt. 80<br />
Überzeugen kann auch nicht das vom BGH angeführte<br />
Argument, die Entscheidungsmacht des Betreuers,<br />
in der Regel wird ein solcher bestellt sein, sei nicht deckungsgleich<br />
mit der aus dem Selbstbestimmungsrecht<br />
folgenden Entscheidungsmacht des einwilligungsfähigen<br />
Patienten, sondern vielmehr als gesetzliche Vertretungsmacht<br />
an rechtliche Vorgaben, also an das Vorliegen<br />
eines irreversiblen tödlichen Verlaufs, gebunden. 81 Dem<br />
ist nämlich entgegen<strong>zu</strong>halten, dass der Betreuer, auch<br />
dies betont der BGH an anderer Stelle, 82 mit der Patientenverfügung<br />
ausschließlich die im Voraus getroffene<br />
höchstpersönliche Entscheidung des Betroffenen um<strong>zu</strong>setzen<br />
hat, er also insoweit gerade keine eigene stellvertretende<br />
(Wert-)Entscheidung trifft. 83 Der Betreuer<br />
handelt zwar in eigener rechtlicher Verantwortung. 84 Es<br />
handelt sich beim „Umsetzen“ einer Patientenverfügung<br />
aber gerade nicht um eine „Entscheidungsmacht des Betreuers“,<br />
sondern immer noch um die des Betroffenen<br />
selbst. Von dieser Entscheidungsmacht hat er lediglich<br />
im Voraus Gebrauch gemacht.<br />
Ferner hat auch das BVerfG in einer Entscheidung 85<br />
festgestellt, dass die Bluttransfusion bei einem einwilligungsunfähigen<br />
Zeugen Jehovas nicht durchgeführt<br />
werden dürfe, wenn der Betreuer entsprechend dem in<br />
einer Patientenverfügung geäußerten Willen des Betroffenen<br />
die Einwilligung versagt. 86 Dies gelte, obgleich<br />
in dem <strong>zu</strong> entscheidenden Fall das Grundleiden der<br />
Betroffenen keinen irreversiblen tödlichen Verlauf angenommen<br />
hatte. 87 Auch das BVerfG stellt also für die<br />
Zulässigkeit einer im Voraus getroffenen Ablehnung von<br />
lebenserhaltenden Maßnahmen keine auf einen irreversiblen<br />
tödlichen Verlauf des Grundleidens beschränkende<br />
Grenze auf. 88<br />
Zusammenfassend lässt sich daher festhalten, dass die<br />
nach dem BGHZ für die Beachtlichkeit von Patientenverfügungen<br />
de lege lata zwingende Vorausset<strong>zu</strong>ng eines<br />
irreversiblen tödlichen Verlaufs des Grundleidens einen<br />
nicht <strong>zu</strong> rechtfertigenden Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht<br />
des Einzelnen bedeutet. Das Patiententesta-<br />
ment muss vielmehr in jeder Lebenslage und unabhängig<br />
von irgendwie gearteten Vorgaben grundsätzliche<br />
Anwendung finden.<br />
V. Inhalt des Patiententestaments<br />
Die inhaltliche Gestaltung des Patiententestaments ist<br />
dem Verfasser weitgehend freigestellt. Diese Aussage<br />
muss jedoch insoweit eingeschränkt werden, als dem<br />
Inhalt einer Patientenverfügung Grenzen gesetzt sind<br />
durch die Rechtsordnung. Diese Grenze ist dort <strong>zu</strong> sehen,<br />
wo das Sterbeverlangen des Patienten für den Arzt<br />
eine sittenwidrige oder strafbare Handlung darstellen<br />
würde. 89 Verstoßen Patientenanweisungen gegen ein<br />
gesetzliches Verbot sind sie nichtig gemäß § 134 BGB. 90<br />
Ein un<strong>zu</strong>lässiger Inhalt hat, losgelöst von der Frage,<br />
welche Bindungswirkung einer <strong>zu</strong>lässigen Patientenverfügung<br />
im Übrigen bei<strong>zu</strong>messen ist, von vornherein<br />
keine Rechtsverbindlichkeit für die Beteiligten. 91 Die in<br />
Patientenverfügungen getroffenen Anweisungen betreffen<br />
für gewöhnlich die medizinische Versorgung in der<br />
letzten Lebensphase. Sie lassen sich unter dem Stichwort<br />
„Sterbehilfe“ <strong>zu</strong>sammenfassen. Es ist jedoch eine genaue<br />
Differenzierung nötig, um <strong>zu</strong> bestimmen, welche Formen<br />
der Sterbehilfe einen <strong>zu</strong>lässigen Inhalt für ein Patiententestament<br />
darstellen können und welche nicht.<br />
1. Aktive Sterbehilfe<br />
Unter aktiver oder direkter Sterbehilfe versteht man die<br />
gezielte Verkür<strong>zu</strong>ng eines verlöschenden Lebens durch<br />
eine aktive Einflussnahme auf den Sterbeprozess. 92 Erfolgt<br />
die Tötung ohne vorher geäußertes Verlangen des<br />
Patienten, machen sich Arzt und Pflegepersonal wegen<br />
Totschlags gemäß § 212 I StGB strafbar. Hat der Pati-<br />
77 Baumann/Hartmann, DNotZ 2000, 594 (598); Dröge, Bt-<br />
Prax 1998, 199 (199); Füllmich, Selbstbestimmungsrecht, S. 39,<br />
Fn. 123.<br />
78 Coeppicus, Rpfleger 2004, 262 (263); Lipp, BtPrax 2002, 47<br />
(47 f.).<br />
79 Baumann/Hartmann, DNotZ 2000, 594 (598).<br />
80 Hufen, ZRP 2003, 248 (250 f.); Lipp, FamRZ 2004, 317 (319);<br />
Uhlenbruck, NJW 2003, 1710 (1712); Verrel, NStZ 2003, 449<br />
(451).<br />
81 BGH NJW 2003, 1588 (1590).<br />
82 BGH NJW 2003, 1588 (1589 f.).<br />
83 Lipp, FamRZ 2004, 317 (321); Schlüter, BGB-Familienrecht,<br />
S. 291 f.<br />
84 BGH NJW 2003, 1588 (1589).<br />
85 BVerfG NJW 2002, 206-207.<br />
86 BVerfG NJW 2002, 206, 207.<br />
87 Durch Komplikationen nach einer Operation war eine Bluttransfusion<br />
<strong>zu</strong>r Lebenserhaltung notwendig geworden.<br />
88 So auch Coeppicus, Rpfleger 2004, 262 (263); ähnlich Ohler/<br />
Weiß, NJW 2002, 194 (195).<br />
89 Laufs/Uhlenbruck – Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts,<br />
§ 132, Rn. 37.<br />
90 Dodegge/Roth – Roth, BtKomm, C Rn. 98.<br />
91 Beachte aber die Ausführungen unter B. VI. 6.<br />
92 Kutzer, FPR 2004, 683 (684); Sch/Sch – Eser, Vorbem §§ 211 ff.,<br />
Rn. 24; Tröndle/Fischer – Tröndle, Vor §§ 211 ff., Rn. 17; Wessels/Hettinger,<br />
Strafrecht BT/1, § 1 III 1, Rn. 28.
8 <strong>Ad</strong> <strong>Legendum</strong> <strong>Zusatzmaterial</strong> <strong>zu</strong> <strong>AL</strong> <strong>2007</strong>, <strong>124</strong><br />
ent als Folge seiner als unerträgliche Qualen empfundenen<br />
Schmerzen um seine Tötung gebeten, machen sich<br />
Arzt und Pflegepersonal de lege lata nach ganz h. M.<br />
der Tötung auf Verlangen gemäß § 216 I StGB schuldig.<br />
Teilweise wird zwar vertreten, dass unter engen<br />
Vorausset<strong>zu</strong>ngen eine aktive Euthanasie <strong>zu</strong>lässig sein<br />
solle, etwa durch eine Rechtfertigung gem. § 34 StGB 93<br />
oder eine Entschuldigung gem. § 35 StGB. 94 Eine solche<br />
Lockerung des Tötungsverbots würde jedoch <strong>zu</strong> einer<br />
Relativierung des Lebensschutzes führen, die Achtung<br />
vor dem Leben untergraben, reinen Nützlichkeitserwägungen<br />
Raum geben, erhebliche Missbrauchsgefahren<br />
bergen und das Vertrauensverhältnis zwischen Patienten<br />
und Ärzteschaft erschüttern. 95 Aktive Sterbehilfe ist also<br />
stets strafbar. Der vom Patienten in einer Patientenverfügung<br />
geäußerte Wunsch einer aktiven Tötung seiner<br />
Person, stellt einen un<strong>zu</strong>lässigen Inhalt dar.<br />
2. Reine Sterbebegleitung<br />
Reine Sterbebegleitung liegt vor, wenn einem Sterbenden<br />
schmerzlindernde oder bewusstseinsdämpfende Mittel<br />
verabreicht werden, die jedoch keinerlei Lebensverkür<strong>zu</strong>ng<br />
<strong>zu</strong>r Folge haben. 97 Umfasst ist <strong>zu</strong>dem der psychologische<br />
ärztliche Beistand sowie die Basisbetreuung. 97<br />
Diese Form der Sterbebegleitung ist nicht nur unstreitig<br />
<strong>zu</strong>lässig. Es ist vielmehr Pflicht des Arztes bzw. Pflegepersonals,<br />
dem Patienten in der letzten Lebensphase<br />
seine Lage so erträglich und schmerzfrei wie möglich <strong>zu</strong><br />
gestalten. 98<br />
3. Indirekte Sterbehilfe<br />
Ist das Verabreichen der schmerzlindernden Medikamente<br />
nach Art und Dosierung mit einer Lebensverkür<strong>zu</strong>ng<br />
verbunden, wird diese aber nur als unvermeidbare,<br />
unbeabsichtigte Nebenfolge der medizinisch gebotenen<br />
Schmerzbekämpfung in Kauf genommen, so liegt ein Fall<br />
der so genannten indirekten oder mittelbaren Sterbehilfe<br />
vor. Vorausset<strong>zu</strong>ng ist also, dass die Beschleunigung<br />
des Todeseintritts nicht angestrebtes Ziel des ärztlichen<br />
Handelns ist. 99 Die indirekte Sterbehilfe ist – wenn auch<br />
unter relativ engen Vorausset<strong>zu</strong>ngen 100 – nach ganz h.M.<br />
nicht strafbar. Dies wird nach t.v.A. damit begründet,<br />
dass schon der Tatbestand des § 212 StGB nicht gegeben<br />
sei, weil die Tötung hier nach ihrem sozialen Sinngehalt<br />
dem Schutzbereich der Vorschrift nicht unterfalle. 101<br />
A.A. nach stehe eine Tötungshandlung zwar außer Frage.<br />
Diese solle aber gem. § 34 StGB gerechtfertigt sein,<br />
sofern das Handeln des Arztes nicht dem Willen des Patienten<br />
widerspreche. 102 Der in einer Patientenverfügung<br />
geäußerte Wunsch nach einer mit dem Risiko einer Lebensverkür<strong>zu</strong>ng<br />
verbundenen Schmerztherapie ist daher<br />
<strong>zu</strong>lässiger Inhalt.<br />
4. Passive Sterbehilfe<br />
Die in der Praxis wichtigste aber auch die meisten Probleme<br />
und Unklarheiten bergende Kategorie, vor allem<br />
im Hinblick auf antizipiert geäußerte Patientenanweisungen,<br />
ist die der passiven Sterbehilfe. 103 Hierunter<br />
versteht man die Fälle, in denen bei einem Todkranken<br />
die Behandlung auf die Linderung von Beschwerden bei<br />
gleichzeitigem Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen<br />
beschränkt wird. 104 Dies umfasst sowohl die<br />
Unterlassung oder Beendigung der Medikation als auch<br />
technischer Maßnahmen wie Beatmung, Sauerstoff<strong>zu</strong>fuhr,<br />
Bluttransfusion und künstliche Ernährung. 105 Der<br />
Todeseintritt wird nicht mehr mit den Mitteln der Intensivmedizin<br />
verzögert. Die Krankheit nimmt ihren natürlichen<br />
Verlauf. 106 Geleistet werden muss jedoch stets die<br />
Basisversorgung. 107<br />
Zwar hält der BGH für Zivilsachen eine Anweisung gegen<br />
lebensverlängernde bzw. –erhaltende Maßnahmen<br />
in einem Patiententestament dann für un<strong>zu</strong>lässig, wenn<br />
diese schon vor Eintritt eines irreversiblen tödlichen<br />
Verlaufs verlangt werden. 108 Entsprechend dem oben<br />
Gesagten kann dem jedoch nicht gefolgt werden. Der<br />
Wunsch einer passiven Sterbehilfe muss vielmehr stets<br />
einen <strong>zu</strong>lässigen Inhalt darstellen können. 109<br />
VI. Rechtsverbindlichkeit des Patiententestaments<br />
Beinhaltet eine Patientenverfügung <strong>zu</strong>lässige Behandlungsanweisungen,<br />
so ist darüber hinaus fraglich, welche<br />
Bindungswirkung eine solche Verfügung für die Beteiligten<br />
<strong>zu</strong> entfalten vermag. Streitpunkt ist also, inwieweit<br />
das Instrument Patientenverfügung tauglich ist, den Willen<br />
des Betroffenen in der aktuellen und konkreten Behandlungssituation<br />
wieder<strong>zu</strong>geben. Nur dieser aktuelle<br />
Wille des Betroffenen <strong>zu</strong>m Zeitpunkt des Eingriffs ist<br />
93 Herzberg, NJW 1986, 1635 (1639 ff.).<br />
94 Im Ergebnis ablehnend Hirsch, FS Lackner, 597 (617 f.).<br />
95 Dölling, MedR 1987, 6 (8); Hirsch, FS Lackner, 597 (614);<br />
Tröndle/Fischer – Tröndle, Vor §§ 211 ff., Rn. 14; Wessels/Hettinger,<br />
Strafrecht BT/1, § 1 III 1, Rn. 28.<br />
96 SK-StGB – Horn, § 212, Rn. 26; Wessels/Hettinger, Strafrecht<br />
BT/1, § 1 III 2, Rn. 31.<br />
97 Schreiber, FS Deutsch, 773 (776 f.).<br />
98 Dodegge/Roth – Roth, BtKomm, C Rn. 97; MüKo/StGB –<br />
Schneider, Vor §§ 211 ff., Rn. 90; NK – Neumann, Vor § 211,<br />
Rn. 91.<br />
99 BGHSt 42, 301 (305); Lackner/Kühl, Vor § 211, Rn. 7; MüKo/<br />
StGB – Schneider, Vor §§ 211 ff., Rn. 91; Schöch, NStZ 1997,<br />
409 (409); Sch/Sch – Eser, Vorbem §§ 211 ff.; Rn. 26.<br />
100 Dodegge/Roth – Roth, BtKomm, D Rn. 17.<br />
101 Wessels/Hettinger, Strafrecht BT/1, § 1 III 2, Rn. 32; Tröndle/<br />
Fischer – Tröndle, Vor §§ 211 ff., Rn. 18.<br />
102 Kutzer, NStZ 1994, 110 (114 f.); SK-StGB – Horn, § 212,<br />
Rn. 26e.<br />
103 Die passive Sterbehilfe ist hier nicht nur als „Hilfe beim Sterben“<br />
<strong>zu</strong> verstehen.<br />
104 Eisenbart, Patienten-Testament, S. 23; Sch/Sch – Eser, Vorbem<br />
§§ 211 ff., Rn. 27; Tröndle/Fischer, Vor §§ 211 bis 216, Rn. 19.<br />
105 Schöllhammer, Rechtsverbindlichkeit PT, A III 4, S. 20.<br />
106 BGHSt 37, 376 (376); Kutzer, FPR 2004, 683 (685).<br />
107 Hahne, FamRZ 2003, 1619 (1621).<br />
108 Dies folgt daraus, dass der BGH die Reichweite einer Patientenverfügung<br />
auf eben diese medizinischen Vorausset<strong>zu</strong>ngen<br />
beschränkt, vgl. oben B. IV. 3.<br />
109 Vgl. oben B. IV. 4.
<strong>Zusatzmaterial</strong> <strong>zu</strong> <strong>AL</strong> <strong>2007</strong>, <strong>124</strong> <strong>Ad</strong> <strong>Legendum</strong> 9<br />
maßgebend für das „ob“ und „wie“ der medizinischen<br />
Behandlung. 110<br />
Die Ansicht, die einem Patiententestament generell keine<br />
Bindungswirkung <strong>zu</strong>spricht, es also völlig als Instrument<br />
<strong>zu</strong>r Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts<br />
am Lebensende ablehnt, 111 kann in der neueren Diskussion<br />
als überwunden angesehen werden. 112<br />
1. Patiententestament als Indiz für den mutmaßlichen<br />
Willen<br />
Einer weit verbreiteten Ansicht nach führe eine Patientenverfügung<br />
nicht <strong>zu</strong> einer unmittelbaren Bindung<br />
der Beteiligten, sondern sei lediglich als Anhaltspunkt<br />
bei der Ermittlung des mutmaßlichen Willens des Patienten<br />
<strong>zu</strong> berücksichtigen. 113 Der mutmaßliche Wille ist<br />
<strong>zu</strong> verstehen als der Wille, den der Patient in der konkreten<br />
Situation haben würde, wenn er über sich selbst<br />
bestimmen könnte. 114 Ein Patiententestament wird demnach<br />
also gerade nicht als Äußerung des aktuellen und<br />
wirklichen Willens betrachtet.<br />
Begründet wird diese Auffassung damit, dass Patiententestamente<br />
typischerweise nicht geeignet seien, die<br />
später tatsächlich eintretende Situation hinreichend genau<br />
<strong>zu</strong> skizzieren. 115 Da der Verfasser im Zeitpunkt der<br />
Errichtung das konkrete Krankheitsbild mit all seinen<br />
Begleiterscheinungen noch nicht kenne, könne seine<br />
Erklärung in der Regel nicht hinreichend bestimmt sein,<br />
um sie selbst schon als eine nach außen wirksame Behandlungsanweisung<br />
<strong>zu</strong> betrachten. 116<br />
Ferner wird argumentiert, die Lebensphilosophie eines<br />
Gesunden biete keine hinreichende Gewissheit bis <strong>zu</strong>m<br />
Tode. Vielmehr verschöben sich in Notlagen die Wertmaßstäbe<br />
des Betroffenen. Eine in gesunden Tagen errichtete<br />
Patientenverfügung könne nicht den wirklichen<br />
Willen des Patienten <strong>zu</strong>m Zeitpunkt des Eingriffs wiedergeben.<br />
117<br />
Darüber hinaus verliere ein Patiententestament mit <strong>zu</strong>nehmendem<br />
Alter an Bindungswirkung. Je länger die<br />
Errichtung einer solchen Verfügung <strong>zu</strong>rückliege, desto<br />
weniger könne sie Aufschluss über den Willen des Betroffenen<br />
geben. 118<br />
Zudem wird angeführt, dass in dem Zeitraum zwischen<br />
Errichtung der Patientenverfügung und ärztlichem<br />
Eingriff ein medizinischer Fortschritt eingetreten sein<br />
könnte und der Betroffene in der konkreten Situation<br />
daher etwas anderes wollen könnte, hätte er diesen bedacht.<br />
119<br />
Vertreter dieser Auffassung sprechen der Patientenverfügung<br />
konsequenterweise auch einen rechtsgeschäftlichen<br />
Charakter ab. Sie ordnen sie weder als Willenserklärung<br />
noch als rechtsgeschäftsähnliche Handlung ein. Das<br />
mitunter als „Allgemeinerklärung“ 120 bezeichnete Patiententestament<br />
sei <strong>zu</strong>mindest für eine Willenserklärung<br />
<strong>zu</strong> unbestimmt. 121 Zudem mangele es einer Patientenverfügung<br />
an einer der rechtsgeschäftlichen Natur einer<br />
Erklärung generell innewohnenden, irgendwie gearteten<br />
Selbstbindung. Eine Änderung des erklärten Willens im<br />
Rahmen einer rechtsgeschäftlichen Erklärung werde<br />
nämlich stets, wenn schon nicht ausgeschlossen, dann<br />
doch wenigstens erschwert (vgl. etwa das Zugangserfordernis<br />
eines formellen Widerrufs gemäß § 130 I 2 BGB).<br />
Der Verfasser einer Patientenverfügung hingegen könne<br />
seine Erklärung jederzeit form- und „hindernislos“ widerrufen.<br />
122<br />
2. Patiententestament als wirklicher Wille<br />
Die Gegenmeinung sieht in der Patientenverfügung<br />
eine antizipiert geäußerte Behandlungsanweisung, die<br />
solange als aktueller und wirklicher Wille des Patienten<br />
für jeden späteren Krankheitsfall verbindlich bleibe, bis<br />
sich der Erklärende von diesem mit erkennbarem Widerrufswillen<br />
distanziere. 123 Diese Willensbekundung<br />
des Betroffenen für oder gegen bestimmte medizinische<br />
Maßnahmen dürfe nicht durch einen Rückgriff auf dessen<br />
mutmaßlichen Willen unterlaufen werden. <strong>124</strong> Eine<br />
Durchbrechung der unmittelbaren Bindungswirkung<br />
komme nur dann in Betracht, wenn sich die konkreten<br />
Umstände nachträglich so erheblich geändert hätten,<br />
dass die frühere selbstverantwortlich getroffene Entscheidung<br />
des Patienten die aktuelle Sachlage nicht mehr<br />
<strong>zu</strong> umfassen vermöge. 125 Erst in einem solchen Fall sei<br />
hilfsweise auf den mutmaßlichen Willen des Patienten<br />
<strong>zu</strong>rück<strong>zu</strong>greifen, wobei die Patientenverfügung dann<br />
Indizwirkung bei dessen Ermittlung habe. 126<br />
Es spreche aus rechtsdogmatischer Sicht nichts dagegen,<br />
die Patientenverfügung wie die „normale“ Einwil-<br />
110 Schlüter, BGB-Familienrecht, Rn. 458; Detering, JuS 1983, 418<br />
(422).<br />
111 Spann, MedR 1983, 13 (15); Opderbecke, MedR 1985, 23 (36).<br />
112 Taupitz, Gutachten <strong>zu</strong>m 63. DJT, A 108 f.; Strätling/Sedemund-<strong>Ad</strong>ib/Scharf/Schmucker,<br />
ZRP 2003, 289 (289 f.); Vossler,<br />
BtPrax 2002, 240 (241).<br />
113 So u.a. OLG Frankfurt, NJW 1998, 2747 (2749); Detering, JuS<br />
1983, 418 (422); Dölling, MedR 1987, 6 (9); Laufs, NJW 1998,<br />
3399 (3400); Meier, BtPrax 1996, 161 (163); Deutsch, NJW<br />
1979, 1905 (1909); Sch/Sch – Eser, Vorbem §§ 211 ff., Rn. 28.<br />
114 MüKo/BGB – Schwab, § 1904, Rn. 20.<br />
115 Dodegge/Roth – Roth, BtKomm, C Rn. 108; Laufs, NJW 1998,<br />
3399 (3400).<br />
116 Taupitz, Gutachten 63. DJT, A 112 ff.<br />
117 Detering, JuS 1983, 418 (421 f.); Dölling, MedR 1987, 6 (9);<br />
Fritsche, MedR 1993, 126 (130); Rickmann, Patiententestament,<br />
S. 177; Spann, MedR 1983, 13 (14).<br />
118 Laufs, NJW 1998, 3399 (3400).<br />
119 Generell <strong>zu</strong>r hypothetischen Willensänderung Dölling, MedR<br />
1987, 6 (9); Spann, MedR 1983, 13 (14).<br />
120 Baumann/Hartmann, DNotZ 2000, 594 (604).<br />
121 Roth, JZ 2004, 494 (496).<br />
122 Detering, JuS 1983, 418 (422); Roth, JZ 2004, 494 (496); Spann,<br />
MedR 1983, 13 (14).<br />
123 BGH NJW 2003, 1588 (1591); Berger, JZ 2000, 797 (800 f.);<br />
Lipp, FamRZ 2004, 317 (320); Sternberg-Lieben, NJW 1985,<br />
2734 (2737); Taupitz, Gutachten 63. DJT, A 41, A 106 ff.; Verrel,<br />
NStZ 2003, 449 (450 f.).<br />
<strong>124</strong> BGH NJW 2003, 1588 (1591); Hahne, FamRZ 2003, 1619<br />
(1620); Taupitz, Gutachten 63. DJT, A 41.<br />
125 BGH NJW 2003, 1588, 1591; Sternberg-Lieben, NJW 1985,<br />
2734, 2737; Taupitz, Gutachten 63. DJT, A 41, A 106 ff.; Verrel,<br />
NStZ 2003, 449, 450 f.; Berger, JZ 2000, 797, 800 f.<br />
126 BGH NJW 2003, 1588, 1591; Hahne, FamRZ 2003, 1619,<br />
1620.
10 <strong>Ad</strong> <strong>Legendum</strong> <strong>Zusatzmaterial</strong> <strong>zu</strong> <strong>AL</strong> <strong>2007</strong>, <strong>124</strong><br />
ligung eines Einwilligungsfähigen in eine medizinische<br />
Behandlung bzw. die Verweigerung dieser 127 rechtsgeschäftlich<br />
ein<strong>zu</strong>ordnen. 128 So habe eine Willenserklärung<br />
grundsätzlich kein „Verfallsdatum“, werde nach § 130 II<br />
BGB nicht dadurch unwirksam, dass derjenige, der die<br />
Willenserklärung abgegeben habe, geschäftsunfähig<br />
werde und ihre Wirksamkeit könne grundsätzlich auch<br />
von dem Eintritt einer Bedingung abhängig gemacht<br />
werden. 129<br />
3. Zwischenergebnis<br />
Es lässt sich festhalten, dass beide Meinungen bei der Beurteilung<br />
der prinzipiellen Rechtsverbindlichkeit einer<br />
Patientenverfügung einen grundlegend anderen Ansatz<br />
verfolgen. Nach erster Ansicht sei die Patientenverfügung<br />
generell nur als Indiz für den mutmaßlichen Willen<br />
des Patienten <strong>zu</strong> bewerten. Eine Patientenverfügung<br />
vermag den Betreuer dann stets nur im Innenverhältnis<br />
im Rahmen des § 1901 II, III BGB <strong>zu</strong> binden. 130 Hierfür<br />
werden eine Reihe von möglichen Fehlerquellen für eine<br />
korrekte und umfassende Wiedergabe des Patientenwillens<br />
<strong>zu</strong>m Zeitpunkt des Eingriffs angeführt.<br />
Nach der Gegenansicht entfalte die Patientenverfügung<br />
als antizipierte Einwilligung oder Verweigerung jedoch<br />
prinzipiell Außenwirkung und binde daher neben dem<br />
Betreuer auch die übrigen Beteiligten, in erster Linie also<br />
Arzt und Pflegepersonal, unmittelbar. 131 Ein Durchbrechen<br />
dieser unmittelbaren Rechtsverbindlichkeit und ein<br />
hilfsweiser Rückgriff auf den mutmaßlichen Willen des<br />
Betroffenen wird nur dann für geboten gehalten, wenn<br />
die konkreten Umstände des Einzelfalls dies erfordern.<br />
Ob die von der ersten Ansicht angeführten Argumente<br />
nun wirklich den Schluss einer generellen Indizwirkung<br />
gebieten, oder ob eine Durchbrechung im Einzelfall im<br />
Sinne der zweiten Ansicht sachgerechter ist, kann nur<br />
unter näherer Beleuchtung der kritischen Fallgruppen<br />
entschieden werden.<br />
4. Erörterung anhand einzelner Fallgruppen<br />
a) Tatsächlich eingetretene Behandlungssituation<br />
nicht hinreichend vom Patiententestament umfasst<br />
Einigkeit wird man insoweit annehmen können, als<br />
eine Patientenverfügung nur dann in irgendeiner Form<br />
Bindungswirkung haben kann, wenn der Verfasser die<br />
wirklich eingetretene Behandlungssituation auch regeln<br />
wollte. Fraglich ist aber, wann eine Patientenverfügung<br />
die gegenwärtige Sachlage nicht mehr <strong>zu</strong> erfassen vermag.<br />
132<br />
Es kommen grundsätzlich zwei Fehlerquellen in Betracht.<br />
Entweder hat der Verfasser die aus seiner ex ante-<br />
Sicht in der Zukunft etwaig eintretenden Behandlungssituationen<br />
äußerst genau und detailliert beschrieben, die<br />
inzwischen aber tatsächlich eingetretene Sachlage nicht<br />
bedacht, oder aber er hat, um das Patiententestament<br />
gerade für eine möglichst große Anzahl von Behandlungssituationen<br />
anwendbar <strong>zu</strong> machen, <strong>zu</strong> unbestimmte<br />
Begriffe gewählt. 133 Die Wahrscheinlichkeit, dass eine<br />
Patientenverfügung einer der beiden Fallgruppen unterfällt,<br />
erscheint groß. In den wenigsten Fällen werden<br />
antizipierte Behandlungsanweisungen alle <strong>zu</strong> regelnden<br />
Behandlungssituationen detailliert erfassen können,<br />
ohne dabei auch auf unbestimmte Begriffe <strong>zu</strong>rück<strong>zu</strong>greifen.<br />
134<br />
Hierin sehen Vertreter der ersten Ansicht einen Grund,<br />
die unmittelbare Rechtsverbindlichkeit einer Patientenverfügung<br />
generell ab<strong>zu</strong>lehnen. 135<br />
Dem ist jedoch entgegen<strong>zu</strong>halten, dass eine Patientenverfügung<br />
ohnehin stets der Auslegung, d.h. der Feststellung<br />
ihres Inhalts dahingehend, ob der Patient eine<br />
verbindliche Erklärung abgeben wollte, für welche Fälle<br />
sie gedacht ist und welche Behandlungsanweisungen er<br />
für diese Fälle erklärt hat, bedarf. 136 Die Auslegung hat<br />
sich dabei wie bei den Verfügungen von Todes wegen 137<br />
allein am Willen des Verfassers <strong>zu</strong> orientieren. 138 Es ist<br />
folglich ausreichend, dass der Betroffene die Vorausset<strong>zu</strong>ngen,<br />
unter denen er eine Behandlung oder deren<br />
Unterlassen verlangt, so bestimmt darstellt, dass sich im<br />
Nachhinein im Wege der Auslegung sein wirkliche Wille<br />
eindeutig ermitteln lässt. 139<br />
Dies wird man verneinen müssen, wenn der Verfasser<br />
eine Behandlung bzw. eine Nichtbehandlung von einem<br />
derart unbestimmten Begriff abhängig macht, der ohne<br />
eine weitere Individualisierung praktisch inhaltslos ist.<br />
Zu denken ist an Ausdrücke wie „lebenswertes Leben“.<br />
Ein solcher Begriff muss, damit er einen für einen Dritten<br />
erkennbaren Aussagewert erhält, erst mit weiteren<br />
Ausführungen <strong>zu</strong> den individuellen Werten und Überzeugungen<br />
des Verfassers ausgefüllt werden. 140 Es ist<br />
daher <strong>zu</strong> empfehlen, dass derjenige, der eine Patientenverfügung<br />
ab<strong>zu</strong>fassen beabsichtigt, <strong>zu</strong>sätzlich <strong>zu</strong> den<br />
127 Vgl. BGHZ 29, 33 (36); 105, 45 (47 f.), beide Entscheidungen<br />
ordnen die Patientenverfügung aber als rechtsgeschäftsähnliche<br />
Handlung ein und lehnen eine Willenserklärung ausdrücklich<br />
ab.<br />
128 Berger, JZ 2000, 797 (802); Roth, JZ 2004, 494 (496); auch der<br />
vom BGH gebrauchte Begriff „Willensbekundung“ deutet darauf<br />
hin, BGH NJW 2003, 1588 (1589).<br />
129 Taupitz, Gutachten 63. DJT, A 106 f.<br />
130 Baumann/Hartmann, DNotZ 2000, 594 (604); MüKo – Schwab,<br />
§ 1904, Rn. 21.<br />
131 MüKo – Schwab, § 1904, Rn. 21.<br />
132 Die Sachlage muss stets umfasst sein, vgl. nur BGH NJW<br />
2003, 1588 (1591); Röver, Einflussmöglichkeiten des Patienten,<br />
S. 161 f.; Hahne, FamRZ 2003, 1619 (1620).<br />
133 Dröge, BtPrax 1998, 199 (202); Dodegge/Roth – Roth, BtKomm,<br />
C Rn. 107; Dröge, BtPrax 1998, 199 (202).<br />
134 Spann, MedR 1983, 13 (15); vgl. auch Dröge, BtPrax 1998, 199<br />
(202).<br />
135 Dodegge/Roth – Roth, BtKomm, C Rn. 108; Füllmich, NJW<br />
1990, 2301 (2302); Laufs, NJW 1998, 3399 (3400); auch Sternberg-Lieben,<br />
NJW 1985, 2734 (2736).<br />
136 Palandt – Diederichsen, vor § 1896, Rn. 9; Röver, Einflussmöglichkeiten<br />
des Patienten, S. 162; Lipp, Patientenautonomie,<br />
S. 24 f.; Roth, JZ 2004, 494 (498 ff.); Keilbach, FamRZ 2003, 969<br />
(976).<br />
137 Brox, Erbrecht, Rn. 195; Michalski, Erbrecht, Rn. 339.<br />
138 Roth, JZ 2004, 494 (499).<br />
139Keilbach, FamRZ 2003, 969 (977); Taupitz, Gutachten 63. DJT,<br />
A 109.<br />
140 So auch Dodegge/Roth – Roth, BtKomm, C Rn. 106, der die<br />
Möglichkeit der Auslegung jedoch nicht erwähnt.
<strong>Zusatzmaterial</strong> <strong>zu</strong> <strong>AL</strong> <strong>2007</strong>, <strong>124</strong> <strong>Ad</strong> <strong>Legendum</strong> 11<br />
Behandlungsanweisungen auch seine Überzeugungen,<br />
Wünsche und Ansprüche an sein Leben mit niederlegt.<br />
Andernfalls wird dem Patiententestament lediglich eine<br />
Indizwirkung beigemessen werden können.<br />
Hat der Verfasser die aktuell eingetretene Situation in seiner<br />
Patientenverfügung überhaupt nicht geregelt, wird<br />
der wirkliche Wille des Patienten auch nicht im Wege einer<br />
Auslegung <strong>zu</strong> ermitteln sein. Das Patiententestament<br />
wird dann ebenfalls nur ein Indiz für den mutmaßlichen<br />
Willen darstellen können.<br />
Es ist fest<strong>zu</strong>halten, dass sich die Bedenken, der Verfasser<br />
einer Patientenverfügung könne die <strong>zu</strong>künftige Behandlungssituation<br />
grundsätzlich nicht hinreichend genau<br />
erfassen, mit Hilfe der Auslegung auf Einzelfälle reduzieren<br />
lassen.<br />
b) Errichtung des Patiententestaments vor Eintritt<br />
der lebensbedrohlichen Notlage<br />
Fraglich ist, wie die Auffassung, eine in gesunden Tagen,<br />
also vor Eintritt der lebensbedrohlichen Situation, errichtete<br />
Patientenverfügung könne nicht den wirklichen<br />
Willen des Patienten <strong>zu</strong>m Zeitpunkt des Engriffs wiedergeben,<br />
141 <strong>zu</strong> bewerten ist.<br />
Dieser Ansicht ist <strong>zu</strong><strong>zu</strong>gestehen, dass in der Tat Leben,<br />
Leidensfähigkeit und Tod bei Eintritt einer lebensbedrohenden<br />
Situation mitunter in eine veränderte Relation<br />
<strong>zu</strong>einander treten und ein Erstarken des Lebenswillens<br />
bewirken können.<br />
Dem ist jedoch entgegen<strong>zu</strong>halten, dass dem Betroffenen<br />
<strong>zu</strong>mindest bei einer langsam fortschreitenden Krankheit<br />
stets die Möglichkeit des formlosen Widerrufs bzw. der<br />
Änderung des Patiententestaments offen steht, solange<br />
er noch einwilligungsfähig ist. 142<br />
Ferner hat die Entwertung einer ansonsten eindeutigen<br />
Patientenverfügung <strong>zu</strong>r Folge, dass statt dieser der mutmaßliche<br />
Wille des Patienten maßgeblich ist. Der mutmaßliche<br />
Wille bedarf aber der Ermittlung durch den<br />
Betreuer. Führt man für eine Entwertung das Argument<br />
an, der Betroffene selbst könne in gesunden Tagen seine<br />
eigenen mit der Krankheit verbundenen Wertmaßstäbe<br />
und Gefühlslage nicht für den Fall einer Notsituation<br />
antizipieren, so wird man doch erst recht einem Fremden,<br />
nämlich dem Betreuer, diese Fähigkeit absprechen<br />
müssen. 143<br />
Man könnte zwar argumentieren, dieser „durchlebe“<br />
ähnlich wie der Patient selbst die lebensbedrohende<br />
Phase, indem er regelmäßig in Form von Besuchen von<br />
dessen Gesundheits<strong>zu</strong>stand Kenntnis nehmen könne.<br />
Es wird jedoch schwerlich eine solche Gleichstellung<br />
bejaht werden können. Zum einen kann ein Mensch nie<br />
die Wertmaßstäbe eines anderen auch nur annähernd<br />
vollständig berücksichtigen. Zum anderen kann er keine<br />
Schmerzen, etwaige Bewegungsunfähigkeit oder die<br />
Angst vor dem Tode „nachfühlen“ und miteinander abwägen.<br />
Würde man eine vor Eintritt der das Leben bedrohenden<br />
Lage errichtete Patientenverfügung nie als bindend betrachten,<br />
würde ausnahmslos jedem gesunden Menschen<br />
die Möglichkeit verwehrt werden, für den Fall eines<br />
plötzlichen Schicksalsschlages mit einhergehender Einwilligungsunfähigkeit<br />
in unmittelbar bindender Form<br />
vorsorgen <strong>zu</strong> können. Erleidet ein Patient etwa einen<br />
Unfall und ist als Folge dieses Unfalls einwilligungsunfähig<br />
geworden, so würde folglich einem vor diesem<br />
Unfall verfassten Patiententestament keine unmittelbare<br />
Bindungswirkung <strong>zu</strong>kommen. Zu diesem Zeitpunkt befand<br />
er sich in noch keiner lebensbedrohlichen Lage. Es<br />
nach Eintritt dieser Notlage <strong>zu</strong> bestätigen, hat er mangels<br />
Einwilligungsfähigkeit aber keine Möglichkeit mehr.<br />
Es erscheint daher nicht gerechtfertigt, den in einer Patientenverfügung<br />
<strong>zu</strong>m Ausdruck gebrachten Willen des<br />
Betroffenen nur deshalb <strong>zu</strong> entwerten und lediglich als<br />
Indiz für den mutmaßlichen Willen gelten <strong>zu</strong> lassen,<br />
weil die Verfügung <strong>zu</strong> einem Zeitpunkt errichtet wurde,<br />
in dem der Betroffene noch nicht lebensbedrohlich<br />
erkrankt war.<br />
c) Zeitlicher Verfall eines Patiententestaments<br />
Ferner ist fraglich, ob ein Patiententestament durch<br />
bloßen Zeitablauf die Rechtsverbindlichkeit einbüßen<br />
kann.<br />
Ein Teil des Schrifttums bejaht dies und fordert daher<br />
eine wiederkehrende Neuvornahme oder Bestätigung<br />
des Patiententestaments, etwa in Form einer aktuellen<br />
Unterschrift. 144 Je älter eine Patientenverfügung sei, desto<br />
mehr verliere sie an Gewicht. 145<br />
Die Gegenmeinung lehnt einen Verlust der Bindungswirkung<br />
durch Zeitablauf grundsätzlich ab und verneint<br />
folglich das Erfordernis einer Aktualisierung durch den<br />
Betroffenen. 146 Es handele sich um eine eigenverantwortlich<br />
abgegebene Erklärung, so dass auch die mögliche<br />
Änderung der Einstellung im Wesentlichen Risiko des<br />
Bürgers sei, der die Patientenverfügung getroffen habe.<br />
Für die Vornahme einer regelmäßigen Bestätigung einer<br />
Patientenverfügung spricht, dass sichergestellt wäre,<br />
dass der Betroffene sich in regelmäßigen Abständen mit<br />
dem Inhalt seiner Patientenverfügung auseinander setzen,<br />
diesen reflektieren und mitunter an seine aktuelle<br />
Situation anpassen würde. Dadurch wäre auch demjenigen,<br />
der den Willen des Betroffenen durchsetzen muss,<br />
im Regelfall also dem Betreuer, mehr Sicherheit und Gewissheit<br />
bei der Erledigung seiner Aufgabe geboten.<br />
Dem muss aber entgegengehalten werden, dass eine periodische<br />
Novation oder Bestätigung als rechtliche Wirk-<br />
141 Dodegge/Roth – Roth, BtKomm, C, Rn. 117 ff.; Dölling, MedR<br />
1987, 6 (9); Spann, MedR 1983, 13 (13 f.); Thias, Selbstbestimmtes<br />
Sterben, S. 107 ff., 115; Rickmann, Patiententestament,<br />
S. 178.<br />
142 Taupitz, Gutachten 63. DJT, A 116; Berger, JZ 2000, 797 (802);<br />
Laufs/Uhlenbruck – Uhlenbruck, § 132, Rn. 36.<br />
143 Taupitz, Gutachten 63. DJT, A 107.<br />
144 Eisenbart, Patienten-Testament, S. 179; Meier, BtPrax 1996, 161<br />
(163); Baumann/Hartmann, DNotZ 2000, 594 (613).<br />
145 Laufs, NJW 1998, 3399 (3400); in diesem Sinne wohl OLG<br />
Düsseldorf, NJW 2001, 2807 (2808).<br />
146 BGH NJW 2003, 1588 (1589); 63. Deutscher Juristentag, Beschluss<br />
III.4.1; MüKo/BGB – Wagner, § 823, Rn. 674; Palandt<br />
– Diederichsen, Einf v § 1896, Rn. 9; Taupitz, Gutachten 63.<br />
DJT, A 115 ff.; Thias, Selbstbestimmtes Sterben, S. 114 f.; Berger,<br />
JZ 2000, 797 (802).
12 <strong>Ad</strong> <strong>Legendum</strong> <strong>Zusatzmaterial</strong> <strong>zu</strong> <strong>AL</strong> <strong>2007</strong>, <strong>124</strong><br />
samkeitsvorausset<strong>zu</strong>ng für eine Patientenverfügung in<br />
erheblicher Weise in das Selbstbestimmungsrecht des<br />
Patienten eingreift. 147 Eine Befristung der Geltungsdauer<br />
würde dem Patienten eine <strong>zu</strong>kunftsbezogene Vorsorge<br />
immer dann unmöglich machen, wenn er seine Einwilligungsfähigkeit<br />
plötzlich verliert und über einen längeren<br />
Zeitraum, etwa als dauerkomatöser Patient, weiterlebt.<br />
148<br />
Zudem spricht gegen einen Verlust der Rechtsverbindlichkeit<br />
durch Zeitablauf, dass auch der Gesetzgeber im<br />
Rahmen des Betreuungsverhältnisses davon ausgeht, dass<br />
die vom Betreuten vor Eintritt der Betreuungsbedürftigkeit<br />
geäußerten Wünsche grundsätzlich fortwirken und<br />
keinem Gültigkeitsverfall unterliegen, § 1901 III 2 BGB.<br />
Durch die Formulierung „es sei denn“ in § 1901 III 2<br />
BGB wird vermutet, dass der Betroffene an den vor der<br />
Betreuung geäußerten Wünschen festhalten will.<br />
Im Regelfall wird man demjenigen, der ein Patiententestament<br />
errichtet hat, auch unterstellen können, dass ihm<br />
<strong>zu</strong>m einen die Erheblichkeit dieser Erklärung und <strong>zu</strong>m<br />
anderen die Tatsache, dass sie solange „im Raum steht“<br />
und damit verbindliche Behandlungsanweisung ist, bis<br />
sie widerrufen wird, bewusst ist. Hat sich sein Wille hinsichtlich<br />
Art und Umfang der medizinischen Behandlung<br />
geändert, wird der Betroffene daher regelmäßig aus<br />
eigenem Interesse und von sich aus eine entsprechende<br />
Änderung der Patientenverfügung vornehmen.<br />
Das Bedürfnis nach einem grundsätzlichen zeitlichen<br />
Verfall erscheint sehr gering. Eine Entwertung der unmittelbaren<br />
Bindungswirkung hin <strong>zu</strong> einer Indizwirkung<br />
wird man folglich nur in Ausnahmefällen annehmen<br />
können. Soll etwa aufgrund einer vor 40 Jahren abgefassten<br />
und seitdem nicht mehr bestätigten Patientenverfügung<br />
eine lebenserhaltende Maßnahme unterlassen<br />
werden, erscheint es sehr fraglich, ob das noch dem aktuellen<br />
und wirklichen Willen des Patienten entspricht.<br />
Nur in solchen Fällen wird man daher von einer Indizwirkung<br />
der Patientenverfügung ausgehen müssen.<br />
d) Zwischenzeitlich eingetretener medizinischer<br />
Fortschritt<br />
Fraglich ist ferner, ob eine unmittelbare Rechtsverbindlichkeit<br />
dann <strong>zu</strong> verneinen ist, wenn in dem Zeitraum<br />
zwischen Errichtung der Patientenverfügung und ärztlichem<br />
Eingriff die medizinische Entwicklung weiter<br />
vorangeschritten ist. 149<br />
Ein genereller medizinischer Fortschritt wird stets <strong>zu</strong><br />
bejahen sein. Jede Wissenschaft entwickelt sich fortlaufend<br />
weiter. Eine nur auf diese generelle medizinische<br />
Fortentwicklung gründende Entwertung einer Patientenverfügung<br />
ist nicht tragbar. Andernfalls könnte man<br />
die Verbindlichkeit nahe<strong>zu</strong> jeder Patientenverfügung relativieren.<br />
Anders verhält es sich indes, wenn sich durch eine medizinische<br />
Weiterentwicklung für den Patienten in seiner<br />
konkreten Situation neue oder verbesserte Behandlungsmethoden<br />
auftun. Waren ihm diese Behandlungsmethoden<br />
im Zeitpunkt der Errichtung nicht bekannt, konnte<br />
er sie bei seiner Willensbildung auch nicht berücksich-<br />
tigen. Es ist daher nicht gewiss, ob der Patient in der<br />
aktuellen Lage immer noch an diesem Willen festhalten<br />
oder aber aufgrund der sich nun <strong>zu</strong> seinen Gunsten veränderten<br />
Sachlage in eine Weiterbehandlung einwilligen<br />
würde.<br />
In solchen Fällen wird man einem Patiententestament<br />
folglich keine uneingeschränkte Bindungswirkung <strong>zu</strong>schreiben,<br />
sondern es lediglich als Indiz bei der Ermittlung<br />
des mutmaßlichen Willens berücksichtigen können.<br />
Hierfür wird man jedoch <strong>zu</strong>sätzlich voraussetzen müssen,<br />
dass der medizinische Fortschritt die konkrete Behandlungssituation<br />
des Patienten nicht nur <strong>zu</strong> berühren,<br />
sondern vielmehr sie mehr als nur unerheblich <strong>zu</strong> verändern<br />
imstande ist. Kommt etwa ein neu entwickeltes<br />
Schmerzmittel auf den Markt, welches die Schmerzen<br />
des Patienten jedoch nicht stärker unterdrücken kann als<br />
solche, die es <strong>zu</strong>m Zeitpunkt der Errichtung auch schon<br />
gab, so wird man keine Veränderung der Sachlage feststellen<br />
können.<br />
Haben sich die Möglichkeiten für eine Behandlung des<br />
Patienten hingegen als Folge des Fortschritts erheblich<br />
verbessert und ist das Patiententestament folglich nur<br />
ein Indiz für den mutmaßlichen Willen, so wird man<br />
bei der Ermittlung desselben insbesondere untersuchen<br />
müssen, ob durch diese neuen Behandlungsmethoden<br />
die in der Patientenverfügung <strong>zu</strong>m Ausdruck gekommenen<br />
Ängste des Betroffenen beseitigt sind, ob also die<br />
ehemals ausschlaggebenden Gründe für die Errichtung<br />
weggefallen sind.<br />
5. Stellungnahme<br />
Nach alledem bedarf nun die Frage einer Entscheidung,<br />
ob die in den Fallgruppen genannten Einzelfälle, in denen<br />
eine unmittelbare Rechtsverbindlichkeit ab<strong>zu</strong>lehnen<br />
ist, so stark <strong>zu</strong> gewichten sind, dass dem Rechtsinstitut<br />
Patientenverfügung generell eine solche Rechtsverbindlichkeit<br />
abgesprochen werden muss, oder ob eine Entwertung<br />
<strong>zu</strong>r Indizwirkung auf den Einzelfall beschränkt<br />
sein sollte.<br />
Die generelle Annahme einer Indizwirkung erwies sich<br />
in keiner der Fallgruppen als sachgerecht. Angebracht<br />
erschien sie lediglich in Ausnahmefällen. Vor allem wird<br />
man vielfach schon im Wege der Auslegung der Patientenverfügung<br />
diese an die aktuell eingetretene Behandlungssituation<br />
anpassen können.<br />
Für die Annahme einer Rechtsverbindlichkeit im Sinne<br />
der zweiten Ansicht spricht ferner die Tatsache, dass derjenige,<br />
der eine Patientenverfügung errichtet, diese nicht<br />
nur als „Entscheidungshilfe“ für den Betreuer vorsieht,<br />
sondern allgemein schon im Vorwege eine Einwilligung<br />
oder Versagung dieser an den Arzt richten will.<br />
Zudem ergibt ein für die Praxis entscheidender Unter-<br />
147 Taupitz, Gutachten 63. DJT, A 116.<br />
148 Taupitz, Gutachten 63. DJT, A 116.<br />
149 Dieses Problem <strong>zu</strong>mindest ansprechend: Taupitz, Gutachten<br />
63. DJT, A 115.
<strong>Zusatzmaterial</strong> <strong>zu</strong> <strong>AL</strong> <strong>2007</strong>, <strong>124</strong> <strong>Ad</strong> <strong>Legendum</strong> 13<br />
schied zwischen beiden Ansichten. Geht man von einer<br />
unmittelbaren Rechtsverbindlichkeit einer Patientenverfügung<br />
aus, so trägt derjenige, der von dieser abweichen<br />
will, die Begründungslast für ein solches Abweichen. 150<br />
Er muss, <strong>zu</strong>mindest im Falle einer vormundschaftsgerichtlichen<br />
Kontrolle, darlegen, warum er die Anweisungen<br />
in der Patientenverfügung nicht befolgen will.<br />
Hat er keine zwingenden Gründe hervor<strong>zu</strong>bringen, ist<br />
ein Abweichen unmöglich. Nur eine derartige Beweislastregelung<br />
kann dem Schutz des verfassungsrechtlich<br />
gesicherten Rechts des Einzelnen auf Selbstbestimmung<br />
gerecht werden.<br />
Zusammenfassend lässt daher sagen, dass ein Patiententestament<br />
solange den aktuellen und wirklichen Willen<br />
des Betroffenen darstellt, bis dieser es entweder widerruft<br />
oder die konkreten Umstände des Einzelfalles eine<br />
unmittelbare Bindungswirkung der Anweisungen unmöglich<br />
machen. Mithin ist die zweite Ansicht vor<strong>zu</strong>gswürdig.<br />
6. Indizwirkung einer Patientenanweisung <strong>zu</strong>r aktiven<br />
Sterbehilfe<br />
Bislang im Schrifttum – soweit ersichtlich – unerwähnt<br />
geblieben ist die Frage, ob die Anweisung <strong>zu</strong>r aktiven<br />
Sterbehilfe in irgendeiner Weise Aufschluss über den Behandlungswillen<br />
<strong>zu</strong> geben vermag.<br />
Hält eine Person irrtümlicherweise die aktive Tötung<br />
ihrer Person auf ihr ausdrückliches Verlangen hin für<br />
rechtlich <strong>zu</strong>lässig und erklärt sie in einer Patientenverfügung<br />
eine solche Anweisung, so wird man diesen<br />
Wunsch mangels Zulässigkeit des Inhalts zwar nicht direkt<br />
befolgen können. 151 Man wird einer solchen Anweisung<br />
aber wohl eine Indizwirkung bei der Ermittlung<br />
des mutmaßlichen Willens im Zusammenhang mit dem<br />
Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen <strong>zu</strong>sprechen<br />
können. Das Verlangen nach einer durch einen Dritten<br />
erfolgenden aktiven Tötung ist als die stärkste Form<br />
eines Sterbewunsches <strong>zu</strong> bewerten. Besteht bei einer<br />
Person ernstlich ein solcher Wunsch, wird man erst recht<br />
einer solchen Erklärung entnehmen können, lebensverlängernde<br />
Maßnahmen bei Vorliegen der erklärten medizinischen<br />
Vorausset<strong>zu</strong>ngen ab<strong>zu</strong>lehnen.<br />
7. Bindung des Betreuers<br />
a) Bestellung eines Betreuers bei Vorliegen eines Patiententestaments<br />
Fraglich ist schon, ob bei Vorliegen einer Patientenverfügung<br />
überhaupt ein Betreuer als gesetzlicher Vertreter<br />
des Patienten (§ 1902 BGB) für den vom Patiententestament<br />
abdeckten Aufgabenkreis bestellt werden darf.<br />
Dies wird man dann verneinen müssen, wenn eine Betreuung<br />
nicht erforderlich ist, § 1896 II 1 BGB. Der<br />
§ 1896 II 2, 2. Alt. BGB stellt ausdrücklich klar, dass die<br />
Bestellung eines Betreuers nicht erforderlich ist, soweit<br />
die Angelegenheiten des Betreuten „durch andere Hilfen<br />
ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden<br />
können“. Hat der Patient selbst seine Einwilligung in<br />
lebensverlängernde bzw. –erhaltende Maßnahmen oder<br />
deren Ablehnung durch die „Hilfe“ des Instituts Patiententestament<br />
bereits eindeutig antizipativ erklärt, scheint<br />
eine Betreuung mithin nicht erforderlich und damit un<strong>zu</strong>lässig.<br />
152<br />
Zu beachten ist jedoch, dass der Patient in den allerseltensten<br />
Fällen alle in Frage kommenden Entscheidungen<br />
schon im Vorwege getroffen hat. Zu denken ist etwa an<br />
die Entscheidung, in welchem Krankenhaus und von<br />
welchem Arzt der Patient behandelt werden und wie die<br />
vermögensrechtliche Seite dieser Behandlung aussehen<br />
soll. 153 Zumindest für solche nicht in der Patientenverfügung<br />
vorweggenommenen Entscheidungen und Erklärungen<br />
bleibt eine Betreuung in der Praxis erforderlich.<br />
Zudem hat der Betreute stets ein Interesse daran, dass<br />
sein erklärter Wille dem Arzt und Pflegepersonal <strong>zu</strong>nächst<br />
überhaupt mitgeteilt und ihm nach Maßgabe des<br />
§ 1901 BGB Ausdruck und Geltung verschafft wird.<br />
Diesem Verlangen wird am ehesten mit der Bestellung<br />
eines Betreuers Rechnung getragen. 154 Durch sie ist die<br />
rechtliche Handlungsfähigkeit des Betroffenen erst wiederhergestellt.<br />
155<br />
Aus Sicht des Arztes wiederum ist eine Betreuung insofern<br />
wünschenswert, als er ungern aufgrund einer Patientenverfügung<br />
allein, ohne irgendeine Rücksprache,<br />
eine medizinisch indizierte Maßnahme unterlassen wird.<br />
Er wird vielmehr, vor allem auch <strong>zu</strong>r eigenen Absicherung,<br />
einen den Patienten vertretenden Ansprechpartner<br />
verlangen. Der Betreuer steht dem Schutzbefohlenen in<br />
der Regel nahe und wird etwaige Meinungsumschwünge<br />
eher kennen als ein fremder Arzt.<br />
Notwendig wird eine Betreuung jedenfalls für die Fälle,<br />
in denen der Arzt das Patiententestament zwar kennt,<br />
aber Zweifel an dessen Gültigkeit oder Anwendbarkeit<br />
hat. 156 Erweisen sich diese Bedenken als berechtigt, muss<br />
ein Vertreter des Patienten den mutmaßlichen Willen<br />
des Patienten ermitteln und über die Einwilligung in die<br />
Behandlung entscheiden. Der Arzt hat in solchen Fällen<br />
beim VormG die Bestellung eines Betreuers an<strong>zu</strong>regen.<br />
157<br />
Eine Betreuung entfällt hingegen vollständig, sofern der<br />
150 Verrel, NStZ 2003, 449 (451).<br />
151 Vgl. oben B. V. 1.<br />
152 Eine Betreuung hält dann in der Tat ein großer Teil des Schrifttums<br />
für nicht erforderlich, vgl. Bienwald, FamRZ 2002, 492<br />
(493); Deichmann, MDR 1995, 983 (985); Dröge, BtPrax 1998,<br />
199 (200); Eisenbart, Patienten-Testament, S. 206; Erman –<br />
Holzhauer, § 1896 Rn. 36b; Höfling/Rixen, JZ 2003, 884 (891);<br />
Keilbach, FamRZ 2003, 969 (978 f.).<br />
153 Lipp, FamRZ 2004, 317 (321); für das Bedürfnis eines Betreuers<br />
spricht ferner, dass der BGH in seiner Entscheidung vom<br />
17.03.2003 trotz eindeutiger Patientenverfügung die Betreuung<br />
gerade nicht als überflüssig dargestellt hat; differenzierend<br />
Roth, JZ 2004, 494 (501 f.).<br />
154 Höfling/Rixen, JZ 2003, 885 (890 f.); ähnlich OLG Schleswig<br />
FamRZ 2003, 554 (555); OLG Karlsruhe, FamRZ 2002, 488<br />
(489 f.).<br />
155 BGH NJW 2003, 1588 (1589); Höfling/Rixen, JZ 2003, 885<br />
(890 f.).<br />
156 Coeppicus, Rpfleger 2004, 262 (266); Lipp, FamRZ 2004, 317<br />
(321).<br />
157 Lipp, FamRZ 2004, 317 (321).
14 <strong>Ad</strong> <strong>Legendum</strong> <strong>Zusatzmaterial</strong> <strong>zu</strong> <strong>AL</strong> <strong>2007</strong>, <strong>124</strong><br />
Betroffene eine Vorsorgevollmacht in Gesundheitsangelegenheiten<br />
erteilt hat, § 1896 II 2, 1. Alt. BGB.<br />
b) Die Vorausset<strong>zu</strong>ngen für die Einwilligung des<br />
Betreuers in eine ärztliche Maßnahme bzw. die Verweigerung<br />
derselben<br />
Zu klären ist, welche Vorausset<strong>zu</strong>ngen erfüllt sein müssen,<br />
damit der Betreuer in eine lebensverlängernde oder<br />
–erhaltende Behandlung einwilligen bzw. diese verweigern<br />
kann. Unbedingte Vorausset<strong>zu</strong>ng ist <strong>zu</strong>nächst, dass<br />
der Betreute einwilligungsunfähig ist. 158 Ansonsten ist<br />
nur er als Träger des Rechts auf körperliche Unversehrtheit<br />
entscheidungsberechtigt. Auch eine etwaige Anordnung<br />
einer Betreuung mit dem Wirkungskreis Gesundheitsfürsorge<br />
verlagert diese Entscheidungskompetenz<br />
nicht auf den Betreuer. 159<br />
aa) Ermittlung des wirklichen oder mutmaßlichen Willens<br />
des Patienten anhand des Patiententestaments<br />
Ist ein Patiententestament im Sinne des oben Gesagten<br />
unmittelbar rechtsverbindlich, so bindet es auch den<br />
Betreuer in vollem Umfang. 160 Dieser hat die Aufgabe,<br />
„dem Willen des Betroffenen gegenüber Arzt und Pflegepersonal<br />
in eigener rechtlicher Verantwortung und<br />
nach Maßgabe des § 1901 BGB Ausdruck und Geltung<br />
<strong>zu</strong> verschaffen.“ 161 Er hat die Patientenverfügung also<br />
ohne weitere Ermittlungen um<strong>zu</strong>setzen.<br />
Hat ein Patiententestament im Einzelfall nur eine Indizwirkung,<br />
so muss der Betreuer den mutmaßlichen Willen<br />
des Patienten ermitteln. Der Rückgriff auf den mutmaßlichen<br />
Willen ist aber erst dann möglich, wenn sich<br />
der wirkliche Wille des Patienten nicht feststellen lässt. 162<br />
Der Betreuer darf auch in diesem Fall weder eine eigene<br />
Wertentscheidung treffen noch seine Entscheidung<br />
auf die Wertvorstellungen eines verständigen objektiven<br />
Betrachters stützen. Er muss vielmehr <strong>zu</strong>sätzlich <strong>zu</strong> den<br />
Hinweisen im Patiententestament alle ihm <strong>zu</strong>r Verfügung<br />
stehenden Erkenntnismöglichkeiten ausschöpfen,<br />
etwa die Befragung von Verwandten, Freunden, Ärzten,<br />
um den Willen, den der Betroffene in der konkreten Situation<br />
haben würde, <strong>zu</strong> ermitteln. 163<br />
Es stellt sich dann weiter die Frage, ob der Betreuer in<br />
seinem Handeln nicht entsprechend § 1901 III 1 Hs. 2<br />
BGB an die Schranke des Wohls des Schutzbefohlenen<br />
gebunden ist. Dies könnte jedoch da<strong>zu</strong> führen, dass der<br />
Betreuer in eine Konfliktsituation geriete, wenn der<br />
Wille des Patienten und das objektiv 164 <strong>zu</strong> bestimmende<br />
Betreutenwohl auseinander fielen. 165 Bei einer entsprechenden<br />
Anwendung des § 1901 III 1 Hs. 2 BGB müsste<br />
dann dem objektiven Wohl der Vorrang vor dem Willen<br />
des Patienten eingeräumt werden, was wiederum <strong>zu</strong><br />
einer starken, im Hinblick auf das Selbstbestimmungsrecht<br />
des Patienten bedenklichen Entwertung der Patientenverfügung<br />
selbst führen würde. 166<br />
Zu beachten ist allerdings, dass § 1901 III 1 Hs. 2 BGB<br />
grundsätzlich auf die Fälle der Betreuung an<strong>zu</strong>wenden<br />
ist. Fraglich ist daher, ob eine entsprechende Anwendung<br />
auf die Fälle der Patientenverfügung geboten erscheint.<br />
Dies wäre wiederum nur möglich, wenn der Sinn und<br />
Zweck der Vorschrift dies überhaupt erlaubte, die Interessenlage<br />
also vergleichbar wäre.<br />
Der Sinn und Zweck der Schranke aus § 1901 III 1 Hs. 2<br />
BGB besteht darin, den Betreuten vor seinen eigenen<br />
Wünschen <strong>zu</strong> schützen. 167 Dies trifft allerdings nur für<br />
diejenigen Fälle <strong>zu</strong>, in denen der Wunsch gerade aufgrund<br />
des geistigen Zustands gefasst worden ist. Der<br />
dem eigenen Wohl widersprechende Wille muss auf<br />
demselben Grund beruhen, der auch die Fähigkeit <strong>zu</strong>r<br />
Selbstbestimmung ausschließt. 168 Dies ist jedoch bei einer<br />
schon im Vorfeld verfassten Patientenverfügung wegen<br />
der in diesem Zeitpunkt noch bestehenden Selbstbestimmungsfähigkeit<br />
gerade nicht der Fall. 169 Somit scheidet<br />
eine Anwendung des Wohlkriteriums auf den Fall einer<br />
verfassten Patientenverfügung bereits nach dem Gesetzeszweck<br />
aus.<br />
Schließlich ist auch die Umset<strong>zu</strong>ng des Patientenwillens<br />
dem Betreuer <strong>zu</strong><strong>zu</strong>muten, § 1901 III 1 H. 2. Er hat insoweit<br />
gerade keine eigene Entscheidung über Leben und<br />
Tod des Betroffenen <strong>zu</strong> fällen, sondern lediglich dessen<br />
wirklichen oder mutmaßlichen Willen <strong>zu</strong> ermitteln und<br />
<strong>zu</strong> verwirklichen. 170<br />
bb) Genehmigung durch das Vormundschaftsgericht<br />
Abhängig von dem in der Patientenverfügung <strong>zu</strong>m<br />
Ausdruck gekommenen Willen des Betroffenen hat der<br />
Betreuer in eine vom Arzt angebotene medizinische<br />
Behandlung folglich entweder ein<strong>zu</strong>willigen oder die<br />
Einwilligung in diese ab<strong>zu</strong>lehnen. Fraglich ist jedoch,<br />
in welchen Fällen der Staat diese Entscheidung einer<br />
Kontrolle unterziehen muss, wann sie dem Betreuer<br />
also nicht allein überlassen werden kann.<br />
(1) Bei Einwilligung in die Weiterbehandlung bzw. in<br />
die Aufnahme einer Heilbehandlung<br />
Willigt der Betreuer in eine ärztliche Maßnahme ein<br />
und besteht die begründete Gefahr, dass der Betreute<br />
auf Grund dieser Maßnahme stirbt oder einen schweren<br />
und länger dauernden gesundheitlichen Schaden erleidet,<br />
bedarf diese Einwilligung gemäß § 1904 I 1 BGB der<br />
Genehmigung des Vormundschaftsgerichts. Die medizi-<br />
158 Erman – Holzhauer, § 1904, Rn. 2; Lipp, Freiheit und Fürsorge,<br />
S. 164.<br />
159 Schlüter, BGB-Familienrecht, Rn. 459.<br />
160 Vgl. oben B. VI. 5.<br />
161 BGH NJW 2003, 1588 (1589).<br />
162 Vgl. oben B. VI. 4.<br />
163 BT-Drs. 11/4528, S. 67 f.; Lipp, FamRZ 2004, 317 (322); ders.,<br />
Freiheit und Fürsorge, S. 164 f.; Schlüter, BGB-Familienrecht,<br />
Rn. 459.<br />
164 Dodegge/Roth – Roth, D, Rn.4.<br />
165 Schöllhammer, Patiententestament, S. 139.<br />
166 Schöllhammer, Patiententestament, S. 139.<br />
167 Lipp, DRiZ 2000, 231 (235).<br />
168 Lipp, DRiZ 2000, 231 (236).<br />
169 Lipp, DRiZ 2000, 231 (236); im Ergebnis auch MüKo-Schwab,<br />
§ 1904, Rn. 22.<br />
170 Dröge, BtPrax 1998, 199 (200); Schlüter, BGB-Familienrecht,<br />
Rn. 459 a.E.
<strong>Zusatzmaterial</strong> <strong>zu</strong> <strong>AL</strong> <strong>2007</strong>, <strong>124</strong> <strong>Ad</strong> <strong>Legendum</strong> 15<br />
nische Maßnahme ist nur dann ohne vormundschaftsgerichtliche<br />
Genehmigung wirksam, wenn mit dem Aufschub<br />
Gefahr verbunden ist, § 1904 I 2 BGB. Gemäß<br />
§ 1904 II 1 BGB gilt der Abs. 1 auch für die Einwilligung<br />
eines Bevollmächtigten.<br />
Gegen die Vorschrift des § 1904 BGB sind jedoch auch<br />
vielfach Bedenken, vor allem wegen mangelnder Klarheit,<br />
vorgebracht worden. 171 Zum einen lasse sich häufig<br />
nur sehr schwer im Voraus feststellen, wann eine ärztliche<br />
Maßnahme mit den in § 1904 I 1 BGB genannten<br />
Gefahren verbunden sei. Dadurch bleibe oft unklar, ob<br />
der Betreuer für die Wirksamkeit seiner Einwilligung einer<br />
Genehmigung des VormG bedürfe. 172<br />
Zum anderen sei der Vormundschaftsrichter mangels<br />
fundierter medizinischer Kenntnisse ohnehin nicht in<br />
der Lage, die Notwendigkeit einer ärztlichen Maßnahme<br />
und die mit ihr verbundenen Gefahren von sich aus <strong>zu</strong>treffender<br />
<strong>zu</strong> beurteilen und gegeneinander ab<strong>zu</strong>wägen<br />
als der Betreuer. In Zweifelsfällen sei er vielmehr auf das<br />
Gutachten eines medizinischen Sachverständigen angewiesen.<br />
173 Ein wirksamer Schutz des Betreuten könne<br />
daher auch bei Einschaltung des VormG nicht gewährleistet<br />
werden. 174<br />
(2) Bei Verweigerung der Einwilligung in die Weiterbehandlung<br />
bzw. in die Aufnahme einer Heilbehandlung<br />
Gesetzlich nicht geregelt und daher höchst umstritten<br />
ist hingegen die Frage, ob der Betreuer für die wirksame<br />
Versagung der Einwilligung in eine lebenserhaltende<br />
oder –verlängernde Maßnahme ebenfalls die Genehmigung<br />
des VormG einholen muss.<br />
Eine Genehmigung durch das VormG wäre jedoch dann<br />
von vornherein ausgeschlossen, wenn der Betreuer eine<br />
solche das Leben des Betreuten betreffende medizinische<br />
Behandlung überhaupt nicht verweigern dürfte.<br />
Mitunter wird vertreten, es könne nicht <strong>zu</strong>m Aufgabenbereich<br />
des Betreuers gehören, die Behandlung <strong>zu</strong> verweigern<br />
oder den Abbruch der Behandlung <strong>zu</strong> verlangen,<br />
sofern dies mit einer der in § 1904 I BGB genannten<br />
Gefahren verbunden sei. Eine derartige Entscheidung<br />
sei, da sie auf den Tod des Betroffenen abziele, höchstpersönlich.<br />
175<br />
Dem ist jedoch entgegen<strong>zu</strong>halten, dass der Betreuer<br />
das Verlangen nach Abbruch einer lebensverlängernden<br />
Maßnahme zwar in eigener rechtlicher Verantwortung<br />
durchsetzt, es aber ausschließlich auf den im Patiententestament<br />
erklärten und fortgeltenden Willen des Betroffenen<br />
stützt. Der Betreuer trifft keine eigene stellvertretende<br />
Entscheidung, sondern setzt nur eine im Voraus<br />
getroffene höchstpersönliche Entscheidung des Betroffenen<br />
selbst um. 176<br />
Darüber hinaus ist das Argument, eine stellvertretende<br />
Entscheidung in höchstpersönlichen Angelegenheiten<br />
stehe dem Betreuer generell nicht <strong>zu</strong>, schon widersprüchlich.<br />
Bei der Sterilisation etwa wird dem Betreuer<br />
vom Gesetz auch eine höchstpersönliche Entscheidungskompetenz<br />
übertragen, § 1905 BGB.<br />
Entzöge man ferner die Entscheidung gegen lebens-<br />
verlängernde oder –erhaltende Maßnahmen dem Aufgabenbereich<br />
des Betreuers, so würden entweder alle<br />
medizinisch indizierten Maßnahmen stets durchgeführt<br />
werden, auch gegen den mitunter ausdrücklich im Patiententestament<br />
erklärten Willen des Betroffenen, oder<br />
diese Entscheidungskompetenz müsste einer anderen<br />
Person übertragen werden. Es ist jedoch nicht ersichtlich,<br />
warum dem Arzt oder einem Familienmitglied<br />
etwa diese Aufgabe anstelle des Betreuers <strong>zu</strong>kommen<br />
sollte. 177 Die Höchstpersönlichkeit der Entscheidung<br />
gegen lebensverlängernde oder –erhaltende Maßnahmen<br />
steht einer Kontrolle durch das VormG nicht von vornherein<br />
entgegen.<br />
Ferner ist die Unterscheidung der Verweigerung der<br />
Einwilligung in die Weiterbehandlung des Betroffenen,<br />
etwa bei einem Wachkoma-Patienten, der schon seit<br />
geraumer Zeit künstlich am Leben gehalten wird, und<br />
in die Aufnahme einer noch bevorstehenden ärztlichen<br />
Maßnahme <strong>zu</strong> erwähnen. Diese Unterscheidung rechtfertigt<br />
jedoch keine juristische Differenzierung. 178<br />
Wollte man lediglich den Widerruf einer einmal erteilten<br />
Einwilligung, nicht aber die erstmalige Verweigerung der<br />
Einwilligung als genehmigungspflichtig ansehen, 179 würde<br />
von lebenserhaltenden Maßnahmen wohl nur noch<br />
zögerlich Gebrauch gemacht werden, um eine spätere<br />
Kontrolle durch das VormG im Rahmen des Abbruchs<br />
<strong>zu</strong> vermeiden.<br />
Ferner wird man ein Genehmigungserfordernis nicht<br />
davon abhängig machen können, ob der Betreuer die Erteilung<br />
der Einwilligung nur schlechthin unterlassen hat<br />
oder die Einwilligung verweigert, also aktiv gehandelt<br />
hat. 180 Ein Unterlassen entpuppt sich vielmehr stets als<br />
eine Versagung der Einwilligung, da ohne Einwilligung<br />
der Arzt überhaupt nicht behandeln darf. Eine aktive<br />
Verweigerung stellt also lediglich eine Bekräftigung des<br />
Unterlassens dar. Andernfalls wäre das Erfordernis einer<br />
vormundschaftsgerichtlichen Kontrolle auch beliebig<br />
durch den Betreuer manipulierbar. 181<br />
Eine vormundschaftsgerichtliche Kontrolle des Betreuerhandelns<br />
ist also nicht von vornherein ausgeschlossen.<br />
Dennoch bleibt fraglich, ob auch die Verweigerung lebenserhaltender<br />
Behandlungen durch den Betreuers <strong>zu</strong><br />
171 So etwa MüKo/BGB – Schwab, § 1904, Rn. 1; Schlüter, BGB-<br />
Familienrecht, Rn. 459; Wiebach/Kreyßig/Peters/Wächter/<br />
Winterstein, BtPrax 1997, 48 (49).<br />
172 Schlüter, BGB-Familienrecht, Rn. 459.<br />
173 BT-Drs. 11/4528, S. 208; Schlüter, BGB-Familienrecht,<br />
Rn. 459.<br />
174 Schlüter, BGB-Familienrecht, Rn. 459.<br />
175 LG München, NJW 1999, 1788 (1789); LG Augsburg, FamRZ<br />
2000, 320 (321); Seitz, ZRP 1998, 417 (420); Soergel – Zimmermann,<br />
BGB, § 1904, Rn. 42.<br />
176 Vgl. oben B. VI. 5.<br />
177 Heyers, JuS 2004, 100 (102).<br />
178 So BGH NJW 2003, 1588 (1589); Hahne, FamRZ 2003, 1619<br />
(1621).<br />
179 Fröschle, JZ 2000, 72 (80).<br />
180 So aber Lipp, Stellvertretene Entscheidungen bei „passiver Sterbehilfe“,<br />
in: May/Geißendörfer/Simon/Strätling, Passive Sterbehilfe,<br />
S. 37 (51); Taupitz, Gutachten 63. DJT, A 87.<br />
181 BGH NJW 2003, 1588 (1589).
16 <strong>Ad</strong> <strong>Legendum</strong> <strong>Zusatzmaterial</strong> <strong>zu</strong> <strong>AL</strong> <strong>2007</strong>, <strong>124</strong><br />
ihrer Wirksamkeit der Zustimmung des VormG bedarf.<br />
(a) Keine Rechtsgrundlage für Zustimmungsbedürfnis<br />
Ein Teil des Schrifttums verneint dies mit der Begründung,<br />
es gebe keine Rechtsgrundlage für ein derartiges<br />
Zustimmungserfordernis. Auch eine analoge Anwendung<br />
des § 1904 BGB wird strikt abgelehnt. 182 Der<br />
§ 1904 I BGB sei nicht geeignet, eine Gesetzeslücke <strong>zu</strong><br />
begründen oder <strong>zu</strong> schließen.<br />
Es liege erst gar keine planwidrige Gesetzeslücke vor.<br />
Wie aus den Materialien <strong>zu</strong>m Betreuungsgesetz hervorgehe,<br />
habe der Gesetzgeber den Fall des <strong>zu</strong>m Tode<br />
führenden Behandlungsabbruchs bedacht, dessen Einwilligung<br />
aber gleichwohl nicht von einer vormundschaftsgerichtlichen<br />
Genehmigung abhängig gemacht.<br />
Es sei also davon aus<strong>zu</strong>gehen, dass der Gesetzgeber das<br />
Betreuungsrecht abschließend geregelt habe. 183<br />
Ferner werde bei einer Risikooperation ein wertungsmäßig<br />
gänzlich anderer Abwägungsprozess vorausgesetzt.<br />
So zielten die nach § 1904 I BGB genehmigungsbedürftigen<br />
ärztlichen Maßnahmen darauf ab, die Gesundheit<br />
des Betroffenen wiederher<strong>zu</strong>stellen. Die Genehmigung<br />
der Einwilligung in einen Behandlungsabbruch würde<br />
dagegen auf die Lebensbeendigung des Betroffenen gerichtet<br />
sein. Eine absichtliche Lebensverkür<strong>zu</strong>ng habe<br />
aber eine ganz andere Qualität als eine Lebenserhaltung<br />
und müsse folglich auch einer besonderen rechtlichen<br />
Würdigung unterzogen werden. 184<br />
Zudem regele § 1904 I BGB die Genehmigung der Einwilligung<br />
in ein ärztliches Tun, während die Genehmigung<br />
der Einwilligungsverweigerung ein ärztliches<br />
Unterlassen betrifft. Daher könne für eine Analogie<br />
insbesondere nicht das argumentum a majore ad minus<br />
angeführt werden. 185<br />
Darüber hinaus sei eine Ergän<strong>zu</strong>ng durch Gerichte bei<br />
einem auf die Beendigung des Lebens gerichteten Verhalten<br />
schon deshalb ausgeschlossen, weil es bei so wesentlichen<br />
Fragen einer Regelung durch den Gesetzgeber<br />
bedürfe. 186<br />
(b) Nach § 1904 BGB analog<br />
Die Gegenmeinung hingegen hält eine analoge Anwendung<br />
des § 1904 BGB für geboten. 187 Die Analogie wird<br />
mit einem „Erst recht“-Schluss begründet. Wenn schon<br />
aktive Heileingriffe, die auf die Wiederherstellung der<br />
Gesundheit abzielen, wegen ihrer Gefährlichkeit der alleinigen<br />
Entscheidungsbefugnis des Betreuers entzogen<br />
seien, so müsse dies erst recht für Behandlungsabbrüche<br />
gelten, die zwangsläufig den Tod des Betroffenen herbeiführen.<br />
188 Die Schwere beider Eingriffe sei durchaus<br />
vergleichbar. Ferner sei für Betreuer und Betreuten der<br />
zivilrechtliche ex ante-Lebensschutz sinnvoller und damit<br />
interessengerechter als der strafrechtliche ex post-<br />
Schutz. 189<br />
(c) Durch richterliche Rechtsfortbildung<br />
Der 12. Zivilsenat des BGH hat in seinem Beschluss vom<br />
17.03.2003 zwar eine unmittelbare oder analoge Anwendung<br />
des § 1904 BGB abgelehnt. Eine Genehmigungs-<br />
pflicht für die Entscheidung des Betreuers gegen lebensverlängernde<br />
oder -erhaltende Maßnahmen wird jedoch<br />
im Wege richterlicher Rechtsfortbildung bejaht. 190<br />
Begründet wird dies aus dem „unabweisbaren Bedürfnis,<br />
mit den Instrumenten des Rechts auch auf Fragen<br />
im Grenzbereich menschlichen Lebens und Sterbens<br />
für alle Beteiligten rechtlich verantwortbare Antworten<br />
<strong>zu</strong> finden“. 191 Es fehle im Betreuungsrecht an einem<br />
geschlossenen System. Daher sei die Möglichkeit einer<br />
richterlichen Rechtsfortbildung grundsätzlich eröffnet.<br />
Eine vormundschaftsgerichtliche Genehmigungspflicht<br />
diene <strong>zu</strong>m einen dem Schutz des Betroffenen in seinen<br />
Grundrechten auf Leben, Selbstbestimmung und Menschenwürde.<br />
So könne nur durch eine präventive Kontrolle<br />
des Betreuerhandelns sichergestellt werden, dass<br />
einzig der Wille des Betroffenen Berücksichtigung finde<br />
und nicht hinter Fremdinteressen <strong>zu</strong>rückstehe. 192<br />
Zum anderen diene sie dem Schutz und der Fürsorge des<br />
Betreuers, dem nicht <strong>zu</strong>gemutet werden könne, allein<br />
die Last einer Entscheidung gegen lebensverlängernde<br />
Behandlungen <strong>zu</strong> tragen. 193<br />
Es gibt jedoch im Schrifttum unterschiedliche Auffassungen<br />
darüber, ob nach dem Beschluss des 12. Zivilsenats<br />
eine Genehmigung des VormG bei Vorliegen einer<br />
Patientenverfügung immer eingeholt werden müsse, 194<br />
oder ob diese Pflicht auf bestimmte Fallkonstellationen,<br />
namentlich auf „Konfliktfälle“, beschränkt sei. 195 Ein<br />
Konfliktfall bestehe immer dann, wenn Arzt und Betreuer<br />
unterschiedlicher Auffassung bezüglich Existenz,<br />
Wirksamkeit oder Auslegung einer Patientenverfügung<br />
bzw. hinsichtlich einer Willensänderung seien. 196 Biete<br />
der Arzt eine Behandlung an und seien sich Arzt und<br />
Betreuer über das Maß der Verbindlichkeit des Patiententestaments<br />
einig, so liege eindeutig kein Konfliktfall<br />
vor. Das VormG müsse dann nicht zwecks Genehmi-<br />
182 OLG Schleswig, FamRZ 2003, 554 (555); Alberts, BtPrax 2003,<br />
139 (139); Laufs, NJW 1998, 3399 (3399).<br />
183 OLG Schleswig, FamRZ 2003, 554 (555).<br />
184 Erman – Roth, § 1904, Rn. 22; Laufs, NJW 1998, 3399 (3399).<br />
185 OLG Schleswig, FamRZ 2003, 554 (556).<br />
186 OLG Schleswig, FamRZ, 554, (556 f.); Erman – Roth, § 1904,<br />
Rn. 22.<br />
187 BGHSt 40, 257 (262 ff.); OLG Frankfurt/M, FamRZ 2002, 575<br />
(575 ff.); OLG Karlsruhe, FamRZ 2002, 488 (490).<br />
188 BGHSt 40, 257 (262); OLG Karlsruhe, FamRZ 2002, 488<br />
(490).<br />
189 BGHSt 40, 257 (262 ff.); Saliger, JuS 1999, 16 (18).<br />
190 BGH NJW 2003, 1588 (1592).<br />
191 BGH NJW 2003, 1588 (1592).<br />
192 Taupitz, Gutachten 63. DJT, A 84; Saliger, JuS 1999, 16 (20);<br />
BGH NJW 2003, 1588 (1593).<br />
193 BGH NJW 2003, 1588 (1593); LG Duisburg, NJW 1999, 2744<br />
(2745); Palandt – Diederichsen, § 1904, Rn. 6.<br />
194 So wurde die Entscheidung verstanden von: Alberts, BtPrax<br />
2003, 139 (140); Hufen, ZRP 2003, 248 (250); Kutzer, ZRP<br />
2003, 213 (214); Lipp, FamRZ 2003, 756 (756); Paehler, BtPrax<br />
2003, 141 (143).<br />
195 So Coeppicus, Rpfleger 2004, 262 (264); Hahne, FamRZ 2003,<br />
1619 (1622); Lipp, FamRZ 2004, 317 (323); Roth, JZ 2004, 494<br />
(502).<br />
196 Roth, JZ 2004, 494 (502); Coeppicus, Rpfleger 2004, 262 (264).
<strong>Zusatzmaterial</strong> <strong>zu</strong> <strong>AL</strong> <strong>2007</strong>, <strong>124</strong> <strong>Ad</strong> <strong>Legendum</strong> 17<br />
gungserteilung angerufen werden. 197 Ein Konfliktfall sei<br />
hingegen sicher gegeben, wenn der Arzt die Patientenverfügung<br />
im Gegensatz <strong>zu</strong>m Betreuer für unbeachtlich<br />
halte, bzw. der umgekehrte Fall, dass der Arzt eine<br />
Nichtvornahme bzw. einen Abbruch der Behandlung<br />
aufgrund der Patientenverfügung wolle, der Betreuer<br />
diese jedoch als nicht bindend erachte und daher eine<br />
(Weiter-)Behandlung durch<strong>zu</strong>setzen versuche. 198<br />
(d) Stellungnahme<br />
Für ein vormundschaftsgerichtliches Genehmigungsverfahren<br />
spricht <strong>zu</strong>nächst dessen Präventivfunktion.<br />
Es soll in erster Linie den Betreuten in seinen Grundrechten<br />
auf Leben, Selbstbestimmung und Menschenwürde<br />
schützen. 199 Zu nennen sind im Zusammenhang<br />
mit dem Schutz des Betreuten zwei Argumente, die<br />
Kontrollfunktion des Gerichts und der auf dem Betreuer<br />
lastende Rechtfertigungsdruck. 200<br />
So überprüft das Gericht, ob der Betreuer mit seiner Behandlungsanweisung<br />
auch entsprechend dem im Patiententestament<br />
erklärten Willen handelt bzw. ob die konkreten<br />
Umstände ein Abweichen rechtfertigen können<br />
und ob er in einem solchen Fall den mutmaßlichen Willen<br />
des Betreuten vorher erschöpfend ermittelt hat. Die<br />
Genehmigung ist eine Außengenehmigung und damit<br />
Vorausset<strong>zu</strong>ng für die Wirksamkeit der Entscheidung<br />
des Vertreters. 201<br />
Zwar muss man bezweifeln, dass das Gericht etwaige<br />
Meinungsumschwünge des Betreuten eher kennen wird<br />
bzw. dessen mutmaßlichen Willen besser <strong>zu</strong> ermitteln<br />
vermag als der dem Betroffenen oftmals nahe stehende<br />
Betreuer. Dennoch wird das VormG in evidenten<br />
Fällen eines Missbrauchs der Vertretungsmacht diesen<br />
erkennen können mit der Folge, die Genehmigung <strong>zu</strong><br />
versagen und Sanktionen gegen den pflichtwidrig handelnden<br />
Betreuer ein<strong>zu</strong>leiten. Mitunter wird dieser ein<br />
nicht geringes eigenes Interesse daran haben, den Willen<br />
seines Schutzbefohlenen hinter eigenen Motivationen<br />
und Überlegungen <strong>zu</strong>rück<strong>zu</strong>stellen. Handelt es sich bei<br />
dem Betreuten etwa um einen Langzeitpatienten, dessen<br />
Vermögen durch die Behandlungskosten aufgezehrt<br />
<strong>zu</strong> werden droht und ist der Betreuer Begünstigter im<br />
Erbfall, so besteht naturgemäß auch die Gefahr, dass dieser<br />
dem Betreuten einen in Wirklichkeit nie vorhanden<br />
gewesenen Abbruchwillen zwecks „Rettung“ des Restvermögens<br />
unterschiebt. Die Hemmschwelle <strong>zu</strong> solch<br />
einem den Tod des Patienten herbeiführenden Verhalten<br />
dürfte in der Regel relativ niedrig sein, erscheint das Leben<br />
des Betroffenen einem gesunden Außenstehenden<br />
oftmals ohnehin nicht mehr lebenswert.<br />
Eng verbunden mit dem Argument der Kontrollfunktion<br />
ist daher das des Rechtfertigungsdrucks. Es macht einen<br />
für das Handeln des Betreuers entscheidenden Unterschied,<br />
ob dieser seine Entscheidung für bzw. gegen<br />
die Vornahme lebensverlängernder Maßnahmen völlig<br />
alleine, unabhängig von der Kontrolle eines Dritten<br />
treffen kann, oder ob der Betreuer weiß, dass er seine<br />
Entscheidung noch vor einem Gericht plausibel erklären<br />
müssen wird. 202 Vor allem trägt der Betreuer für ein Abweichen<br />
von dem in erklärten Willen des Patienten die<br />
Beweislast. 203 Das Wissen um eine zwangsläufig auf ihn<br />
<strong>zu</strong>kommende staatliche Überprüfung seines Handelns<br />
wird den Betreuer daher gewöhnlich <strong>zu</strong>r pflichtmäßigen<br />
Erfüllung seiner Aufgaben anhalten.<br />
Neben dem Schutz des Betreuten dient ein Genehmigungserfordernis<br />
auch dem Schutz bzw. der Entlastung<br />
des Betreuers. Diesem soll durch eine Kontrolle des<br />
VormG die Last einer alleinigen Entscheidung gegen<br />
lebensverlängernde oder -erhaltende Behandlungen genommen<br />
werden. 204<br />
Durch eine Genehmigung des VormG wird dem Betreuerhandeln<br />
der „Stempel der Rechtmäßigkeit“ aufgedrückt,<br />
wodurch allen Beteiligten die Sicherheit gegeben<br />
werden soll, dass die Entscheidung des Betreuers auch<br />
wirklich dem Willen des Patienten entspricht. Der Betreuer<br />
ist dadurch auch dem Risiko einer strafrechtlichen<br />
ex post-Betrachtung entzogen.<br />
Diesen in der Sache durchaus überzeugenden Gründen<br />
ist jedoch der effektive Schutz der Selbstbestimmung<br />
entgegen<strong>zu</strong>halten. Hat der Patient selbst mittels einer<br />
eindeutigen Patientenverfügung die Einwilligung in lebenserhaltende<br />
Maßnahmen verweigert, so müsste er<br />
nach den bisherigen Ausführungen dennoch eine Genehmigung<br />
des VormG abgewartet werden. Bedenkt<br />
man, dass ein solches vormundschaftsgerichtliches Verfahren<br />
mitunter Wochen in Anspruch nimmt und in dieser<br />
Zeit der Patient gegen seinen ausdrücklich in einem<br />
Patiententestament geäußerten Willen weiterbehandelt<br />
wird, so entzieht das ursprünglich <strong>zu</strong>m Schutz der<br />
Selbstbestimmung gedachte Genehmigungserfordernis<br />
dem Patiententestament letztendlich jede eigenständige<br />
Bedeutung als Instrument der Selbstbestimmung. 205 Eine<br />
generelle Genehmigungspflicht wird man daher ablehnen<br />
müssen. Es ist vielmehr <strong>zu</strong> differenzieren:<br />
Sind sich der Betreuer und der behandelnde Arzt über<br />
Inhalt und Bindungswirkung einer Patientenverfügung<br />
einig, so ist ein Genehmigungserfordernis ab<strong>zu</strong>lehnen.<br />
Es ist davon aus<strong>zu</strong>gehen, dass das Erfordernis der Einstimmigkeit<br />
schon eine gegenseitige Kontrolle gewährleistet<br />
und damit auch das Risiko eines Missbrauchs der<br />
Vertretungsmacht <strong>zu</strong> minimieren vermag. Zudem wird<br />
der Wille des Patienten <strong>zu</strong>mindest nicht zweifelhaft sein,<br />
ansonsten bestünde kein Konsens. Es ist daher nicht ge-<br />
197 Hahne, FamRZ 2003, 1619 (1621 f.); Lipp, FamRZ 2004, 317<br />
(323); Roth, JZ 2004, 494 (502); Coeppicus, Rpfleger 2004, 262<br />
(264).<br />
198 Lipp, FamRZ 2004, 317 (323); Roth, JZ 2004, 494 (502).<br />
199 Vgl. BGH NJW 2003, 1588 (1593).<br />
200 Taupitz, Gutachten 63. DJT, A 82; Erman – Roth, § 1904<br />
Rn. 25.<br />
201 Lipp, Patientenautonomie, S. 42.<br />
202 Taupitz, Gutachten 63. DJT, A 82 f.<br />
203 Vgl. oben, B. VI. 5.<br />
204 BGH NJW 2003, 1588 (1593); LG Duisburg, NJW 1999, 2744<br />
(2745); Palandt – Diederichsen, § 1904, Rn. 6.<br />
205 Lipp, FamRZ 2003, 756 (756); Schlüter, BGB-Familienrecht,<br />
Rn. 459.
18 <strong>Ad</strong> <strong>Legendum</strong> <strong>Zusatzmaterial</strong> <strong>zu</strong> <strong>AL</strong> <strong>2007</strong>, <strong>124</strong><br />
boten, trotz Einigkeit ein gerichtliches Verfahren ab<strong>zu</strong>warten.<br />
Liegt aber eine Konfliktsituation vor, sind Arzt und<br />
Betreuer also unterschiedlicher Auffassung über den<br />
Willen des Patienten, wird eine Entscheidung des VormG<br />
erforderlich. In einem solchen Fall ist der Wille des<br />
Betroffenen zweifelhaft. Um der Gefahr einer Fremdbestimmung<br />
oder gar eines Missbrauchs der Vertretungsmacht<br />
entgegen <strong>zu</strong> wirken, ist es geboten, den Willen des<br />
Patienten in einem gerichtlichen Verfahren möglichst<br />
eindeutig ermitteln.<br />
Eine bis <strong>zu</strong>r Entscheidung durchgeführte Weiterbehandlung<br />
des Patienten stößt auf keine verfassungsrechtlichen<br />
Bedenken. Es dient gerade der Feststellung<br />
des Patientenwillens und damit der Sicherstellung seines<br />
Selbstbestimmungsrechts. 206<br />
Fest<strong>zu</strong>halten ist, dass ein vormundschaftsgerichtliches<br />
Genehmigungsverfahren nur in den Fällen durchgeführt<br />
werden darf, in denen der behandelnde Arzt und der Betreuer<br />
unterschiedlicher Auffassung über die Beachtlichkeit<br />
einer Patientenverfügung sind.<br />
8. Bindung des Arztes bzw. des Pflegepersonals<br />
Ist es aus zeitlichen Gründen nicht möglich, für die<br />
Entscheidung, ob lebensverlängernde Maßnahmen eingeleitet<br />
werden sollen, die Bestellung eines Betreuers<br />
ab<strong>zu</strong>warten, muss der behandelnde Arzt über die Vornahme<br />
entscheiden. 207 Ist ihm bekannt, dass der Patient<br />
eine Patientenverfügung errichtet hat, etwa weil dieser<br />
sie bei sich trug, ist der Arzt an die daran geäußerten Anweisungen<br />
gebunden. 208<br />
Hat er Zweifel an der Eindeutigkeit einer Patientenverfügung,<br />
wird der Arzt die Bestellung eines Betreuers<br />
beim VormG beantragen müssen. Bis <strong>zu</strong>r Entscheidung<br />
des Betreuers wird eine Behandlung des Patienten gerechtfertigt<br />
sein.<br />
Fraglich ist ferner, ob das den Patienten betreuende Pflegepersonal<br />
einen Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen<br />
gestützt auf eigene Grundrechte verweigern darf<br />
mit der Folge, dass der Betroffene entgegen seinem ausdrücklich<br />
geäußerten Willen behandelt wird. 209<br />
Das OLG München hat in dem so genannten „Traunsteiner<br />
Fall“ 210 das Grundrecht des Pflegepersonals auf<br />
Gewissensfreiheit, Art. 4 I, 2 Var. GG, als entgegenstehend<br />
angesehen. 211 Die Pflegekräfte hatten sich entgegen<br />
dem durch den Betreuer umgesetzten Abbruchwillen<br />
des Betroffenen, der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung<br />
und einer entsprechenden Abbruchanweisung<br />
des Arztes geweigert, die angelegte PEG-Sonde <strong>zu</strong><br />
beseitigen.<br />
Der Argumentation des OLG München ist <strong>zu</strong>m einen<br />
entgegen <strong>zu</strong> halten, dass die Gewissensfreiheit grundsätzlich<br />
keinen Eingriff in die Grundrechte eines anderen<br />
<strong>zu</strong> legitimieren vermag. 212<br />
Zum anderen dürfte die Gewissensfreiheit des Pflegepersonals<br />
keinesfalls höher bewertet werden als das Grundrecht<br />
des Patienten auf Selbstbestimmung.<br />
Ferner wäre die praktische Durchsetzbarkeit des Patientenwillens<br />
trotz eindeutigen Patiententestaments, entsprechender<br />
Betreuerentscheidung und etwaiger Genehmigung<br />
durch das VormG im Einzelfall unmöglich. Ein<br />
Patiententestament wäre praktisch wertlos. 213<br />
Auch wird man dem Pflegepersonal erst recht <strong>zu</strong>muten<br />
können, einem vom Patientenwillen getragenen Behandlungsabbruch<br />
<strong>zu</strong> entsprechen, wenn man dies schon<br />
beim Betreuer tut, der dem Betroffenen oftmals nahe<br />
steht und daher regelmäßig emotional stärker gebunden<br />
ist als ein Pfleger.<br />
Abschließend sei noch angemerkt, dass bei der Weiterbehandlung<br />
des Patienten für das Pflegeheim auch finanzielle<br />
Interessen eine Rolle spielen und diese daher unter<br />
dem Deckmantel der Gewissensfreiheit vorgetragen<br />
werden könnten.<br />
Aus diesen Gründen kann dem OLG München nicht<br />
gefolgt werden. Die Kräfte eines Pflegeheims müssen<br />
vielmehr ebenso durch den im Patiententestament geäußerten<br />
Willen des Betroffenen gebunden sein wie die<br />
übrigen Beteiligten.<br />
C. Das Patiententestament de lege ferenda<br />
I. Bedürfnis einer gesetzlichen Regelung des Patiententestaments<br />
Vielfach wurde im Schrifttum der Ruf nach einem Einschreiten<br />
des Gesetzgebers auf dem Gebiet der Patientenverfügungen<br />
laut. 214 Verunsicherung herrscht angesichts<br />
der Anzahl stark divergierender Auffassungen in<br />
diesem sensiblen Bereich nicht nur beim Bürger, sondern<br />
ebenso bei der Ärzteschaft und sogar bei den Vormundschaftsgerichten.<br />
215 Neben der mangelnden Rechtsklarheit<br />
stößt der 12. Zivilsenat des BGH mit seinem<br />
Beschluss vom 17.03.2003 aber auch auf verfassungsrechtliche<br />
Bedenken. So schränkt er das grundrechtlich<br />
geschützte Selbstbestimmungsrecht des Bürgers ein, indem<br />
er für die Anwendbarkeit einer Patientenverfügung<br />
das Vorliegen eines irreversiblen tödlichen Verlaufs verlangt.<br />
Zudem wird im Zuge richterlicher Rechtsfortbildung<br />
das Erfordernis einer vormundschaftsgerichtlichen<br />
Genehmigung, das zwangsläufig eine Verzögerung der<br />
Verwirklichung des Patientenwillens mit sich bringt,<br />
206 Hufen, ZRP 2003, 248 (251 f.); Lipp, FamRZ 2004, 317 (323).<br />
207 Lipp, FamRZ 2004, 317 (321); Taupitz, Gutachten 63. DJT,<br />
A 120.<br />
208 Vgl. oben B. VI. 5.<br />
209 Über einen solchen Fall hatte das OLG München <strong>zu</strong> entscheiden,<br />
FamRZ 2003, 557.<br />
210 OLG München NJW 2003, 1743 (1743).<br />
211 OLG München, NJW 2003, 1743 (1743).<br />
212 Hufen, ZRP 2003, 248 (252); im Ergebnis auch OVG Koblenz<br />
DVBl 1997, 1191 (1191 f.); BVerwG, NJW 2000, 88 (88).<br />
213 Uhlenbruck, NJW 2003, 1710 (1711).<br />
214 Erman – Roth, § 1904 Rn. 23; Hufen, ZRP 2003, 248 (252);<br />
Lipp, Patientenautonomie, S. 55; Schlüter, BGB-Familienrecht,<br />
Rn. 459.<br />
215 Simon/Lipp/Tietze/Nickel/van Oorschot, MedR 2004, 303<br />
(306).
<strong>Zusatzmaterial</strong> <strong>zu</strong> <strong>AL</strong> <strong>2007</strong>, <strong>124</strong> <strong>Ad</strong> <strong>Legendum</strong> 19<br />
aufgestellt.<br />
Solche Vorgaben betreffen existentielle Grundfragen<br />
des Bürgers, für deren Regelung nach der Wesentlichkeitstheorie<br />
wegen der Grundrechtsrelevanz ein förmliches<br />
Gesetz erforderlich wäre. 216 Aus diesem Grund ist<br />
es bereits höchst fragwürdig, ob die Entscheidung des<br />
BGH einer verfassungsrechtlichen Kontrolle überhaupt<br />
standhielte. Jedenfalls ist es aber dringend geboten, dass<br />
der Gesetzgeber alsbald in diesem Bereich regelnd tätig<br />
wird und damit für alle Beteiligten Rechtsklarheit<br />
schafft.<br />
II. Vorschläge für eine gesetzliche Regelung des Patiententestaments<br />
Dieses generelle Bedürfnis hat da<strong>zu</strong> geführt, dass Vorschläge<br />
einer Bewertung und gesetzlichen Regelung<br />
von Patientenverfügungen von der Enquete-Kommission<br />
„Ethik und Recht der modernen Medizin“<br />
und der Arbeitsgruppe „Patientenautonomie am Lebensende“<br />
hervorgebracht worden sind, woran sich<br />
wiederum Empfehlungen anderer Interessenvereinigungen<br />
angeschlossen haben.<br />
1. Der Arbeitsgruppe „Patientenautonomie am Lebensende“<br />
Die von der Justizministerin eingesetzte interdisziplinäre<br />
Arbeitsgruppe „Patientenautonomie am Lebensende“<br />
(AGP) hat am 10. Juni 2004 ihren Bericht vorgestellt.<br />
Auf der Grundlage der darin enthaltenden Vorschläge<br />
hat die Bundesministerin am 5. November 2004 den<br />
Entwurf eines dritten Gesetzes <strong>zu</strong>r Änderung des Betreuungsrechts<br />
vorgelegt, 217 den sie inzwischen zwecks<br />
Überarbeitung wieder <strong>zu</strong>rückgezogen hat. Er soll später<br />
nicht mehr als Kabinettsvorlage eingebracht, sondern<br />
als „Formulierungshilfe“ einem Gruppenantrag aus der<br />
SPD-Fraktion <strong>zu</strong>r Verfügung gestellt werden.<br />
Im Folgenden wird daher ausschließlich auf die Ausführungen<br />
der Arbeitsgruppe eingegangen, die sich aber<br />
im Wesentlichen mit denen des Referentenentwurfs decken.<br />
Der Bericht der AGP sieht einen Gesetzentwurf vor, der<br />
dem Einzelnen ein Maximum an Freiheit und Autonomie<br />
hinsichtlich der antizipativen Festlegung der späteren<br />
medizinischen Versorgung bei einem Minimum an<br />
gesetzlichen Vorgaben und staatlichen Kontrollmechanismen<br />
gewährt.<br />
So bedürfe die Patientenverfügung keiner Form 218 und<br />
sei in ihrer Reichweite nicht auf ein bestimmtes Krankheitsstadium<br />
beschränkt, insbesondere nicht auf einen<br />
irreversiblen tödlichen Verlauf des Grundleidens. 219 Der<br />
in einer Patientenverfügung geäußerte Wille sei nicht<br />
befristet, sondern gelte vielmehr solange fort, bis konkrete<br />
Anhaltspunkte für einen Widerruf ersichtlich würden.<br />
220<br />
Ferner solle das VormG nur dann zwecks Genehmigung<br />
der Betreuerentscheidung eingeschaltet werden, wenn<br />
Arzt und Betreuer unterschiedlicher Auffassung über<br />
den Inhalt einer Patientenverfügung seien. 221 Eine solche<br />
Beschränkung auf Konfliktfälle gelte sowohl, wenn der<br />
Betreuer in eine ärztliche Maßnahme einwillige, die mit<br />
den Gefahren des gültigen § 1904 I BGB verbunden sei,<br />
als auch, wenn dieser die Einwilligung verweigere oder<br />
widerrufe und an<strong>zu</strong>nehmen sei, dass der Betreute auf<br />
Grund des Unterbleibens oder des Abbruchs der Maßnahme<br />
sterbe, § 1904 III i.V.m. I, II BGB-AGP. 222<br />
Eine entsprechende Entscheidung eines Bevollmächtigten<br />
müsse das VormG generell nicht genehmigen, also<br />
auch nicht in Konfliktfällen, § 1904 V 2 BGB-AGP. Die<br />
dem <strong>zu</strong>grunde liegende Vollmacht müsse aber schriftlich<br />
erteilt sein und diese Maßnahmen ausdrücklich umfassen,<br />
§ 1904 V 1 BGB-AGP. 223<br />
2. Der Enquete-Kommission „Ethik und Recht der<br />
modernen Medizin“<br />
Einen den staatlichen Lebensschutz wesentlich stärker<br />
betonenden und damit die Patientenautonomie durch<br />
staatliche Vorgaben und Kontrollen beschränkenden<br />
Gesetzesvorschlag hat die Enquete-Kommission<br />
„Ethik und Recht der modernen Medizin“ des Bundestages<br />
(EK) mit ihrem Zwischenbericht Patientenverfügungen<br />
224 vom 13. September 2004 vorgestellt.<br />
Eine Patientenverfügung müsse stets im Kontext von<br />
Fürsorge und Gerechtigkeit betrachtet werden. 225 Zwar<br />
gelte auch hier der antizipiert getroffene Wille des Patienten<br />
grundsätzlich fort, wenn keine konkreten Umstände<br />
für eine Willensänderung sprächen und die aktuelle<br />
Behandlungssituation hinreichend umfasst sei,<br />
§ 1901b II BGB-EK. 226 Es müsse für die Errichtung einer<br />
Patientenverfügung aber die Schriftform eingehalten<br />
werden, § 1901b I 1 BGB-EK. 227<br />
Zudem wird die Reichweite von Patientenverfügungen,<br />
die einen Behandlungsverzicht oder –abbruch vorsehen,<br />
der <strong>zu</strong>m Tode führen würde, auf Fallkonstellationen<br />
beschränkt, in denen das Grundleiden irreversibel<br />
ist und trotz medizinischer Behandlung nach ärztlicher<br />
Erkenntnis <strong>zu</strong>m Tode führen wird, § 1901b III, IV<br />
BGB-EK. 228 Ferner setzt der Entwurf voraus, dass vor<br />
einer Entscheidung gegen Aufnahme oder Fortset<strong>zu</strong>ng<br />
von lebenserhaltenden Maßnahmen der Betreuer bzw.<br />
Bevollmächtigte obligatorisch durch ein Konsil über<br />
die Bindungswirkung der Verfügung beraten werden<br />
216 BVerfGE 49, 89 (126); 77, 170 (230); Degenhart, Staatsorganisationsrecht,<br />
Rn. 335 ff.; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht,<br />
§ 8, Rn. 21 f.<br />
217 RefE, in: Lipp, Patientenautonomie, im Anhang.<br />
218 Bericht AGP, III.2.<br />
219 Bericht AGP, V.1.1.1.<br />
220 Bericht AGP, V.1.2.2.a).<br />
221 Bericht AGP, V.1.2.2.b) <strong>zu</strong> § 1904 II BGB neu.<br />
222 Bericht AGP, V.1.2.2.a).<br />
223 Bericht AGP, V.1.2.2.b) <strong>zu</strong> § 1904 V BGB neu.<br />
224 BT-Drs. 15/3700.<br />
225 BT-Drs. 15/3700, 2.2.<br />
226 Vgl. auch BT-Drs. 15/3700, 6.1.<br />
227 Vgl. auch BT-Drs. 15/3700, 6.3.<br />
228 Vgl. auch BT-Drs. 15/3700, 6.2.
20 <strong>Ad</strong> <strong>Legendum</strong> <strong>Zusatzmaterial</strong> <strong>zu</strong> <strong>AL</strong> <strong>2007</strong>, <strong>124</strong><br />
müsse. Dieses setze sich <strong>zu</strong>sammen aus behandelndem<br />
Arzt, rechtlichem Vertreter, einem Mitglied des Pflegeteams<br />
und einem Angehörigen. 229 Darüber hinaus<br />
bedürfe sowohl der Betreuer als auch der Bevollmächtigte<br />
für eine derartige Verweigerung der Einwilligung<br />
stets die Genehmigung des VormG, § 1901b VII, VIII 1<br />
BGB-EK. 230<br />
3. Empfehlungen anderer Interessenvereinigungen<br />
a) Des Nationalen Ethikrates<br />
Auch der Nationale Ethikrat hat <strong>zu</strong> dem Thema Stellung<br />
genommen. Die Empfehlungen decken sich überwiegend<br />
mit den Vorschlägen der AGP. 231 Er fordert<br />
lediglich die Einhaltung der Schriftform oder einer vergleichbar<br />
verlässlichen Dokumentation, wie z.B. der Videoaufnahme.<br />
232<br />
b) Des Humanistischen Verbands Deutschlands<br />
Der Humanistische Verband Deutschlands (HVD) hat<br />
bereits am 20. September 2003 seine Eckpunkte für eine<br />
gesetzliche Regelung von Patientenrechten und Sterbehilfe<br />
vorgestellt. Während seine Empfehlungen weitestgehend<br />
mit den Regelungsvorschlägen der AGP übereinstimmen,<br />
will der HVD außerdem unter Beibehaltung<br />
der prinzipiellen Rechtswidrigkeit der Tötung auf<br />
Verlangen gem. § 216 I StGB in Ausnahmefällen deren<br />
Zulässigkeit durchsetzen. 233<br />
III. Stellungnahme<br />
Allgemeiner Konsens besteht darüber, dass eine Patientenverfügung<br />
in der Regel nicht lediglich ein gewichtiges<br />
Indiz für den mutmaßlichen Willen darstelle, sondern<br />
als vorweggenommene Erklärung der Einwilligung in<br />
die Behandlung oder ihrer Ablehnung grundsätzlich<br />
verbindlich sei, es sei denn konkrete Anhaltspunkte<br />
sprächen gegen eine solche unmittelbare Bindungswirkung<br />
und „entwerteten“ die Verfügung <strong>zu</strong> einem Indiz.<br />
Dem ist <strong>zu</strong><strong>zu</strong>stimmen. 234<br />
Für eine unmittelbar verbindliche Patientenverfügung<br />
sind sowohl die vorherige ärztliche Aufklärung als auch<br />
die Schriftform zwar dringend <strong>zu</strong> empfehlen, jedoch<br />
nicht zwingend erforderlich. Insoweit wird auf das oben<br />
Gesagte verwiesen. 235<br />
1. Zur Vorausset<strong>zu</strong>ng des „irreversiblen tödlichen<br />
Verlaufs“<br />
Jede Beschränkung der Reichweite von Patientenverfügungen,<br />
insbesondere auf das Vorliegen eines irreversiblen<br />
tödlichen Verlaufs des Grundleidens, ist ab<strong>zu</strong>lehnen.<br />
236 Hier<strong>zu</strong> sei noch angemerkt, dass die EK den tödlichen<br />
Verlauf – entsprechend der engen Auslegung des<br />
„tödlichen Verlaufs“ des 12. Zivilsenats 237 - ausdrücklich<br />
so definiert hat, dass das Grundleiden trotz medizinischer<br />
Behandlung <strong>zu</strong>m Tode führen werde, § 1901b III a.E.<br />
BGB-EK. Die EK verwirft somit einen Abbruchwillen<br />
etwa bei einem Wachkoma-Patienten, dessen Zustand<br />
im Übrigen stabil ist, als unbeachtlich. 238 Insbesondere<br />
einem solchen Verständnis des „irreversiblen tödlichen<br />
Verlaufs“ muss energisch widersprochen werden. Insoweit<br />
ist den übrigen Vorschlägen <strong>zu</strong> folgen.<br />
2. Zum Genehmigungserfordernis durch das<br />
VormG<br />
Eine generelle Einschaltung des VormG bei Verweigerung<br />
lebenserhaltender oder –verlängernder Maßnahmen<br />
durch den Betreuer ist nicht geboten. Eine Genehmigung<br />
der Betreuerentscheidung muss vielmehr nur in<br />
Konfliktfällen eingeholt werden. 239 Maßgeblich ist der<br />
Konsens zwischen Arzt und Betreuer. Insoweit ist der<br />
Vorschlag der EK eines prinzipiellen Genehmigungsbedürfnisses<br />
ab<strong>zu</strong>lehnen. Konsequenterweise wird man<br />
das Tätigwerden des VormG auch in den Fällen auf<br />
Konfliktsituationen beschränken müssen, in denen der<br />
Betreuer die Einwilligung in eine ärztliche Behandlung<br />
erteilt, die mit den in § 1904 I BGB genannten Risiken<br />
verbunden ist. Insoweit müsste der geltende § 1904 I<br />
BGB geändert werden. Wenn nämlich schon die Verweigerung<br />
der Einwilligung, die zwangsläufig den Tod des<br />
Betroffenen herbeiführt, nur in Konfliktfällen einer vormundschaftsgerichtlichen<br />
Kontrolle unterzogen wird,<br />
so wird man die Genehmigungspflicht erst recht für die<br />
Einwilligung des Betreuers in eine riskante, aber immerhin<br />
auf die Lebenserhaltung des Betroffenen gerichtete<br />
Maßnahme einschränken müssen. Insoweit besteht ein<br />
geringeres staatliches Schutzbedürfnis.<br />
Sind sich Arzt und Betreuer über Reichweite und Inhalt<br />
des Patientenwillens einig, bleibt kein Raum für ein Genehmigungserfordernis.<br />
Bestehen bleiben muss jedoch<br />
die unverzichtbare und jedermann <strong>zu</strong>stehende Befugnis,<br />
das VormG <strong>zu</strong>r Missbrauchskontrolle an<strong>zu</strong>rufen. 240<br />
Dieses kann entweder einen Vollmachts- bzw. Kontrollbetreuer<br />
einsetzen (§ 1896 III BGB) oder in Eilfällen<br />
selbst tätig werden (§§ 1908i I 1 i.V.m. 1846 BGB).<br />
Ist dem Regelungsvorschlag der AGP diesbezüglich<br />
grundsätzlich <strong>zu</strong><strong>zu</strong>stimmen, so lässt sich dennoch eine<br />
Missverständnisse bergende Ungenauigkeit erkennen. 241<br />
In § 1904 III BGB-AGP wird die Genehmigung für<br />
229 Vgl. auch BT-Drs. 15/3700, 6.5.<br />
230 Vgl. auch BT-Drs. 15/3700, 6.6.<br />
231 Vgl. vor allem Nationaler Ethikrat, Stellungnahme, Nr. 4, 5, 7,<br />
8 der Empfehlungen.<br />
232 Nationaler Ethikrat, Stellungnahme, Empfehlung 10.<br />
233 HVD, Eckpunkte, Nr. 7; die Beihilfe <strong>zu</strong>m Suizid betreffend:<br />
Nr. 6.<br />
234 Vgl. oben B. VI. 5.<br />
235 Vgl. oben B. III. 1. und 2.<br />
236 Vgl. oben B. IV. 4.<br />
237 Vgl. oben B. IV. 3.<br />
238 Diese Fälle sollen ausdrücklich von der Umset<strong>zu</strong>ng des in einer<br />
Patientenverfügung erklärten Abbruchwunsches ausgenommen<br />
sein, solange nicht weitere Komplikationen auftreten, die<br />
<strong>zu</strong>m Tode des Patienten führen, vgl. BT-Drs. 15/3700, 6.2.<br />
239 Vgl. oben B. VI. 7. b) bb) (2) (d).<br />
240 So <strong>zu</strong>treffend Bericht AGP, V.1.2.2. <strong>zu</strong> § 1904 III BGB neu.<br />
241 Lipp, Patientenautonomie, S. 50 f.
<strong>Zusatzmaterial</strong> <strong>zu</strong> <strong>AL</strong> <strong>2007</strong>, <strong>124</strong> <strong>Ad</strong> <strong>Legendum</strong> 21<br />
nicht erforderlich gehalten, wenn sich Arzt und Betreuer<br />
über den „Willen“ des Betroffenen einig sind. Der Wille<br />
kann aber sowohl als der erklärte Wille, also als eine antizipierte<br />
Einwilligung oder Ablehnung, als auch als der<br />
mutmaßliche Wille des Patienten verstanden werden.<br />
Es scheint also, dass im Konfliktfall auch eine eindeutige<br />
Patientenverfügung, die eine antizipierte Erklärung des<br />
Betroffenen verkörpert, einer vormundschaftsgerichtlichen<br />
Kontrolle unterzogen werden müsste. § 1904 IV 5<br />
BGB-AGP verneint in diesem Fall aber gerade eine materielle<br />
Genehmigungspflicht. Das VormG hat dann<br />
das Verfahren vielmehr mit einem Negativattest, also<br />
der Feststellung, dass es einer Genehmigung eben nicht<br />
bedarf, ab<strong>zu</strong>schließen. 242 Insoweit wäre eine unmissverständliche<br />
Formulierung wünschenswert. 243<br />
Die AGP schlägt ferner, die Entscheidungen des Bevollmächtigten<br />
generell von einer Genehmigungspflicht<br />
gemäß § 1904 V 2 BGB-AGP <strong>zu</strong> befreien. Demgegenüber<br />
fordert die EK eine generelle Genehmigungspflicht<br />
der Entscheidungen des Bevollmächtigten gemäß<br />
§ 1901b VIII 1 i.V.m. VII BGB-EK und dem geltenden<br />
§ 1904 II 1 i.V.m. I BGB.<br />
Gegen eine solche Genehmigungsbefreiung könnte sprechen,<br />
dass der Bevollmächtigte ebenso wie der Betreuer<br />
entsprechend dem geltenden § 1904 II BGB bei strittigen<br />
und für den Betroffenen existenziellen Entscheidungen<br />
einer staatlichen Kontrolle unterzogen, also gleichbehandelt<br />
werden müsste. Denkbar ist auch hier, dass ein<br />
Bevollmächtigter sachfremde Interessen verfolgen und<br />
den Willen des Betroffenen hinter diesen <strong>zu</strong>rückstehen<br />
lassen könnte.<br />
Dem ist jedoch entgegen<strong>zu</strong>halten, dass dem Betreuer die<br />
Vertretungsmacht durch einen staatlichen Akt verliehen<br />
wird, während die Vertretungsmacht des Bevollmächtigten<br />
auf einem privatrechtlichen Vertretungsauftrag<br />
beruht. 244 Insofern hat der Betroffene selbst schon auf<br />
eine Kontrolle des Bevollmächtigten verzichtet. Nur bei<br />
einer Bestellung durch den Staat sollte daher auch eine<br />
Kontrolle durch den Staat geschehen. 245<br />
Beabsichtigt der Einzelne im Übrigen lediglich die Person<br />
seiner späteren Betreuung fest<strong>zu</strong>legen, ohne aber<br />
eine staatliche Kontrolle in Konfliktfällen ausschließen<br />
<strong>zu</strong> wollen, wird ihm dies mittels einer Betreuungsverfügung<br />
möglich bleiben.<br />
Daher erscheint es sachgerecht, die Entscheidungen<br />
des Bevollmächtigten von einer Genehmigungspflicht<br />
grundsätzlich aus<strong>zu</strong>nehmen.<br />
Allerdings sind an eine Vollmachtserteilung erhöhte<br />
Anforderungen <strong>zu</strong> stellen. Einigkeit unter den Vorschlagenden<br />
besteht darin, dass der Vollmachtgeber die<br />
Befugnis <strong>zu</strong>m Verzicht auf eine lebenserhaltende Behandlung<br />
ausdrücklich und schriftlich erteilen muss. 246<br />
Ebenfalls muss, dies erwähnt auch die AGP, stets die<br />
Möglichkeit für jedermann offen bleiben, bei Verdacht<br />
des Missbrauchs der Vertretungsmacht das VormG an<strong>zu</strong>rufen.<br />
247<br />
3. Zur Beratung durch ein Konsil<br />
Die EK schlägt ferner vor, dass der Betreuer, bevor er<br />
eine Entscheidung für oder gegen lebensverlängernde<br />
Maßnahmen trifft, sich obligatorisch im Rahmen eines<br />
Konsils beraten müsse. Das Ergebnis sei <strong>zu</strong> dokumentieren.<br />
248 Eine solche Beratung solle die umfassende<br />
Berücksichtigung aller verfügbaren Informationen und<br />
vorhandenen Ansichten sicherstellen. 249 Auch die AGP<br />
beurteilt eine Einbeziehung von und Beratung mit den<br />
medizinischen Kräften, die den Betroffenen behandelt<br />
haben oder noch behandeln, ebenso wie die Hin<strong>zu</strong>ziehung<br />
der nächsten Angehörigen als sehr wichtig. 250 Sie<br />
will jedoch einen solchen „Informationsaustausch“ nicht<br />
als generell zwingend gesetzlich verankern.<br />
Zwar mag es in vielen Fällen unerlässlich ist, weitere Personen<br />
in den Entscheidungsprozess des Betreuers mit<br />
ein<strong>zu</strong>beziehen, so insbesondere bei der Ermittlung des<br />
mutmaßlichen Willens. Würde man aber eine Beratung<br />
im Konsil stets als obligatorisch voraussetzen, so hieße<br />
das ebenfalls, dass die Durchset<strong>zu</strong>ng eines eindeutigen<br />
Patiententestaments, das keinerlei „Beratung“ erfordert,<br />
verzögert würde. Eine solche Verzögerung wäre ebenso<br />
ein verfassungsrechtlich nicht <strong>zu</strong> rechtfertigender<br />
Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht des Patienten<br />
wie das Abwarten einer vormundschaftsgerichtlichen<br />
Genehmigung in eindeutigen Fällen. Ob eine Beratung<br />
wirklich notwendig ist, ist vielmehr eine Frage des Einzelfalls.<br />
Fühlt sich ein Angehöriger nicht ausreichend<br />
berücksichtigt hinsichtlich seiner Erfahrungen mit dem<br />
Betroffenen, so steht ihm stets die Möglichkeit offen,<br />
diesen Mangel dem VormG <strong>zu</strong> melden. Eine obligatorische<br />
Beratung durch ein Konsil ist daher ab<strong>zu</strong>lehnen.<br />
4. Sonstige Empfehlungen<br />
Des Weiteren ist der Vorschlag der AGP <strong>zu</strong> begrüßen,<br />
zwecks Klarstellung den § 216 StGB dahingehend <strong>zu</strong><br />
ergänzen, die indirekte und die passive Sterbehilfe ausdrücklich<br />
für <strong>zu</strong>lässig <strong>zu</strong> erklären. 251 Dagegen ist die<br />
Empfehlung des HVD einer, wenn auch nur auf Ausnahmefälle<br />
beschränkten, Zulässigkeit der aktiven Sterbehilfe<br />
ab<strong>zu</strong>lehnen. 252<br />
Ferner erscheint es sinnvoll, in § 1896 I BGB fest<strong>zu</strong>halten,<br />
dass das Vorliegen einer Patientenverfügung eine<br />
Betreuerbestellung nicht entbehrlich macht. 253<br />
242 Lipp, Patientenautonomie, S. 50 f.<br />
243 Lipp, Patientenautonomie, S. 50 f.<br />
244 Bericht AGP, V.1.2.2. <strong>zu</strong> § 1904 V BGB neu.<br />
245 Damit will die AGP die Verbreitung der Vorsorgevollmacht<br />
fördern, Bericht AGP, V.1.2.2. <strong>zu</strong> § 1904 V BGB neu.<br />
246 EK: § 1904 II BGB; AGP: § 1904 V 1.<br />
247 Vgl. nur Bericht AGP, II.2.4.c).<br />
248 § 1901b VI BGB-EK.<br />
249 BT-Drs. 15/3700, 6.5.<br />
250 Bericht AGP, V.1.2.2. <strong>zu</strong> § 1904 II BGB neu.<br />
251 Bericht AGP, V.2.1.<br />
252 Vgl. oben B. V. 1.<br />
253 So auch die EK, BT-Drs. 15/3700, 6.7 a.E.; vgl. auch oben B. VI.<br />
7. a); a.A. Eckpunkte HVD, Nr. 9.
22 <strong>Ad</strong> <strong>Legendum</strong> <strong>Zusatzmaterial</strong> <strong>zu</strong> <strong>AL</strong> <strong>2007</strong>, <strong>124</strong><br />
D. Ausblick<br />
Das Patiententestament ist bereits heute ein sehr häufig<br />
verwendetes Instrument, um das Selbstbestimmungsrecht<br />
auch für den Fall der Einwilligungsunfähigkeit <strong>zu</strong><br />
wahren und einer Fremdbestimmung entgegen<strong>zu</strong>wirken.<br />
Dennoch ist an<strong>zu</strong>nehmen, dass aufgrund der aktuellen<br />
öffentlichen Diskussion dieses Themas und der<br />
bedrohlich wirkenden demographischen Entwicklung<br />
in Deutschland ein anhaltender zahlenmäßiger Anstieg<br />
in den nächsten Jahren <strong>zu</strong> verzeichnen sein wird. Deshalb<br />
ist es nun Aufgabe des Gesetzgebers, alsbald eine<br />
gesetzliche Regelung <strong>zu</strong> finden, die die aktuell bestehende<br />
Rechtsunsicherheit <strong>zu</strong> beseitigen vermag und den<br />
Einzelnen bei der Ausübung seines verfassungsrechtlich<br />
verbürgten Selbstbestimmungsrechts nicht beschränkt,<br />
sondern unterstützt.<br />
Der Entwurf der Arbeitsgruppe „Patientenautonomie<br />
Literaturverzeichnis<br />
am Lebensende“ weist in die richtige Richtung. Dem<br />
Bürger muss die Möglichkeit eingeräumt werden, für<br />
jedermann verbindlich Art und Maß der späteren medizinischen<br />
Versorgung fest<strong>zu</strong>legen. Dabei darf die Beachtlichkeit<br />
der Behandlungsanweisungen weder von<br />
dem Vorliegen eines bestimmten Krankheitsstadiums<br />
abhängig gemacht noch ihre Umset<strong>zu</strong>ng durch ein in der<br />
Regel wenig hilfreiches und nicht begründetes gerichtliches<br />
Genehmigungsverfahren verzögert werden. Es ist<br />
<strong>zu</strong>dem Aufklärung in der Öffentlichkeit über dieses sensible<br />
Thema geboten.<br />
Auf der anderen Seite ist einem sich mitunter entwickelndem<br />
öffentlichen Druck, vor allem auf ältere Menschen,<br />
in einer Patientenverfügung die medizinische<br />
Behandlung für die letzte Lebensphase beschränken <strong>zu</strong><br />
müssen, unbedingt entgegen <strong>zu</strong> wirken. Denn auch dies<br />
wäre, freilich auf einer anderen Ebene, nichts anderes als<br />
Fremdbestimmung.<br />
63. Deutscher Juristentag Beschlüsse des 63. Deutschen Juristentages <strong>zu</strong>r Patientenautonomie am Ende<br />
des Lebens, NJW 2001, Beilage <strong>zu</strong> Heft 3, S. 13 – 14<br />
Alberts, Hermann Sterbehilfe, Vormundschaftsgericht und Verfassung, NJW 1999, S. 835 – 836<br />
Alberts, Hermann Sterben mit Genehmigungsvorbehalt?, BtPrax 2003, S. 139 – 141<br />
Ankermann, Ernst Verlängerung sinnlos gewordenen Lebens?, <strong>zu</strong>r rechtlichen Situation von<br />
Koma-Patienten, MedR 1999, S. 387 – 392<br />
Arbeitsgruppe „Patientenautonomie<br />
am Lebensende“<br />
Bamberger, Heinz Georg<br />
/Roth, Herbert<br />
Baumann, Wolfgang / Hartmann,<br />
Christian<br />
Bericht Patientenautonomie am Lebensende – Ethische, rechtliche und medizinische<br />
Aspekte <strong>zu</strong>r Bewertung von Patientenverfügungen vom 10.06.2004,<br />
abrufbar unter http://www.bmj.bund.de/media/archive/695.pdf, zit.: Bericht<br />
AGP<br />
Kommentar <strong>zu</strong>m Bürgerlichen Gesetzbuch, Band 3, §§ 1297 – 2385, München,<br />
2003<br />
Die zivilrechtliche Absicherung der Patientenautonomie am Ende des Lebens<br />
aus der Sicht der notariellen Praxis, DNotZ 2000, S. 594 – 615<br />
Berger, Christian Privatrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten <strong>zu</strong>r Sicherung der Patientenautonomie<br />
am Ende des Lebens, JZ 2000, S. 797 – 805<br />
Bienwald, Werner Anmerkung <strong>zu</strong> OLG Karlsruhe FamRZ 2002, S. 488 – 492, FamRZ 2002, S.<br />
492 – 494<br />
Brox, Hans Erbrecht, 20. Auflage, Köln, Berlin, Bonn, München, 2003
<strong>Zusatzmaterial</strong> <strong>zu</strong> <strong>AL</strong> <strong>2007</strong>, <strong>124</strong> <strong>Ad</strong> <strong>Legendum</strong> 23<br />
Bühler, Ernst / Stolz, Konrad Wann hat ein „Grundleiden“ einen irreversiblen tödlichen Verlauf angenommen?<br />
– Zur Entscheidung des BGH v. 17.3.2003, FamRZ 2003, S. 1622 – 1623<br />
Bundesärztekammer Richtlinien der Bundesärztekammer für die Sterbehilfe, MedR 1985, S. 38<br />
– 39<br />
Bundesärztekammer Grundsätze der Bundesärztekammer <strong>zu</strong>r ärztlichen Sterbebegleitung, NJW<br />
1998, S. 3406 – 3407<br />
Bundesjustizministerium Entwurf eines 3. Gesetzes <strong>zu</strong>r Änderung des Betreuungsrechts, Anlage <strong>zu</strong><br />
Lipp, Patientenautonomie und Lebensschutz, <strong>zu</strong>r Diskussion um eine gesetzliche<br />
Regelung der „Sterbehilfe“, Göttingen, 2005<br />
Coeppicus, Rolf Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen, Sterbehilfe im und nach dem Beschluss<br />
des BGH vom 17.3.2003, Rpfleger 2004, S. 262 – 267<br />
Degenhart, Christoph Staatsorganisationsrecht, 20. Auflage, Heidelberg, 2004<br />
Deichmann, Marco Vormundschaftlich genehmigtes Töten durch Unterlassen?, MDR 1995, S.<br />
983 – 985<br />
Detering, Jutta Forum: § 216 StGB und die aktuelle Diskussion um die Sterbehilfe, JuS 1983,<br />
S. 418 – 423<br />
Deutsch, Erwin Der Zeitpunkt der ärztlichen Aufklärung und die antezipierte Einwilligung<br />
des Patienten, NJW 1979, S. 1905 – 1909<br />
Deutsch, Erwin Arztrecht und Arzneimittelrecht, Berlin, Heidelberg, New York, 1983<br />
Deutsch, Erwin / Spickhoff,<br />
Andreas<br />
Dodegge, Georg / Roth, Andreas<br />
Medizinrecht: Arztrecht, Arzneimittelrecht, Medizinprodukterecht und<br />
Transfusionsrecht, 5. Auflage, Berlin, Heidelberg, 2003<br />
Betreuungsrecht, Systematischer Praxiskommentar, Köln, 2003<br />
Dölling, Dieter Zulässigkeit und Grenzen der Sterbehilfe, MedR 1987, S. 6 – 12<br />
Dröge, Michael Patientenverfügung und Erforderlichkeit einer Betreuungsmaßnahme, BtPrax<br />
1998, S. 199 – 203<br />
Eisenbart, Bettina Patienten-Testament und Stellvertretung in Gesundheitsangelegenheiten, 2.<br />
Auflage, Baden-Baden, 2000<br />
Enquete-Kommission „Ethik<br />
und Recht der modernen Medizin“<br />
Zwischenbericht Patientenverfügungen, BT-Drs. 15/3700 vom 13.09.2004<br />
Epple, Dieter Einfluss der Betreuungsverfügung auf das Verfahren, die Führung und Überwachung<br />
der Betreuung, BtPrax 1993, S. 156 – 160<br />
Erman Bürgerliches Gesetzbuch, Handkommentar, herausgegeben von Harm Peter<br />
Westermann, Band II, §§ 812 – 2385, 11. Auflage, Münster, Köln, 2004<br />
Eser, Albin Grenzen der Behandlungspflicht aus juristischer Sicht, in: Grenzen der ärztlichen<br />
Aufklärungs- und Behandlungspflichten, herausgegeben von Peter<br />
Lawin und Hanno Huth, S. 77 – 94, Stuttgart, New York, 1982<br />
Fröschle, Tobias Maximen des Betreuerhandelns und die Beendigung lebenserhaltener Eingriffe,<br />
JZ 2000, S. 72 – 80<br />
Füllmich, Reiner Der Tod im Krankenhaus und das Selbstbestimmungsrecht des Patienten, Jur.<br />
Diss., Universität Göttingen, 1989
24 <strong>Ad</strong> <strong>Legendum</strong> <strong>Zusatzmaterial</strong> <strong>zu</strong> <strong>AL</strong> <strong>2007</strong>, <strong>124</strong><br />
Hahne, Meo-Michaela Zwischen Fürsorge und Selbstbestimmung, Über die Grenzen von Patientenautonomie<br />
und Patientenverfügung, Vortrag, gehalten vor dem Nationalen<br />
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Uhlenbruck, Wilhelm Bedenkliche Aushöhlung der Patientenrechte durch die Gerichte, NJW 2003,<br />
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Uhlenbruck, Wilhelm Der Patientenbrief, die privatautonome Gestaltung des Rechtes auf einen<br />
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Verrel, Torsten Mehr Fragen als Antworten – Besprechung der Entscheidung des XII. Zivilsenats<br />
des BGH vom 17.3.2003 über die Einstellung lebenserhaltender Maßnahmen<br />
bei einwilligungsunfähigen Patienten, NStZ 2003, S. 449 – 504<br />
Vossler, Norbert Verwirklichung der Patientenautonomie am Ende des Lebens durch Patientenverfügungen,<br />
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Wessels, Johannes/Hettinger,<br />
Michael<br />
Wiebach, Konrad/Kreyßig,<br />
Michael/ Peters, Heidi/Wächter,<br />
Claus/Winterstein, Peter<br />
Strafrecht Besonderer Teil/1, 28. Auflage, Heidelberg, 2004<br />
Was ist „gefährlich“? – Ärztliche und juristische Aspekte bei der Anwendung<br />
des § 1904 BGB, BtPrax 1997, S. 48 – 53<br />
Zypries, Brigitte Ein Zwang <strong>zu</strong>m Leben wäre Körperverlet<strong>zu</strong>ng, Interview, Frankfurter Allgemeine<br />
Zeitung vom 8.3.2005, S. 38<br />
Abkür<strong>zu</strong>ngsverzeichnis<br />
AGP Arbeitsgruppe „Patientenautonomie am Lebensende“ des Bundesjustizministeriums<br />
BGB-AGP Vorschlag der Arbeitsgruppe „Patientenautonomie am Lebensende“ <strong>zu</strong>r Änderung des BGB<br />
BGB-EK Vorschlag der Enquete-Kommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“ <strong>zu</strong>r Änderung<br />
des BGB<br />
EK Enquete-Kommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“ des Deutschen Bundestages<br />
RefE Referentenentwurf eines 3. Betreuungsrechtsänderungsgesetzes des Bundesjustizministeriums<br />
VormG Vormundschaftsgericht<br />
Im Übrigen werden die üblichen Abkür<strong>zu</strong>ngen nach Kirchner/Butz, Abkür<strong>zu</strong>ngsverzeichnis der Rechtssprache,<br />
5. Auflage, Berlin, 2003 verwendet.