Zusatzmaterial zu AL 2007, 124 Menges - Ad Legendum
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2 <strong>Ad</strong> <strong>Legendum</strong> <strong>Zusatzmaterial</strong> <strong>zu</strong> <strong>AL</strong> <strong>2007</strong>, <strong>124</strong><br />
Obwohl sie der sonst gebrauchten Bedeutung ihrer jeweils<br />
zweiten Worthälfte nach eigentlich nicht <strong>zu</strong>treffend<br />
sind, haben sich die Bezeichnungen Patiententestament<br />
und Patientenverfügung inzwischen eingebürgert.<br />
Ein Testament wird üblicherweise verstanden als eine<br />
einseitige Erklärung, durch die der Erblasser für die Zeit<br />
nach seinem Tode Regelungen trifft (§§ 1937 ff. BGB), 13<br />
während das Patiententestament gerade die Zeit vor dem<br />
Tode regelt. Der Begriff der Patientenverfügung wird in<br />
der Literatur zwar vermehrt angenommen, teilweise aber<br />
auch als nicht treffend kritisiert. 14 Es handelt sich <strong>zu</strong>mindest<br />
nicht um eine Verfügung im Sinne eines Rechtsgeschäfts,<br />
durch das ein bereits bestehendes Recht unmittelbar<br />
übertragen, aufgehoben, belastet oder inhaltlich<br />
verändert wird. 15<br />
Ab<strong>zu</strong>grenzen ist das Patiententestament von der Vorsorgevollmacht<br />
und der Betreuungsverfügung. Durch eine<br />
Vorsorgevollmacht bevollmächtigt der Verfasser eine<br />
andere Person für den Fall des Eintritts eigener Betreuungsbedürftigkeit,<br />
alle oder bestimmte Aufgaben für<br />
diesen <strong>zu</strong> erledigen. 16 Sie bringt also im Gegensatz <strong>zu</strong>r<br />
Patientenverfügung nicht den eigenen Willen des Vollmachtgebers<br />
<strong>zu</strong>m Ausdruck, sondern lässt stattdessen<br />
einen Dritten stellvertretend für diesen entscheiden. 18<br />
Die Vollmacht kann sich dabei auch auf den Bereich<br />
der Gesundheitssorge erstrecken. 19 Die Bestellung eines<br />
Betreuers für diesen Aufgabenbereich ist dann ausgeschlossen.<br />
Der § 1896 II 2, 1. Alt. BGB legt den Vorrang<br />
des Bevollmächtigten fest.<br />
Eine Betreuungsverfügung wiederum ist eine Willensäußerung,<br />
mit der eine Person für den Fall ihrer Betreuungsbedürftigkeit<br />
Anweisungen hinsichtlich der Auswahl<br />
des <strong>zu</strong> bestellenden Betreuers bzw. der Ausgestaltung<br />
des Betreuungsverhältnisses trifft. 20 Patiententestament,<br />
Betreuungsverfügung und Vorsorgevollmacht können<br />
miteinander verbunden werden, was in der Praxis auch<br />
oft der Fall ist. 20<br />
II. Allgemeines <strong>zu</strong>r Behandlungssituation<br />
Grundsätzlich bedarf jeder medizinische Eingriff einer<br />
gesonderten Einwilligung durch den Patienten im Zeitpunkt<br />
des Eingriffs. 21 Dies erfordert das dem Patienten<br />
grundrechtlich garantierte Selbstbestimmungsrecht über<br />
seine Person. 22 Es wird als Ausdruck der Menschenwürde<br />
von Art. 1 I GG, als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts<br />
von Art. 1 I, 2 I GG und vom Grundrecht auf<br />
Leben und körperliche Unversehrtheit, Art. 2 II GG, erfasst<br />
und durch diese abgesichert. 23<br />
Falls der Arzt das Selbstbestimmungsrecht verletzt,<br />
indem er den Patienten ohne dessen Einwilligung behandelt,<br />
begeht er eine Körperverlet<strong>zu</strong>ng i.S.d. § 223 I<br />
StGB. 24<br />
Auf der anderen Seite hat der Patient keinen Anspruch<br />
auf eine bestimmte Heilbehandlung. Eine solche muss<br />
vom behandelnden Arzt <strong>zu</strong>nächst angeboten werden.<br />
Vorausset<strong>zu</strong>ng hierfür wiederum ist, dass in der konkreten<br />
Situation die medizinische Maßnahme nach Auf-<br />
fassung des Arztes indiziert ist. 25 Die medizinische Indikation<br />
ist <strong>zu</strong> verstehen als das fachliche Urteil über den<br />
Wert oder Unwert einer medizinischen Behandlungsmethode<br />
in ihrer Anwendung auf den konkreten Fall. 26 Ist<br />
der Patient einwilligungsfähig, kann er, aber auch nur er<br />
als Grundrechtsträger, in der konkreten Situation unter<br />
Abwägung aller für ihn entscheidenden Gründe in die<br />
ärztlicherseits angebotene Behandlung einwilligen oder<br />
die Einwilligung ablehnen. Eine etwaig vorhandene Patientenverfügung<br />
findet dabei keine Berücksichtigung.<br />
Erst bei Verlust der Einwilligungsfähigkeit ist ein Rückgriff<br />
auf das Patiententestament überhaupt möglich. 27<br />
Das Patiententestament soll dem Einzelnen das Recht<br />
auf Selbstbestimmung gerade für den Fall sichern, dass<br />
er in der konkreten Situation nicht mehr selbst seinen<br />
Willen für oder gegen eine lebensverlängernde bzw. –erhaltende<br />
Maßnahme wirksam äußern kann. Der Verlust<br />
der Einwilligungsfähigkeit lässt das Recht des Patienten<br />
<strong>zu</strong>r Selbstbestimmung nicht entfallen. 28 Von Bedeutung<br />
ist also, unter welchen Vorausset<strong>zu</strong>ngen das Bestehen<br />
der Einwilligungsfähigkeit an<strong>zu</strong>nehmen ist. Der Zustand<br />
der Einwilligungsfähigkeit ist nicht gleich<strong>zu</strong>setzen<br />
mit dem der Geschäftsfähigkeit. Der Patient muss in der<br />
Lage sein, Bedeutung und Tragweite des Eingriffs und<br />
seiner Gestattung <strong>zu</strong> erkennen und nach dieser Erkenntnis<br />
handeln können. Die bloße Äußerungsfähigkeit<br />
genügt hingegen nicht. 29 Bei Minderjährigen wird als<br />
Referenzmaß <strong>zu</strong>r Ermittlung der Einsichtsfähigkeit der<br />
13 Bamberger/Roth – Müller-Christmann, BGB, § 1937, Rn. 2-4;<br />
Brox, Erbrecht, § 7, Rn. 6; Leipold, Erbrecht, § 2, Rn. 36/37;<br />
Uhlenbruck, AcP 193 (1993), 487 (487).<br />
14 Roth, JZ 2004, 494 (495); Taupitz, Gutachten 63. DJT, A 106.<br />
15 RGZ 111, 247 (250 f.); Brox, Erbrecht, § 7, Rn. 83; Taupitz,<br />
Gutachten 63. DJT, A 106.<br />
16 Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 512; Schmidt/Böcker/<br />
Bayerlein/Mattern/Schüler – Schmidt, Betreuungsrecht, § 1<br />
Rn. 17.<br />
17 Berger, JZ 2000, 797 (802).<br />
18 Erman – Holzhauer, § 1901a, Rn. 6; Dodegge/Roth – Roth,<br />
BtKomm, C Rn. 2; Langenfeld, ZEV 2003, 449 (450).<br />
19 Dodegge/Roth – Roth, BtKomm, C Rn. 123; Epple, BtPrax<br />
1993, 156 (156); Jürgens, Betreuungsrecht, § 1901a Rn. 2.<br />
20 Vgl. auch das Muster einer Patientenverfügung in der Anlage.<br />
21 Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 16, 187; Hahne, FamRZ<br />
2003, 1619 (1620); Lipp, BtPrax 2002, 47 (47); ders., FamRZ<br />
2004, 317 (318).<br />
22 Lipp, FamRZ 2004, 317 (318.)<br />
23 Hufen, ZRP 2003, 248 (250).<br />
24 Lipp, FamRZ 2004, 317 (318); Laufs/Uhlenbruck – Uhlenbruck/Ulsenheimer,<br />
Handbuch des Arztrechts, § 132, Rn. 37;<br />
Hahne, FamRZ 2003, 1619 (1620).<br />
25 Höfling/Rixen, JZ 2003, 884 (887); Kutzer, FPR 2004, 683<br />
(685).<br />
26 BGH NJW 2003, 1588 (1593); Ankermann, MedR 1999, 388<br />
(389); Laufs, NJW 1998, 3399 (3400); Opderbecke, MedR 1985,<br />
23 (25).<br />
27 Eisenbart, Patienten-Testament, S. 15; Höfling/Rixen, JZ 2003,<br />
884 (885); Röver, Einflussmöglichkeiten des Patienten, S. 79 f.;<br />
Schöllhammer, Rechtsverbindlichkeit des PT, S. 26.<br />
28 Höfling, JuS 2000, 111 (114); Lipp, DRiZ 2000, 231 (233 f.);<br />
ders., FamRZ 2004, 317 (320); Hahne, FamRZ 2003, 1619<br />
(1620).<br />
29 Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 507; Erman – Holzhauer,<br />
BGB, § 1896, Rn. 24; Kutzer, FPR 2004, 683 (685); Lange/<br />
Kuchinke, Erbrecht, § 35 IV 7.