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Zusatzmaterial zu AL 2007, 124 Menges - Ad Legendum

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<strong>Zusatzmaterial</strong> <strong>zu</strong> <strong>AL</strong> <strong>2007</strong>, <strong>124</strong> <strong>Ad</strong> <strong>Legendum</strong> 11<br />

Behandlungsanweisungen auch seine Überzeugungen,<br />

Wünsche und Ansprüche an sein Leben mit niederlegt.<br />

Andernfalls wird dem Patiententestament lediglich eine<br />

Indizwirkung beigemessen werden können.<br />

Hat der Verfasser die aktuell eingetretene Situation in seiner<br />

Patientenverfügung überhaupt nicht geregelt, wird<br />

der wirkliche Wille des Patienten auch nicht im Wege einer<br />

Auslegung <strong>zu</strong> ermitteln sein. Das Patiententestament<br />

wird dann ebenfalls nur ein Indiz für den mutmaßlichen<br />

Willen darstellen können.<br />

Es ist fest<strong>zu</strong>halten, dass sich die Bedenken, der Verfasser<br />

einer Patientenverfügung könne die <strong>zu</strong>künftige Behandlungssituation<br />

grundsätzlich nicht hinreichend genau<br />

erfassen, mit Hilfe der Auslegung auf Einzelfälle reduzieren<br />

lassen.<br />

b) Errichtung des Patiententestaments vor Eintritt<br />

der lebensbedrohlichen Notlage<br />

Fraglich ist, wie die Auffassung, eine in gesunden Tagen,<br />

also vor Eintritt der lebensbedrohlichen Situation, errichtete<br />

Patientenverfügung könne nicht den wirklichen<br />

Willen des Patienten <strong>zu</strong>m Zeitpunkt des Engriffs wiedergeben,<br />

141 <strong>zu</strong> bewerten ist.<br />

Dieser Ansicht ist <strong>zu</strong><strong>zu</strong>gestehen, dass in der Tat Leben,<br />

Leidensfähigkeit und Tod bei Eintritt einer lebensbedrohenden<br />

Situation mitunter in eine veränderte Relation<br />

<strong>zu</strong>einander treten und ein Erstarken des Lebenswillens<br />

bewirken können.<br />

Dem ist jedoch entgegen<strong>zu</strong>halten, dass dem Betroffenen<br />

<strong>zu</strong>mindest bei einer langsam fortschreitenden Krankheit<br />

stets die Möglichkeit des formlosen Widerrufs bzw. der<br />

Änderung des Patiententestaments offen steht, solange<br />

er noch einwilligungsfähig ist. 142<br />

Ferner hat die Entwertung einer ansonsten eindeutigen<br />

Patientenverfügung <strong>zu</strong>r Folge, dass statt dieser der mutmaßliche<br />

Wille des Patienten maßgeblich ist. Der mutmaßliche<br />

Wille bedarf aber der Ermittlung durch den<br />

Betreuer. Führt man für eine Entwertung das Argument<br />

an, der Betroffene selbst könne in gesunden Tagen seine<br />

eigenen mit der Krankheit verbundenen Wertmaßstäbe<br />

und Gefühlslage nicht für den Fall einer Notsituation<br />

antizipieren, so wird man doch erst recht einem Fremden,<br />

nämlich dem Betreuer, diese Fähigkeit absprechen<br />

müssen. 143<br />

Man könnte zwar argumentieren, dieser „durchlebe“<br />

ähnlich wie der Patient selbst die lebensbedrohende<br />

Phase, indem er regelmäßig in Form von Besuchen von<br />

dessen Gesundheits<strong>zu</strong>stand Kenntnis nehmen könne.<br />

Es wird jedoch schwerlich eine solche Gleichstellung<br />

bejaht werden können. Zum einen kann ein Mensch nie<br />

die Wertmaßstäbe eines anderen auch nur annähernd<br />

vollständig berücksichtigen. Zum anderen kann er keine<br />

Schmerzen, etwaige Bewegungsunfähigkeit oder die<br />

Angst vor dem Tode „nachfühlen“ und miteinander abwägen.<br />

Würde man eine vor Eintritt der das Leben bedrohenden<br />

Lage errichtete Patientenverfügung nie als bindend betrachten,<br />

würde ausnahmslos jedem gesunden Menschen<br />

die Möglichkeit verwehrt werden, für den Fall eines<br />

plötzlichen Schicksalsschlages mit einhergehender Einwilligungsunfähigkeit<br />

in unmittelbar bindender Form<br />

vorsorgen <strong>zu</strong> können. Erleidet ein Patient etwa einen<br />

Unfall und ist als Folge dieses Unfalls einwilligungsunfähig<br />

geworden, so würde folglich einem vor diesem<br />

Unfall verfassten Patiententestament keine unmittelbare<br />

Bindungswirkung <strong>zu</strong>kommen. Zu diesem Zeitpunkt befand<br />

er sich in noch keiner lebensbedrohlichen Lage. Es<br />

nach Eintritt dieser Notlage <strong>zu</strong> bestätigen, hat er mangels<br />

Einwilligungsfähigkeit aber keine Möglichkeit mehr.<br />

Es erscheint daher nicht gerechtfertigt, den in einer Patientenverfügung<br />

<strong>zu</strong>m Ausdruck gebrachten Willen des<br />

Betroffenen nur deshalb <strong>zu</strong> entwerten und lediglich als<br />

Indiz für den mutmaßlichen Willen gelten <strong>zu</strong> lassen,<br />

weil die Verfügung <strong>zu</strong> einem Zeitpunkt errichtet wurde,<br />

in dem der Betroffene noch nicht lebensbedrohlich<br />

erkrankt war.<br />

c) Zeitlicher Verfall eines Patiententestaments<br />

Ferner ist fraglich, ob ein Patiententestament durch<br />

bloßen Zeitablauf die Rechtsverbindlichkeit einbüßen<br />

kann.<br />

Ein Teil des Schrifttums bejaht dies und fordert daher<br />

eine wiederkehrende Neuvornahme oder Bestätigung<br />

des Patiententestaments, etwa in Form einer aktuellen<br />

Unterschrift. 144 Je älter eine Patientenverfügung sei, desto<br />

mehr verliere sie an Gewicht. 145<br />

Die Gegenmeinung lehnt einen Verlust der Bindungswirkung<br />

durch Zeitablauf grundsätzlich ab und verneint<br />

folglich das Erfordernis einer Aktualisierung durch den<br />

Betroffenen. 146 Es handele sich um eine eigenverantwortlich<br />

abgegebene Erklärung, so dass auch die mögliche<br />

Änderung der Einstellung im Wesentlichen Risiko des<br />

Bürgers sei, der die Patientenverfügung getroffen habe.<br />

Für die Vornahme einer regelmäßigen Bestätigung einer<br />

Patientenverfügung spricht, dass sichergestellt wäre,<br />

dass der Betroffene sich in regelmäßigen Abständen mit<br />

dem Inhalt seiner Patientenverfügung auseinander setzen,<br />

diesen reflektieren und mitunter an seine aktuelle<br />

Situation anpassen würde. Dadurch wäre auch demjenigen,<br />

der den Willen des Betroffenen durchsetzen muss,<br />

im Regelfall also dem Betreuer, mehr Sicherheit und Gewissheit<br />

bei der Erledigung seiner Aufgabe geboten.<br />

Dem muss aber entgegengehalten werden, dass eine periodische<br />

Novation oder Bestätigung als rechtliche Wirk-<br />

141 Dodegge/Roth – Roth, BtKomm, C, Rn. 117 ff.; Dölling, MedR<br />

1987, 6 (9); Spann, MedR 1983, 13 (13 f.); Thias, Selbstbestimmtes<br />

Sterben, S. 107 ff., 115; Rickmann, Patiententestament,<br />

S. 178.<br />

142 Taupitz, Gutachten 63. DJT, A 116; Berger, JZ 2000, 797 (802);<br />

Laufs/Uhlenbruck – Uhlenbruck, § 132, Rn. 36.<br />

143 Taupitz, Gutachten 63. DJT, A 107.<br />

144 Eisenbart, Patienten-Testament, S. 179; Meier, BtPrax 1996, 161<br />

(163); Baumann/Hartmann, DNotZ 2000, 594 (613).<br />

145 Laufs, NJW 1998, 3399 (3400); in diesem Sinne wohl OLG<br />

Düsseldorf, NJW 2001, 2807 (2808).<br />

146 BGH NJW 2003, 1588 (1589); 63. Deutscher Juristentag, Beschluss<br />

III.4.1; MüKo/BGB – Wagner, § 823, Rn. 674; Palandt<br />

– Diederichsen, Einf v § 1896, Rn. 9; Taupitz, Gutachten 63.<br />

DJT, A 115 ff.; Thias, Selbstbestimmtes Sterben, S. 114 f.; Berger,<br />

JZ 2000, 797 (802).

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