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Zusatzmaterial zu AL 2007, 124 Menges - Ad Legendum

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<strong>Zusatzmaterial</strong> <strong>zu</strong> <strong>AL</strong> <strong>2007</strong>, <strong>124</strong> <strong>Ad</strong> <strong>Legendum</strong> 21<br />

nicht erforderlich gehalten, wenn sich Arzt und Betreuer<br />

über den „Willen“ des Betroffenen einig sind. Der Wille<br />

kann aber sowohl als der erklärte Wille, also als eine antizipierte<br />

Einwilligung oder Ablehnung, als auch als der<br />

mutmaßliche Wille des Patienten verstanden werden.<br />

Es scheint also, dass im Konfliktfall auch eine eindeutige<br />

Patientenverfügung, die eine antizipierte Erklärung des<br />

Betroffenen verkörpert, einer vormundschaftsgerichtlichen<br />

Kontrolle unterzogen werden müsste. § 1904 IV 5<br />

BGB-AGP verneint in diesem Fall aber gerade eine materielle<br />

Genehmigungspflicht. Das VormG hat dann<br />

das Verfahren vielmehr mit einem Negativattest, also<br />

der Feststellung, dass es einer Genehmigung eben nicht<br />

bedarf, ab<strong>zu</strong>schließen. 242 Insoweit wäre eine unmissverständliche<br />

Formulierung wünschenswert. 243<br />

Die AGP schlägt ferner, die Entscheidungen des Bevollmächtigten<br />

generell von einer Genehmigungspflicht<br />

gemäß § 1904 V 2 BGB-AGP <strong>zu</strong> befreien. Demgegenüber<br />

fordert die EK eine generelle Genehmigungspflicht<br />

der Entscheidungen des Bevollmächtigten gemäß<br />

§ 1901b VIII 1 i.V.m. VII BGB-EK und dem geltenden<br />

§ 1904 II 1 i.V.m. I BGB.<br />

Gegen eine solche Genehmigungsbefreiung könnte sprechen,<br />

dass der Bevollmächtigte ebenso wie der Betreuer<br />

entsprechend dem geltenden § 1904 II BGB bei strittigen<br />

und für den Betroffenen existenziellen Entscheidungen<br />

einer staatlichen Kontrolle unterzogen, also gleichbehandelt<br />

werden müsste. Denkbar ist auch hier, dass ein<br />

Bevollmächtigter sachfremde Interessen verfolgen und<br />

den Willen des Betroffenen hinter diesen <strong>zu</strong>rückstehen<br />

lassen könnte.<br />

Dem ist jedoch entgegen<strong>zu</strong>halten, dass dem Betreuer die<br />

Vertretungsmacht durch einen staatlichen Akt verliehen<br />

wird, während die Vertretungsmacht des Bevollmächtigten<br />

auf einem privatrechtlichen Vertretungsauftrag<br />

beruht. 244 Insofern hat der Betroffene selbst schon auf<br />

eine Kontrolle des Bevollmächtigten verzichtet. Nur bei<br />

einer Bestellung durch den Staat sollte daher auch eine<br />

Kontrolle durch den Staat geschehen. 245<br />

Beabsichtigt der Einzelne im Übrigen lediglich die Person<br />

seiner späteren Betreuung fest<strong>zu</strong>legen, ohne aber<br />

eine staatliche Kontrolle in Konfliktfällen ausschließen<br />

<strong>zu</strong> wollen, wird ihm dies mittels einer Betreuungsverfügung<br />

möglich bleiben.<br />

Daher erscheint es sachgerecht, die Entscheidungen<br />

des Bevollmächtigten von einer Genehmigungspflicht<br />

grundsätzlich aus<strong>zu</strong>nehmen.<br />

Allerdings sind an eine Vollmachtserteilung erhöhte<br />

Anforderungen <strong>zu</strong> stellen. Einigkeit unter den Vorschlagenden<br />

besteht darin, dass der Vollmachtgeber die<br />

Befugnis <strong>zu</strong>m Verzicht auf eine lebenserhaltende Behandlung<br />

ausdrücklich und schriftlich erteilen muss. 246<br />

Ebenfalls muss, dies erwähnt auch die AGP, stets die<br />

Möglichkeit für jedermann offen bleiben, bei Verdacht<br />

des Missbrauchs der Vertretungsmacht das VormG an<strong>zu</strong>rufen.<br />

247<br />

3. Zur Beratung durch ein Konsil<br />

Die EK schlägt ferner vor, dass der Betreuer, bevor er<br />

eine Entscheidung für oder gegen lebensverlängernde<br />

Maßnahmen trifft, sich obligatorisch im Rahmen eines<br />

Konsils beraten müsse. Das Ergebnis sei <strong>zu</strong> dokumentieren.<br />

248 Eine solche Beratung solle die umfassende<br />

Berücksichtigung aller verfügbaren Informationen und<br />

vorhandenen Ansichten sicherstellen. 249 Auch die AGP<br />

beurteilt eine Einbeziehung von und Beratung mit den<br />

medizinischen Kräften, die den Betroffenen behandelt<br />

haben oder noch behandeln, ebenso wie die Hin<strong>zu</strong>ziehung<br />

der nächsten Angehörigen als sehr wichtig. 250 Sie<br />

will jedoch einen solchen „Informationsaustausch“ nicht<br />

als generell zwingend gesetzlich verankern.<br />

Zwar mag es in vielen Fällen unerlässlich ist, weitere Personen<br />

in den Entscheidungsprozess des Betreuers mit<br />

ein<strong>zu</strong>beziehen, so insbesondere bei der Ermittlung des<br />

mutmaßlichen Willens. Würde man aber eine Beratung<br />

im Konsil stets als obligatorisch voraussetzen, so hieße<br />

das ebenfalls, dass die Durchset<strong>zu</strong>ng eines eindeutigen<br />

Patiententestaments, das keinerlei „Beratung“ erfordert,<br />

verzögert würde. Eine solche Verzögerung wäre ebenso<br />

ein verfassungsrechtlich nicht <strong>zu</strong> rechtfertigender<br />

Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht des Patienten<br />

wie das Abwarten einer vormundschaftsgerichtlichen<br />

Genehmigung in eindeutigen Fällen. Ob eine Beratung<br />

wirklich notwendig ist, ist vielmehr eine Frage des Einzelfalls.<br />

Fühlt sich ein Angehöriger nicht ausreichend<br />

berücksichtigt hinsichtlich seiner Erfahrungen mit dem<br />

Betroffenen, so steht ihm stets die Möglichkeit offen,<br />

diesen Mangel dem VormG <strong>zu</strong> melden. Eine obligatorische<br />

Beratung durch ein Konsil ist daher ab<strong>zu</strong>lehnen.<br />

4. Sonstige Empfehlungen<br />

Des Weiteren ist der Vorschlag der AGP <strong>zu</strong> begrüßen,<br />

zwecks Klarstellung den § 216 StGB dahingehend <strong>zu</strong><br />

ergänzen, die indirekte und die passive Sterbehilfe ausdrücklich<br />

für <strong>zu</strong>lässig <strong>zu</strong> erklären. 251 Dagegen ist die<br />

Empfehlung des HVD einer, wenn auch nur auf Ausnahmefälle<br />

beschränkten, Zulässigkeit der aktiven Sterbehilfe<br />

ab<strong>zu</strong>lehnen. 252<br />

Ferner erscheint es sinnvoll, in § 1896 I BGB fest<strong>zu</strong>halten,<br />

dass das Vorliegen einer Patientenverfügung eine<br />

Betreuerbestellung nicht entbehrlich macht. 253<br />

242 Lipp, Patientenautonomie, S. 50 f.<br />

243 Lipp, Patientenautonomie, S. 50 f.<br />

244 Bericht AGP, V.1.2.2. <strong>zu</strong> § 1904 V BGB neu.<br />

245 Damit will die AGP die Verbreitung der Vorsorgevollmacht<br />

fördern, Bericht AGP, V.1.2.2. <strong>zu</strong> § 1904 V BGB neu.<br />

246 EK: § 1904 II BGB; AGP: § 1904 V 1.<br />

247 Vgl. nur Bericht AGP, II.2.4.c).<br />

248 § 1901b VI BGB-EK.<br />

249 BT-Drs. 15/3700, 6.5.<br />

250 Bericht AGP, V.1.2.2. <strong>zu</strong> § 1904 II BGB neu.<br />

251 Bericht AGP, V.2.1.<br />

252 Vgl. oben B. V. 1.<br />

253 So auch die EK, BT-Drs. 15/3700, 6.7 a.E.; vgl. auch oben B. VI.<br />

7. a); a.A. Eckpunkte HVD, Nr. 9.

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