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Zusatzmaterial zu AL 2007, 124 Menges - Ad Legendum

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<strong>Zusatzmaterial</strong> <strong>zu</strong> <strong>AL</strong> <strong>2007</strong>, <strong>124</strong> <strong>Ad</strong> <strong>Legendum</strong> 15<br />

nische Maßnahme ist nur dann ohne vormundschaftsgerichtliche<br />

Genehmigung wirksam, wenn mit dem Aufschub<br />

Gefahr verbunden ist, § 1904 I 2 BGB. Gemäß<br />

§ 1904 II 1 BGB gilt der Abs. 1 auch für die Einwilligung<br />

eines Bevollmächtigten.<br />

Gegen die Vorschrift des § 1904 BGB sind jedoch auch<br />

vielfach Bedenken, vor allem wegen mangelnder Klarheit,<br />

vorgebracht worden. 171 Zum einen lasse sich häufig<br />

nur sehr schwer im Voraus feststellen, wann eine ärztliche<br />

Maßnahme mit den in § 1904 I 1 BGB genannten<br />

Gefahren verbunden sei. Dadurch bleibe oft unklar, ob<br />

der Betreuer für die Wirksamkeit seiner Einwilligung einer<br />

Genehmigung des VormG bedürfe. 172<br />

Zum anderen sei der Vormundschaftsrichter mangels<br />

fundierter medizinischer Kenntnisse ohnehin nicht in<br />

der Lage, die Notwendigkeit einer ärztlichen Maßnahme<br />

und die mit ihr verbundenen Gefahren von sich aus <strong>zu</strong>treffender<br />

<strong>zu</strong> beurteilen und gegeneinander ab<strong>zu</strong>wägen<br />

als der Betreuer. In Zweifelsfällen sei er vielmehr auf das<br />

Gutachten eines medizinischen Sachverständigen angewiesen.<br />

173 Ein wirksamer Schutz des Betreuten könne<br />

daher auch bei Einschaltung des VormG nicht gewährleistet<br />

werden. 174<br />

(2) Bei Verweigerung der Einwilligung in die Weiterbehandlung<br />

bzw. in die Aufnahme einer Heilbehandlung<br />

Gesetzlich nicht geregelt und daher höchst umstritten<br />

ist hingegen die Frage, ob der Betreuer für die wirksame<br />

Versagung der Einwilligung in eine lebenserhaltende<br />

oder –verlängernde Maßnahme ebenfalls die Genehmigung<br />

des VormG einholen muss.<br />

Eine Genehmigung durch das VormG wäre jedoch dann<br />

von vornherein ausgeschlossen, wenn der Betreuer eine<br />

solche das Leben des Betreuten betreffende medizinische<br />

Behandlung überhaupt nicht verweigern dürfte.<br />

Mitunter wird vertreten, es könne nicht <strong>zu</strong>m Aufgabenbereich<br />

des Betreuers gehören, die Behandlung <strong>zu</strong> verweigern<br />

oder den Abbruch der Behandlung <strong>zu</strong> verlangen,<br />

sofern dies mit einer der in § 1904 I BGB genannten<br />

Gefahren verbunden sei. Eine derartige Entscheidung<br />

sei, da sie auf den Tod des Betroffenen abziele, höchstpersönlich.<br />

175<br />

Dem ist jedoch entgegen<strong>zu</strong>halten, dass der Betreuer<br />

das Verlangen nach Abbruch einer lebensverlängernden<br />

Maßnahme zwar in eigener rechtlicher Verantwortung<br />

durchsetzt, es aber ausschließlich auf den im Patiententestament<br />

erklärten und fortgeltenden Willen des Betroffenen<br />

stützt. Der Betreuer trifft keine eigene stellvertretende<br />

Entscheidung, sondern setzt nur eine im Voraus<br />

getroffene höchstpersönliche Entscheidung des Betroffenen<br />

selbst um. 176<br />

Darüber hinaus ist das Argument, eine stellvertretende<br />

Entscheidung in höchstpersönlichen Angelegenheiten<br />

stehe dem Betreuer generell nicht <strong>zu</strong>, schon widersprüchlich.<br />

Bei der Sterilisation etwa wird dem Betreuer<br />

vom Gesetz auch eine höchstpersönliche Entscheidungskompetenz<br />

übertragen, § 1905 BGB.<br />

Entzöge man ferner die Entscheidung gegen lebens-<br />

verlängernde oder –erhaltende Maßnahmen dem Aufgabenbereich<br />

des Betreuers, so würden entweder alle<br />

medizinisch indizierten Maßnahmen stets durchgeführt<br />

werden, auch gegen den mitunter ausdrücklich im Patiententestament<br />

erklärten Willen des Betroffenen, oder<br />

diese Entscheidungskompetenz müsste einer anderen<br />

Person übertragen werden. Es ist jedoch nicht ersichtlich,<br />

warum dem Arzt oder einem Familienmitglied<br />

etwa diese Aufgabe anstelle des Betreuers <strong>zu</strong>kommen<br />

sollte. 177 Die Höchstpersönlichkeit der Entscheidung<br />

gegen lebensverlängernde oder –erhaltende Maßnahmen<br />

steht einer Kontrolle durch das VormG nicht von vornherein<br />

entgegen.<br />

Ferner ist die Unterscheidung der Verweigerung der<br />

Einwilligung in die Weiterbehandlung des Betroffenen,<br />

etwa bei einem Wachkoma-Patienten, der schon seit<br />

geraumer Zeit künstlich am Leben gehalten wird, und<br />

in die Aufnahme einer noch bevorstehenden ärztlichen<br />

Maßnahme <strong>zu</strong> erwähnen. Diese Unterscheidung rechtfertigt<br />

jedoch keine juristische Differenzierung. 178<br />

Wollte man lediglich den Widerruf einer einmal erteilten<br />

Einwilligung, nicht aber die erstmalige Verweigerung der<br />

Einwilligung als genehmigungspflichtig ansehen, 179 würde<br />

von lebenserhaltenden Maßnahmen wohl nur noch<br />

zögerlich Gebrauch gemacht werden, um eine spätere<br />

Kontrolle durch das VormG im Rahmen des Abbruchs<br />

<strong>zu</strong> vermeiden.<br />

Ferner wird man ein Genehmigungserfordernis nicht<br />

davon abhängig machen können, ob der Betreuer die Erteilung<br />

der Einwilligung nur schlechthin unterlassen hat<br />

oder die Einwilligung verweigert, also aktiv gehandelt<br />

hat. 180 Ein Unterlassen entpuppt sich vielmehr stets als<br />

eine Versagung der Einwilligung, da ohne Einwilligung<br />

der Arzt überhaupt nicht behandeln darf. Eine aktive<br />

Verweigerung stellt also lediglich eine Bekräftigung des<br />

Unterlassens dar. Andernfalls wäre das Erfordernis einer<br />

vormundschaftsgerichtlichen Kontrolle auch beliebig<br />

durch den Betreuer manipulierbar. 181<br />

Eine vormundschaftsgerichtliche Kontrolle des Betreuerhandelns<br />

ist also nicht von vornherein ausgeschlossen.<br />

Dennoch bleibt fraglich, ob auch die Verweigerung lebenserhaltender<br />

Behandlungen durch den Betreuers <strong>zu</strong><br />

171 So etwa MüKo/BGB – Schwab, § 1904, Rn. 1; Schlüter, BGB-<br />

Familienrecht, Rn. 459; Wiebach/Kreyßig/Peters/Wächter/<br />

Winterstein, BtPrax 1997, 48 (49).<br />

172 Schlüter, BGB-Familienrecht, Rn. 459.<br />

173 BT-Drs. 11/4528, S. 208; Schlüter, BGB-Familienrecht,<br />

Rn. 459.<br />

174 Schlüter, BGB-Familienrecht, Rn. 459.<br />

175 LG München, NJW 1999, 1788 (1789); LG Augsburg, FamRZ<br />

2000, 320 (321); Seitz, ZRP 1998, 417 (420); Soergel – Zimmermann,<br />

BGB, § 1904, Rn. 42.<br />

176 Vgl. oben B. VI. 5.<br />

177 Heyers, JuS 2004, 100 (102).<br />

178 So BGH NJW 2003, 1588 (1589); Hahne, FamRZ 2003, 1619<br />

(1621).<br />

179 Fröschle, JZ 2000, 72 (80).<br />

180 So aber Lipp, Stellvertretene Entscheidungen bei „passiver Sterbehilfe“,<br />

in: May/Geißendörfer/Simon/Strätling, Passive Sterbehilfe,<br />

S. 37 (51); Taupitz, Gutachten 63. DJT, A 87.<br />

181 BGH NJW 2003, 1588 (1589).

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