Zusatzmaterial zu AL 2007, 124 Menges - Ad Legendum
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20 <strong>Ad</strong> <strong>Legendum</strong> <strong>Zusatzmaterial</strong> <strong>zu</strong> <strong>AL</strong> <strong>2007</strong>, <strong>124</strong><br />
müsse. Dieses setze sich <strong>zu</strong>sammen aus behandelndem<br />
Arzt, rechtlichem Vertreter, einem Mitglied des Pflegeteams<br />
und einem Angehörigen. 229 Darüber hinaus<br />
bedürfe sowohl der Betreuer als auch der Bevollmächtigte<br />
für eine derartige Verweigerung der Einwilligung<br />
stets die Genehmigung des VormG, § 1901b VII, VIII 1<br />
BGB-EK. 230<br />
3. Empfehlungen anderer Interessenvereinigungen<br />
a) Des Nationalen Ethikrates<br />
Auch der Nationale Ethikrat hat <strong>zu</strong> dem Thema Stellung<br />
genommen. Die Empfehlungen decken sich überwiegend<br />
mit den Vorschlägen der AGP. 231 Er fordert<br />
lediglich die Einhaltung der Schriftform oder einer vergleichbar<br />
verlässlichen Dokumentation, wie z.B. der Videoaufnahme.<br />
232<br />
b) Des Humanistischen Verbands Deutschlands<br />
Der Humanistische Verband Deutschlands (HVD) hat<br />
bereits am 20. September 2003 seine Eckpunkte für eine<br />
gesetzliche Regelung von Patientenrechten und Sterbehilfe<br />
vorgestellt. Während seine Empfehlungen weitestgehend<br />
mit den Regelungsvorschlägen der AGP übereinstimmen,<br />
will der HVD außerdem unter Beibehaltung<br />
der prinzipiellen Rechtswidrigkeit der Tötung auf<br />
Verlangen gem. § 216 I StGB in Ausnahmefällen deren<br />
Zulässigkeit durchsetzen. 233<br />
III. Stellungnahme<br />
Allgemeiner Konsens besteht darüber, dass eine Patientenverfügung<br />
in der Regel nicht lediglich ein gewichtiges<br />
Indiz für den mutmaßlichen Willen darstelle, sondern<br />
als vorweggenommene Erklärung der Einwilligung in<br />
die Behandlung oder ihrer Ablehnung grundsätzlich<br />
verbindlich sei, es sei denn konkrete Anhaltspunkte<br />
sprächen gegen eine solche unmittelbare Bindungswirkung<br />
und „entwerteten“ die Verfügung <strong>zu</strong> einem Indiz.<br />
Dem ist <strong>zu</strong><strong>zu</strong>stimmen. 234<br />
Für eine unmittelbar verbindliche Patientenverfügung<br />
sind sowohl die vorherige ärztliche Aufklärung als auch<br />
die Schriftform zwar dringend <strong>zu</strong> empfehlen, jedoch<br />
nicht zwingend erforderlich. Insoweit wird auf das oben<br />
Gesagte verwiesen. 235<br />
1. Zur Vorausset<strong>zu</strong>ng des „irreversiblen tödlichen<br />
Verlaufs“<br />
Jede Beschränkung der Reichweite von Patientenverfügungen,<br />
insbesondere auf das Vorliegen eines irreversiblen<br />
tödlichen Verlaufs des Grundleidens, ist ab<strong>zu</strong>lehnen.<br />
236 Hier<strong>zu</strong> sei noch angemerkt, dass die EK den tödlichen<br />
Verlauf – entsprechend der engen Auslegung des<br />
„tödlichen Verlaufs“ des 12. Zivilsenats 237 - ausdrücklich<br />
so definiert hat, dass das Grundleiden trotz medizinischer<br />
Behandlung <strong>zu</strong>m Tode führen werde, § 1901b III a.E.<br />
BGB-EK. Die EK verwirft somit einen Abbruchwillen<br />
etwa bei einem Wachkoma-Patienten, dessen Zustand<br />
im Übrigen stabil ist, als unbeachtlich. 238 Insbesondere<br />
einem solchen Verständnis des „irreversiblen tödlichen<br />
Verlaufs“ muss energisch widersprochen werden. Insoweit<br />
ist den übrigen Vorschlägen <strong>zu</strong> folgen.<br />
2. Zum Genehmigungserfordernis durch das<br />
VormG<br />
Eine generelle Einschaltung des VormG bei Verweigerung<br />
lebenserhaltender oder –verlängernder Maßnahmen<br />
durch den Betreuer ist nicht geboten. Eine Genehmigung<br />
der Betreuerentscheidung muss vielmehr nur in<br />
Konfliktfällen eingeholt werden. 239 Maßgeblich ist der<br />
Konsens zwischen Arzt und Betreuer. Insoweit ist der<br />
Vorschlag der EK eines prinzipiellen Genehmigungsbedürfnisses<br />
ab<strong>zu</strong>lehnen. Konsequenterweise wird man<br />
das Tätigwerden des VormG auch in den Fällen auf<br />
Konfliktsituationen beschränken müssen, in denen der<br />
Betreuer die Einwilligung in eine ärztliche Behandlung<br />
erteilt, die mit den in § 1904 I BGB genannten Risiken<br />
verbunden ist. Insoweit müsste der geltende § 1904 I<br />
BGB geändert werden. Wenn nämlich schon die Verweigerung<br />
der Einwilligung, die zwangsläufig den Tod des<br />
Betroffenen herbeiführt, nur in Konfliktfällen einer vormundschaftsgerichtlichen<br />
Kontrolle unterzogen wird,<br />
so wird man die Genehmigungspflicht erst recht für die<br />
Einwilligung des Betreuers in eine riskante, aber immerhin<br />
auf die Lebenserhaltung des Betroffenen gerichtete<br />
Maßnahme einschränken müssen. Insoweit besteht ein<br />
geringeres staatliches Schutzbedürfnis.<br />
Sind sich Arzt und Betreuer über Reichweite und Inhalt<br />
des Patientenwillens einig, bleibt kein Raum für ein Genehmigungserfordernis.<br />
Bestehen bleiben muss jedoch<br />
die unverzichtbare und jedermann <strong>zu</strong>stehende Befugnis,<br />
das VormG <strong>zu</strong>r Missbrauchskontrolle an<strong>zu</strong>rufen. 240<br />
Dieses kann entweder einen Vollmachts- bzw. Kontrollbetreuer<br />
einsetzen (§ 1896 III BGB) oder in Eilfällen<br />
selbst tätig werden (§§ 1908i I 1 i.V.m. 1846 BGB).<br />
Ist dem Regelungsvorschlag der AGP diesbezüglich<br />
grundsätzlich <strong>zu</strong><strong>zu</strong>stimmen, so lässt sich dennoch eine<br />
Missverständnisse bergende Ungenauigkeit erkennen. 241<br />
In § 1904 III BGB-AGP wird die Genehmigung für<br />
229 Vgl. auch BT-Drs. 15/3700, 6.5.<br />
230 Vgl. auch BT-Drs. 15/3700, 6.6.<br />
231 Vgl. vor allem Nationaler Ethikrat, Stellungnahme, Nr. 4, 5, 7,<br />
8 der Empfehlungen.<br />
232 Nationaler Ethikrat, Stellungnahme, Empfehlung 10.<br />
233 HVD, Eckpunkte, Nr. 7; die Beihilfe <strong>zu</strong>m Suizid betreffend:<br />
Nr. 6.<br />
234 Vgl. oben B. VI. 5.<br />
235 Vgl. oben B. III. 1. und 2.<br />
236 Vgl. oben B. IV. 4.<br />
237 Vgl. oben B. IV. 3.<br />
238 Diese Fälle sollen ausdrücklich von der Umset<strong>zu</strong>ng des in einer<br />
Patientenverfügung erklärten Abbruchwunsches ausgenommen<br />
sein, solange nicht weitere Komplikationen auftreten, die<br />
<strong>zu</strong>m Tode des Patienten führen, vgl. BT-Drs. 15/3700, 6.2.<br />
239 Vgl. oben B. VI. 7. b) bb) (2) (d).<br />
240 So <strong>zu</strong>treffend Bericht AGP, V.1.2.2. <strong>zu</strong> § 1904 III BGB neu.<br />
241 Lipp, Patientenautonomie, S. 50 f.