Zusatzmaterial zu AL 2007, 124 Menges - Ad Legendum
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14 <strong>Ad</strong> <strong>Legendum</strong> <strong>Zusatzmaterial</strong> <strong>zu</strong> <strong>AL</strong> <strong>2007</strong>, <strong>124</strong><br />
Betroffene eine Vorsorgevollmacht in Gesundheitsangelegenheiten<br />
erteilt hat, § 1896 II 2, 1. Alt. BGB.<br />
b) Die Vorausset<strong>zu</strong>ngen für die Einwilligung des<br />
Betreuers in eine ärztliche Maßnahme bzw. die Verweigerung<br />
derselben<br />
Zu klären ist, welche Vorausset<strong>zu</strong>ngen erfüllt sein müssen,<br />
damit der Betreuer in eine lebensverlängernde oder<br />
–erhaltende Behandlung einwilligen bzw. diese verweigern<br />
kann. Unbedingte Vorausset<strong>zu</strong>ng ist <strong>zu</strong>nächst, dass<br />
der Betreute einwilligungsunfähig ist. 158 Ansonsten ist<br />
nur er als Träger des Rechts auf körperliche Unversehrtheit<br />
entscheidungsberechtigt. Auch eine etwaige Anordnung<br />
einer Betreuung mit dem Wirkungskreis Gesundheitsfürsorge<br />
verlagert diese Entscheidungskompetenz<br />
nicht auf den Betreuer. 159<br />
aa) Ermittlung des wirklichen oder mutmaßlichen Willens<br />
des Patienten anhand des Patiententestaments<br />
Ist ein Patiententestament im Sinne des oben Gesagten<br />
unmittelbar rechtsverbindlich, so bindet es auch den<br />
Betreuer in vollem Umfang. 160 Dieser hat die Aufgabe,<br />
„dem Willen des Betroffenen gegenüber Arzt und Pflegepersonal<br />
in eigener rechtlicher Verantwortung und<br />
nach Maßgabe des § 1901 BGB Ausdruck und Geltung<br />
<strong>zu</strong> verschaffen.“ 161 Er hat die Patientenverfügung also<br />
ohne weitere Ermittlungen um<strong>zu</strong>setzen.<br />
Hat ein Patiententestament im Einzelfall nur eine Indizwirkung,<br />
so muss der Betreuer den mutmaßlichen Willen<br />
des Patienten ermitteln. Der Rückgriff auf den mutmaßlichen<br />
Willen ist aber erst dann möglich, wenn sich<br />
der wirkliche Wille des Patienten nicht feststellen lässt. 162<br />
Der Betreuer darf auch in diesem Fall weder eine eigene<br />
Wertentscheidung treffen noch seine Entscheidung<br />
auf die Wertvorstellungen eines verständigen objektiven<br />
Betrachters stützen. Er muss vielmehr <strong>zu</strong>sätzlich <strong>zu</strong> den<br />
Hinweisen im Patiententestament alle ihm <strong>zu</strong>r Verfügung<br />
stehenden Erkenntnismöglichkeiten ausschöpfen,<br />
etwa die Befragung von Verwandten, Freunden, Ärzten,<br />
um den Willen, den der Betroffene in der konkreten Situation<br />
haben würde, <strong>zu</strong> ermitteln. 163<br />
Es stellt sich dann weiter die Frage, ob der Betreuer in<br />
seinem Handeln nicht entsprechend § 1901 III 1 Hs. 2<br />
BGB an die Schranke des Wohls des Schutzbefohlenen<br />
gebunden ist. Dies könnte jedoch da<strong>zu</strong> führen, dass der<br />
Betreuer in eine Konfliktsituation geriete, wenn der<br />
Wille des Patienten und das objektiv 164 <strong>zu</strong> bestimmende<br />
Betreutenwohl auseinander fielen. 165 Bei einer entsprechenden<br />
Anwendung des § 1901 III 1 Hs. 2 BGB müsste<br />
dann dem objektiven Wohl der Vorrang vor dem Willen<br />
des Patienten eingeräumt werden, was wiederum <strong>zu</strong><br />
einer starken, im Hinblick auf das Selbstbestimmungsrecht<br />
des Patienten bedenklichen Entwertung der Patientenverfügung<br />
selbst führen würde. 166<br />
Zu beachten ist allerdings, dass § 1901 III 1 Hs. 2 BGB<br />
grundsätzlich auf die Fälle der Betreuung an<strong>zu</strong>wenden<br />
ist. Fraglich ist daher, ob eine entsprechende Anwendung<br />
auf die Fälle der Patientenverfügung geboten erscheint.<br />
Dies wäre wiederum nur möglich, wenn der Sinn und<br />
Zweck der Vorschrift dies überhaupt erlaubte, die Interessenlage<br />
also vergleichbar wäre.<br />
Der Sinn und Zweck der Schranke aus § 1901 III 1 Hs. 2<br />
BGB besteht darin, den Betreuten vor seinen eigenen<br />
Wünschen <strong>zu</strong> schützen. 167 Dies trifft allerdings nur für<br />
diejenigen Fälle <strong>zu</strong>, in denen der Wunsch gerade aufgrund<br />
des geistigen Zustands gefasst worden ist. Der<br />
dem eigenen Wohl widersprechende Wille muss auf<br />
demselben Grund beruhen, der auch die Fähigkeit <strong>zu</strong>r<br />
Selbstbestimmung ausschließt. 168 Dies ist jedoch bei einer<br />
schon im Vorfeld verfassten Patientenverfügung wegen<br />
der in diesem Zeitpunkt noch bestehenden Selbstbestimmungsfähigkeit<br />
gerade nicht der Fall. 169 Somit scheidet<br />
eine Anwendung des Wohlkriteriums auf den Fall einer<br />
verfassten Patientenverfügung bereits nach dem Gesetzeszweck<br />
aus.<br />
Schließlich ist auch die Umset<strong>zu</strong>ng des Patientenwillens<br />
dem Betreuer <strong>zu</strong><strong>zu</strong>muten, § 1901 III 1 H. 2. Er hat insoweit<br />
gerade keine eigene Entscheidung über Leben und<br />
Tod des Betroffenen <strong>zu</strong> fällen, sondern lediglich dessen<br />
wirklichen oder mutmaßlichen Willen <strong>zu</strong> ermitteln und<br />
<strong>zu</strong> verwirklichen. 170<br />
bb) Genehmigung durch das Vormundschaftsgericht<br />
Abhängig von dem in der Patientenverfügung <strong>zu</strong>m<br />
Ausdruck gekommenen Willen des Betroffenen hat der<br />
Betreuer in eine vom Arzt angebotene medizinische<br />
Behandlung folglich entweder ein<strong>zu</strong>willigen oder die<br />
Einwilligung in diese ab<strong>zu</strong>lehnen. Fraglich ist jedoch,<br />
in welchen Fällen der Staat diese Entscheidung einer<br />
Kontrolle unterziehen muss, wann sie dem Betreuer<br />
also nicht allein überlassen werden kann.<br />
(1) Bei Einwilligung in die Weiterbehandlung bzw. in<br />
die Aufnahme einer Heilbehandlung<br />
Willigt der Betreuer in eine ärztliche Maßnahme ein<br />
und besteht die begründete Gefahr, dass der Betreute<br />
auf Grund dieser Maßnahme stirbt oder einen schweren<br />
und länger dauernden gesundheitlichen Schaden erleidet,<br />
bedarf diese Einwilligung gemäß § 1904 I 1 BGB der<br />
Genehmigung des Vormundschaftsgerichts. Die medizi-<br />
158 Erman – Holzhauer, § 1904, Rn. 2; Lipp, Freiheit und Fürsorge,<br />
S. 164.<br />
159 Schlüter, BGB-Familienrecht, Rn. 459.<br />
160 Vgl. oben B. VI. 5.<br />
161 BGH NJW 2003, 1588 (1589).<br />
162 Vgl. oben B. VI. 4.<br />
163 BT-Drs. 11/4528, S. 67 f.; Lipp, FamRZ 2004, 317 (322); ders.,<br />
Freiheit und Fürsorge, S. 164 f.; Schlüter, BGB-Familienrecht,<br />
Rn. 459.<br />
164 Dodegge/Roth – Roth, D, Rn.4.<br />
165 Schöllhammer, Patiententestament, S. 139.<br />
166 Schöllhammer, Patiententestament, S. 139.<br />
167 Lipp, DRiZ 2000, 231 (235).<br />
168 Lipp, DRiZ 2000, 231 (236).<br />
169 Lipp, DRiZ 2000, 231 (236); im Ergebnis auch MüKo-Schwab,<br />
§ 1904, Rn. 22.<br />
170 Dröge, BtPrax 1998, 199 (200); Schlüter, BGB-Familienrecht,<br />
Rn. 459 a.E.